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Die Kleine Kneipe Die Kleine Kneipe Nr. CXXIX (Nr. 129)

luchs35
luchs35
Mitglied

Re: Die Kleine Kneipe Nr. CXXIX (Nr. 129)
geschrieben von luchs35
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 10.11.2011, 23:20:17
Jetzt klettere ich mal ganz leise aus dem Mastkorb runter. Dort habe ich friedlich die Geschichte von Trux gelesen und werde mich gleich mit Mäck, dem vagabundiernden Maler in meine Träume verziehen.

Noch knistern die Holzscheitreste im Kamin, nur mein Rotwein ist etwas zu warm geworden- ich habe vor lauter Spannung zu trinken vergessen. Nett, dass ich noch nicht ganz allein vor dem langsam erlöschenden Feuer sitze. Roseluise, Meli, Chris und Zwecke kauern neben mir und starren muxmäuschenstill in ihre fast leeren Gläser. Wie lange wohl schon? Ich sehe ihnen an, dass sie sich auch von Mäck verzaubern ließen - aber nix da, in meinen Träumen war er zuerst.

Und natürlich kann Nordie es mal wieder nicht lassen, mir die Puschel an meinen Ohren plattzukämmen. Er trinkt natürlich wieder diesen nordischen Bierersatz und hat keinen Hauch von Poesie in den Augen,sondern will Zwecke in Cellophan einwickeln und mit Schleifchen verschenken.

Aber vielleicht summt er auch gerade mit Humperdincks Hänsel eine Gretel an, die an einem Lebkuchen knabbert und nicht ahnt, wer da hinter dem Fenster der kleinen Hütte lauert und auf einen fettgemästeten Hänsel scharf ist.

So, nun ist Mittnacht. Ich blinzle verstohlen Mäck zu, verabschiede mich höflich von den Mädels. Sie sollen sich nur keine Illusionen machen - Mäck steht schon auf der Schwelle meines ganz romantischen Traumes.

Copyright: Luchsi
Re: Die Kleine Kneipe Nr. CXXIX (Nr. 129)
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf luchs35 vom 11.11.2011, 00:05:55
Ich wusste ja, dass ich noch diesen vermaledeiten Silberblick aus meiner Kindheit habe.

Immer, in diesen ruhigen entspannten Phasen, wenn ich mich zurücklehne und den lieben Gott einen frommen Mann sein lasse, taucht er auf und dann werden falsche Schlüsse gezogen auf die Blickrichtung.
Das kann manchmal ganz schön peinlich sein.

Ich starre nicht in mein leeres Glas – es ist doch immer halbvoll – sondern ich träume in die Holzscheite im Kamin, welche sonderbare Fabelwesen bilden, goldrot glühend, das Holz in verschiedenste Rechtecke geschichtet, welche von schmalen Rändern umrandet sind, aus denen kleinste Flammen züngeln. Aus den zerstörten Scheiten bilden sich Krokodile, Gnome, Feen im tanzenden Rauch. Es war wieder ein feuchtes Stück Holz dabei!

Ich höre die Musik des Feuers, leises Krachen und Veränderung der Bühne im Kamin und der Akteure, die mein Hirn hervorbringt in den langen Nächten, wenn der Wind draußen heult.
In meinem Tagtraum steige ich die Treppe zum Kämmerlein nach oben. Dort ist Ruhe eingekehrt, die Kinder schlafen.
Leise Gitarrenklänge dringen an mein Ohr, tiefer Frieden breitet sich in mir aus.
Denn der Reichtum des Menschen beginnt mit einem festen Dach über dem Kopf und einem Feuer im Kamin.
Dies habe ich bei Emerson gelesen und an jedem Feuer muss ich daran denken, so wie an das Haus, dessen Besitzer doch verreist ist und in dem die Kinder schliefen.

Doch jetzt tauche ich aus meinen Träumen auf, verabschiede sie dankbar, nehme mein Schultertuch, ziehe es bis über die Ohren hoch, drücke Roseluise den Schlüssel in die Hand (sie kennt den entsprechenden Blumentopf), nehme der fast schlafenden Zwecke die Krümelkekse aus der Hand und stecke sie mir in den Mund.
Dann winke ich rauf zum Stern des Nordens, der in seinem Mastkorb eingenickt ist und schleiche mich leise zur Tür hinaus.
Es ist Zeit schlafen zu gehen.
Leise summend wandere ich unter einem vollen Mond nach Hause. Die Straßenlampen haben schon den Zeitpunkt der städtischen Sparmaßnahmen erreicht und sind erloschen, was mir einen wundervollen Sternenhimmel beschert.

