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Anthropologie / Psychologie Freiheit, Verantwortung und Freundschaft

Mareike
Mareike
Mitglied

Re: Freiheit, Verantwortung und Freundschaft
geschrieben von Mareike
als Antwort auf Mareike vom 19.04.2013, 17:54:01
Ich bin so frei und greife mal einige Gedanken aus Karls Beitrag auf:

"Jede überlegte und von uns als frei empfundene Entscheidung setzt voraus, daß wir zwischen einer ausreichenden Zahl von Handlungsmöglichkeiten zu wählen haben. Diese Handlungsmöglichkeiten müssen also einerseits gegeben sein, andererseits verlangt eine überlegte Wahl die Bewertung der Handlungsmöglichkeiten an ihren Folgen. Diese Folgen der verschiedenen Handlungen werden nicht 'erlebt', sondern bedacht, d.h. die Handlungen werden in einem inneren 'Weltmodell' vor der Entscheidung durchgespielt und bewertet. Die Entscheidung wird dann nicht akausal, sondern aufgrund der unterschiedlichen Bewertung der verschiedenen Handlungsmöglichkeiten getroffen. Die im Einzelfall benützte Bewertungsfunktion kann natürlich sehr komplex und einem Zuschauer unbekannt sein. Dies ist sicherlich eine der Ursachen dafür, daß wir von unseren Mitmenschen öfters überrascht werden. Die Unberechenbarkeit im Sinne Pascal Jordans ist aber sicherlich nicht ein konstitutives Merkmal freier Entscheidungen. Schätzen wir doch gerade an guten Freunden ihre Verläßlichkeit und Zuverlässigkeit.

......................

Die Aktivität vieler Gene im Gehirn mag davon abhängen, was ein Organismus sieht, fühlt oder tut".

......................

Wie stark sind wir von unseren Ingenieuren, den Genen, abhängig? Wieder wäre meine Antwort, im aktuellen Verhalten unterstehen wir keiner direkten genetischen Kontrolle. Jedoch verfolgen wir bei einem großen Freiheitsgrad, was die Strategien angeht, elementare, tief in uns verwurzelte Lebensziele.

......................

Wir sollten die Möglichkeiten der Reflexion nicht vergessen. Die theoretisch unendliche Schleife des Nachdenkens macht alles möglich, selbst die bewußte Verweigerung der genetisch implantierten Lebensziele scheint möglich, aber wir sollten die genetisch implantierten Zielvorstellungen akzeptieren, bejahen und unseren Freiraum nutzen, sie umzusetzen.

...........................

http://www.zum.de/ki/Willensfreiheit.htm

Diese Gedankengänge kann ich nachvollziehen und zustimmen.

Einziger Kritikpunkt meinerseits: Das Denken und Entscheiden wird zu stark betont.
Die geübte Haltung spielt in spontanen Entscheidungen wahrscheinlich die größere Rolle.

Mareike
Re: Freiheit, Verantwortung und Freundschaft
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf daddy60 vom 19.04.2013, 15:42:57


Du hast als "Besitzer" deines Gehirnes natürlich die Freiheiten, all das was dein Gehirn aus welchen Gründen auch immer für dich unbewusst erledigt und tut, sofort zu korrigieren. Also bevor es dein Gehirn tut!



Genau so könnte es sein, Daddy,

neurophysiologische Experimente haben nämlich gezeigt (beispielsweise die von Benjamin Libet), dass unser Gehirn eine Handlung zwar bereits eingeleitet hat, bevor uns dieses bewusst wird, dass wir diesen Prozess aber mit unserem Willen noch korrigieren bzw. stoppen können; laut Libet stehen uns hierfür etwa 100 ms zur Verfügung.

Demnach könnte unser Bewusstsein eine Art Kontrollfunktion über unsere unbewusst eingeleiteten Handlungen haben...

Ursula
yuna
yuna
Mitglied

Re: Freiheit, Verantwortung und Freundschaft
geschrieben von yuna
als Antwort auf qilin vom 19.04.2013, 17:25:31
(...) Buddhistisch ausgedrückt: Es ist das Begehren, das Leiden hervorruft.
Dieses Begehren/Wollen aufzuheben, ohne danach zu streben (es also zu wollen)
ist aber eine schwierige Sache:(...)

Anscheinend ein Paradoxon.

