Anthropologie / Psychologie Vergebung

Drachenmutter
Drachenmutter
Mitglied

Vergebung
geschrieben von Drachenmutter
In den letzten Wochen wurde ich an ganz verschiedenen Orten des Öfteren mit folgendem Spruch konfrontiert:

"Nicht zu vergeben, ist wie Rattengift zu trinken und darauf zu warten, dass die Ratte stirbt."
(Anne Lamott *1954. Amerikanische Schriftstellerin)

Ich habe mir darüber einige Gedanken gemacht und habe erkannt, dass ich das Vergeben recht schwierig finde, denn offensichtlich bin ich sehr nachtragend, insbesondere, wenn ich durch das Tun mir nahe stehender Personen tief verletzt wurde. Dann will das mit dem Vergeben so gar nicht klappen, auch dann nicht, wenn ich mir vornehme, dass nun endlich einmal Schluss sein muss mit selbstvergiftenden Gedanken. Es dauert oft Jahre, manchmal Jahrzehnte, bis ich diese Dinge so nach und nach aufgearbeitet habe. Und bis dahin leide ich, nicht durchgehend, aber immer wieder. (Ich denke hier in erster Linie an die seelischen Verletzungen aus der Kinder- und Jugendzeit durch die Eltern.)

Das Vergeben kleinerer Verletzungen fällt mir hingegen leichter, denn sie sitzen nicht so tief und sind eher aufgearbeitet. Auch fällt es mir leichter, Leuten zu vergeben, an denen mir nichts liegt, denen ich nie nahe stand.

Je näher mir eine Person stand/steht, umso schwerer fällt mir die Vergebung bei tiefen Verletzungen.

Dazu kommt das eisige Schweigen, das eine Aussprache und somit Klärung verhindert. Wer soll den Anfang machen? Warten, bis der Andere sich meldet? Vielleicht meldet er sich nie. Selbst den Anfang wagen und riskieren, dass der Andere keinerlei Interesse daran bekundet, eine Klärung herbeizuführen?

Sich damit abfinden, dass es mit diesem Menschen ein für alle Mal keinen positiven Austausch mehr geben wird? Und das nur, weil ich, oder er, oder wir beide zu verbohrt sind oder zu stolz, aufeinander zuzugehen?

Wie haltet Ihr es mit der Vergebung. Fällt sie Euch leicht oder auch eher schwer?

Liebe Grüße,
woelfin
Adoma
Adoma
Mitglied

Re: Vergebung
geschrieben von Adoma
als Antwort auf Drachenmutter vom 06.12.2012, 13:17:40
Ich kenne den Spruch mit anderen Worten.
Er soll von Buddha sein:
Am Ärger festzuhalten, ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der andere stirbt.
Adoma
pilli
pilli
Mitglied

Re: Vergebung
geschrieben von pilli
als Antwort auf Drachenmutter vom 06.12.2012, 13:17:40
vergeben kann ich schnell; aber vergessen? nie!

das schnelle vergeben können, erkläre ich mir mit der suche nach verständnis für andere; warum mir nun das geschehen ist, was ein vergeben fordert. wenn die suche nicht immer erfolg zeigt, wähle ich stufe 2; es gilt dann verschärft darüber nachzudenken, ob die schublade "Narrenfreiheit" noch platz findet, dort manches zu platzieren.

---
pilli

Anzeige

justus39
justus39
Mitglied

Re: Vergebung
geschrieben von justus39
als Antwort auf Drachenmutter vom 06.12.2012, 13:17:40
Wenn Dir jemand mit Worten oder Taten etwas angetan hat, dass Dich verletzt und dich ewig belastet, dann kannst Du Dich davon am besten befreien indem Du ihn vergibst.
Eine Vergebung setzt aber voraus, dass derjenige auch wirklich danach verlangt. Du kannst ihm ein Zeichen geben aber von Dir aus Vergebung anbieten, dazu würde ich nicht raten.

justus
Klara39
Klara39
Mitglied

Re: Vergebung
geschrieben von Klara39
als Antwort auf Drachenmutter vom 06.12.2012, 13:17:40
Das ist ein vielschichtiges, nicht so einfaches Thema. Ich hab mal gelesen "Vergeben: ja - vergessen: nein" Ich denke, zum Vergeben gehören zwei, einer der um Vergebung bittet und der, der vergibt. Ich bin sehr impulsiv und merke manchmal gar nicht, wenn ich jemandem auf die Seele getreten bin. Es ist nicht böse Absicht, aber falsch angekommen. Das merke ich an der Atmosphäre und frage nach. Meist ist dann die Luft nach einer Aussprache wieder rein. Tiefere Kränkungen musste ich zum Glück nicht erfahren (vielleicht ist das so, wenn man keine Familie hat?). Ich finde, es macht einen nur bitter, wenn man Kränkungen nicht vergeben kann und bemühe mich darum, denn das Leben ist kurz. Man nimmt sich selbst die Freude und Leichtigkeit.
Klara
ehemaligesMitglied23
ehemaligesMitglied23
Mitglied

