andere gesellschaftliche Themen Ethik-Debatte: Die Würde des Menschen
Hallo, sneja,
Ich sehe das ähnlich lieber Waldler:
sicherlich trifft das alles auf Dich zu. Auf mich übrigens auch. Für mich ist das Leben kein "Geschenk" (von wem auch?), sondern das Ergebnis einer großen Liebe, und ich bin das Zufallsprodukt daraus. Und ich bin auch niemand, der etwas vom "positiven Denken" hält. Und darüber hinaus bin ich ein Verfechter des selbstbestimmten Sterbens, aber ein Gegner des fremdbestimmten Sterbens.
Aber ich finde, @Rispe hat das Recht, diese Meinung zu äußern, denn diese Meinung ist EIN Aspekt unserer Diskussion hier.
LG
DW
jeder von uns kam unbefragt auf diese Welt - aber ob er oder sie das Produkt einer grossen Liebe oder doch ein Zufallstreffer war, sei mal dahingestellt.
Ich wurde z.B. während es 2. Weltkrieges gezeugt als mein Vater auf Urlaub in München war und meine Mutter erzählte gerne,d ass er sie vorher fragte, ob sie in den Luftschutzkeller gehen sollten (weil die Grossmarkthalle schon brannte) oder doch nicht. Sie entschieden sich dagegen und einige Monate später kam ich auf die Welt.
Auch ich halte nichts von generellem, positiven Denken, weil das auch eine gefährliche Aufforderung für Verdrängung ist. Also sich lieber nicht mit der Realität befassen und den folgenden Konsequenzen, sondern alles nur gut finden, bis es zu spät ist und keine Hilfe mehr retten kann.
Ich habe es immer schon als grossen Vorteil betrachtet,dass Menschen selbst bestimmen können, ob sie weiterleben wollen oder nicht (Tiere machen das ja nicht). In besonders schlimmen Zeiten habe ich dies in meinem Leben immer als sehr entlastend empfunden, über diese Alternative zu verfügen.
Aber mein Bestreben war und ist hier nicht, dafür Dritte einzubinden, weil ich diesen evtl. beteiligten Menschen keine Schuld in dieser Dimension aufladen möchte. Wenn ich entscheiden sollte, dass es besser für mich wäre, mich von dieser Welt zu verabschieden, würde ich persönliche Vorkehrungen treffen und dann den Weg wählen.
Das wäre dann derUnterschied zu meiner Zeugung/Geburt, wo mich ja niemand fragte, wie ich es denn gerne machen würde. Olga
Als meine Frau sich dessen bewusst war, dass der Summe des Erlittenen nichts mehr beigefügt werden dürfe und dass sie den äussersten Punkt der Zeit der Selbstbestimmung erreicht habe, setzte sie das Ziel, das sie sich längs schon gesetzt hatte, in die Tat um: Sie telefonierte mit der Sterbehilfe. Eine Frau und ein Mann kamen innert einer Woche zu uns. Sie besprachen sowohl mit meiner Frau wie auch mir, ob die von meiner Frau gewählte Lösung unumkehrbar sei. Meine Frau erwiderte, der Entschluss sei endgültig. Die beiden guckten auf mich. Ich sagte, meine Frau und ich hätten uns das Versprechen gegeben, den Partner/die Partnerin nicht zu zwingen, weiter zu leiden. Denn wahre Liebe bedeutet auch, nicht aus Eigennutz jemanden leiden zu lassen.
Eine Woche später kamen die Frau und der Mann wieder. Meine Frau konnte wählen wo sie liegen möchte. Sie wählte. Ich fragte sie mit unterdrückten Tränen: "Möchtest du, dass ich dir die Hand halte?" Sie schüttelte nur den Kopf. Sie wusste genau, dass, wenn ich ihr die Hand hielte, sie "schwach" werden würde. Dann sprach sie ihre letzten Worte: "Du kommst ja auch bald...."
Liebe Olga,
nun, ich musste gerade schmunzeln, denn ich bin wirklich ein Ergebnis einer großen Liebe UND ein Zufallsprodukt. Liebe, weil meine Eltern sich so sehr ein Kind wünschten, und sieben Jahre versucht haben, mich entstehen zu lassen. Und dennoch Zufall: Weil ich ja auch jemandes anderen Kind hätte sein können... 😊
Aber zurück zum Thema: Mir geht es so wie Ihnen: In sehr schwierigen Lebensphasen war es mir immer eine Beruhigung und ein Trost, zu wissen, dass ich ja aus eigener Hand sterben kann. Es mag absurd erscheinen, aber dieser Gedanke hat mir oft sogar erst die Kraft zum Weiterleben gegeben. Im Fall des Falles muss mir auch keiner helfen, damit will ich niemanden belasten, schon gar nicht meine Frau.