In solchen Momenten frage ich mich, warum man nicht einfach sein kann.
Es nicht zu sein, hat für mich immer den Beigeschmack von Gegenwehr.
Etwas zu wollen heißt umgekehrt etwas nicht zu haben und sich damit nicht abfinden zu können oder zu wollen. Man wehrt sich.
Der fiese Nebeneffekt, wenn man einfach nur ist: Stillstand.
Die Frage: Was ändert Fortschritt an der Welt?
Der Mensch hat's bequemer. Geistiger Fortschritt: Der Mensch erhält Antworten. Und was macht er dann damit?
Wo soll's hingehen?
Gibt es ein Ziel?
Und wenn der Mensch angekommen ist (so es ein Ziel gibt), was macht er dann?

Er zerstört sich, er zerstört seine Umwelt (und damit auch wieder sich), schreitet voran. Weiter und weiter und weiter. Ohne genau zu wissen wohin es geht und trotzdem scheint er die Richtung zu kennen - wenn auch nicht bewusst.
Er scheint nicht anders zu können.
Freier Wille?
Automatisierter Entwicklungsprozess, währenddessen wir uns lediglich die Zeit vertreiben?
Was spricht praktisch dagegen, sich unter einen Baum zu legen und einfach zu sein?
Wer hält das länger aus?
Warum treibt es die meisten von uns immer wieder hoch (und reißt den Rest mit sich)?
Freier Wille?
Sind sich alle Menschen zu jeder Zeit darüber bewusst, warum sie leben, wie sie leben?

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daddy60
daddy60
Mitglied

Re: Freiheit, Verantwortung und Freundschaft
geschrieben von daddy60
als Antwort auf Karl vom 19.04.2013, 15:55:08
Was ist denn so schwer zu verstehen Karl? Das Gehirn, die Steuerzentrale hat vom Augenblick des -ich sag mal Funktionsbeginns aus- eine Art Grundprogramm oder Grundorientierung die wir Unterbewusstsein nennen.

Zu dieser Grundorientierung kommen ununterbrochen neue "Lerninhalte, Lernprozesse" hinzu.
Bei diesen Lernprozessen gibt es -normalerweise- eine gewisse "Freiheit", was gelernt und wie das neu gelernte zu "bewerten" ist. Wir haben für diese Freiheit eine Begrifflichkeit gefunden, nennen dies "Erfahrung".

Eine "Zeit lang" hat diese Freiheit namens Erfahrung noch einen gewissen "Spielraum".
Nach dieser Zeit ist es vorbei mit dieser Form von Freiheit. Dann setzt ein Ablauf oder sagen wir mal Prozess dazu ein, für den wir wieder schnell eine Begrifflichkeit fanden. Wir nennen diesen zeitlichen Ablauf nun "Erziehung".

Dazu zählt nicht nur die Erziehung der Eltern, der Schule, Moral, Gesetz usw. Es ist eine sehr große Menge von "Prozessen" die nicht nur als Erziehung zu bewerten, zu beachten sind, sondern um beim Thema zu bleiben solche die unsere persönlichen "Freiheiten" einschränken, beeinflussen.

Wo bitte schön sind denn diese "angeblichen Freiheiten" geblieben von denen hier zu gerne gesprochen wird?!
Ein Mädel hat so zu sein, ein Junge anders.

Und nun steigere ich diese Einschränkung der angeblichen "Freiheit menschlicher Entscheidungen" noch absichtlich provokativ indem ich auf einen weiteren "Erziehungsprozess" hinweise!.

Man hat gefälligst dies und das "zu lernen" und dies und das zu glauben"! Dafür gibt es wieder eine menschliche Begrifflichkeit die unsere "Freiheit" stark einschränkt. Man kann dies Autoritäsdenken oder Statusdenken nennen, diese Art unfreier Begrenzung von Freiheiten die mithin unter den "Einfluss der Erziehung" fallen. Autoritäts- und Statusdenken wird "anerzogen", folglich ist dies eine bewusste Beschränkung von menschlicher Entscheidungsfreiheiten!

Wundern braucht man sich nicht mehr. Weder über diese "Pauschalierungen" Wissenschaft und alles damit zusammenhängende sei einzig und alleine gut, richtig, völlig frei von allen erdenkbaren Fehlern usw.

Nicht nur die Wissenschaft beweist jeweils selbst ihre eigenen Fehler und Unzulänglichkeiten.
Vereinfacht gesagt kann ein "Messergebnis" erstens niemals besser sein als das Messmittel!

Verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen zeigen wie ungenau, unzuverlässig das Lebewesen Mensch trotz angeblich besser ausgestatteter "Steuerzentrale namens Gehirn" ist.

Wie unfrei wir Menschen "erzogen" wurden zeigt sich nebenbei an Studien. Z.B. der, die unter dem Begriff "Milgram Experiment" eine anerzogene "Unfreiheit" sehr deutlich macht.

Andere "Erziehungsprozesse" sind sooo deutlich nicht zu erkennen, aber trotzdem vorhanden, gang und gäbe und weiterhin üblich!
qilin
qilin
Mitglied

Re: Freiheit, Verantwortung und Freundschaft
geschrieben von qilin
als Antwort auf yuna vom 19.04.2013, 18:58:05
Auch das 'unter einen Baum legen und einfach sein' erfordert einen Willen und Entschluss, ob man
sich dessen bewusst ist oder nicht. Man hat das 'Einfach Sein' nicht - und wehrt sich dagegen...
Wir sind nun mal so gestrickt dass wir weiterleben wollen - nicht nur als Individuum, auch als Spezies
- und dafür muss man z.B. essen, sich fortpflanzen und sich vor Gefahren schützen.
Wir haben aber die Freiheit, das nicht zu tun...
Auch wenn ich mit dem ew. Kao-tai mit seiner Zeitmaschine aus der Sung-Dynastie durchaus
sympathisiere - auch diese war recht begrenzt:

Die Großnasen kennen, obwohl ihr Weltbild kugelförmig ist und sie ihre Erde kreis-bewegt sehen,
keinen Kreislauf, sie kennen nur die dümmliche gerade Linie. Sie glauben verbissen daran, daß alles
sich ständig ändern muß, und selbst die Vernünftigeren sind nicht von der Meinung abzubringen, daß,
wenn etwas sich ändert, es auch besser wird. Hat die Welt schon so einen Aberglauben gesehen?
Fort-Schritt - sie schreiten fort, sie schreiten fort von allem. Sie schreiten fort von sich selber. Warum?
frage ich mich. Wohl nur, weil es ihnen nicht gefällt, bei sich selber zu sein. Und warum gefällt ihnen
das nicht? Wohl weil sie sich - und das nun wieder mit Recht - als widerwärtig empfinden.
Aber was für ein Unsinn, von sich fortzuschreiten. Sie ändern ja nur ihre Umgebung, nicht sich selber.
Und das scheint mir der Kernpunkt zu sein: die Großnasen sind weder in der Lage noch willens, sich
selber zu vervollkommnen. Also werden die Großnasen weiter fortschreiten, und nur mit Grausen kann
ich daran denken, wohin sie es in weiteren tausend Jahren gebracht haben werden.


Ob es ein Ziel gibt? Falls ja, müsste dahinter irgendein Wille stehen - und daran müsste man glauben...
Sich selbst ein Ziel zu setzen - das ist immer beschränkt, durch den eigenen Wissensstand und die
eigene Vorstellungskraft - sehr beschränkt... Nicht unbedingt eine Frage der Willensfreiheit, sondern
der Erkenntnisfähigkeit.

() qilin
qilin
qilin
Mitglied

Re: Freiheit, Verantwortung und Freundschaft
geschrieben von qilin
als Antwort auf daddy60 vom 20.04.2013, 01:10:15
Wo bitte schön sind denn diese "angeblichen Freiheiten" geblieben von denen hier zu gerne gesprochen wird?!
Ein Mädel hat so zu sein, ein Junge anders.

Ist das so? Gerade heute beklagen doch Viele genau das Gegenteil...

Man hat gefälligst dies und das "zu lernen" und dies und das zu glauben"! Dafür gibt es wieder eine menschliche Begrifflichkeit die unsere "Freiheit" stark einschränkt. Man kann dies Autoritäsdenken oder Statusdenken nennen, diese Art unfreier Begrenzung von Freiheiten die mithin unter den "Einfluss der Erziehung" fallen. Autoritäts- und Statusdenken wird "anerzogen", folglich ist dies eine bewusste Beschränkung von menschlicher Entscheidungsfreiheiten!

Ist nicht gerade was Du hier schreibst der Erweis dass das nicht funktioniert?

