Forum Politik und Gesellschaft andere gesellschaftliche Themen Marktwirtschaft vs. Gerechte Gesellschaft + Bewahrung der Schöpfung, eine Utopie!?

andere gesellschaftliche Themen Marktwirtschaft vs. Gerechte Gesellschaft + Bewahrung der Schöpfung, eine Utopie!?

BerndHeinrich
BerndHeinrich
Mitglied

Marktwirtschaft vs. Gerechte Gesellschaft + Bewahrung der Schöpfung, eine Utopie!?
geschrieben von BerndHeinrich

Als ich in den weltlichen Franziskanischen Orden aufgenommen wurde, gab es, für mich, auch das Versprechen der Armut, was -für mich- täglich eine Herausforderung darstellt.
Begebe ich mich auf eine grundsätzlichere Ebene, dann entstehen viele Fragen.

Mit der neuen Regierungskoalition sind neue "Schlagworte" oder auch Begriffe eingeführt worden. In der Ära Adenauer/Erhard wurde der Begriff der "Sozialen Marktwirtschaft" geprägt, der sich, nicht unwesentlich, an die Katholische Soziallehre (Kompendium der Soziallehre der Kirche) anlehnte.
Nun hören wir von eine Ökologisch-Sozialen Marktwirtschaft ....
Müssen wir heute, auch von solchen Überlegungen Abstand nehmen, weil es nicht mehr nur um soziale und auch noch ökologische" Gerechtigkeit" geht, sondern ums schlichte Überleben der Schöpfung (für mich), bzw. des Planeten, als Existenzort der Menschheit?
Müsste nicht "eigentlich" alles "ganz neu und radikal" gedacht werden?

Die sog. Marktwirtschaft ist ausgerichtet auf einem stetigen und zunehmenden Wachstum. Es muss also immer mehr, von allem Möglichen produziert werden. Das bedingt aber eben auch, die "Ausbeutung" von endlichen Ressourcen! Ich weiß nicht, wie hoch der Anteil an Gütern ist, der dem Luxus, der erweiterten Bequemlichkeit dient oder auch der (z.T. durch Werbung manipulierten) Bedürfnisbefriedigung. Aber all das bedeutet doch auch, dass endliche Ressourcen "verbraucht" werden.
Würde die Produktion von Autos und vieler anderer Güter/Dienstleistungen um einen signifikanten Prozentsatz reduziert werden, würde das marktwirtschaftliche System nicht mehr funktionieren oder die Schere, zwischen "Arm und Reich" würde noch wieter auseinander klaffen ....
M.M.n. unabhängig davon, ob die Güter/Dienstleistungen nun ökologischer sind oder nicht. Oder galubt wirklich jemand, dass Elektronikkonzerne nicht, alle 6-9 Monate neue Prestigeobjekte, wie z.B. "Smart"phones entwickeln/produzieren würden????

M.E. ist das Gescheitertsein,dieses wirtschaftlichen Ansatzes (der m.M.n. den Grad einer Gesellschafts"ordnung" angenommen hat) längst sichtbar! Es müsste etwas sehr, sehr radikal anderes her, finde ich.

Was meint ihr?

olga64
olga64
Mitglied

RE: Marktwirtschaft vs. Gerechte Gesellschaft + Bewahrung der Schöpfung, eine Utopie!?
geschrieben von olga64
als Antwort auf BerndHeinrich vom 30.12.2021, 15:44:21

Das ist ein sehr interessanter Beitrag, der zum Nachdenken anregt.

