Biowissenschaften Häufige Fragen zur Genetik
"Prozentangaben" für die Ausprägung eines Merkmals bei einem Individuum, sind irreführend. Umwelt mal Erbanlagen beschreibt die Situation für Individuen besser. Es handelt sich bei unseren Merkmalen, eben auch bei der Intelligenz, um etwas, was weder ohne das eine, noch ohne das andere überhaupt existieren würde. Bei einem Produkt ist das Ergebnis null, wenn einer der Faktoren null ist.
Lieber Karl,
die Vorstellung, dass jeder Mensch das Produkt seiner "Erbanlagen" multipliziert mit dem Faktor Umwelt ist, gefällt mir gut. Es bedeutet nämlich, dass das Endergebnis umso besser wird, je größer man den Umweltfaktor (Zuwendung/Liebe, Förderung) wählt.
Realistischerweise muss man aber zugeben, dass dem Erfolg trotzdem Grenzen gesetzt sind - sonst müsste man bei genügend großem „Faktor Umwelt“ aus jedem Menschen ein kleines Genie machen können. Der „Faktor Erbanlagen“ bremst das Endprodukt irgendwann aus, egal wie sehr man den variablen „Faktor Umwelt“ vergrößert.
Ich bin gegen die Verwendung des "Erblichkeitsbegriffs" weil .....
Durch deine Erklärungen kann ich deine Abneigung gegen diesen Begriff nachvollziehen. Welchen Begriff würdest du denn vorschlagen, den man in der Umgangssprache benutzen kann und der deiner Meinung nach trotzdem den Sachverhalt richtig wiedergibt?
Wie ich schon in meinem letzten Beitrag schrieb, können wahrscheinlich die meisten nichts mit „genotypischem Varianzanteil an der Gesamtvarianz“ anfangen. Ich hätte ohne deine Nachhilfe auch nicht gewusst, was damit gemeint ist.
Edit: Wie würde dir statt "Erbanlagen" "eigene Anlagen" gefallen?
Lalelu
Realistischerweise muss man aber zugeben, dass dem Erfolg trotzdem Grenzen gesetzt sind - sonst müsste man bei genügend großem „Faktor Umwelt“ aus jedem Menschen ein kleines Genie machen können.Bei einem Produkt, sind alle Faktoren gleich mächtig. 0 x 1 000 000 000 ergibt Null. Natürlich sind die Gene wichtig. Bei der ganzen Diskussion, die ich führe, geht es nicht darum zu behaupten, dass Individuen alle genetisch identisch wären, sondern um die "rassistische" Behauptung, dass Gruppenunterschiede im IQ genetisch zu erklären seien. Wenn dies aufgrund der hohen "Erblichkeitswerte" innerhalb der Gruppen behauptet wird, ist das Humbug, denn die Unterschiede zwischen den Gruppen (s. Weizenbeispiel) können rein umweltbedingt sein.
Statt "genotypischer Varianzteil an der Gesamtvarianz eines Merkmals" könnte man umgangssprachlich verständlicher vielleicht sagen, der "Anteil genetischer Verschiedenheit in einer Gruppe an den Unterschieden der Merkmalsausprägung in dieser Gruppe".
Einfacher ist das eben nicht zu haben.
"Erblichkeit" weckt einfach die falschen Vorstellungen. Ich zitiere dazu einen Auszug meines Textes auf meiner Homepage:
Das umgangssprachliche Verständnis von "erblich" hat mit der wissenschaftlichen Definition nichts zu tun. Lexika bezeichnen zwar "erblich" und "angeboren" als Synonyme, aber das ist wissenschaftlich falsch, denn die „Erblichkeit“ („Heritabilität“) angeborener Merkmale kann nahe Null sein. Jeder wird z. B. akzeptieren, dass die Zweibeinigkeit des Menschen ein angeborenes Merkmal darstellt, von dem es extrem selten angeborene Abweichungen gibt. Betrachten wir eine Gruppe erwachsener Menschen, sind Abweichungen von der Norm fast ausschließlich umweltbedingt (z. B. durch Unfälle). Da „Erblichkeit“ in der Wissenschaft aber den genetisch verursachten Anteil an der Gesamtvarianz eines Merkmals beschreibt, bedeutet dies, dass die "Erblichkeit" der Zweibeinigkeit nahe 0% ist.
