Bildende Kunst Christos und Jeanne-Claudes neues Projekt "Over the river"

Eigentlich hatte in Februar eine Gruppe von Kritikern gegen das neue Projekt von Christo und Jeanne-Claude, Klage eingereicht - besser gesagt: die Gruppe hatte gegen die Verwaltungsbehörde im US-Staat Colorado geklagt, die das Projekt genehmigt hatte.

Es geht dabei um ein Kunstprojekt am Arkansas River, Colorado.

Natürlich interessiert dem Leser einer solchen Nachricht - hauptsächlich wenn man ein Liebhaber des Werkes von Christo ist - wie dieses neue Projekt, aussehen sollte bzw. was es aussagen soll.





[Bilder durch Link ersetzt, WM]

Details zum Projekt: Christo möchte über etwa 65 Kilometer, leuchtend-silberne Stoffbahnen aufhängen - dies für eine Dauer von zwei Wochen.

Warum dieses Verbots? Es mutet des ofteren so an, als würden wir in einer Zeit leben, die anscheinend zu viele Rotstifte oder aber zu viele Liebhaber des Rotstiftes, produziert.


Miriam

Wie kann man nur goutieren, daß 65 km eines wunderschönen
Flusses verschandelt wird? Und das vielleicht auch noch zu
Lasten der Steuerzahler?

Ein Maler kauft sich seine Staffelei, Leinwand und Farben selber. Der Verpackungskünstler Christo läßt sich nicht nur seine "Verpackung" und deren Befestigung bezahlen, sondern will auch noch ein saftiges Honorar dafür, oder?

Über "Kunst" kann man geteilter Meinung sein - aber was bitte soll daran Kunst sein? Wenn ein/e Wurstverkäufer/in meine Wurst einpackt, ist er/sie dann ein/e kleiner/e Künstler/in?
Grübel....

Ulfhild

Wie bei vielen von Christos Werken entfaltet auch dieses eine besondere Wirkung bei Ansicht aus der Luft. Seine Arbeiten unterstreichen die Schönheit der Formen und lassen sie durch Verhüllung aus der realen Umwelt hervortreten. Ich mag es...

bf

Mir erschließt sich die "Schönheit" der Werke Christos ebenfalls nicht - hab aber auch nix dagegen.

Vorläufig nur ganz kurz: ich denke nicht, dass Christo in den meisten Fällen die Schönheit der Verpackung meint. Es geht eher um das verpackte Objekt, welches uns Fragen stellen lässt - aber erst wenn wir es partiell oder als Ganzes nicht mehr sehen können.

Wir sehen es nicht, obwohl es anwesend ist. Es entzieht sich unseren Blicken - und erst dann fangen wir an uns darüber Fragen zu stellen...

Übrigens - wie auch bei manchen anderer seiner Werke, ist nicht alles verpackt. In diesem Projekt von Christo und von seiner verstorbenen Frau Jeanne-Claude, sind etwa 11 Km. der ganzen Strecke verpackt, und wir dürfen uns unter anderem fragen, wie diese Teile - oder ihre Unsichtbarkeit, das Ganze optisch verändert.

Vielleicht morgen Nachmittag noch einiges mehr - ich freue mich, wenn bis dann noch andere über Christo oder allgemein über die Verpackungskunst, Einiges beitragen.

Gruß von Miriam,
die nun von der Tagesereignissen ver- oder gepackt wird.

sicher ist dir miriam

die projektbegleitende webseite over the river info bekannt? nicht nur für kunstinteressierte bietet sie infos und unter der rubrik "About OTR" aufklärende hinweise, die mit einem klick auf "Myths and Facts" manches vorurteil zum projekt mindern könnte.

...Dabei gilt auch bei diesem Projekt das Prinzip der Arbeit Christo und Jeanne-Claudes: der Freiheit der Kunst, die sich nicht an Sponsoren oder weitere Geldgeber verkauft...

mehr zu den finanziellen gegebenheiten ist auf der projektseite zu erfahren:

The BLM estimates that Over The River will:

Create over $121 million in total economic output within Colorado
Bring 344,000 visitors to the area during the 14-day exhibition period
Generate $1.58 million in state and local tax revenue throughout Colorado
Generate $583,000 in sales tax revenue specifically in Fremont & Chaffee counties
Create more than 620 temporary jobs
Create $25.7 million in personal income
Generate $57.2 million in economic output from visitor spending in Fremont, Chaffee, El Paso and Pueblo counties
As with all of Christo and Jeanne-Claude’s works, Over The River is funded entirely by the artists, so all economic benefits occur without public subsidy or taxpayer support. Christo is also committed to hiring local residents and contractors as much as possible.

nicht schlecht für eine 14tägige aktion; aber geschäftstüchtig, eine seltene beigabe mancher künstler, das waren die Christos schon immer.