Aktuell leben wir in einer Zeit der minimierten Lieferketten, was zur Folge hat, dass die weltweiten Produktionen ins Stocken geraten sind. Bedingt durch die Pandemie läuft die Ökonomie weltweit jetzt wieder an, ist aber gekennzeichnet von Rohstoffmangel und damit verbunden von hohen Produktionsstops in den Schlüsselindustrien. Z.B. der Automobilindustrie, wo seit Monaten mit stark reduzierter Kraft produziert wird (aber auch in der Chemieindustrie, im Maschinenbau usw.):
Der Endverbraucher sieht dies z.B., wenn er oder sie dringend einen neuen Kühlschrank, Geschirrspüler, Waschmaschine usw brauchen - Lieferzeiten von mehreren Monaten.
Dazu kommt ein hoher Mangel z. B. an Handwerkern - Bau- und 'Renovierungsprojekte können nicht realisiert werden.
Da wir als Deutschland aber in einer sozialen Marktwirtschaft leben (mehr als 50% des Staatshaushaltes fliessen in soziale Belange) und auch die Gesellschaft durch Veralterung immer weniger produktiv ist, bedeutet dies auch,d ass die Einzahlungen in Steuer- und Sozialkassen sinken, die Bedarfe aber steigen.
Dazu kommt der ökologische Aspekt, der ebenfalls sehr finanz-intensiv ist und zwar nicht nur für die Staaten, sondern für jeden Einzelnen.

Erzwungenermassen, ausgelöst durch ein kleines, unsichtbares, weltweites Virus, sind wir mit radikalen Änderungen konfrontiert, die vermutlich viele Menschen noch gar nicht in ihren grossen Dimensionen erfasst haben. Ob sich dies positiv manifestiert, bin ich sehr unsicher, weil wir in einer jahrzehntelangen Wohlstandsgesellschaft leben und Änderungen dieser Umstände naturgemäss von den meisten nicht freudig begrüsst werden.
Wäre es so, würden Parteien, die diese Kurse seit Jahren anpreisen und verfolgen, bei Wahlen stimmentechnisch bevorzugt werden, was ja nicht der Fall ist.
Es kommt darauf an, wie unsere Nachfolgegenerationen, also die jungen Leute von heute, dies vorantreiben und zwar nicht nur, in dem sie regelmässig in grossen Mengen laut schreiend auf den Strassen verbal dafür kämpfen, aber den Eindruck erwecken, sie würden primär das Ziel ihrer Forderungen erkennen, aber nicht den Weg, der dorthin führt. Aber es ist die Zukunft der jungen Menschen, die auch die Weichen stellen und die Verantwortung dafür übernehmen müssen. Olga

BerndHeinrich
BerndHeinrich
Mitglied

RE: Marktwirtschaft vs. Gerechte Gesellschaft + Bewahrung der Schöpfung, eine Utopie!?
geschrieben von BerndHeinrich
als Antwort auf olga64 vom 30.12.2021, 18:45:39

Sehr, sehr spät reagiere ich, liebe @olga64, auf Ihren Beitrag.
Eigentlich hatte ich auch gedacht/vermutet/gehofft, dass ein solch grundsätzliche Überlegung "ein wenig mehr Resonanz ergeben könnte ....
Nun ja, .....

Darf ich so schreiben, liebe @olga64, dass Sie, in ihrer Antwort, für mein Gefühl, im bestehenden System bleiben?
Mir selbst ging es um etwas sehr viel grundsätzlicheres! Auf Dauer stelle ich dieses "Wirtschafts"system in Frage.
Welchen Hintergrund habe ich dabei u.a.? Mag sein, dass Skinners "Walden Two", dass sich (allerdings sehr weit) an Thoreaus "Walden" anlehnt, mich zu Überlegungen/Phantasien/(utopischen) Visionen führt, die sicher nicht mit heutigen, angeblich "alternativlosen" Konstrukten, kompatibel sind.
Die utopischen Modelle würden eine Art von Marktwirtschaft hinwegfegen! Und wäre das ggf. "gut so"? Für die Menschen auf diesem Planeten und für den Planeten selbst?

Irgendwo, im Buch, läßt Skinner einen der Protagonisten sagen, dass Ressourcen verbraucht werden, für Dinge, die Menschen nicht wirklich brauchen, bzw. nicht in der Vielfalt ...
Bedürfnisse werden -heute- manipuliert/geweckt (Werbung), deren "Befriedigung" lediglich dazu dienen, Erträge (und Wachstum!!!!) zu generieren.
Wäre nicht "Armut", im Sinne von "nicht gebunden sein", an jegliche Form des "Haben wollens" eine Alternative?

