Anthropologie / Psychologie Der Backfire-Effekt
Man beweist einem Menschen, dass er falsch liegt - und er ändert seine Meinung trotzdem nicht. Seltsam, aber keine Seltenheit. Warum das so ist, erklärt Harald Lesch in diesem Video:
Der "Backfire-Effekt" schlägt zu, wenn es um emotionale Fragen geht, also um innerste Überzeugungen geht, die man über die Jahre so angesammelt hat. Sie haben etwas mit unserer Identität zu tun - und wenn die durch etwas radikal Neues angegriffen wird, was beweist, dass es sich als Irrtum erwiesen hat, was man immer geglaubt hat, dann kommt er zum Tragen.
Wenn man jemanden von seinen innersten Überzeugungen abbringen will, dass er mit seinen Überzeugungen doch nicht so richtig liegt (da geht es um unseren Kern und z.B. nicht, wer die Glühbirne erfunden hat) und Argumente anführt – muss man dabei vorsichtig und sich im Klaren sein, dass der Andere eine Geschichte hat, die ihn zu diesen Überzeugungen gebracht hat.
Man muss die Würde des Anderen anerkennen, selbst wenn dieser sich irrt – hat er immer noch eine Würde. Dazu gehört, ihn nicht gleich argumentativ zu erschlagen und in alle Einzelteile zu zerlegen, sondern ihn als Mensch zu behandeln.
Der Backfire-Effekt macht uns klar, wie wichtig es ist Brücken zu bauen, um überhaupt an den innersten Kern eines Menschen, wenn es um seine Überzeugungen geht, heranzukommen.
„Bau lieber eine Brücke zu mir, als dass du jetzt einen Grenzzaun ziehst. Denn auch unsere Überzeugungen haben einen Migrationshintergrund – die sind nämlich irgendwann einmal in uns hineingewandert und manche kriegen wir auch dazu, wieder aus uns herauszuwandern. Vor allem, wenn wir feststellen, dass es sich um einen Irrtum handelt.“
Denn: Irren ist menschlich. Oder?
Gruß Mane
Das ist ein sehr interessantes Thema, @ mane. Unter diesem Aspekt, von Harald Lesch wie immer super erklärt, sollte man wohl die Kritik gegenüber anderen doch besser überdenken und weniger hart urteilen. Wir können als Menschen nun mal nicht aus unserer Haut und müssen
wohl nicht nur unsere eigenen, sondern auch die Schwächen anderer hinnehmen.
Den Satz mit den "Brücken bauen" zu einem andersdenkenden finde ich toll, ist aber nicht gerade einfach umzusetzen. Das ist nur wieder eine Aufgabe, die man angehen kann.
Gruß
Naturella
Liebe Naturella,
mir geht es bei diesem Thema auch darum, aufzuzeigen, wie kontraproduktiv es sein kann, wenn aggressiv versucht wird, andere Menschen von der "Unrichtigkeit" ihrer Meinung zu überzeugen. Häufig führt das nur zu dem beschriebenen Backfire-Effekt, also zum Gegenteil des Gewünschten. Je mehr Kritiker eifern, desto wirkungsvoller spielen sie der anderen Seite zu, indem sie diese in ihrer starren Überzeugung bestärken.
Mane
in Deinen Ausführungen wird Wesentliches weggelassen.
Ich spreche von der frühkindlichen religiösen Prägung, die die innerste aufgepfropfte Überzeugung ein Leben lang fixiert.
Der Backfire-Effekt ist nichts als ein Konstrukt.
Wer blinden Glauben (und echter Glaube ist immer blind) erzeugen will,
muss schon an die Kinder ran, egal ob es eine politische oder religiöse "frohe Botschaft" ist.
"Religion gilt dem gemeinen Manne als wahr, dem Weisen als
falsch und dem Herrschenden als nützlich." (Seneca)
In Deutschland zählt der teure Religionsunterricht an den Schulen zur Staatsaufgabe!
Unglaublich !!!!!!
In NRW (und anderen Bundesländern) ist nach Art. 7,1 das oberste Erziehungsziel die Ehrfurcht vor Gott!
Unglaublich!!!!!
Kinder gehören nicht in Kirchenhände!
Das Recht auf Religionsfreiheit umfasst bekanntlich nicht das Recht, von unerwünschter religiöser Beeinflussung durch staatliche Institutionen verschont zu bleiben.
"Wenn die Welt erst ehrlich genug geworden sein wird, um Kindern
vor dem 15. Jahr keinen Religionsunterricht zu erteilen, dann wird
etwas von ihr zu hoffen sein!"
( Arthur Schopenhauer, Philosoph, 1788 - 1860)
Der Wahn (= Glaube) ist eine die Lebensführung behindernde Überzeugung, an der der Glaubende der Unvereinbarkeit mit der objektiv nachprüfbaren Realität unbeirrt festhält.
Den Seinen gibt´s der Herr vom Staat und das, mehr als fürstlich !
Gruß arno
Hallo Arno,
du hast Recht, gerade die Prägung, die Menschen in ihren ersten Lebensjahren erfahren, spielt manchmal für das ganze Leben eine wichtige Rolle – dazu gehört, wie du schreibst, natürlich auch die religiöse Prägung. In diesem Lebensabschnitt haben sie noch nicht das Wissen erlangt und die Erfahrungen gemacht, die einen kritischen Standpunkt erst ermöglichen. Deshalb ist für Kleinkinder zunächst alles wahr, was sie erzählt oder vorgelebt bekommen. So sind sie während der ersten Lebensjahre fast schutzlos allen Einflüssen ausgesetzt, die auf sie einwirken.
Obwohl sich die Kirche heute bemüht, ihre Inhalte kindgerecht zu verpacken, ändert das nichts daran, dass die Inhalte, um die es geht, manchmal fragwürdig sind.
Meist gelingt es Kindern jedoch, nach und nach ein Weltbild zu entwickeln, das weitgehend der realen Wirklichkeit entspricht, um sich in der Welt zurechtzufinden.
Noch einige Worte von Paul Watzlawick:
Gruß Mane„Aus der Idee des Konstruktivismus ergeben sich zwei Konsequenzen. Erstens die Toleranz für die Wirklichkeit anderer, denn dann haben die Wirklichkeiten anderer genau so viel Berechtigung wie meine eigene. Zweitens ein Gefühl der absoluten Verantwortlichkeit. Denn wenn ich glaube, dass ich meine eigene Wirklichkeit herstelle, bin ich für diese Wirklichkeit verantwortlich und kann ich sie nicht jemand anderem in die Schuhe schieben.“