Aktuelle Themen „Wessis“ und „Ossis“ – Gestern, Heute und Morgen
Hiermit knüpfe ich an ein Thema an, dass ich im Strang „Worüber habe ich mich heute gefreut, geärgert oder gewundert“ angestoßen hatte – dummerweise, da es in der Ausführlichkeit dort absolut fehl am Platze war!
Aufgrund des – für mich überraschend hohen – Interesses an der Entwicklung des Zusammenwachsens der beiden Teile Deutschlands und dem erreichten Stand, aber auch angesichts der unterschiedlichen Wahrnehmung des heutigen Standes, meine ich, dass ein fortgesetzter Versuch einer weiteren Annäherung nicht nur sinnvoll, sondern tatsächlich immer noch geboten ist.
Vor allem unsere Generation scheint mir für ein Zusammenwachsen, das diese Bezeichnung verdient, beiderseits zu wenig getan zu haben. Ehemalige Versäumnisse zu heilen, ist immer schwer, teilweise vermutlich nicht mehr möglich. Selbst geringe Erfolgsaussichten lohnen m. E. aber ein weiteres bzw. erneutes Bemühen dazum. Immer noch besser, als diesen Mauerrest untätig noch weitere Generationen lang stehen bleiben zu lassen.
Nachdem ich eigentlich beabsichtigt hatte, den vorangegangenen Austausch mit meinem letzten Beitrag dazu zu beenden, ist mir bewusst geworden, dass sich zu meinen Berichten eigentlich einige Fragen gestellt haben müssten. Darum knüpfe ich an dieser Stelle noch einmal an die Diskussion an.
Hat sich keiner der Lesenden einmal gefragt, ob mein Engagement eigentlich nur „Friede, Freude, Eierkuchen“ bedeutet hat (worauf meine bisherigen Schilderungen hindeuten könnten)?
Oder sich die Frage gestellt, ob hinter meinem Einsatz in der beschriebenen Form nur der reine Altruismus, oder nicht vielleicht doch Gewinnstreben (wie bei den von mir deshalb verdammten „Wessis“) gestanden hat?
Zur ersten Frage: Nein, es war nicht nur „Friede, Freude, Eierkuchen“. Immerhin rieben sich dabei sehr divergierende Lebenserfahrungen aneinander. Etliche Beispiele für gegenteilige Erfahrungen eventuell ein anderes Mal.
Politisch-wirtschaftlich: Marktwirtschaftlich geprägte Demokratie (im DDR-Sprech Kapitalismus), in der die Chancen und Risiken beim Streben nach einem guten Auskommen bzw. nach Wohlstand von jedem Einzelnen (konkurrenzbedingt) zu schultern waren, was zwangsweise zu großen Wohlstandsunterschieden führt, versus „von oben“ (dazu vom politischen „Bruderland“) bestimmte / gesteuerte sozialistische Planwirtschaft, in der für Jeden zumindest insoweit gesorgt war, dass er sich um eine existenzielle Grundversorgung keine Sorgen machen musste, die Aussichten darauf, zu einer wirtschaftlichen Elite zu gehören, jedoch auf „systemtreue“ Bürger beschränkt (und bezüglich Reichtum nach oben hin von vornherein auch ein bestimmtes Maß begrenzt waren).
Kulturell: Freie Entfaltung bezüglich der angestrebten Richtung in selbstgewählten kreativen Bereichen des persönlichen Schaffens, im Hinblick auf Ausübung und Konsum jedoch ggfls. begrenzt durch die eigenen finanziellen Möglichkeiten, versus politikseits vorgegebener und kontrollierter Richtung des eigenen Schaffens, jedoch weitaus vielfältigerer Möglichkeiten des Konsums.
Gesellschaftlich: Hierarchische Gesellschaft, einschließlich innerhalb (u. a. berufs-, bildungs- oder finanziellbedingter) Gruppierungen versus politisch bedingter Gleichschaltung.
Soweit dies gesellschaftliche Werte betraf, resultierten die insgesamt besseren finanziellen Umstände (ein nicht zu vernachlässigenden Faktor der persönlichen Gestaltungsfreiheit) auf der einen Seite zu einer zunehmenden Tendenz hin zum Individualismus.