LG
DW
Oh Gott -lieberSchorsch - danke fürIhr Vertrauen, uns das so zu schildern.
Es treibt mir die Tränen in die Augen. Ich glaube aber auch, zu erkennen, dass sehr viel Kraft daraus hervorgeht und auch Trost.
Danken möchte ich auch D.W. - der genau die Gedanken niederschrieb, die ich bei diesem so schwierigen Thema schon lange habe.
Es entschädigt für vieles, solche 'Berichte lesen zu dürfen. Nochmals danke. Olga
Die Würde des Menschen ?
Ich hatte nicht das Glück als Kind geliebt zu werden von meinen Erzieherin/Erzieher , mir wurde gerade herausgesagt, wenn es schon die Pille gegeben hätte wäre ich nicht auf die Welt gekommen,und das noch wo meine Wenigkeit 35 Jahre alt war.
Aber doch war ich die letzten Stunden bei ihr, meine Geschwister hatten plötzlich keine Zeit mehr und ich mußte alleine die Entscheidung für die 86 jährige Frau nehmen , ob die medizinische Erhaltung aufrecht erhalten sollte oder nicht, nachdem mir der Arzt im KH über Telephon die Situation erklärte daß die Bauchspeicheldrüse sich selbst verdaute bzw. die Nieren nicht mehr funktionieren würden gab ich die schriftliche Einwilligung.
Ich weiß heute noch nicht was mir diesen Moment genau durch den Kopf ging, ich sah sie dort liegen und war froh daß sie erlöst war.
Böse war ich ihr nie, über all die emotionslose kalten Jahre, ich war immer für sie da, wenn sie Hilfe brauchte sie brachte es nie fertig eine richtige Verbindung mit mir aufzubauen, sie dachte immer nur zuerst an sich, ich entschuldigte sie damit daß sie irgendwie nicht zurechnungsfähig war. Und jetzt ruht sie circa 10 Jahren in Frieden.
Das einzige wo mir sehr leid tut daß ich für meine Oma wo mich zum einem großen Teil großzog meine Dankbarkeit nicht zeigen konnte, das tut mir wirklich leid. Phil.
Das einzige wo mir sehr leid tut daß ich für meine Oma wo mich zum einem großen Teil großzog meine Dankbarkeit nicht zeigen konnte, das tut mir wirklich leid. Phil.
Ich glaube durchaus, Phil, dass Du das tust: Dankbarkeit zeigen. Und zwar indem Du sie sehr oft und immer sehr liebevoll erwähnst.
LG, gute Nacht
DW
Das trifft es, @Schorsch.
Es ist die eigene Ehre
die eigene Würde,
es sind die eigenen Wertvorstellungen,
die eigenen Bedürfnisse
die bestimmen,
ob ich mich würdevoll verhalte,
ob ich mich in meiner Würde verletzt fühle.
Mareike
Vielleicht auch passend in diesem Thread: https://www.annabelle.ch/body-soul/gesundheitwellness/autorin-katrin-seyfert-nach-der-alzheimer-diagnose-war-mein-mann-ein-anderer
Mareike
jetzt habe ich den eingestellten link gelesen.
Sehr bewegend.
Wir hatten hier mal die Thematik Demenz/ Alzheimer
und die menschliche Würde.
Vermutlich wird deine Würde am schlimmsten verletzt, wenn
Ausgrenzungen stattfinden.
Wenn eben kein Besuch mehr kommen mag, weil " diese Demente "
aggressiv ist und man nie Ruhe vor ihr hat.
Sie wurden auch nicht mehr eingeladen.
Die beiden Frauen, welche Karin versorgt hatten, sind gemieden worden,
ausgegrenzt.
Karin selber hatte sehr viele Freundinnen.
Das ist vorbei.
Ich bin die einzige, die sie noch besucht, obwohl andere viel näher
dabei wohnen.
Sie sagen, die weiß doch gar nicht mehr, wer ich bin.
Die beiden Frauen haben herum telefoniert.
Alle haben abgesagt. Mit Karin will keine mehr etwas zu tun haben.
Es geht zwar nicht an meine Würde, aber es macht mich wütend und auch
traurig. Dass die demente Karin dermaßen fallen gelassen wird,
nur weil sie dement ist. Das finde ich würdelos.
Anna