Der Leser prüfe sich, ob er angesichts dieser Aussage wirklich versteht, was es bedeutet, wenn er liest, dass die "Erblichkeit" der Intelligenz 80% betrage. Ich habe deshalb von meinen Studenten verlangt, diesen Begriff grundsätzlich nicht zu verwenden, sondern immer den wissenschaftlich korrekten Begriff "genotypischer Varianzanteil an der Gesamtvarianz" einzusetzen.
Dann ist plötzlich auch ein ansonsten scheinbar widersinniger Satz sinnvoll. Aus
"Die Erblichkeit eines jeden Merkmals in einem ingezüchteten, völlig reinerbigem Stamm ist null"
wird:
"Der genotypische Varianzteil an der Gesamtvarianz eines jeden Merkmals in einem ingezüchteten, völlig reinerbigem Stamm ist null".
Vereinfacht dargestellt funktioniert das Modell folgendermaßen: Je ungleicher die Umwelteinflüsse innerhalb einer untersuchten Gruppe sind (von sehr fördernd bis sehr hemmend), desto geringer wird der genotypische Varianzanteil an der Gesamtvarianz eines Merkmals. Oder umgekehrt: Je gleicher die Umwelteinflüsse sind, desto eher lassen sich Unterschiede innerhalb der Gruppe auf genetische Unterschiede zurückführen. Quelle.
Karl
Hallo,
Ich glaube, dass wir, gemessen was wir mit unserem derzeitigen Bildungssystem aus unseren Kindern machen, höchstwahrscheinlich tatsächlich aus so ziemlich jeden Menschen einen (aus heutiger Sicht) Genie machen könnten.
Vor einiger Zeit habe ich einmal einen Bericht über Menschen mit Trisomie 21 gehört. Diese soll ja, meines Wissens nach, zu einer gegenüber dem "Durchschnittsmenschen mit normaler Chromosomenausstattung", angeblich leicht verminderten Intelligenz führen. Heutzutage machen Menschen mit Down-Syndrom aber Abi, studieren, erlangen ihre Doktorwürde.
Sollte also diese Geschichte von der "verminderten Intelligenz" stimmen, dann vermute ich persönlich dass alle sonstigen Menschen, bei ordentlicher Förderung tatsächlich unglaubliches leisten könnten.
Ich fürchte nur, dass die Schulsysteme nicht darauf ausgelegt sind. Dass Eltern viel zu sehr mit dem "normalen Wahnsinn" des Überlebens in einer schwierigen Arbeitswelt beschäftigt sind und daher kaum die Musse haben ihre Kinder adäquat zu fördern. Und die Unis, so wie ich sie kennen gelernt habe, ebenfalls nicht.
Liebe Grüße
Andrea
Realistischerweise muss man aber zugeben, dass dem Erfolg trotzdem Grenzen gesetzt sind - sonst müsste man bei genügend großem „Faktor Umwelt“ aus jedem Menschen ein kleines Genie machen können. Der „Faktor Erbanlagen“ bremst das Endprodukt irgendwann aus, egal wie sehr man den variablen „Faktor Umwelt“ vergrößert.
Ich glaube, dass wir, gemessen was wir mit unserem derzeitigen Bildungssystem aus unseren Kindern machen, höchstwahrscheinlich tatsächlich aus so ziemlich jeden Menschen einen (aus heutiger Sicht) Genie machen könnten.
Vor einiger Zeit habe ich einmal einen Bericht über Menschen mit Trisomie 21 gehört. Diese soll ja, meines Wissens nach, zu einer gegenüber dem "Durchschnittsmenschen mit normaler Chromosomenausstattung", angeblich leicht verminderten Intelligenz führen. Heutzutage machen Menschen mit Down-Syndrom aber Abi, studieren, erlangen ihre Doktorwürde.