Wie unfrei wir Menschen "erzogen" wurden zeigt sich nebenbei an Studien. Z.B. der, die unter dem Begriff "Milgram Experiment" eine anerzogene "Unfreiheit" sehr deutlich macht.

Genau dieses Experiment zeigt doch, dass es eine Freiheit gibt - sonst hätten sich nicht 10 % der Versuchspersonen weigern können mitzumachen.

() qilin

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Re: Freiheit, Verantwortung und Freundschaft
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf qilin vom 20.04.2013, 04:20:38


[quote]Wie unfrei wir Menschen "erzogen" wurden zeigt sich nebenbei an Studien. Z.B. der, die unter dem Begriff "Milgram Experiment" eine anerzogene "Unfreiheit" sehr deutlich macht.


Genau dieses Experiment zeigt doch, dass es eine Freiheit gibt - sonst hätten sich nicht 10 % der Versuchspersonen weigern können mitzumachen.

() qilin


Hallo qilin,

aber erstaunlich ist doch, dass 90% der Probanden das Experiment eben nicht abgebrochen haben, obgleich dies wegen der Schmerzen zu erwarten gewesen wäre.
Was veranlasst Menschen also, die nicht in ihrer Willensfreiheit eingeschränkt sind, die eigene Verantwortung für ihr Handeln einfach zu missachten und stattdessen blind den Anweisungen einer "Autorität" zu folgen?

Ursula
Re: Freiheit, Verantwortung und Freundschaft
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 20.04.2013, 12:39:57
...und stattdessen blind den Anweisungen einer "Autorität" zu folgen?

Herdentrieb, Gewohnheit, Bequemlichkeit, Zuwendung, Rausch, Interesse, SM, Finanzen, Versprechungen, Dummheit, ... ?
qilin
qilin
Mitglied

Re: Freiheit, Verantwortung und Freundschaft
geschrieben von qilin
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 20.04.2013, 12:39:57
Hallo Ursula,

ja, es ist erstaunlich und beängstigend (noch mehr m.E. das 'Stanford-Gefängnisexperiment' von Milgrams
ehem. Schulkameraden Philip Zimbardo, das wegen ausufernder manifester Gewalt abgebrochen werden
musste, obwohl dort keine Anweisungen einer Autorität vorhanden waren ). Auch dort blieben ca. 10 %
der Probanden 'standhaft' - IMHO ein Indiz dafür, dass der Mensch zwar zum 'Bösen' neigt, wenn er denkt
damit 'durchzukommen', aber kein Argument gegen eine Willensfreiheit...

() qilin
Mareike
Mareike
Mitglied

Re: Freiheit, Verantwortung und Freundschaft
geschrieben von Mareike
als Antwort auf qilin vom 20.04.2013, 14:04:39
Ein erneutes Experiment von der University of Exeter zusammen mit der University of St. Andrews ergab wiederum völlig andere Ergebnisse:
http://www.daswissensblog.de/das-stanford-experiment-was-philip-zimbardo-mit-dem-gefaengnisexperiment-erreichte/

Aus meiner Sicht belegen diese Experimente, dass der Mensch eben nicht als ICH, losgelöst von seiner Umgebung, existiert, sondern sich immer wieder neu konstituiert, gewissermaßen erfindet, in der Beziehung zu und mit seiner Umwelt.

Wie er seine Willensfreiheit nutzt, ist von vielen Faktoren abhängig.

Die Großnasen kennen, obwohl ihr Weltbild kugelförmig ist und sie ihre Erde kreis-bewegt sehen,
keinen Kreislauf, sie kennen nur die dümmliche gerade Linie. Sie glauben verbissen daran, daß alles
sich ständig ändern muß, und selbst die Vernünftigeren sind nicht von der Meinung abzubringen, daß,
wenn etwas sich ändert, es auch besser wird. Hat die Welt schon so einen Aberglauben gesehen?
Fort-Schritt - sie schreiten fort, sie schreiten fort von allem. Sie schreiten fort von sich selber. Warum?
geschrieben von qilin / Kao tei


Statt das Kreissymbol wäre die Doppelhelix ein sinnvolleres Symbol.
http://www.grafhp.ch/bilder/Illustration/Redaktions_Jobs/Doppelhelix.jpg
Zwischen den Strängen werden Informationen ausgetauscht, so kommt Veränderung zu Stande.

Mareike

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