Lächelnd denke ich an Luchsi und ihren romantischen Traum.
Sie hat vergessen, sich den anderen Namen zu geben.
Ania, das war es – und egal, was sie träumt, Ania ist in den Träumen von Mäck.

Ania ist der Schlüssel, und diesem wird Mäck folgen, so lange er kann.
Ich kann mir kein Happy end vorstellen – nein, das geht nicht. So eine große Liebe wird nicht die Erfüllung finden mit Kind und Haus und Garten, Geldsorgen, Suff und was zum menschlich, männlich – weiblichen Leben offenbar immer noch gehört.

Hat nicht jeder so eine bittersüße Erinnerung an eine große Liebe, die um so größer wird, weil unerfüllt?
Doch darüber werde ich morgen nachdenken, nicht mehr jetzt. Morgen ist auch noch ein Tag – doch ich bin nicht Scarlett O’Hara.

Nichts geht verloren, morgen sind die Scheite ausgeglost und weiße saubere Asche hat sich gebildet, die auch ihre Bestimmung haben wird.

Gute Nacht

© Meli Franzen

chris
chris
Mitglied

Re: Die Kleine Kneipe Nr. CXXIX (Nr. 129)
geschrieben von chris
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 11.11.2011, 02:16:23
Die Stille

Hörst du Geliebte, ich hebe die Hände -

hörst du: es rauscht...

Welche Gebärde der Einsamen fände

sich nicht von vielen Dingen belauscht?

Hörst du, Geliebte, ich schließe die Lider

und auch das ist Geräusch bis zu dir.

Hörst du, Geliebte, ich hebe sie wieder......

... aber warum bist du nicht hier.



Der Abdruck meiner kleinsten Bewegung

bleibt in der seidenen Stille sichtbar;

unvernichtbar drückt die geringste Erregung

in den gespannten Vorhang der Ferne sich ein.

Auf meinen Atemzügen heben und senken

die Sterne sich.

Zu meinen Lippen kommen die Düfte zur Tränke,

und ich erkenne die Handgelenke

entfernter Engel.

Nur die ich denke: Dich

seh ich nicht.


Rainer Maria Rilke

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo und guten Morgen Kleine Kneipe!

Meli und Luchsi, schöne eure Gedanken heute morgen noch zu lesen.
Ja, Trux versteht es uns zum Träumen zu bringen, alte Erinnerungen
wach zu rufen und so manches romantische Stündchen und manches Quentchen
Glück wieder zu finden in unseren Gedanken. Gefesselt sassen wir alle
um Trux und haben es dann bedauert, dass er plötzlich ganz still war.

Ich wünsche einen schönen Tag an alle.


Chris












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Re: Die Kleine Kneipe Nr. CXXIX (Nr. 129)
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf luchs35 vom 11.11.2011, 00:05:55

Und natürlich kann Nordie es mal wieder nicht lassen, mir die Puschel an meinen Ohren plattzukämmen. Er trinkt natürlich wieder diesen nordischen Bierersatz und hat keinen Hauch von Poesie in den Augen,sondern will Zwecke in Cellophan einwickeln und mit Schleifchen verschenken.


Es gibt nix, Tigerle, was ich lieber täte....



Edit: Das nordische Bier ist das Original.

nordstern
Re: Die Kleine Kneipe Nr. CXXIX (Nr. 129)
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf chris vom 11.11.2011, 06:33:22
Da reibe ich mir den Schlaf aus den Augen, was war das für eine aufregende still verträumte Nacht!

Danke Trux!

Guten Morgen - oh, offensichtlich haben Roseluise und Zwecke den Weg nach Hause gefunden. Alles blinkt und winkt dem hellen Tag ein Willkommen entgegen.

Da setze ich mich doch gern zum Frühstück nieder und das darf heute ein wenig kräftiger ausfallen.
Die Brezel können sich Luchsi und die Zwecke teilen.

Dann werde ich mich jetzt langsam meinen täglichen kleinen Pflichten widmen, schöne Musik dabei hören und all die Träume noch ein wenig nachschimmern lassen.

Meli

Überfließende Himmel - Herbsttag - Rainer Maria Rilke
Re: Die Kleine Kneipe Nr. CXXIX (Nr. 129)
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 11.11.2011, 09:19:34
Guten Morgen

Ja, meli, ich habe gut ins Bett gefunden
und auch wunderbar geschlafen.

Und nun hier bereits zweifach Rilke zum Frühstück,
was für ein Morgen!