Sollte also diese Geschichte von der "verminderten Intelligenz" stimmen, dann vermute ich persönlich dass alle sonstigen Menschen, bei ordentlicher Förderung tatsächlich unglaubliches leisten könnten.
Ich fürchte nur, dass die Schulsysteme nicht darauf ausgelegt sind. Dass Eltern viel zu sehr mit dem "normalen Wahnsinn" des Überlebens in einer schwierigen Arbeitswelt beschäftigt sind und daher kaum die Musse haben ihre Kinder adäquat zu fördern. Und die Unis, so wie ich sie kennen gelernt habe, ebenfalls nicht.
Liebe Grüße
Andrea
Bei einem Produkt, sind alle Faktoren gleich mächtig. 0 x 1 000 000 000 ergibt Null.
Lieber Karl,
diese Rechnung stimmt natürlich, aber ist das auf unser Diskussionsthema bezogen nicht sehr theoretisch und deprimierend dazu? Dieses Beispiel würde in der Praxis ja bedeuten, dass man die Gene (die persönlichen Anlagen), die ein bestimmter Mensch hat, mit 0 bewertet und dass man sogar mit 1000.000.000 „Einheiten Anstrengung“ (Zuwendung, Liebe, Förderung) am Ende nur das Ergebnis Null erhalten würde.
Weiter unten schreibst du:
Dann ist plötzlich auch ein ansonsten scheinbar widersinniger Satz sinnvoll. Aus
"Die Erblichkeit eines jeden Merkmals in einem ingezüchteten, völlig reinerbigem Stamm ist null"
wird:
"Der genotypische Varianzteil an der Gesamtvarianz eines jeden Merkmals in einem ingezüchteten, völlig reinerbigem Stamm ist null".
Das ist als Erklärung oder als Denkmodell gut geeignet – auch wenn man im Alltag keine ingezüchteten, völlig reinerbigen Stämme findet – jedenfalls nicht bei Menschen. Deshalb würde ich auf den Menschen bezogen nie von einer "Null" sprechen.
Natürlich sind die Gene wichtig. Bei der ganzen Diskussion, die ich führe, geht es nicht darum zu behaupten, dass Individuen alle genetisch identisch wären, sondern um die "rassistische" Behauptung, dass Gruppenunterschiede im IQ genetisch zu erklären seien.
Ich verstehe deine Absicht sehr gut. Derartige Behauptung waren schon früher und sind noch heute ein deutliches Anzeichen dafür, dass die Verbreiter solcher Statements keine Ahnung von der Materie haben, sondern ideologische oder rassistische Vorurteile schüren. Wenn man nicht befürchten müsste, dass sie mit solchen abstrusen Aussagen Sympathisanten anlocken, könnte man das mit einem Schulterzucken abtun.
Statt "genotypischer Varianzteil an der Gesamtvarianz eines Merkmals" könnte man umgangssprachlich verständlicher vielleicht sagen, der "Anteil genetischer Verschiedenheit in einer Gruppe an den Unterschieden der Merkmalsausprägung in dieser Gruppe".
Einfacher ist das eben nicht zu haben.
Danke für deinen Vorschlag. Das ist zwar immer noch nicht „Otto-Normal-Verbraucher-Sprache“, aber doch einfacher als vorher.
Lalelu
Ich glaube, dass wir, gemessen was wir mit unserem derzeitigen Bildungssystem aus unseren Kindern machen, höchstwahrscheinlich tatsächlich aus so ziemlich jeden Menschen einen (aus heutiger Sicht) Genie machen könnten.
Hallo Andrea,
auch ich glaube, dass die Menschen noch ungeahnte Möglichkeiten haben, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten zu erweitern. Ob wir damit, gemessen an den Maßstäben von heute, zu Genies werden können, weiß ich nicht. Könnte zwar sein – doch wir werden es nicht mehr erleben … vielleicht aber unsere Enkel?