Herzliche Grüße!

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RE: Marktwirtschaft vs. Gerechte Gesellschaft + Bewahrung der Schöpfung, eine Utopie!?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf BerndHeinrich vom 22.03.2022, 11:10:37
Wäre nicht "Armut", im Sinne von "nicht gebunden sein", an jegliche Form des "Haben wollens" eine Alternative?

Ich bin mir sehr bewusst, dass meine kurze Gegenreaktion darauf nicht im Sinne deiner utopischen Vorstellung der Gegenwart, resp. Zukunft sein kann.

Richte deine indirekte Frage doch mal an all diejenigen hierzulande und vor allem auch darüber hinaus an die Menschen, für welche "Armut" zum täglichen "Sein" gehört. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie diesen Zustand auch noch positiv, "als nicht gebunden sein" empfinden können.
Philosophieren darüber ist das Eine, um die harte Realität der in Armut lebenden zu wissen, das Andere!

Grundsätzlich aber vermute ich mal, wir müssen uns ohnehin daran gewöhnen, dass es einen Abschied vom Überschuss an unnötig produzierten Waren geben wird, wohl auch verbunden mit dem Abschied von Wohlstand für viele Menschen. Schwierig, ganz schwierig und ein heißes Eisen, das noch keiner so richtig anfassen möchte...
Für die ältere Generation, welche in diese Art Wohlstand hineingewachsen ist, vielleicht einfacher zu verkraften, für die jungen Menschen hingegen dürfte es problematisch werden. Vor allem für alle diejenigen, deren Lebensstil "Party" um jeden Preis bis hin zur Dekadenz meint...
Mareike
Mareike
Mitglied

RE: Marktwirtschaft vs. Gerechte Gesellschaft + Bewahrung der Schöpfung, eine Utopie!?
geschrieben von Mareike
als Antwort auf BerndHeinrich vom 22.03.2022, 11:10:37

Mit dem heutigen Wissen würde ich einiges anders machen, weil ich erkenne, dass sich zuviel unnötiges Zeug angesammelt hat.

Bei den Jüngeren - sprich Enkelgeneration - sehe ich durchaus gute Ansätze, wenn auch nicht bei der Mehrheit.
Diejenige die demonstrieren zeigen durchaus auch in ihrem Alltag, dass es anders geht, zumindest erlebe ich das hier bei den Enkeln und ihrem Freundeskreis unmittelbar. Es werden mehr werden, davon bin ich überzeugt.

Mareike

Der-Waldler
Der-Waldler
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RE: Marktwirtschaft vs. Gerechte Gesellschaft + Bewahrung der Schöpfung, eine Utopie!?
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf BerndHeinrich vom 22.03.2022, 11:10:37

Lieber Bernd,

setzt das alles aber nicht voraus, dass der Mensch nicht nur "zum Guten fähig" ist, sondern auch bereit und danach bestrebt ist, unter Überwindung seines Egoismus und seiner Gier, dieses Ziel zu erreichen? Dass das aber umfassend möglich ist, nein, diesen Optimismus kann ich leider nicht (mehr) teilen.

Liebe Grüße

DW


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barbarakary
barbarakary
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RE: Marktwirtschaft vs. Gerechte Gesellschaft + Bewahrung der Schöpfung, eine Utopie!?
geschrieben von barbarakary
als Antwort auf Der-Waldler vom 22.03.2022, 15:26:18

Als ich vor Jahrzehnten - damals noch auf dem Dorf wohnend - gelegentlich in die Stadt und in ein Kaufhaus kam, fragte ich mich immer, wer dies alles kaufen soll - ob man dies alles braucht? Mit all diesem Konsum machen wir den Planeten kaputt. Freuen wir uns also, dass es gewisse Ansätze gibt - auch unter jungen Leuten - unsere Ansprüche herunterzuschrauben. Wer schon arm ist und keine Teilhabe hat an dem Überfluss, soll sich nicht angesprochen fühlen. Aber wir alle anderen, denen es gut geht, sollten uns allmählich Gedanken machen, ob wir den Untergang beschleunigen oder aufhalten wollen!