Fontane hat mal gesagt:

"Es ist ein Unsinn, jungen Leuten immer mit dem "Besten" zu kommen. 
Man hat in das Beste hineinzuwachsen, und das dauert oft recht lange. 
Vor allem ist es ganz unnatürlich, mit Goethe zu beginnen."


Nun also Rilke,
wobei ist er natürlicher als der alte Goethe?
In Rilke hineinzuwachsen scheint mir auch nicht einfacher.

Aber ich bin schon in so viele Richtungen gewachsen,
da schaffe ich das auch noch,
und so jung bin ich ja auch nicht mehr, also...

Allen einen guten Tag

roseluise


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luchs35
luchs35
Mitglied

Re: Die Kleine Kneipe Nr. CXXIX (Nr. 129)
geschrieben von luchs35
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 11.11.2011, 09:19:34
Nun reibe ich mir die letzten Kekskrümel aus den Augen und schau ziemlich verdutzt auf die "dichterischen Ergüsse" der vergangenen Nacht. Wer - zum Henker - hat uns da heimlich was in die Gläser geschüttet ?? Und richtig: Mäck hat sich aus meinem Traum verdrückt und hängt sicher wieder bei Ania rum. Der wird schon noch merken, was er davon hat!

Aber jetzt erst mal guten Morgen- ob er gut wird, weiß ich noch nicht. Habe mir schnellsten die Brezel gesichert. Nicht- dass ich sie nicht gerne mit Zwecke teilen würde, aber sie krümelt ja doch wieder alles voll, das muss verhindert werden! Chris, du musst jetzt krümelfreie Brötchen backen lassen.

So ganz wach bin ich noch nicht, wahrscheinlich hat mich nur das Cellophangeknister geweckt- Nordie war so sauer, weil er die Schleife nicht gebunden gekriegt, sein Original-Nordbier nach Wasser geschmeckt hat und die Mädels in ihren eigenen Betten geschlafen haben

Eben sehe ich aus der Ferne Mariechen anschleichen- und ich winke ihr noch huldvoll zu und mache schnellstens Platz....sie wird nur noch den Kopf schütteln können

Luchsi

PS.: Sehe gerade noch, auch Roseluise, das Luisle, hat die Nacht gut überstanden und hält sich an Herrn Rilke fest...
trux
trux
Mitglied

Re: Die Kleine Kneipe Nr. CXXIX (Nr. 129)
geschrieben von trux
als Antwort auf chris vom 11.11.2011, 06:33:22
Grausam, die schreckliche Bootsmaatspfeife "mitten in der Nacht." Was dann damals folgte weiß jeder Seemann: Der langgezogene Weckruf:

Reise reise aufsteh’n! Seemann, leg die Socken klar, die Waschfrau von Laboe ist da. Kommt hoch ihr müden Leiber die Pier steht voller nackter Weiber. Seemann heb Dein Arschgewicht, das Ehrenmal von Laboe in Sicht. Seemann du musst dich sputen, hast nur noch fünf Minuten. Reieieieise, reieieieise aufstehhhhhnnnn.

Ich danke euch, ihr Lieben, die ihr mich gestern mit euren Geschichten unterstützt habt. Meine Geschichte sind Ausschnitte aus dem Roman "Der Goldene Ring", die daher viele Fragen offenlassen. Ich sollte zur Orientierung das Vorwort zum Roman einstellen, aber bitte, bitte, nicht erschrecken.

VORWORT

Heute, im Jahre 2009, hört der vorübergehende Besucher nicht mehr das Stöhnen und Ächzen des ehemaligen Galiziens, das jetzt teilweise zu Polen und teilweise zur Ukraine gehört. Er sieht die blut- und tränengetränkte Erde nicht, die schwerbeladen mit missachteten Menschenrechten des II. Weltkrieges tiefer unter seinen Füßen liegt und jetzt überwachsen ist. Vorsicht ist beim Öffnen der Oberfläche geboten. Man schütze sich vor den niederen menschlichen Instinkten, Auslöser der Tragödien, die hochsteigen und sich in den Gehirnen vermehren könnten, denn keiner soll sich einbilden, dass sie nicht mehr existieren. Ein „Nichts“ gibt es nicht auf dieser Welt. Die Schuldigen waren Menschen, egal ob Deutsche, Polen, Ukrainer oder Sowjets. Leidtragende waren Familien, waren Mütter mit ihren Kindern, Wehrlose, waren Alte, waren Juden oder Angehörige der sogenannten Intelligenz, die von Menschen misshandelt, deportiert oder organisiert ermordet wurden. Ob in Lemberg auf dem Prospekt Swobody, auf den Straßen von Przemysl und Nisko, oder an den Ufern des mächtigen Flusses San, an vielen Stellen findet man Schändliches gleich unter der Oberfläche. Gräbt man in Przemysl noch einen Spatenstich tiefer, stößt man auf den Geist von Verstorbenen aus dem I. Weltkrieg, ein Geist, der zwar komplizierter zu beschreiben ist, doch auch Auslöser vom gewaltsamen Töten war.