Sollte also diese Geschichte von der "verminderten Intelligenz" stimmen, dann vermute ich persönlich dass alle sonstigen Menschen, bei ordentlicher Förderung tatsächlich unglaubliches leisten könnten.
Ich fürchte nur, dass die Schulsysteme nicht darauf ausgelegt sind. Dass Eltern viel zu sehr mit dem "normalen Wahnsinn" des Überlebens in einer schwierigen Arbeitswelt beschäftigt sind und daher kaum die Musse haben ihre Kinder adäquat zu fördern. Und die Unis, so wie ich sie kennen gelernt habe, ebenfalls nicht.
Es ist leider richtig, dass Kinder es schwer in der Schule haben, wenn sie zu Hause keine Förderung erhalten. Berufstätige Eltern sind beim besten Willen oft nicht ausreichend dazu in der Lage, weil sie selbst bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gefordert werden. Den Lehrern geht es nicht besser. Sie haben in aller Regel keine Zeit, um sich um einzelne Schüler zu kümmern.
Es kommt ja nicht von ungefähr, dass Nachhilfeinstitute und private Nachhilfe boomen.
Was die Unis betrifft, habe ich den Eindruck, dass Studenten heute mehr Unterstützung bekommen als wir damals. Wir wurden sozusagen ins kalte Wasser geworfen, und niemand fragte, ob wir schwimmen können. Heute wird wenigstens mehr Hilfe in Form von Informationsveranstaltungen angeboten, und auch die Professoren sowie ihre Assistenten sind leichter erreichbar.
Lalelu
Liebe Lalelu,
bei einem Produkt ist für das Ergebnis jeder Faktor gleich wichtig, ganz anders als bei einer Summe. Prozentuale Anteile können bei einem Produkt nicht angegeben werden, nur bei einer Summe. Ich habe oben zur Verdeutlichung einen der Faktoren auf Null gesetzt, es hätte auch der andere sein können. ich würde bei einem menschen selbstverständlich auch nie von einer "Null" sprechen, kein Mensch ist das! Mir ging es hier wirklich nur um die abstrakte Verdeutlichung der Eigenschaften eines mathematischen Produkts. Diese zu verstehen ist wichtig, um zu erkennen, dass Prozentangaben sich eben schon aus mathematischen Gründen nicht auf die Anteile von Erbe und Umwelt bei einem Individuum beziehen können.
Ich addiere einmal einen Link zu einer Rezension unseres Heftchens "Erblichkeit der Intelligenz" auf Spektrum.de. Dort sind die Gedankengänge vom Rezensenten recht gut erläutert worden.
Karl
bei einem Produkt ist für das Ergebnis jeder Faktor gleich wichtig, ganz anders als bei einer Summe. Prozentuale Anteile können bei einem Produkt nicht angegeben werden, nur bei einer Summe. Ich habe oben zur Verdeutlichung einen der Faktoren auf Null gesetzt, es hätte auch der andere sein können. ich würde bei einem menschen selbstverständlich auch nie von einer "Null" sprechen, kein Mensch ist das! Mir ging es hier wirklich nur um die abstrakte Verdeutlichung der Eigenschaften eines mathematischen Produkts. Diese zu verstehen ist wichtig, um zu erkennen, dass Prozentangaben sich eben schon aus mathematischen Gründen nicht auf die Anteile von Erbe und Umwelt bei einem Individuum beziehen können.
Ich addiere einmal einen Link zu einer Rezension unseres Heftchens "Erblichkeit der Intelligenz" auf Spektrum.de. Dort sind die Gedankengänge vom Rezensenten recht gut erläutert worden.
Karl
Hallo, karl,
Dein Buch werde ich mir kaufen.
Danke, für den Link-Hinweis.
Unten ein Link-Hinweis für Dich.
Gruß arno
Dein Buch werde ich mir kaufen.
Danke, für den Link-Hinweis.
Unten ein Link-Hinweis für Dich.
Gruß arno
Hallo arno,
und da ist wieder diese Sprachverwirrung, die ich ja in meinem Heft beklage. Immer wieder wird "angeboren" und "erblich" verwechselt.
