Forum Politik und Gesellschaft andere gesellschaftliche Themen Benachteiligung von Frauen und Mädchen in der frühen Bundesrepublik

andere gesellschaftliche Themen Benachteiligung von Frauen und Mädchen in der frühen Bundesrepublik

Mitglied_162e28b
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RE: Benachteiligung von Frauen und Mädchen in der frühen Bundesrepublik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Anna842 vom 24.02.2023, 15:47:44

Ach Anna...... nein, aus der Arbeiterschicht stamme ich nicht, doch waren meine Eltern Heimatvertriebene, die ihr gesamtes Hab und Gut verloren hatten.
Sie brachten 2 Koffer und ein Baby - meinen älteren Bruder - mit.
Geld war Mangelware, entsprechend bescheidener Natur war das, was sie uns bieten konnten.
So selten war das aber zu dieser Zeit gar nicht.

Und ja, meine Muttter, stark katholisch geprägt, hatte auch die damals nicht unübliche Ansicht, dass Jungs keine Hausarbeit verrichten mussten und sich die "Hörner abstossen" sollten. Bei mir war man streng.

Doch das hatte ich schon lange nicht mehr auf dem Schirm. So war das halt damals....
Heute amüsiere ich mich drüber. Und sehe, das das "Sichbehelfenmüssen" und sei es mit der Pflichtverteilung auf die Kinder (Töchter) auch etwas Gutes hatte. Ich habe viel gelernt, das Nähen z.B.
Ein besonderes Frauen/Männer Ding mache ich da jetzt nicht daraus.
Gerade die Männer hatten es auch nicht leicht in dieser Zeit.
Schliesslich mussten sie alleine meist die Finanzen für die Familie erbringen.

Edita
Edita
Mitglied

RE: Benachteiligung von Frauen und Mädchen in der frühen Bundesrepublik
geschrieben von Edita
als Antwort auf Anna842 vom 24.02.2023, 15:47:44

Zweiklassengesellschaft bedeutet, daß eine Gesellschaft aus Mittellosen und Wohlhabenden besteht und die Mittelschicht total fehlt, das hat aber zuvörderst nichts mit Bildung zu tun, ich weiß noch daß es ab der Sexta in meiner Klasse 2 Mädchen gab, die kein Schulgeld bezahlen mußten und die von der Schule alle Bücher gestellt bekommen haben und auch die Ausflüge wurden bezahlt! 
3 Mädchen gehörten zu den Wohlhabenden und der Rest von 19 gehörte zur Mittelschicht, das war ab 1956/57, und Mittelschicht bedeutet für mich, daß wir 19 gleich arm oder gleich reich waren, wir hatten alle den gleichen „Luxus“ nämlich keinen, aber die gleichen Mängel, 2x Wäsche und Kleider zum Wechseln, fast kein Spielzeug, aber die ganze Straße zum Spielen! 
Zu den 3 wohlhabenden Töchtern gab es wenig Kontakt, nur in der Schule. 

Aber diese Schranke Arm/Reich löste sich nach wenigen Jahren auf, ab der Mittelstufe lösten sich solche Merkmale auf, auch weil viele anfingen selber Geld zu verdienen, ich hab in den Ferien bei HERTIE als Verkäuferin gearbeitet, und während der Schulzeit gab ich Nachhilfestunden. 



Edita
 

olga64
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RE: Benachteiligung von Frauen und Mädchen in der frühen Bundesrepublik
geschrieben von olga64
als Antwort auf Lerge vom 23.02.2023, 23:03:49

Interessante Leserei hier.....  Da kann ich nur schmunzeln ....



 

Nach 6 Jahren Studium (1958 bis 1964) an 4 Universitäten (Philosophie, Sprachen, Sport) hing ich den bevorstehenden Dr.-Titel an den Nagel, sagte stattdessen "Ja", zog meine Kinder auf, und..., und..., und.... stand dann 40 Jahre lang in der Kanzel. Ganz ohne Einkommen. Geht auch.

Was hat das alles mit dem obigen Thema zu tun? 
Interessante Schilderung. ABer wie kann man "einen bevorstehenden Doktor-Titel" an irgendeinen Nagel hängen? Bedeutet das, dass die potentielle Trägerin schon über die Verwendung eines Doktor-Grades verfügte, obwohl sie ihn noch gar nicht erworben hatte?
Das ist ja noch eigenartiger als zB. die Aufdeckung diverser Plagiate in Dissertationen. 

Aber lesen Sie doch mal den Titel des Threads: wenn jemand dann Jahrzehnte ohne Bezahlung arbeitet, wie Sie dies anscheinend getan haben, ist das doch ein Höchstmass an Benachteiligung für Frauen, oder?Ich habe und hätte mich auf so ein Modell niemals eingelassen... Olga

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olga64
olga64
Mitglied

RE: Benachteiligung von Frauen und Mädchen in der frühen Bundesrepublik
geschrieben von olga64
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 24.02.2023, 16:05:28

Danke für die Schilderung Ihrer eigenen Erfahrungen und das Vertrauen,das Sie dadurch zeigen.

