andere gesellschaftliche Themen Gedanken und Erinnerungen zum Beginn und Ende des Lebens
Marcello...
regelmäßig, im Winter weniger, fahre ich zu dem kleinen Kreuz,Liebe Anna,
an dem das Bild Marcellos geheftet ist.
Auf dem Photo ist er 19 Jahre alt. Ein junger Mann, der freudig in
seine Zukunft schaut, die er da gar nicht mehr hatte.
Das kleine Gedenkkreuz, mit Kerzen und Liebessteinen, ist nicht
weit von dem Kreisverkehr entfernt, an dem Marcello tödlich
verunfallt ist. Jemand hatte ihm die Vorfahrt genommen. Und das war
es für ihn.
Das ist 6 Jahre her.
Die Gedenkstelle ist nun etwas verwaist.
Seine Freunde leben ihr Leben weiter.
Ich komme regelmäßig, weil es auch auf einem Rad-Rundweg von mir
liegt.
Fünf Sekunden ! Fünf Sekunden früher oder fünf Sekunden später
und Marcello wäre mit seinem Motorrad nicht tödlich verunglückt.
Vielleicht hatten wir allesamt hier im ST ebenfalls diese fünf Sekunden,
die auch bei uns über Leben und Tod entschieden haben - nur:
Wir werden es nie erfahren, weil wir überlebt haben, obwohl der Tod
nur fünf Sekunden entfernt war.
Anna
deine Worte über Marcello und die tragische Bedeutung von Sekunden, die bei ihm über Leben oder Tod entschieden haben, gehen tief unter die Haut. Sie erinnern mich daran, wie fragil und unvorhersehbar unser Dasein sein kann.
Fünf Sekunden – so kurz, und doch entscheidet sich in diesem winzigen Augenblick oft ein ganzes Leben. Dein Gedanke, dass auch wir solche Sekunden erlebt haben könnten, ohne es jemals zu wissen, ist ebenso berührend wie beängstigend.
LG Doris
Dein Erinnern an Marcello hat mich sehr berührt, Anna. Marcellos Schicksal erinnerte mich an meinen Bruder, der im Alter von 22 Jahren einen Augenblick lang zur falschen Zeit am falschen Ort war.
Nachdenklich grüßt
Der Waldler
Anna
Fünf Sekunden ! Fünf Sekunden früher oder fünf Sekunden später
und Marcello wäre mit seinem Motorrad nicht tödlich verunglückt.
Vielleicht hatten wir allesamt hier im ST ebenfalls diese fünf Sekunden,
die auch bei uns über Leben und Tod entschieden haben - nur:
Wir werden es nie erfahren, weil wir überlebt haben, obwohl der Tod
nur fünf Sekunden entfernt war.
Anna
Ich hatte sie, und ich hatte das Geschenk, es auch realisieren zu können.
vor vielleicht 15 Jahren war ich beruflich viel und lange mit dem Auto unterwegs. Eines warmen Sommerabends kam ich von einem Beratungseinsatz in der Schweiz wieder zurück ins Unterfränkische. Es war gegen 22 Uhr und ich war müde, als ich die letzten Kilometer zu meinem zu Hause zurück legt. Auf den letzten Kilometern dieser Strecke gibt es eine wunderschöne Abkürzungsstrecke, die allerdings nur tags über wunderschön und vor allem relativ sicher ist. Das was sie tags über wunderschön macht, ist nachts eine Gefahr. Und das ist die Natur und der Wildwechsel. Es ist eine Strecke die durch klitzekleine Dörfer führt die auch weit voneinander entfernt liegen. Ideal für Rehe, Hasen, Hirsche....
Ich fuhr also nach Hause und nahm die Abkürzung. Und als ich abgebogen war kam mir auf einmal der Gedanke, dass das um diese Uhrzeit keine gute Idee gewesen sein könnte. Ich war damals noch nicht sehr vorsichtig und dieser Gedanke eher ungewöhnlich für mich. Er war aber so intensiv, dass ich vom Gas ging und überlegte, ob ich und vor allem wo ich noch wenden könnte. Auf dieser Strecke gibt es wenige Wendemöglichkeiten und so fuhr ich erst einmal langsam weiter. Und das war mein Glück, denn als ich langsam eine enge Kurve passiert hatte sah ich mitten auf der schmalen Strasse einen Hirsch (ich vermute, dass das ein Hirsch war.. jedenfalls deutlich größer als ein Reh oder ein Rehbock) liegen. Dieses große Tier genoss ganz offensichtlich die Wärme der Straße die diese gespeichert hatte. Ich hielt an.. und wartete. Zum Glück war ich so langsam unterwegs, dass das problemlos möglich war. Wäre ich mit meinem üblichen Tempo diese Strasse lang gefahren, ich hätte nicht mehr bremsen können. Wie das aus gegangen wäre.... wer weiß das. Gut für dieses Tier und für mich sicher nicht.
