Forum Wissenschaften Anthropologie / Psychologie "Toxische Persönlichkeit" - Modewort oder was ist tatsächlich dran und wie geht ihr mit Verhalten um, daß ihr als "toxisch" empfindet?

Anthropologie / Psychologie "Toxische Persönlichkeit" - Modewort oder was ist tatsächlich dran und wie geht ihr mit Verhalten um, daß ihr als "toxisch" empfindet?

Der-Waldler
Der-Waldler
Mitglied

RE: "Toxische Persönlichkeit" - Modewort oder was ist tatsächlich dran und wie geht ihr mit Verhalten um, daß ihr als "toxisch" empfindet?
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf Zaunkönigin vom 22.09.2024, 16:21:46
"In der Philosophie ist Demut eng mit ethischen und moralischen Überlegungen verknüpft. Sie wird oft als Tugend angesehen und steht in direktem Zusammenhang mit der Selbsterkenntnis und der Anerkennung der eigenen Grenzen. Philosophisch betrachtet ist Demut die Fähigkeit, sich selbst in Relation zur Welt und zu anderen Menschen zu sehen, ohne Überheblichkeit und mit einem Sinn für die eigene Fehlbarkeit."

Liebe Grüße

DW
Mit dem philosophischen Teil kann ich meinen Frieden machen 😃

Aber das mit der Anerkennung der eigenen Grenzen betrachte ich kritisch.

Das verstehe ich nicht... Ich jedenfalls bin NICHT grenzenlos schön, kräftig, klug, mächtig usw. Das Leben setzt mir überall Grenzen, Tag für Tag. Ich bin auf Grund  meiner Polyneuropathie nicht mehr in der Lage, ohne Stock zu gehen. Diese Grenze muss ich akzeptieren, ohne zu verzweifeln, und das ist ein Zeichen von Demut. Natürlich kämpfe ich, wo ich eine Mikro-Chance sehe, etwas zu ändern oder zu bewirken. Aber wenn es diese Chance nicht gibt oder ich sie nicht sehe, akzeptiere ich das Sosein wie es ist. Das ist ein Aspekt der Demut. Und so weiter. Demut bedeutet nicht "Ar***kriecherei" oder einem Menschen gegenüber zu Boden kriechen. Hier schrieb jemand (ich glaube Maya), dass Demut das Gegenteil von Hochmut sei. Damit kann ich gut etwas anfangen, und so verstanden, ist Demut eine Tugend. Ich würde auch sagen, EIN Gegenteil von Demut ist Arroganz. Und auch da kommt die Demut gut weg, finde ich.

LG

DW
Zaunkönigin
Zaunkönigin
Mitglied

RE: "Toxische Persönlichkeit" - Modewort oder was ist tatsächlich dran und wie geht ihr mit Verhalten um, daß ihr als "toxisch" empfindet?
geschrieben von Zaunkönigin
als Antwort auf Der-Waldler vom 22.09.2024, 16:44:38
Das verstehe ich nicht... Ich jedenfalls bin NICHT grenzenlos schön, kräftig, klug, mächtig usw. Das Leben setzt mir überall Grenzen, Tag für Tag. Ich bin auf Grund  meiner Polyneuropathie nicht mehr in der Lage, ohne Stock zu gehen. Diese Grenze muss ich akzeptieren, ohne zu verzweifeln, und das ist ein Zeichen von Demut. Natürlich kämpfe ich, wo ich eine Mikro-Chance sehe, etwas zu ändern oder zu bewirken. .....

Oh nein, das bin ich auch nicht. 

Worauf wollte ich hinaus?

Ich habe in meinem Leben so manches Mal erst gedacht, da geht nichts mehr, das ist so, damit muss ich mich jetzt arrangieren. Aber das Arrangieren kam mich so hart an, dass ich, oft sehr lange, die Sache gedreht und gewendet habe bis ich ein Fitzelchen Angriffsfläche gefunden hatte - um dann erneut anzusetzen und dagegen zu kämpfen. 

Mein Motto: wenn es so nicht geht, vielleicht geht es dann anders. 

Hätte ich jedes Mal dann, wenn ich erst einmal keine Chance mehr gesehen habe, aufgegeben, mein Leben, aber auch das Leben anderer wäre anders und nicht besser verlaufen. 

Grenzen hinterfragen halte ich für eine wichtige Sache.
Nicht so schnell aufgeben auch.

Man muss allerdings auch unterscheiden wo sich der Einsatz lohnt - oder an welcher Stelle man sich für einen kleinen Benefit unnötig verkämpft. Daran arbeite ich seit Jahren (ich werde besser 😉 )

Verstehst Du nun, weshalb ich diese pauschale Aussage zu "Grenzen" etwas skeptisch beäuge?
Mareike
Mareike
Mitglied

RE: "Toxische Persönlichkeit" - Modewort oder was ist tatsächlich dran und wie geht ihr mit Verhalten um, daß ihr als "toxisch" empfindet?
geschrieben von Mareike
als Antwort auf Der-Waldler vom 22.09.2024, 16:12:15

Ja DW, das ist eine schöne Definition.

