Diskussion historischer Ereignisse 1968 !

Re: 1968 !
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf pea vom 16.04.2008, 06:53:49
@pea,
"Nimmt von Euch jemand an dem unten verlinkten Kongreß teil?"

Allein die Organisatoren reichen mir, um mit Sicherheit zu wissen, was sich da abspielt.

Hauptsponsor ist die "Junge Welt".
Sie schreibt über sich selbst:
"Die junge Welt ist eine linke, marxistisch orientierte, überregionale Tageszeitung.
Seit 1952 Tageszeitung, entwickelte sie sich bis 1989 zur auflagenstärksten der DDR. Kritischer und informativer als andere Medien erreichte die junge Welt eine hohe Popularität."

Allein die Bemerkung "Kritischer und informativer " ist ein Witz. Die JW war das Zentralorgan der FDJ und völlig kritiklos gegenüber der SED. ND- das Zentralorgan des Zentralkomm. der SED- und "Junge Welt" schrieben meist identische Artikel zu allen politischen Fragen.

Heute ist das einstige FDJ-Zentralorgan als Sammelbecken für ewig gestrige Linke, Verschwörungstheoretiker, hohe offizielle und informelle Mitarbeiter der Stasi sowie Exspione aus allen Teilen Deutschlands.
Auch andere Führungskräfte der "Jungen Welt" haben eine Vergangenheit als Spitzel. Der Ressortleiter Innenpolitik der "Jungen Welt", Peter Wolter, arbeitete als "Kundschafter des Friedens" und versorgte als Westjournalist die DDR mit Informationen. Er wurde dafür Mitte der 90er-Jahre zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Der ebenfalls rechtskräftig verurteilte Rainer Rupp, Kommentator im Bereich Außenpolitik, war einer der Topspione der DDR in Westdeutschland, Deckname "Topas".
Pikanterweise gehört ausgerechnet die Rehabilitierung des real existierenden Sozialismus und der Staatssicherheit zum erklärten Ziel des Blattes.
Ex-Stasigrößen organisieren mit Hilfe der JW Auftritte, bei denen die Opfer verhöhnt werden und die Täter glorifiziert.Nachrufe auf verstorbene Kameraden überschrieb man mit zynischen Sprüchen wie: "Im MfS und Spaß dabei".

--
klaus
hafel
hafel
Mitglied

Re: 1968 !
geschrieben von hafel
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 16.04.2008, 11:44:59
Klaus, das hat bestimmt pea alles nicht gewußt ))))))
--
hafel
pea
pea
Mitglied

2008 in Berlin?
geschrieben von pea
als Antwort auf hafel vom 16.04.2008, 12:05:29
Ach hafel,

dazu verlinke ich mal wiki

Die jW ist nur eine neben anderen Unterstützern - so auch der taz.

Ich habe da sehr ambivalente Gefühle
und viele der Protagonisten sind mir aus den letzten 30 Jahren
in der einen oder anderen Weise durch die eigene Biografie vertraut.

Alle möglichen Leute versuchen
sich den Mythos 68 anzueignen und zu vermarkten,
wofür auch immer...

Ich hatte sicher nicht damit gerechnet,
daß Du oder Klaus dort hinkommen.

Aber falls STler da sein sollten,
warum nicht mal auf ein Bier treffen?



--
pea

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hafel
hafel
Mitglied

Re: 2008 in Berlin?
geschrieben von hafel
als Antwort auf pea vom 16.04.2008, 12:29:52

So kann man/frau sich irren! Irrtümer schwimmen wie Stroh an der Oberfläche; wer nach Perlen sucht, muss tief tauchen. Du bist in zu flachen Gewässern )))))
--
hafel
pea
pea
Mitglied

Re: 2008 in Berlin?
geschrieben von pea
als Antwort auf hafel vom 16.04.2008, 12:39:17

... wer nach Perlen sucht, muss tief tauchen. Du bist in zu flachen Gewässern )))))




Ich war eigentlich auch auf Goldsuche
für Perlen-Tauchen bin ich viel zu alt.



