Digitale Fotografie Bildergalerie "Frühling lässt sein blaues Band..."
Mit Dank für die schönen Bilder -
als verbales Intermezzo: der Text und Interpretation zum Zitat:
Eduard Mörike:
Er ist's.
Frühling läßt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
– Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist’s!
Dich hab’ ich vernommen!
*
Aus: E. M.: Werke und Briefe. Historisch-kritische Gesamtausgabe. Bd. 1,1: Gedichte.(Nach der Ausgabe von 1867). Erster Teil: Text. Hg. v. Hans-Henrik Krummacher. 2003. S. 41.
„Er ist’s“ dürfte eines der bekanntesten Gedichte Mörikes sein, vielleicht sogar sein bekanntestes, und es ist zugleich eines der prominentsten deutschsprachigen Frühlingsgedichte; das ‚blaue Band’ der ersten beiden Zeilen hat nachgerade sprichwörtlichen Charakter bekommen. Dabei verweist die Naturszenerie des Gedichts, in dem die Veilchen „träumen“ und erst noch – „balde“ – kommen wollen, deutlich auf Vorfrühling.
Dafür spricht auch die Entstehung. Mörike schrieb das Gedicht im frühen März, genauer: am 9. März 1829.
Im Roman "Maler Nolten" wurde es 1832 erstmals veröffentlicht; ein Mädchen singt das „Liedchen“ bei den „ersten Gartenarbeiten“. Hier fehlt noch die Überschrift, dafür wird die vorletzte Zeile wiederholt. So hat Mörike das Gedicht auch in seine erste Sammlung aufgenommen, nunmehr freilich mit dem Titel versehen, der mit der vorletzten Zeilen durch Reim verbunden ist; in den späteren Ausgaben der Gedichte fehlt dann die Wiederholung dieser Zeile. Erwartung, ‚Ahnung’ und deren Erfüllung – oder eher noch: das Versprechen der Erfüllung – bestimmen das Gedicht. In der Anrede des Frühlings in den letzten Zeilen wird beglaubigt, dass der Traum der Veilchen Wirklichkeit wird, dass Ahnung und Wunsch wahr werden: Der Frühling kehrt wieder. Der Moment der Identifizierung wird eindringlich hervorgehoben; der „Harfenton“, an dem der Frühling erkannt wird, steht am Ende der längsten Zeile des Gedichts, die – im Unterschied zu den sonst vier- oder dreihebigen Zeilen – fünfhebig ist. Diese Zeile, an deren Anfang die Aufforderung steht zu hören („Horch“), beschließt in dem Spiel von Erwartung und Erfüllung einen Wahrnehmungs-, ja Erkenntnisprozess, den Mörike höchst kunstvoll inszeniert hat. Am Anfang des Gedichts erscheint der Frühling als eine Art Genius, als allegorische Verkörperung des Neubeginns im Jahreslauf. In der sich steigernden, durchaus synästhetischen Wahrnehmung (sehen, riechen, hören) wird die abstrakte Benennung des Frühlings zur konkreten Erfahrung. Zugleich verwendet Mörike traditionelle poetische Möglichkeiten der Darstellung des Frühlings, so die mythologische Figur des Zephyrs am Beginn des Gedichts oder die empfindsamen Elemente des Veilchens und des Harfentons.
Im Ausruf des Sprechers am Ende des Gedichts werden Allegorie und literarische Topoi gleichsam zu Wirklichkeit. Oder anders: Die Poesie bewährt sich in der ‚Wirklichkeit’, mehr noch: sie erschließt, in der sprachlichen Gestaltung der Erfahrung, überhaupt erst die Welt. Und dazu gehört, dass Moment der Identifizierung des Frühlings ein Moment der Kunst ist; nicht ein Naturton, der Ton der Harfe vielmehr, eines menschlichen Instruments, bewirkt die Erkenntnis.
(Kommentar von Reiner Wild)
Aus dem Mörike-Kalender der MG:
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longtime
als verbales Intermezzo: der Text und Interpretation zum Zitat:
Eduard Mörike:
Er ist's.