Dieser Hirsch ließ sich Zeit und fühlte sich durch mich nicht gestört. Drehen konnte ich nicht, an ihm vorbei kam ich auch nicht. Und so aktivierte ich nur noch meine Warnblinkanlage und wartete. Er oder Sie schaute mich an, ich das Tier. Und es dauerte .. und die warme Luft des Sommers streichelte dieses Tier und mich.
Wir hatten beide Glück, es kam kein weiteres Auto und irgendwann, gefühlt mindestens eine halbe Std. später, bequemte sich der Hirsch und stand bedächtig auf, schaute noch einmal in meine Richtung und ging gemächlich dem Waldrand zu.
Ich denke bis heute, da hat mich jemand, etwas... wer auch immer... gewarnt. Es war noch nicht meine Zeit und die des Hirschs auch noch nicht.
Jedenfalls haben uns wenige Sekunden vor Schaden bewahrt. So viele Sekunden wie man sie benötigt um sich die Frage zu stellen: war das eine gute Idee?
Zwei solcher "fünf Sekunden" kann ich ebenfalls berichten.
Das erste Mal im Alter von 16 Jahren. Ich war mit dem Fahrrad unterwegs zur Schule und musste eine stark befahrene Umgehungsstraße überqueren. Ich war geschätzt in der Mitte der 4 spurigen Sraße, da hörte ich einen gellenden Schrei. Ich stürzte mit dem Rad, stand verwirrt und nichts begreifend unverletzt auf, ein LKW war an mir vorbei gedonnert ....
Dann 1995: Ich war mit dem Pkw unterwegs und hatte eine veränderte Verkehrsregulierung für Linksabbieger nicht wahrgenommen. Laut hupend bretterte ein Lkw an mir vorbei, es war äußerst knapp.
Fast zur gleichen Zeit, ca 5 Minuten früher, verunglückte mein Mann tödlich.
Als ich zuhause ankam klingelte das Telefon: "Josef ist verunglückt!"
Mareike
Auch ich kann einige dieser Beispiele nennen, die mir noch heute Schauer über den Rücken jagen.
Ich war im Schwarzwald unterwegs, nahm auch die berühmte Abkürzung, weil es spät war und ich im Hotel ankommen wollte, es wurde immer nebliger, plötzlich dachte ich, da stimmt etwas nicht, hielt an um mich zu orientieren und sah, dass meine Vorderräder buchstäblich am Abgrund standen. Wie tief es abwärts ging sah ich nicht mehr, als ich mit zitternden Knien wieder in mein Auto stieg und langsam weiter fuhr. Ich nahm nie wieder Abkürzungen.
Es sind immer Sekunden die über Tod und Leben, Unglück oder Glück entscheiden und manchmal sind es aber auch wir, die oft innerhalb Sekunden etwas entscheiden, das unser Leben zum positiven oder ganz ins Gegenteil verändert. Der Tragweite solcher Entscheidungen in Sekundenschnelle wird uns oft erst nach vielen Jahren bewusst.
Manchmal frage ich mich, was war es, das mich zu lebensgefährlichen Aktionen aus Bequemlichkeit verleiten ließ oder zu einer impulsiven Entscheidung, die ich nach heutigen Wissen nicht wieder in dieser Form treffen würde. Oder sogar gar nicht.
Es grüßt euch
Granka
Ich möchte mich auf diesem Weg von jemanden verabschieden, den ich in Thailand kennengelernt hatte. Als ich sie das letzte mal anschrieb, bekam ich keine Antwort mehr und dachte mir schon, dass sie vermutlich nicht mehr lebt oder verwirrt ist. Heute bekam ich die Bestätigung ihres Todes, ich weiß nicht ob ich den schweren Weg, den sie bewusst ging und damit auch den Tod in dieser Form in Kauf nahm, bedauern soll, ich hatte ihr oft genug die Risiken be-und geschrieben, aber sie wollte es nicht hören und betonte, dass ihr das Leben in Thailand gefiel und als gläubige Christin lege sie ihr Leben sowieso in Gottes Hand. Dem Bericht nach lebte sie einsam (das wusste ich aber)und in einer Hütte, ich wusste, dass sie aus dem vorigen Haus ausziehen musste, da durch den ungünstigen Kurs des Baht ihr von ihrer ohnehin schmalen Rente zu wenig blieb um das Haus bezahlen zu können, aber von ihrem letzten Zuhause bekam ich vermutlich aus gutem Grund keine Fotos mehr. Sie starb also einsam ohne ärztliche Versorgung an einer Blutvergiftung in ihrem Haus. Da die in Thailand übliche Verbrennung kostenpflichtig ist, wird sie, wenn sie dafür nicht vorgesorgt hatte, was ich nicht glaube, völlig anonym in der Erde bestattet.
Gute Reise ins Jenseits wünsche ich dir und ich hoffe, du konntest das Ende und die letzten Lebenstage halbwegs gnädig erleben.