Re: Vergebung
geschrieben von ehemaligesMitglied23
als Antwort auf Drachenmutter vom 06.12.2012, 13:17:40
Verletzen kann mich nur ein Mensch, der mir wichtig ist und daher würde ich auch mehrmals versuchen,
eine Klärung herbei zu führen. Da ist mir mein Stolz nicht wichtig, weil ich hoffe durch ein Gespräch zu verstehen, was in dem anderen vorgegangen ist. Warum er so reagiert hat. Wenn ich nachvollziehen kann, welche Beweggründe jemand hatte, kann ich auch verzeihen.
Stelle ich fest, jemand wollte mich mit voller Absicht verletzen ( was ich mir bei den Menschen , die mir wichtig sind, nicht vorstellen kann ) bin ich nachtragend. Derjenige wäre für mich unten durch.

Bei Leuten, die mir nicht so wichtig sind, habe ich einen ganz breiten Buckel an dem Beleidigungen oder ähnliche Dinge abprallen.
Meine Zeit und meine Nerven sind mir zu schade, um mich überhaupt damit zu beschäftigen.

Anzeige

Gillian
Gillian
Mitglied

Re: Vergebung
geschrieben von Gillian
Vor längerer Zeit hatte ich das Thema "von der anderen Seite her", nämlich als "Unversöhnlichkeit" zur Diskussion gestellt.
In kenne Familien, in denen sich Mutter und Töchter, Schwiegermutter und Schwiegersohn, ja sogar Bruder und Schwester jahrelang -manchmal ein ganzes Leben- wegen einer einzigen Äußerung oder Handlung feindlich gegenüberstehen und nicht miteinander sprechen.
Es liegt dann meiner Erfahrung nach an der einen Person, die keinerlei Versöhnung zulässt und alles sofort abblockt, und die Gegenpartei muss sich notgedrungen damit abfinden.
Manchem ist es einfach nicht gegeben, um Entschuldigung bitten zu können, und manchem ist es unmöglich, eine Entschuldigung zu akzeptieren. Der Friedfertige erscheint dann als der Dumme .
Bedauerlich, aber kaum zu ändern, findet
G.
Re: Vergebung
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Die Verletzungen die mir in meiner Kinder- und Jugendzeit zugefügt wurden, kann ich nicht vergeben, die sitzen einfach zu tief. Ich denke mein Leben wäre einfacher gewesen, oft hatte ich das Gefühl einen schweren Rucksack auf meinen Rücken zu tragen. Bei manchen seelischen Verletzungen aus meiner Kinderzeit versuche ich Verständnis aufzubringen, aber manche Dinge kann und will ich nicht verzeihen.

Bei meinen Kindern und Freunden fällt mir das Verzeihen und auch das aufeinander zugehen leicht.
Lara
Klara39
Klara39
Mitglied

Re: Vergebung
geschrieben von Klara39
als Antwort auf Klara39 vom 06.12.2012, 13:57:37
Noch als Nachsatz zum meinem Beitrag! Es kommt auch sehr auf die Art der Kränkung an. Mir würde es nicht leicht fallen, einen Vertrauensbruch zu vergeben. Auch wenn danach alles wieder in Ordnung zu sein scheint - eine Narbe bleibt immer!
Klara
chris33
chris33
Mitglied

Re: Vergebung
geschrieben von chris33
als Antwort auf Adoma vom 06.12.2012, 13:40:41
"In gewisser weise bedeutet vergebung einfach, dass wir beschließen, den hass/ärger in unserem inneren nicht länger mitzuschleppen, weil wir begriffen haben, dass er uns vergiftet."

ich weiß nicht, wer es so oder ähnlich gesagt hat, aber diese erfahrung habe ich auch machen müssen.
um "gesund" zu werden, nahm ich vor vielen jahren professionelle hilfe in anspruch. auch heute noch ist mir klar, daß ich solche ärger- und hass- lasten nie mehr tragen werde, egal wer mich verletzt ..

als christin gehört vergebung inzwischen auch zu meinem leben.

chris33

Anzeige