Frühling läßt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
– Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist’s!
Dich hab’ ich vernommen!
*
Aus: E. M.: Werke und Briefe. Historisch-kritische Gesamtausgabe. Bd. 1,1: Gedichte.(Nach der Ausgabe von 1867). Erster Teil: Text. Hg. v. Hans-Henrik Krummacher. 2003. S. 41.
„Er ist’s“ dürfte eines der bekanntesten Gedichte Mörikes sein, vielleicht sogar sein bekanntestes, und es ist zugleich eines der prominentsten deutschsprachigen Frühlingsgedichte; das ‚blaue Band’ der ersten beiden Zeilen hat nachgerade sprichwörtlichen Charakter bekommen. Dabei verweist die Naturszenerie des Gedichts, in dem die Veilchen „träumen“ und erst noch – „balde“ – kommen wollen, deutlich auf Vorfrühling.
Dafür spricht auch die Entstehung. Mörike schrieb das Gedicht im frühen März, genauer: am 9. März 1829.
Im Roman "Maler Nolten" wurde es 1832 erstmals veröffentlicht; ein Mädchen singt das „Liedchen“ bei den „ersten Gartenarbeiten“. Hier fehlt noch die Überschrift, dafür wird die vorletzte Zeile wiederholt. So hat Mörike das Gedicht auch in seine erste Sammlung aufgenommen, nunmehr freilich mit dem Titel versehen, der mit der vorletzten Zeilen durch Reim verbunden ist; in den späteren Ausgaben der Gedichte fehlt dann die Wiederholung dieser Zeile. Erwartung, ‚Ahnung’ und deren Erfüllung – oder eher noch: das Versprechen der Erfüllung – bestimmen das Gedicht. In der Anrede des Frühlings in den letzten Zeilen wird beglaubigt, dass der Traum der Veilchen Wirklichkeit wird, dass Ahnung und Wunsch wahr werden: Der Frühling kehrt wieder. Der Moment der Identifizierung wird eindringlich hervorgehoben; der „Harfenton“, an dem der Frühling erkannt wird, steht am Ende der längsten Zeile des Gedichts, die – im Unterschied zu den sonst vier- oder dreihebigen Zeilen – fünfhebig ist. Diese Zeile, an deren Anfang die Aufforderung steht zu hören („Horch“), beschließt in dem Spiel von Erwartung und Erfüllung einen Wahrnehmungs-, ja Erkenntnisprozess, den Mörike höchst kunstvoll inszeniert hat. Am Anfang des Gedichts erscheint der Frühling als eine Art Genius, als allegorische Verkörperung des Neubeginns im Jahreslauf. In der sich steigernden, durchaus synästhetischen Wahrnehmung (sehen, riechen, hören) wird die abstrakte Benennung des Frühlings zur konkreten Erfahrung. Zugleich verwendet Mörike traditionelle poetische Möglichkeiten der Darstellung des Frühlings, so die mythologische Figur des Zephyrs am Beginn des Gedichts oder die empfindsamen Elemente des Veilchens und des Harfentons.
Im Ausruf des Sprechers am Ende des Gedichts werden Allegorie und literarische Topoi gleichsam zu Wirklichkeit. Oder anders: Die Poesie bewährt sich in der ‚Wirklichkeit’, mehr noch: sie erschließt, in der sprachlichen Gestaltung der Erfahrung, überhaupt erst die Welt. Und dazu gehört, dass Moment der Identifizierung des Frühlings ein Moment der Kunst ist; nicht ein Naturton, der Ton der Harfe vielmehr, eines menschlichen Instruments, bewirkt die Erkenntnis.
(Kommentar von Reiner Wild)
Aus dem Mörike-Kalender der MG:
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longtime
Re: Richard41 zum Gedenken
Das "blaue Band" ist endlich eingeflattert
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luchsi35
Re: Richard41 zum Gedenken
noch etwas Blau...........
n.
Das Leben geht immer weiter.............
Liebe Grüße
Sylvie
Liebe Grüße
Sylvie