Es handelt sich bei der "Erblichkeit" um eine umweltabhängige Verhältniszahl, es ist keine Naturkonstante. Sind die relevanten Umweltfaktoren für die Individuen einer Gruppe identisch, sind alle Unterschiede zwischen den Individuen genetisch verursacht (wenn man zufällige Variationen, die es auch gibt*) vernachlässigt.
Die Aussage deines verlinkten Artikels besagt, dass die Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten bei Schimpansen sich im Rahmen der variierten Umweltfaktoren als ziemlich robust erwiesen hat. Mehr sagt diese Untersuchung nicht aus.
Karl
* Zufällige Entwicklungseffekte gibt es, um ein bekanntes Beispiel zu nennen, beim Fingerabdruck, der auch bei eineiigen Zwillingen nicht identisch ist.
und da ist wieder diese Sprachverwirrung, die ich ja in meinem Heft beklage. Immer wieder wird "angeboren" und "erblich" verwechselt.
Es handelt sich bei der "Erblichkeit" um eine umweltabhängige Verhältniszahl, es ist keine Naturkonstante. Sind die relevanten Umweltfaktoren für die Individuen einer Gruppe identisch, sind alle Unterschiede zwischen den Individuen genetisch verursacht (wenn man zufällige Variationen, die es auch gibt*) vernachlässigt.
Die Aussage deines verlinkten Artikels besagt, dass die Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten bei Schimpansen sich im Rahmen der variierten Umweltfaktoren als ziemlich robust erwiesen hat. Mehr sagt diese Untersuchung nicht aus.
Karl
* Zufällige Entwicklungseffekte gibt es, um ein bekanntes Beispiel zu nennen, beim Fingerabdruck, der auch bei eineiigen Zwillingen nicht identisch ist.
bei einem Produkt ist für das Ergebnis jeder Faktor gleich wichtig, ganz anders als bei einer Summe.
Lieber Karl,
danke, es ist einleuchtend, dass jeder der beiden Faktoren gleichermaßen wichtig für das Produkt aus Erbanlagen/Genen mal Umwelt ist. „Gleich wichtig“ bedeutet aber doch wohl kaum „gleichwertig“ - oder?
Auch eine überdurchschnittlich hohe Intelligenz kann weiter gefördert werden. Andererseits kann man auch mit einer extrem intensiven Förderung nicht aus jedem ein kleines Genie machen, weil die individuell vorhandenen Grundlagen der Intelligenz sich nicht über eine persönliche Maximalgrenze hinaus pushen lassen.
Meiner Meinung nach bestimmt das Zusammenwirken beider Faktoren das Endergebnis - wobei der genetische Faktor vorgibt, welches Maximalergebnis man erreichen kann. Die Umweltbedingungen kann man fast beliebig verändern, die genetischen Voraussetzungen nicht.
Daraus aber rassistische Gesetzmäßigkeiten abzuleiten, wie Sarrazin es tut, ist Humbug. Unsere beiden Kinder (Tochter und Sohn) wuchsen gemeinsam mit uns auf. Natürlich versuchten wir, jedes Kind so gut wie möglich zu unterstützen und zu fördern. Mit anderen Worten: der Faktor Umwelt war nahezu identisch. Dennoch wandelte unsere Tochter trotz Nachhilfe ab der Oberstufe bis zum Abitur immer am Rande des mathematischen Abgrunds entlang, wohingegen unser Sohn in Mathe niemals eine andere Note als „sehr gut“ nach Hause brachte und sein Mathestudium mit einem ausgezeichneten Diplom abschloss. Durch unterschiedliche Umweltbedingungen kann man diese geradezu gegensätzliche „mathematische Intelligenz“ nicht erklären.