danke miriam für den hinweis; ich habe mir den bildkatalog der Verhüllung des Reichtages gerade angeschaut und mich erinnert, dass auch dieses kunstprojekt nicht einfach zu realisieren war, was technik und erforderliche genehmigungen betraf und zugleich einen kontroversen dialog in der nation möglich machte.

wiki meint dazu:

Rezeption und Interpretation

Christo und Jeanne-Claude schufen mit dem Projekt Verhüllter Reichstag ein Kunstwerk, das neben dem ästhetischen Wert auch enormes gesellschaftspolitisches Potenzial mit sich brachte. Der Verhüllte Reichstag veranschaulichte nach der Wende das progressive Denken der Berliner, da er traditionelle Werte wie die Demut vor historisch wichtigen Gebäuden auf eindrucksvolle, künstlerische Weise angriff und damit das Paradebeispiel für einen Neuanfang verkörperte.

Christo erläuterte die Wichtigkeit des temporären Charakters:

„Niemand kann diese Projekte kaufen, niemand sie besitzen, niemand kommerzialisieren, niemand kann Eintritt für ihre Besichtigung verlangen – nicht einmal uns gehören diese Werke. Unser Werk handelt von Freiheit, und Freiheit ist der Feind allen Besitzanspruchs, und Besitz ist gleichbedeutend mit Dauer. Darum kann das Werk nicht dauern.“

Die Künstler lehnen sich gegen die Vermarktung der Kunst auf. Während die Werke der meisten Künstler erwerbbar sind und besessen werden können, ist die Kunst von Christo und Jeanne-Claude immer nur temporär und kann von jedem, der die Muße dazu hat, kostenlos und ohne Barrieren betrachtet werden.

Der fraktionslose Abgeordnete Ulrich Briefs brachte die Bedeutung des Projekts für Deutschland während der Debatte vor der Abstimmung auf den Punkt:

„Die Verhüllung ist zumindest – diesen Wert hat sie – eine spektakuläre Aktion gegen nationales und gegen sonstiges deutsches Spießertum.“

Freimut Duve von der SPD fügte hinzu: „Lassen Sie uns diese neue deutsche, demokratische Gelassenheit durch ein großes Symbol für 14 Tage beweisen. Dann gehen wir mit großem Vergnügen und mit großem Ernst in den umgebauten Reichstag“.

in anbetracht dessen, dass nach dem tode seiner partnerin Jeanne-Claude kein weiteres projekt mehr geplant ist, gewinnt m.e. das werk Over the River an bedeutung.

--
pilli

Dem Staat Colorado hingegen wird ein Umsatz von 121,3 Millionen Dollar bei diesem Projekt vorgerechnet.

Link

Hallo Ulfhild,

ich stimme dir zu. Einen Fluss so zu verschandeln hat wohl nur dahingehend mit Kunst zu tun, dass es Kunst ist die Erlaubnis dafür zu erhalten. Bei Aussicht auf 121 Millionen Dollar Einnahmen, lassen sich wohl manche Behörden etwas verbiegen. Vielleicht ist Christo ein guter Finanzberater?

Bei der Verhüllung des Reichtags kommentierte der Dichter Peter Hacks „Ein Irrer wickelt Lappen um ein Haus.“

Über Kunst läßt sich (nicht?) diskutieren. Wem es gefällt ...

Ciao
Hobbyradler

Wie ich bis jetzt informiert war, Christos und Jeanne-Claudes Projekte waren NICHT mit Steuergelder finanziert aber mit großzügige Sponsoren und mit Verkauf von Christos Grafiken.

So eine großartige Arbeit wie Sie geleistet hatten war noch nie da, absolut einzigartig in die Geschichte.

Warum sollte Christo nicht weiter machen? Meine Antwort: Einmal ist mit alles gute genug, alles hat eine Ende.

Nasti

nastimaus

Du hast sooooooooooooo Recht Schneggie!

:)

Wenn eine 155 mm Granate irgendwo einschlägt werden zum Glück durchschnittlich 12.000 stabile Ziegel zertrümmert. Wenn eine NATO-Drohne aus 3.000 Meter Höhe zuschlägt, werden erfahrungsgemäß 15,4 Arme komplett abgerissen und evtl. 8,1 Beine und 19 Menschen getötet und wenn eine Napalm-Bombe explodiert werden...

Tapeziert von mir aus den Colorado-River komplett mit Blümchen-Tapete!

Ein Widerstand gegen diesen sogenannten Christo, wäre Kultur-Bolschewismus!

Danke Euch allen - wir müssen natürlich nicht Kunstwerke bzw. Künstler gleich beurteilen - ich denke, das wäre für die Kunstschaffenden, die übelste Beleidigung ihres Werkes!

Habe erst heute Nachmittag wieder Zeit, bis dann einige Bilder der Werke von Christo und Jeanne Claude:

Der Reichstag

Central Parc

The wall

Pont-Neuf (Paris)

Wrapped Walk-Ways

Bis später

Miriam