Es mus auch nicht unbedingt Fehlbarkeit sein.

Mitunter hat man einfach keinen Zugang zu bestimmten Ansichten oder Verhaltensweisen.
Dann ist zwangsläufig die Kommunikation gestört.

Eine vorwiegend rational denkende und handelnde Person findet nur schwer oder womöglich gar keinen Zugang zu esoterische Ansichten und umgekehrt.

Auf spiritueller Ebene wäre dagegen durchaus eine Annäherung möglich.
Dazu gehört dann selbstverständlich die Bereitschaft das Anders-Sein Raum zu geben.

Liebe Grüße
Mareike

 


Anzeige

Maya1
Maya1
Mitglied

RE: "Toxische Persönlichkeit" - Modewort oder was ist tatsächlich dran und wie geht ihr mit Verhalten um, daß ihr als "toxisch" empfindet?
geschrieben von Maya1
als Antwort auf Der-Waldler vom 22.09.2024, 16:44:38

Demut war im Mittelalter eine ganz wichtige Tugend - und zwar nicht eine Tugend für die Bediensteten, sonder für die Ritter. 

Hier eine Zusammenstellung, es gibt viele Listen, Demut ist immer dabei und immer sehr wichtig.

"Liste der wichtigsten Tugenden

  • diemüete: Demut (S)
  • êre: ritterliches Ansehen, Würde (P)
  • güete: Freundlichkeit (S)
  • hôher muot: seelische Hochstimmung (P)
  • höveschkeit: Höfischkeit, Höflichkeit (S)
  • manheit: Tapferkeit (S)
  • mâze: maßvolles Leben, Zurückhaltung (P)
  • milte: Freigiebigkeit, Großzügigkeit (S)
  • staete: Beständigkeit, Festigkeit (P)
  • triuwe: Treue (S)
  • werdekeit: Würde (P)
  • zuht: Erziehung nach festen Regeln, Anstand, Wohlerzogenheit (P)
(S)= soziale Tugend; (P)= persönliche Tugend"

Zitiert aus:https://mittelalter.fandom.com/de/wiki/Ritterliche_Tugenden

Ich finde es sehr interessant, was alles mit "Demut" beim Ritterideal zusammen passt - ganz anders als in unserer heutigen Zeit, in der das Wort so negativ besetzt ist und mit Unterwürfigkeit, fehlendem Selbstbewusstsein usw assoziiert ist.
 
Der-Waldler
Der-Waldler
Mitglied

RE: "Toxische Persönlichkeit" - Modewort oder was ist tatsächlich dran und wie geht ihr mit Verhalten um, daß ihr als "toxisch" empfindet?
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf Zaunkönigin vom 22.09.2024, 17:04:31

Ich glaube, ich habe Dich auch vorher verstanden, aber ich denke, wir reden von zwei Sachen: Ich rede davon, dass man Dinge, die man wirklich NICHT ändern kann, annehmen sollte, und das nenne ich Demut.

Ich schrieb ja: Kämpfen, wo man kämpfen kann, auch in SCHEINBAR ausweglosen Situationen. Aber es gibt Situation, die SIND aussichtslos, da kann man noch so kämpfen. Ich glaube wirklich, dass man nicht alles  beherrschen kann, was Leben und Schicksal einem "zumuten". Und dann heißt es meiner eigenen Erfahrung nach entweder verzweifeln oder demütig annehmen.

LG

DW

Mareike
Mareike
Mitglied

RE: "Toxische Persönlichkeit" - Modewort oder was ist tatsächlich dran und wie geht ihr mit Verhalten um, daß ihr als "toxisch" empfindet?
geschrieben von Mareike
als Antwort auf Zaunkönigin vom 22.09.2024, 17:04:31

Skepsis bedeutet "Sehen, Betrachten, Untersuchung, Überlegung" und mittels Skepsis kann man irgendwann erkennen, dass Grenzen erreicht sind ... 😉


Anzeige

Drachenmutter
Drachenmutter
Mitglied

RE: "Toxische Persönlichkeit" - Modewort oder was ist tatsächlich dran und wie geht ihr mit Verhalten um, daß ihr als "toxisch" empfindet?
geschrieben von Drachenmutter
als Antwort auf Der-Waldler vom 22.09.2024, 17:21:05

Es bringt ja nichts, zu verzweifeln, denn dadurch wirds ja auch nicht besser, eher noch schlechter.