LG barbarakary

Mitglied_162e28b
Mitglied_162e28b
Mitglied

RE: Marktwirtschaft vs. Gerechte Gesellschaft + Bewahrung der Schöpfung, eine Utopie!?
geschrieben von ehemaliges Mitglied

Dazu habe ich eine radikale Ansicht:
"Die Schöpfung" wird sich erst dann erholen, wenn ihre "Krone" ihr  nicht mehr angehört.
Der Mensch mißbraucht die Erde und beutet den Planeten aus, bis dieser am Ende ist.
Und spätesten dann verschwindet der Mensch.
Wenn nicht eine kriegerische Auseinandersetzung oder eine weltumfassende Katastrophe diesen Vorgang beschleunigt.

freddy-2015
freddy-2015
Mitglied

RE: Marktwirtschaft vs. Gerechte Gesellschaft + Bewahrung der Schöpfung, eine Utopie!?
geschrieben von freddy-2015
als Antwort auf BerndHeinrich vom 30.12.2021, 15:44:21


Die sog. Marktwirtschaft ist ausgerichtet auf einem stetigen und zunehmenden Wachstum. Es muss also immer mehr, von allem Möglichen produziert werden. Das bedingt aber eben auch, die "Ausbeutung" von endlichen Ressourcen!

M.E. ist das Gescheitertsein,dieses wirtschaftlichen Ansatzes (der m.M.n. den Grad einer Gesellschafts"ordnung" angenommen hat) längst sichtbar! Es müsste etwas sehr, sehr radikal anderes her, finde ich.
Was meint ihr?
Ich meine Bernd, dass es sich wie immer verhält bzw. verhalten wird.

Es wird ein schleichender Prozess in dem wir uns schon Ansatzweise befinden.
Dein Beispiel zunehmendes Wachstum mit Ausbeutung der endlichen Ressourcen
sagt eigentlich schon alles aus, Recycling ist schon seit längerem in Produktionsketten eingebunden und gerade jetzt aktuell werden wir darauf vermehrt zurückgreifen weil die Kosten für Rohstoffe explosionsartig steigen.

Marktwirtschaft vs. Gerechte Gesellschaft + Bewahrung der Schöpfung, eine Utopie!?

Ja Bernd das ist eine Utopie, weil die Menschen die nächste Stufe der Entwicklung anpeilen, Rohstoffe aus dem All.
Wachstum muss auch nicht mit mehr Produktion,
sondern mehr Wertsteigerung erzielt werden.
Solange das noch nicht geht wird man auf das zugreifen was zur Verfügung steht und wenn nichts mehr da ist, dann wird der Mensch was anderes finden.

Kunststoffe, Treibstoffe aus Holz, nur um mal ein Stichwort zu nennen.
In den letzten 300 Jahren über den Daumen hat sich immer was geändert und gebessert, aber es braucht seine Zeit.
Klima ist ein typisches Beispiel wie Menschen mit Problemen umgehen, erst wenn die Hitze und Trockenheit den Wald weltweit noch mehr angreift reagiert man.
Der-Waldler
Der-Waldler
Mitglied

RE: Marktwirtschaft vs. Gerechte Gesellschaft + Bewahrung der Schöpfung, eine Utopie!?
geschrieben von Der-Waldler

Liebe @barbarakary,

wir mussten immer sehr bescheiden leben, das ist uns in die DNA übergegangen, und wir kommen gut damit zurecht, ja, wir empfinden das gar nicht als Einschränkung.

Aber ich denke, für Menschen, die es mal anders kannten, die plötzlich verzichten müssen, die es gewohnt sind, nicht auf den 10-Euro-Schein zu achten, dürfte das schon schwer werden, und das kann ich verstehen.

Ich denke, solche Utopien, wie @BerndHeinrich sie ansprach, sind  für kleine Lebenseinheiten vielleicht möglich, für kleine Gruppen. Aber ich sehe große Umsetzungsprobleme in den und für die großen Städte/n. Nein, ich sehe nicht nur Probleme, ich halte es eigentlich für nicht zu verwirklichen.

LG

DW

 


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