--
pea
carlos1
carlos1
Mitglied

Re: Noch ein Beitrag ... auch mit einem persönlichen Statement
geschrieben von carlos1
als Antwort auf niederrhein vom 15.04.2008, 10:40:00
Hallo niederrhein, Eichmann wurde in Buenos Aires von einer israelischen Spezialeinheit festgenommen und nach Israel verbracht. Die Bundesrepublik war nicht eingeschaltet. Ich wollte nicht so ausführlich alles schreiben. Du sprichst von Aufarbeitung der Vergangenheit. Sie wird oft als Schlussstrich missverstanden. Aufarbeitung muss den Bann brechen, der von einem Vorgang ausgeht. Das kann nur durch Bewusstseinserhellung erfolgen. Dafür ist immer die Bereitstellung von Informationen notwendig, wofür die Historiker verantwortlich sind. Da kann lange dauern. Die Auswertung ist dann immer noch eine andere Sache. Wie alles bei denen ankommt, die es betrifft, das ist dann immer noch nicht geklärt. Du erwähnst, dass viele 68er aus Familien ehemaliger Nazis stammen. Diese Beobachtung habe ich auch gemacht. Ich enthalte mich aber jeglicher Schlussfolgerung. Marina erwähnt das Buch von Götz Aly, das ich nicht gelesen habe. Die Formulierung die 68er seien "Kinder des Totalitarismus" (oder so ähnlich), wie er meint, sollte man nicht in diesen Zusammenhang einordnen. Mit Sicherheit wollten die 68er das nicht sein. Ihr Verhalten ließ aber oft keinen anderen Schluss zu. Zu viel Schwärmerei, Eiferer- und Sektierertum bei einigen, nicht bei allen.

Adam meint, dass die Gesellschaft bereits erstarrt war und nicht im Begriff war zu erstarren wie ich schrieb. Dahinter verbirgt sich eine andere Bewertung der 50er und 60er Jahre und der Ausgangslage. Ich gehöre der sogenannten skeptischen Generation an. Als Kriegskind habe ich schreckliche Dinge erlebt. Den totalen Zusammenbruch, Flucht, Vertreibung, Bömben vorher. Die Hungerjahre, der Verlust jeglicher Sicherheit sind mir vertraut. Wir hatten das nackte Leben gerettet. Es konnte nur besser werden. Die um 1950 geborene Generation ist bereits in eine heile Welt hineingeboren worden. Für sie gab es bereits wieder einen funktionierenden Staat, der nicht viel genug tun konnte in den Augen der 68er. Ich war glücklich, dass ich endlich normalen Schulunterricht erhielt in einer Klasse mit 65 Schülern, dass der Hunger abnahm, dass keine Müllhalde nach Essbarem abgesucht werden musste oder ein abgeerntetes Kartoffelfeld. Der Frieden, besser: Nicht-Krieg, war wunderbar. Die Aufgaben nach dem Krieg waren ungeheuer. Über 20% Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, 8 Mio Flüchtlinge mussten eingegliedert werden. Sie wollten arbeiten, essen, sich kleiden, wohnen. Von der Dynamik der 50er Jahre machen wir uns keine Vorstellung. Wachstumsraten bis zu 20%. bei 4% Wachstum sprach man von Rezession. Die Gesetzgebung war mutig und nicht populistisch. In einer Situation wie der von 1949 ein umfangreiches Wohnungsprogramm aufzulegen, dann später das Lastenausgleichsgesetz, das die unmittelbaren ungleichen Kriegsfolgelasten etwas ausgleichen sollte, war geradezu tollkühn. Das sit Dynamik. Etwa 140 MRD DM sind bis in die 70er Jahre an die Betroffenen geflossen. Aufgebracht werden musste das Geld als Vermögensabgabe von denn, die weniger verloren hatten. Wo hat es Ähnliches in der Weltgeschichte nach einem verlorenen Krieg gegeben? Das Betriebsverfassungsgesetz wurde, so meine ich auch in den 50ern erstmals auf den Weg gebracht, ebenso die Montanmitbestimmung. In der Außenpolitik gab es die Auseinandersetzung um die Westbindung (Westverträge). Im Bundestag wurde gerungen und ich hörte mit am Radio. Was für brillante Redner da auftraten. Wehner, Adenauer, Ollenhauer, Kiesinger, Arndt, der unvergessliche Fritz Erler, Carlo Schmid, Strauß. Die Luft vibrierte, wenn sie sprachen. Dazu das sanfte langweilige Gesäusel heute im Vergleich. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft wurde mit den Römischen Verträgen aus der Taufe gehoben. Dynamik! Die Rentenversicherung wurde dynamisiert - zuviel des Guten, wir wissen es heute besser. Im Tourismusgewerbe wurde Anfang der 60er aufgefordert, schnell die letzten Ruinen zu besichtigen, bevor sie verschwänden.