Wie mach(t)en Sie es bei Ihren eigenen Kindern? Die wuchsen ja vermutlich in anderen Verhältnissen auf, weil Sie ja von nirgendwo fliehen mussten?
Auch musste hoffentlich Ihr Partner/Ehemann nicht völlig allein für "die Finanzen" aufkommen? Es ist doch seit längerem schon üblich,dass auch Frauen finanziell ihre Anteile am Familieneinkommen leisten. Olga

Anna842
Anna842
Mitglied

RE: Benachteiligung von Frauen und Mädchen in der frühen Bundesrepublik
geschrieben von Anna842
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 24.02.2023, 16:05:28

Ja, Enya, da gebe ich dir in einigem recht.
Stell dir vor, in meinen späteren Lebensjahren habe ich plötzlich
das Stricken für mich entdeckt.
Eine Freundin strickte tolle Pullover.
Das wollte ich auch.
Und so habe ich ca. 15 Jahre eifrig gestrickt und meine soziale Umwelt
mit Pullover versorgt.
Habe nur Pullover gestrickt.
Dann hat es so plötzlich aufgehört, wie es begonnen hatte.
Vielleicht fange ich in ein paar Jahren mal wieder damit an.
War gar nicht mal so schlecht.

Die Jungs hatten einen anderen Part.
Mein Bruder war sehr weich, bei jeder Gelegenheit begann er los
zu heulen. Immer kam dann: " Hör auf! Ein Junge weint nicht! "
Fand ich als Kind schrecklich, so ein Satz.

Er musste zur Mittelschule gehen, weil er ja später mal eine Familie
ernähren sollte.
Er wollte nicht. Er wollte auf der Volksschule bleiben.
Ich sagte: Ich gehe für ihn auf die Mittelschule und bekam
zu hören: " Du musst später keine Familie ernähren!!"
Er tat sich so schwer mit dem Lernen. Ist dort 2 Mal sitzen geblieben.

Schon eine merkwürdige Welt.

Aber wir sind ja hier bei der Thematik: " Benachteiligung von Mädchen/Frauen. "

Anna

Anna842
Anna842
Mitglied

RE: Benachteiligung von Frauen und Mädchen in der frühen Bundesrepublik
geschrieben von Anna842
als Antwort auf Edita vom 24.02.2023, 16:35:22

Ich kam aber nicht aus der " Mittelschicht ".
Es war die Arbeiterschicht.

Und während des Studiums: BRD als Klassengesellschaft, ging es nicht um eine
Zweiklassengesellschaft, es war viel breiter aufgefächert - oder die Profs. haben
uns in den 70er nur Mist beigebracht.

Und in der breiten Fachliteratur stand nur Schrott, kann ja auch sein.

" Schichten und Klassen dargestellt anhand der Angestelltenproblematik "

War das Thema meiner Hausarbeit, um den " Schein " zu bekommen.

Das war aber im Grundstudium. Im Hauptstudium wurde es natürlich
komplexer.

Jetzt weiß ich erstmal nix mehr.
Aber mir wird noch was einfallen.

Anna


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RE: Benachteiligung von Frauen und Mädchen in der frühen Bundesrepublik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Anna842 vom 24.02.2023, 17:17:28
Liebe Anna, wenn ich mir deine Beiträge durchlese, sind das für mich Berichte aus einer anderen Welt.

Ich weiß nicht, wie es hier unmittelbar nach dem Krieg war. Ich wurde 1955 eingeschult und habe eine ganz andere Schulzeit hinter mir. Ja, es stimmt, wir hatten auch noch einige alte Lehrer, die sicher schon zur Nazi-Zeit unterrichteten. Jedoch haben die sich kaum anders benommen als neue, jüngere Lehrer. Die Partei hat da wohl aufgepasst.

Ich finde es toll, dass du als Kind schon so um dein Recht auf Bildung gekämpft hast.

Simiya
Anna842
Anna842
Mitglied

RE: Benachteiligung von Frauen und Mädchen in der frühen Bundesrepublik
geschrieben von Anna842
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 24.02.2023, 17:42:39

Ja, Simiya, wir erzählen uns von den Welten, in denen wir aufwachsen
mussten, und wie wir sehen, sind diese sehr unterschiedlich.
Anna

olga64
olga64
Mitglied

RE: Benachteiligung von Frauen und Mädchen in der frühen Bundesrepublik
geschrieben von olga64
als Antwort auf Anna842 vom 24.02.2023, 18:07:44
Ja, Simiya, wir erzählen uns von den Welten, in denen wir aufwachsen
mussten, und wie wir sehen, sind diese sehr unterschiedlich.
Anna
Es ist natürlich auch so, dass nach so vielen Jahrzehnten die Erinnerungen manchmal etwas trügerisch sind. ich persönlich (eingeschult 1950) bin aber auch sehr froh,dass sich später alles sehr zum Guten wandelte, insbesondere bei Frauen, die einen anderen Weg gehen wollten und es mehr und mehr gute Chancen gab - man musste sich nur getrauen und diese Chancen ergreifen.
Wenn ich heute als kämpferische alte Frau mit grossem Wohlgefallen sehe,dass wir 16 Jahre eine weibliche Kanzlerin hatten und nun eine engagierte und mutige Aussenministerin, so macht mich froh und auch ein wenig stolz. Olga
Lerge
Lerge
Mitglied

RE: Benachteiligung von Frauen und Mädchen in der frühen Bundesrepublik
geschrieben von Lerge
als Antwort auf olga64 vom 24.02.2023, 16:56:09
ABer wie kann man "einen bevorstehenden Doktor-Titel" an irgendeinen Nagel hängen?

Ganz einfach: man entscheidet, daß man nach dem Hochschulabschluß halt doch nicht weitermacht, auch wenn man/ich vorher ganz andere Pläne hatte, die schon eingeleitet wurden..... 

Daß ich kirchlich ohne Bezahlung arbeitete, war mein eigener Entschluß und hatte mit "Benachteiligung
für Frauen" absolut nichts zu tun. 

Lerge

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