Ich sitze wegen meiner Polyneuropathie inzwischen im Rollstuhl. Das gefällt mir nicht, aber ich muss es akzeptieren. Meine Beine versagen mir eben ihre Mitarbeit. So mache ich das Beste draus und jammere nicht herum. Ich musste lernen Hilfe anzunehmen, was mir früher extrem schwer fiel, wurde ich doch so erzogen, dass man anderen nicht zur Last zu fallen hatte. Selber altruistisch helfen ja, aber Hilfe annehmen, oh je ....... Das habe ich inzwischen abgelegt. Ich helfe immer noch gerne wo ich kann und im Rahmen meiner Möglichkeiten, bitte aber auch um Hilfe, wenn ich sie benötige, nicht ohne mich hinterher gebührend zu bedanken. Und so komme ich mit meiner momentanen Situation recht gut zurecht.

Was würde es denn außer Kummer bringen, wenn ich hier heulend und mein Schicksal beklagend zerfließen würde? 

Das Annehmen dieser Gegebenheiten hat für mich etwas mit Demut zu tun.

LG,
Drachenmutter

Zaunkönigin
Zaunkönigin
Mitglied

RE: "Toxische Persönlichkeit" - Modewort oder was ist tatsächlich dran und wie geht ihr mit Verhalten um, daß ihr als "toxisch" empfindet?
geschrieben von Zaunkönigin
als Antwort auf Der-Waldler vom 22.09.2024, 17:21:05
Ich glaube, ich habe Dich auch vorher verstanden, aber ich denke, wir reden von zwei Sachen: Ich rede davon, dass man Dinge, die man wirklich NICHT ändern kann, annehmen sollte, und das nenne ich Demut.

Ich schrieb ja: Kämpfen, wo man kämpfen kann, auch in SCHEINBAR ausweglosen Situationen. Aber es gibt Situation, die SIND aussichtslos, da kann man noch so kämpfen. Ich glaube wirklich, dass man nicht alles  beherrschen kann, was Leben und Schicksal einem "zumuten". Und dann heißt es meiner eigenen Erfahrung nach entweder verzweifeln oder demütig annehmen.

LG

DW

Die Frage ist ... woran erkennt man, dass man gerade eine Sache vor sich hat die man tatsächlich nicht ändern kann?

Sicher, es gibt Situationen/Sachlagen, die sind eindeutig. Die muss man unverändert annehmen.

Aber vieles, sehr vieles kann man vielleicht nicht mehr rückgängig machen, aber ändern... 

Wo und wie erkennt man die Grenze - wann weiß man, dass man tatsächlich NICHTS ändern kann?

Mir ist die Haltung: "ich will ändern, und so lange ich nicht weiß wie ich das tun kann, versuch ich bis dahin ich so gut wie möglich damit zu leben" die für mich eher gangbare Version.

 
Zaunkönigin
Zaunkönigin
Mitglied

RE: "Toxische Persönlichkeit" - Modewort oder was ist tatsächlich dran und wie geht ihr mit Verhalten um, daß ihr als "toxisch" empfindet?
geschrieben von Zaunkönigin
als Antwort auf Mareike vom 22.09.2024, 17:27:01
Skepsis bedeutet "Sehen, Betrachten, Untersuchung, Überlegung" und mittels Skepsis kann man irgendwann erkennen, dass Grenzen erreicht sind ... 😉

Ich musste gerade schmunzeln. (auch über mich)

Aus dem Bauch heraus würde ich jetzt behaupten, dass ich wohl eher aufgegeben habe weil ich irgendwann feststellte, dass das Ziel nicht mehr lohnenswert ist (oder sich selbst überholt hat). 

Darüber muss ich wirklich in Ruhe noch mal nachdenken und zurück blicken. 
Maya1
Maya1
Mitglied

RE: "Toxische Persönlichkeit" - Modewort oder was ist tatsächlich dran und wie geht ihr mit Verhalten um, daß ihr als "toxisch" empfindet?
geschrieben von Maya1
als Antwort auf Zaunkönigin vom 22.09.2024, 17:39:50
 

Mir ist die Haltung: "ich will ändern, und so lange ich nicht weiß wie ich das tun kann, versuch ich bis dahin ich so gut wie möglich damit zu leben" die für mich eher gangbare Version.

 

Diese Einstellung finde ich durchaus demütig.
Kampf um Verbesserung oder um Grenzen zu überwinden und Demut müssen sich nicht gegenseitig ausschließen, auch die Ritter haben im Mittelalter gekämpft, ohne ihre Demut aufzugeben.

Vielmehr ist es doch die Einstellung des "um jeden Preis siegen müssen", die Verbissenheit des Kampfes, die der Demut entgegen steht.
Solange Hoffnung da ist, lohnt es sich zu kämpfen.
Aber nicht mit der Einstellung: nur, wenn ich siege kann ich glücklich leben.

Anzeige