Ruhe in Frieden
Granka
Ängste - manchmal glaube ich, dass uns das Leben ständig vor neue Aufgaben stellt und uns auch im Alter nicht verschont, dabei dachte ich, den Lernprozess bezüglich meines Lebens hinter mir zu haben.Wir können auf einen reichen Erfahrungsschatz zurück blicken, manches sieht man heute anders wie in den Jahren in denen wir jung waren, Kinder erzogen und oder berufstätig waren und täglich neue Herausforderungen zu meistern hatten. Nun sind wir Senioren, Rentner, je nach Lebenssituation müssen wir, oder zumindestens ich, hauptsächlich dafür sorgen, dass es mir/uns gut geht.
Aber ich ertappe mich dabei, dass ich, je älter ich werde, angesichts der vielen Fernreisen von Tochter und Enkel schon Tage vor Reisebeginn deprimiert und immer ängstlicher werde und ich erst wieder Ruhe finde, wenn ich Nachricht bekommen habe "bin gelandet". Nun ist meine Tochter in Thailand und mein Enkel in Taiwan, im Herbst waren es Cap Verde und mein Enkel war mit Rucksack in China/Peking-Shanghai unterwegs, was bei mir zusätzlich Ängste geschürt hat. Natürlich freue ich mich, dass sie sich diese Reisen leisten können und viel von der Welt sehen, ich bin, solange ich konnte, auch gerne gereist und viel geflogen , aber auch manchmal denke, irgendwann ist die Zeit der anstrengenden Fernreisen, zumindestens bei meiner Tochter vorbei. Aber so will ich gar nicht denken, ich wünsche ihnen möglichst lange das tun zu können, was ihnen Freude bereitet.
Vermutlich gehört auch das zum schwierigen Kapitel des loslassens und dem begreifen, dass nichts in meiner/unserer Hand liegt, auch nicht das Wohlergehen meiner inzwischen erwachsenen Familienangehörigen.
Dazu fällt mir gerade ein, meine Schwester musste meine Mutter auch immer anrufen, wenn sie nach einem Besuch bei ihr mit dem Auto wieder zu Hause angekommen waren. 😉
Ich wünsche allen einen schönen Tag
Herzliche Grüße
Granka
Liebe Granka,
ich denke, es ist die Angst, seine Lieben verlieren zu können. Als meine Eltern noch lebten, und wir sie besuchten (mit dem Zug, ein Auto hatten wir da noch nicht) waren es nur 250 km, aber auch wir sollten immer anrufen, wenn wir wieder daheim waren.
Ich denke, manche Ängste lassen im Alter nach, andere bleiben aber, und es kommen manchmal sogar welche hinzu. Zur Zeit spüre ich die Kriegsangst 1962 meiner Mutter nach. Als 1962 die Kubakrise ausbrach, war sie nahezu in Panik. So verzweifelt und voller Angst habe ich sie noch nie erlebt. Für mich als damals Zehnjährigen war das extrem belastend, denn meine Mutter war immer stark gewesen, ein ganz stabiler Halt für mich, sie hatte "vor nichts" Angst. Aber diese Krise triggerte ihre eigenen Erlebnisse, den Bombenkrieg aufs Ruhrgebiet usw.. Heute verstehe ich sie so gut, so gut...
Liebe Grüße
Der Waldler
Lieber Der-Waldler,
natürlich ist es die Angst das liebste zu verlieren, nur kann das täglich geschehen, bei mir hat sich die Angst auf das fliegen konzentriert, dabei ist rein statistisch gesehen, das Flugzeug das sicherste Verkehrsmittel.
Die Kriegsangst ist auch bei mir vorhanden, ich versuche aber im Gegensatz zur Angst bei der Vielfliegerei meiner Tochter/Enkel, nicht zu intensiv darüber nachzudenken. Trotzdem, sie ist vorhanden, auch bei meinen Kinder, die aber im Gegensatz zu mir, die noch bei den Eltern Kriegstrauma erlebt und die auch vermittelt wurden und ich die Auswirkungen nach Ende des Krieges trotzdem noch miterlebt hatte, finden und fanden bei bei uns solche Gespräche nur begrenzt statt, allenfalls über unsere Herkunft oder wenn gefragt wurde. Aber nun gibt es Social Media, die jungen Menschen erfahren auch ohne Eltern genug über die heikle Weltlage.
Es ist schon so, wie du schreibst , jeder bekommt seine persönlichen Ängste "aufgebürdet" , du hast diese mitbekommen und jeder muss daran arbeiten oder damit zurecht kommen, die Ängste loszulassen, denn ändern können wir weder die heikle, politische Weltlage, noch die Ängste, die sich auf unser engstes Umfeld erstreckt. Aber vielleicht sind diese Kriegsängste auch normal? Unterschiedlich wie wir sind, sind auch unsere Àngste vorhanden.
Ich gebe aber auch zu, dass mich langsam normale Dinge, die über das, was täglich zu erledigen ist, oft ängstigen, ich bekomme manchmal zu hören, warum geräts du so schnell in Panik? Vermutlich ist es das Alter und schwächer werden.
Herzliche Grüße
Granka