Auf der anderen Seite gab es einen starken gesellschaftlichen – auf dem Auf-einander- angewiesen-sein beruhenden – Zusammenhalt (wofür es aus Mangelgesellschaften bzw. Mangelzeiten zahlreiche Beispiele gibt), in dem ethische Werte, u. a. Genügsamkeit, eine ausgeprägte Hilfsbereitschaft, Wertschätzung Anderer unabhängig von deren Status etc. (als Notwendigkeit des Auf-einander- angewiesen-seins) eine Blüte erleben.
Dass im heutigen Ostdeutschland ein vielfältiger Verlust solcher Werte beklagt wird, lasst somit den Schluss zu, dass es inzwischen doch Vielen besser geht, als früher, so dass man nicht mehr im gleichen Maße auf einander angeweisen ist.
Zur zweiten Frage (mit der ich im Laufe der Zeit – verständlicherweise! – vermehrt konfrontiert wurde) ein zweifaches „Nein“. Statt von Altruismus, würde ich eher von (teilweise anerzogener) mitmenschlicher Hilfsbereitschaft sprechen.
Die „Ausnutzung“ von Hilfebedürftigen durch Schmälerung der ggfls. von ihnen erwirtschafteten Gewinne verbietet die Motivation zur Hilfestellung für Andere von selbst.
Zu einigermaßen erfolgreichen Unternehmern (wobei ich meinen Mann mit einbeziehe) wird man nicht durch naive Blauäugigkeit. Dazu ist eine realistische Einschätzung von Chancen und Risiken, wie auch die Absicherung des Erreichten für die Zukunft, erforderlich.
Ich habe also zu jeder Zeit im Blick behalten, dass die Gewinne der gegründeten Geschäfte nur dann als solche gelten können, wenn sie auch nach Abzug meiner anfallenden Kosten (die ich mit Belegen abgerechnet habe) noch gegeben sind.
Ferner habe ich den Geschäften einen monatlichen Arbeitslohn – von anfänglich 500 bis zum Schluss (als die Erträge dies zuließen) 1.000 DM in Rechnung gestellt. Der Stundensatz, der sich aus meinen als Beleg geführten Aufzeichnungen meiner Fahrtzeiten und vor Ort verbrachten Stunden ergab, könnte ich hier allerdings bestenfalls zur Belustigung nennen 😁.
Echte Geschenke habe ich meinen „Schützlingen“ nicht gemacht – war ja nicht als Hilfsorganisation dort –, sondern bestenfalls einen Teil meiner Arbeit „gespendet“.
(Etwas fällt mir nun doch noch ein, was unter Altruismus verbucht werden könnte: Bei Zwischenfinanzierungen habe ich auf Verzinsung verzichtet.)
So, nach dieser Relativierung meiner bisherigen Informationen über meine Aktivitäten im Osten unseres Landes (die sonst – insbesondere, wenn ich mich danach gleich aus dieser Diskussion zurückgezogen hätte – den Beigeschmack einer Selbstbeweihräucherung gehabt hätten), fühle ich mich wohler und kann mich beruhigter wieder meinen eigenen (ohne Übertreibung für mein eigenes Wohlergehen sehr wichtigen!) Aufgaben zuwenden.
Ehrlich gesagt, wäre ich aber enttäuscht, wenn ich bei gelegentlichem „Wieder-einmal- vorbeischauen“ hier einen gestorbenen thread vorfände ….
LG Tina
das hast Du gut zusammengefasst!
Dein Beitrag wurde immerhin 65 mal gelesen!
Es wäre eigentlich wünschenswert Deine Beiträge im Strang „Worüber habe ich mich heute gefreut, geärgert oder gewundert“ nach hier zu kopieren.
Es wäre meiner Meinung nach kein Verstoß gegen die Crossposting Regel.
Danke für Deine Bereitschaft diese Thema in positiver Absicht zu Sprache zu bringen!
LG
Mareike
Du hast Dir viel Mühe gegeben @Tina03, dieses neverending Thema nochmals aufs Tapet zu bringen. Das Thema ist ja nicht neu hier im ST und viele Schlagabtausche waren zu erleben. Gerade erst in diesem Jahr gab es ja den Faden "Die Auseinandersetzungen Ost-West-Deutschland" und auch bei jeder anderen passenden und unpassenden Gelegenheit ging es um Ossis und Wessis., ob es der 8. Mai war oder der 3. Oktober oder die AfD im Osten oder überhaupt der "Arbeiter- und Mauernstaat(!)" mit Innen- und Außenansichten, von Treuhand bis Staatssicherheit.