Hinter der Fassade sah manches aber anders aus. Das Bildungssystem war nicht mehr zeitgemäß, die Vermögensverteilung zeigte restaurative Tendenzen. Die Regierungsparteien sahen den Staat als den ihren an. Demokratie aber ist immer Herrschaft auf Zeit. Das Gewürge um den Rücktirtt Adenauers begann nach der BT-Wahl im Spetember 1961. 1959 hatte er Alte die Verfassung nicht richtig gelesen udn wollte selber budnespräsident werden. Nach Aufklärung des Irrtums gab es den Rückzieher. Eine Weiterentwicklung war nur durch Reformen möglich. In der Hektik der Aufbaujahre war auch in der Öffentlichkeit verdrängt worden, was im Krieg geschehen war. Es gab entschieden restaurative Tendenzen.

Für mich war mit dem Jahr 1968 (+/-) das Ende der Nachkriegszeit erreicht. Die Vorstellung man hätte nach 1945 vieles besser machen müssen, geht an der Wirklichkeit vorbei. Nach dem Krieg, in der Phase des Wiederaufbaus, hatten die primären Bedürfnisse(Unger, Wohnen, Kleidung) Vorrang und es musste schnell gehandelt werden. An Partizipation war zunächst niemand gelegen. Man wollte den Hungers stillen und nicht disktieren über die Zukunft. Raus aus dem Dreck, da war die Losung. Eine Neuordnung des Bildungssystems, worum es den Studenten von 68 wesentlich auch ging, war noch nicht zeitgemäß.

Für mich stand in den 50er Jahren immer der neue Staat im Vordergrund. Es war für mich wichtig, dass wir nicht mehr nur Objekt waren und den Siegern ausgeliefert. Mit meinem Vater habe ich mich oft gestritten über den deutschen Widerstand. Er stand in der Tradition des deutschen Protestantismus deshalb galt für ihn die Obrigkeit als von Gott verordnet, auch ein Diktator wie Hitler (Römer 13). Ich vertrat die Auffassung von der Legalität des Tyrannemords, berief mich auf Luther und sein Auffassung, dass im Vertrauen auf Gottes Gnade auch gesündigt werden dürfe (pecca fortiter). Es gab sehr hitzige Wortgefechte.

Im übrigen haben mich die außenpolitischen Entwicklung, das atomare Patt, die Atomtests mit russischen 50 Megatonnenbomben auf Novaja Semlja dann vor allem die Berlin-Krise nach dem Chruststhow-Ultimatum vom November 1958, der Vietnamkrieg eher am Rande, dann vor allem die Kubakrise, bei der die Welt am Abgrund stand, die schrecklichen Atomtests mit einem radioaktiven Fallout stärker als bei Tschernobyl 1986, viel entscheidender als die Studentenrvolte mit ihren nebulosen irrealen Motiven und Zielsetzungen. Ich habe Freud damals gelesen und Wilhelm Reich,den Psychoanalytiker, der die totale sexuelle Befreiung forderte, aber die eigentliche Problematik sah ich nicht im Zusammenhang mit der sexuellen Befreiung. Ende der 60er Jahre, bereits in der Großen Koalition mit Willy Brandt und Kiesinger, zeichnete sich die neue Ostpolitik ab. Das war etwas ganz Neues. Vorbereitet wurde sie durch die Veränderungen in Washington. Die Kubakrise hatte mir gezeigt, dass die sowjetische Führung am Frieden interessiert war und dass die friedliche Koexistenz ein Weg dahin war. Wenn Washington und Moskau sich bewegten, dann konnte man in Bonn nicht querschießen, Berliner Mauer hin oder her.

Hafel weist darauf hin, dass gerade in den ehemaligen Achsenmächtestaaten Dtld, Italien und Japan die Studentenrevolte in den Terrorismus mündete:
"Es war der Beginn einer Logik, die zu den tödlichen Folgen geführt hatte. Damals entstanden drei starke Netzwerke: in Italien, in Japan und in Deutschland. War das ein Zufall? Nein, es waren auch die „Achsenmächte“ des Zweiten Weltkrieges.... Hier gab es dringend Aufarbeitung. ..."

Auch in Frankreich gab es einen Faschismus. Mit der action directe auch eine Organisation. An Spanien darf auch erinnert werden und das Francoregime. Dort äußert(e) sich der Terror in Form des baskischen Separatismus. Übrigens kamen Terroristen auch aus anderen Kontinenten, wie etwa der berüchtigte Carlos. Auch in Frankreich gab es einen Faschismus. Mit der action directe auch eine Organisation. Die These, dass Terrorismus Faschismus zur Voraussetzung oder Bedingung haben muss, leuchtet mir nicht ein.
c.




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niederrhein
niederrhein
Mitglied

Und weiter geht's ... 1968 ... vielleicht eine
geschrieben von niederrhein
als Antwort auf niederrhein vom 15.04.2008, 17:56:09
Und weiter geht's ... 1968 ... vielleicht eine "Unendliche Geschichte"?