Wie der Zufall so spielt, ist mir ein Buch meines Namenvetters Otto G. antiquarisch in die Hände gekommen. Es ist ein Loblied auf deutsche, heldenhafte Soldaten im I. Weltkrieg. Ab Seite 99 schreibt er von der Einnahme der galizischen Festung Przemysl.

Größte Vorsicht ist auch vor diesem Geist geboten. Er ist noch existent, denn wie gesagt: „Nichts“ gibt es nicht auf der Welt und das Wort Heldentum ist belastet. In dieser Gegend spielt nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion der Roman „Goldener Ring“. Der Protagonist ist Marek Podszowski, Vertraute nennen ihn Mäck, Außenstehende oft „Der Graue“.
Mäck, in der polnischen Armee als Kartograph und Topograph ausgebildet, kennt sich im Grenzgebiet zwischen Polen und der Ukraine gut aus, er hat seine zeichnerischen Fähigkeiten zum Fälschen von Banknoten genutzt und jahrelang in Gefängnissen seine Schuld verbüßt. Nach der Entlassung bleibt ihm nur das Obdachlosenlager „Goldener Ring“, das an der polnisch-ukrainischen Grenze liegt. Eine gleichfalls Obdachlose, die ebenfalls nach einer längeren Gefängnisstrafe im „Goldenen Ring“ untergekommen ist und ihren Lebensunterhalt durch Betteln bestreitet schafft es, ihn für einen Wiederaufstieg ins normale Leben zu motivieren. Doch der Weg zurück in die Normalität ist lang und gefährlich.

Mit Mut, männlicher Kraft und Spontaneität nimmt Mäck den Überlebenskampf noch einmal auf. Schwierigkeiten sind allgegenwärtig. Er muss lernen, seine Vorstellungswelt mit der Realität in Einklang zu bringen. Im Gefängnis igelte er sich psychisch ein, verkapselte seine Seele, so dass die ständigen Erniedrigungen nicht mehr durchdringen konnten. Seine Phantasie hilft ihm, die Zeit zu bewältigen. Doch jetzt, draußen im richtigen Leben, muss er zurückkommen und das ist schwierig. Immer wieder wird er überrascht, weil seine Vorstellungen mit der Realität nicht übereinstimmen.
Neue Wissensgebiete und zwischenmenschliche Beziehungen erweitern seinen Horizont und damit seine Denkweise. Noch lebende Zeitzeugen erzählen ihm von den Grausamkeiten der Deutschen und von denen der Sowjets vor und hinter der Demarkationslinie, die der San von 1939-1941 zwischen Deutschen und Sowjets bildete. Er erfährt von den schlimmen Folgen des Krieges der Deutschen gegen die Sowjetunion, der am 22. Juni 1941 beginnt, von Tragödien, Vertreibungen, Verwüstungen, von Mord und Totschlag.

Der Roman bleibt vorerst in meinem Schrank. Mit dem Vorwort zum Roman beende ich das Herauskopieren einzelner Auszüge.
Trux




luchs35
luchs35
Mitglied

Re: Die Kleine Kneipe Nr. CXXIX (Nr. 129)
geschrieben von luchs35
als Antwort auf trux vom 11.11.2011, 09:39:55
Nun hat Mäck ein echtes Gesicht bekommen, Trux, dein Vorwort hat ihn aus seiner fiktiven Rolle befreit und ihm echtes Leben gegeben. Er sollte aus deiner Schublade befreit werden und den Weg in die Öffentlichkeit finden. Aber ich weiß aus Erfahrung ,wie schwer dieser Weg ist. Deshalb danke, das du uns ein bisschen mitlesen lässt. Wer weiß, vielleicht findet das Manuskript doch noch seinen Weg in die Öffentlichkeit - ich drücke dir mal die Daumen.

Luchsi
omaria
omaria
Mitglied

Re: Die Kleine Kneipe Nr. CXXIX (Nr. 129)
geschrieben von omaria
als Antwort auf luchs35 vom 11.11.2011, 09:55:50
Guten Morgen - heute fehlen mir die Worte...

Schon so viel geschrieben, nachgedacht, gewünscht, geträumt, gesponnen...

Für alle unerfüllten Sehnsüchte zünde ich eine Kerze an:

um 11:11 Uhr!

omaria

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