Mir genügt, was bisher dazu hier im ST geäußert wurde und ich hoffe, dass irgendwann mal dieses unselige Thema ein Ende finden wird.
Michiko
Aus meiner Sicht war die Herangehensweise bei der Übernahme? der früheren DDR eine missglückte Angelegenheit.
Die Werte des Westens wurden auf die ehemalige DDR uebertragen und das geschah dann ausschließlich im Namen der Hilfsbereitschaft. Schliesslich waren "wir" die Heilsbringer. HALLELUJA. 😫
Tatsächlich waren viele Menschen im Westen Deutschlands nach der Wiedervereinigung daran interessiert, von der schwierigen Situation im Osten Deutschlands zu profitieren, das ist ja bekannt, Tina 03.
Ich kam kurz vor der Wende zurueck nach Deutschland und erinnere mich, daß sich bald danach oder so, eine "Goldgraeberstimmung" breit machte. Wer Knete hatte, kaufte "drüben",. aus wohl- bekannten Gruenden, im Namen der Hilfsbereitschaft, verstehe ich ja....
Ausserdem gab es soziale, kulturelle, wirtschaftliche und politische Unterschiede. Auch Unterschiede in den Erfahrungen und der Mentalität der Menschen im Osten und Westen gab es.
Ich habe nach der Wende ( und mache auch heute noch) oft Trips in die frühere DDR gemacht, viele Leute fuehlten sich damals abgehängt und einige heute noch.
Mit dem Generationenwechsel werden sicherlich einige Probleme zwischen Ost und West im Laufe der Zeit abnehmen.
Was junge Menschen betrifft, so gibt es bestimmt unterschiedliche Einstellungen zum Kapitalismus, zumal sie in einer offeneren und globaleren Welt "gross wurden".
Wichtig ist, dass ein gegenseitiges Verständnis aufgebaut wird, um gemeinsam eine positive Zukunft fuer unser Land zu erarbeiten..
Das alles wird noch lange dauern, denn ein gesellschaftlicher Wandel benötigt Zeit
meint
Chris33
Ehrlich gesagt, wäre ich aber enttäuscht, wenn ich bei gelegentlichem „Wieder-einmal- vorbeischauen“ hier einen gestorbenen thread vorfände ….
LG Tina
......enttäuschend ist auch , dass du anscheinend "deinen Thread " nicht mehr betreust...😏
Ich kann Dir versichern, dass meine Abstinenz nicht freiwillig ist, denn mir schwirrten noch so manche Gedanken dazu (wie übrigens auch zu einigen anderen Themen) im Kopf herum. Fakt ist, dass ich mit diversen persönlichen Problembereits völlig überfordert bin. Würde ich nicht dringend ab und zu Ablenkung davon brauchen, dürfte ich mich hier noch für einige Wochen "eigentlich" gar nicht melden.
Vielleicht hat der ST auch Suchtpotential 😉 😁.
Verstehe...
Ich freue mich, wenn du ab und an mal vorbeischaust, hast ja Interessantes zu berichten.. 😀
Gruss chris33
Meine Leute hier in Deutschland West genießen es jedenfalls, sich monatlich bei einem Ossi Metzger ihre Wurstwaren und einiges mehr zu bestellen, alles noch von Hand und nach traditionellen Rezepten und aus eigener Schlachtung. Auch ein Ost-West Beispiel
Meine Leute hier in Deutschland West genießen es jedenfalls, sich monatlich bei einem Ossi Metzger ihre Wurstwaren und einiges mehr zu bestellen, alles noch von Hand und nach traditionellen Rezepten und aus eigener Schlachtung. Auch ein Ost-West BeispielAh ja - aber wenn es dann doch made in China ist? Oder irgendein kapitalistischer Fleischkonzern das maschinell fertigt und abpackt? Man muss nur daran glauben, dass es so ist, wie man es rumerzählt. Olga
Liebe olga, dieser Beitrag ist Deiner soooo unwürdig,Meine Leute hier in Deutschland West genießen es jedenfalls, sich monatlich bei einem Ossi Metzger ihre Wurstwaren und einiges mehr zu bestellen, alles noch von Hand und nach traditionellen Rezepten und aus eigener Schlachtung. Auch ein Ost-West BeispielAh ja - aber wenn es dann doch made in China ist? Oder irgendein kapitalistischer Fleischkonzern das maschinell fertigt und abpackt? Man muss nur daran glauben, dass es so ist, wie man es rumerzählt. Olga