Prozentuale Anteile können bei einem Produkt nicht angegeben werden, nur bei einer Summe. Ich habe oben zur Verdeutlichung einen der Faktoren auf Null gesetzt, es hätte auch der andere sein können. ich würde bei einem menschen selbstverständlich auch nie von einer "Null" sprechen, kein Mensch ist das! Mir ging es hier wirklich nur um die abstrakte Verdeutlichung der Eigenschaften eines mathematischen Produkts. Diese zu verstehen ist wichtig, um zu erkennen, dass Prozentangaben sich eben schon aus mathematischen Gründen nicht auf die Anteile von Erbe und Umwelt bei einem Individuum beziehen können.
Ich hatte geschrieben: Die Forschungsergebnisse zeigen eindeutig, dass die ererbten Anlagen zwar eine Art „Gerüst“ sind, dass aber die Umwelt und andere Faktoren zu einem hohen Prozentsatz daran beteiligt sind, wie der Mensch sich weiter entwickelt.
Den „hohen Prozentsatz“ hatte ich nicht im streng mathematischen Sinn verstanden, sondern im Sinne von „erheblich“. Wäre meine Aussage akzeptabel für dich, wenn ich statt „hoher Prozentsatz“ schreibe: dass aber die Umwelt und andere Faktoren maßgeblich daran beteiligt sind, wie der Mensch sich weiter entwickelt?
Im Übrigen habe ich natürlich niemals angenommen, dass du irgendeinen Menschen als „Null“ ansiehst.
Ich wollte lediglich zum Ausdruck bringen, dass ich dein Rechen-Beispiel in diesem speziellen Fall für nicht besonders praxisbezogen halte, weil das Ergebnis in der Realität kaum Null sein kann, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen.
Ich versuche noch einmal, meine Überlegungen zu verdeutlichen: Unter der Voraussetzung, dass ich mich intensiv um ein Kind bemühe und es nach besten Kräften fördere, ist mein Faktor „Anstrengung“ auf keinen Fall Null. Das Produkt aus genetischer Veranlagung mal Anstrengung würde folglich nur dann Null, wenn der Faktor Intelligenz beim Kind Null wäre.
Kommt das überhaupt vor - außer vielleicht bei schweren Entwicklungsstörungen, Missbildungen des Gehirns oder wenn durch einen Unfall das Gehirn unumkehrbar geschädigt wird?
Ich kann es mir nicht vorstellen und bin davon überzeugt, dass eine Förderung in jedem Fall Früchte trägt, abgesehen von den eben angeführten oder ähnlichen schwerwiegenden Ausnahmen, und zwar umso mehr, je größer Multiplikator und Multiplikand sind - wobei allerdings der genetische Faktor vorgibt, welches Maximalergebnis man erreichen kann. Wie ich schon sagte: auch mit größtmöglicher Förderung kann nicht jeder ein Genie wie Hawking oder Einstein werden.
Sehe ich das deiner Meinung nach richtig oder hast du Einwände?
Ich finde das Thema jedenfalls hochinteressant und habe mir daher dein Buch bestellt.
Lalelu
Re: Häufige Fragen zur Genetik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Ich finde das Thema jedenfalls hochinteressant und habe mir daher dein Buch bestellt. LaleluDa sind wir schon mindestens zweie, aber ich bin (noch) zu doof zum echten Mitreden. Es gibt offensichtlich wenige verständliche Informationsquellen dazu.
Mich interessiert das Thema besonders im Zusammenhang mit Computern, die wir wohl brauchen werden, um Grundlagen und Feinheiten zur Genetik herausfinden zu können.
@ digizar: wenn sich in diesem Thread nur Biowissenschaftler äußern sollen, muss Karl wahrscheinlich Selbstgespräche führen.
Dass dich das Thema im Zusammenhang mit Computern besonders interessiert, ist nachvollziehbar. Ich versuche ohne bestimmten Schwerpunkt „ein bisschen was“ zu lernen, und da ich das Thema spannend finde, macht es mir Spaß.
Lalelu
Dass dich das Thema im Zusammenhang mit Computern besonders interessiert, ist nachvollziehbar. Ich versuche ohne bestimmten Schwerpunkt „ein bisschen was“ zu lernen, und da ich das Thema spannend finde, macht es mir Spaß.
Lalelu