Nun wird ja die 68er-Bewegung – nicht zuletzt aufgrund der medialen Erinnerung und Reflexion (Wird wirklich reflektiert oder handelt es sich mehr oder ausschließlich um ein Publikumspektakel mit dem Ziel hoher Zuschauerquoten?) – vorwiegend als ein Ereignis der Straße und der Universitäten gesehen, flankiert vom familiär-pubertären Protest gegen Konventionen etc.
(Es wäre interessant, für wie viele Menschen – prozentual gesehen – das Geschehen vorwiegend oder ausschließlich politische Dimensionen hatte und hat!), wobei die Popmusik gleichsam die Begleitmusik oder gar die Leitmusik spielte.
(Zur Popmusik 1967 ff. – ein Beitrag bzw. eine Frage von mir in der Musikabteilung des ST-Forums)


Es sei aber ein kleiner Hinweis gegeben, daß aber auch im Bereich der sogenannten E-Musik Protest und ein (auch oder vor allem) kompositorisches Aufbegehren stattfanden.
Man spricht von den „Jungen Wilden der siebziger Jahre“ (so u.a. Wolfgang Rihm, Manfred Trojahn, Hans-Jürgen von Bose, Wilhelm Killmayer, Helmut Lachenmann, Josef Anton Riedl).

In diesem Zusammenhang ein Verweis auf Hans Werner Henzes „Oratorium“ Das Floß der Medusa (1968), wo u.a. Che Guevara als Bühnenfigur erscheint.
Im Finale wird auf den Vietnam-Krieg hingewiesen, wobei Henze das skandierte „Ho – Ho – Ho Chi-Min“ als rhythmische Figur in den Schluß einbaute.

(Zur Geschichte des „Floßes“: Nachdem 1816 das Kriegsschiff Medusa auf einer Sandbank strandet, setzen sich die Offiziere in Rettungsbooten ab und lassen Mannschaften und Passagiere (u.a. Frauen und Kinder) zurück, die sich z.T. auf einem Floß zu retten versuchen, auf dem sie, trotz Kannibalismus, verhungern und verdursten.
Siehe auch das Genälde Das Floß der Medusa (Le radeau de la Méduse) von Théodore Géricault.)


Zur einer eigentlichen Premiere des Oratoriums kam es nicht:
Die Uraufführung geriet zu einem Skandal. Sie war am 9. Dezember 1968 in Hamburg vorgesehen (Solisten Edda Moser und Dietrich Fischer-Dieskau, Charles Regnier (Sprecher), Dirigent Hans Werner Henze). Eine Woche vor der Uraufführung begann die Presse (nicht nur die Springerpresse!) eine Kampagne gegen Werk und Komponisten, so daß Einsatzkommandos der Polizei für die geplante Uraufführung in Bereitschaft standen.
Nachdem irgend jemand eine rote Fahne am Podium angebracht hatte, weigerten sich die Mitglieder des RIAS-Kammerchors zu singen, worauf Henze das Podium verließ. Danach brach Tumult im Saal aus, die Einsatzkommandos griffen ein, wobei sich Besucher untereinander und Besucher und Polizei miteinander prügelten. Das rote Fähnchen wurde zerrissen, der Textautor Ernst Schnabel wird durch eine Glastür geworfen.
Im Radio übertrug inzwischen der NDR einen Mitschnitt der Generalprobe.

Es war halt doch lustig 1968 ... leider war ich in Hamburg (mit der Kamera) nicht dabei ...

Die Bertha
vom Niederrhein


P.S. Persönlicher Kommentar: Schade, schade, daß die Medien in und mit ihrer Retrospektive (hier wäre doch der NDR gefordert!) jene „Uraufführung“ nicht im Fernsehen übertragen ...

P.P.S. Auch schade, daß Georg Kreisler diesbezüglich nicht einen Opernboogie „2“ komponierte ...
(Sie werden doch hoffentlich Kreislers Opernboogie (1) kennen?)

http://community.seniorentreff.de/storage/pic/userbilder/a30f1d57825f100a5a9ba38c76fffe20/2008-04-14laufendesarchiv/65411_1_2008-04-14___laufendes_Archiv.jpg[/img]
Diese Aufnahme ist offensichtlich vergriffen ...

Immerhin gibt eine CD mit dem Titel:
[i]Musik in Deutschland 1950-2000 - Politische Oratorien
, auf sich u.a. folgende Austüge finden:
+Dessau: Requiem für Lumumba
+Henze: Das Floß der Medusa (Ausz.)
+Hufschmidt: Meissner Te Deum (Ausz.)

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