Aktuelle Themen Was mich bewegt

Edita
Edita
Mitglied

RE: Was mich bewegt
geschrieben von Edita
als Antwort auf olga64 vom 20.07.2024, 18:31:56

Nein liebe Olga, nicht schon immer …… 
Ab Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger hat sich das so nachteilig für uns entwickelt, 1991 waren 359 Krankenhäuser in privater Hand, 2001 bereits 527 und seit 2014 fast 700, und erst 2007 wurde das Gesundheitswesen privatisiert, weil viele Kommunen sich das nicht mehr leisten wollten und manchmal auch nicht konnten! 

Von den 1.925 deutschen Krankenhäusern ist der größte Teil (724 Kliniken = 37 Prozent) in privater Trägerschaft.
Und seither gilt - mehr Rendite - wegen weniger Pflege aber mehr Patienten, das wird einem  Sozialstaat in keinster Weise gerecht und ist unwürdig!



Edita

olga64
olga64
Mitglied

RE: Was mich bewegt
geschrieben von olga64
als Antwort auf Edita vom 20.07.2024, 18:59:41
Nein liebe Olga, nicht schon immer …… 
Ab Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger hat sich das so nachteilig für uns entwickelt, 1991 waren 359 Krankenhäuser in privater Hand, 2001 bereits 527 und seit 2014 fast 700, und erst 2007 wurde das Gesundheitswesen privatisiert, weil viele Kommunen sich das nicht mehr leisten wollten und manchmal auch nicht konnten! 

Von den 1.925 deutschen Krankenhäusern ist der größte Teil (724 Kliniken = 37 Prozent) in privater Trägerschaft.
Und seither gilt - mehr Rendite - wegen weniger Pflege aber mehr Patienten, das wird einem  Sozialstaat in keinster Weise gerecht und ist unwürdig!



Edita
37% sind natürlich nicht der grösste Teil. 540 Krankenhäuser stehen unter öffentlicher Trägerschaft und 598 unter Wohlfahrtsverbänden und Kirchen.
Unser "Sozialstaat" wird weitere Einbrüche erleben: wenn immer weniger jüngere Menschen diesen Sozialstaat finanzieren, aber immer mehr ältere und alte Menschen Hilfen daraus beziehen, werden viele Programme daraus reduziert, bzw. entfallen müssen.

Es wäre ein grosses Problem, wenn sich private Investoren auch aufgrund dieser Sachlage zurückziehen würden; diese Probleme gibt es ja nicht nur bei uns, sondern in vielen Staaten mit veralteter und nicht mehr produktiven Gesellschaften. Olga
Anna842
Anna842
Mitglied

RE: Was mich bewegt
geschrieben von Anna842
Die Angehörigen, die Demenz  -  Leben !

Alle, welche die Art der Demenz haben wie Karin, sind hochgradig
motorisch und können extrem aggressiv werden.
Diese Demenz beginnt früh.
Manche sind erst Mitte fünfzig.
Und es geht schnell.
Der Beginn.
Über Stunden hinweg war Karin verschwunden.
Ihre beiden Freundinnen, mit denen sie seit Jahrzehnten zusammen
lebt, waren in Sorge und in Unruhe.
Aufgegriffen wurde sie von jemanden, der sie kannte und nach Hause
brachte.
Aber es wurde schlimmer.

Der riesengroße Garten wurde eingezäunt.
Karin buddelte sich Löcher da drunter und war weg.

Die nächste Stufe wurde erreicht.
Die Zeit der Polizei.
Aufgegriffen wurde sie nun in Tankstellen, im Supermarkt, in Bäckereien,
in denen sie einfach alles nahm, teilweise aß, teils auf den Boden warf,
in diversen Restaurants, in denen sie den Leuten das Essen vom Tisch
nahm.
Selbst die zur Hilfe gerufene Polizei hatte große Mühe, Karin wieder
nach Hause zu bringen.

Nun durfte sie nicht mehr raus.
Alle Türen in diesem großen, alten Bauernhaus, mussten immer
verschlossen sein.
Brachte eine den Müll raus: Türe aufschließen, Türe hinter sich
abschließen, danach wieder aufschließen, abschließen.....immer.
Alle Fenster wurden speziell gesichert.
Aber in einer Nacht hat sich Karin eine schwere Bronzestatue
gegriffen, damit ein Fenster zerschlagen und sich durch all
die Scherben hindurch gequetscht.
Die beiden anderen wurden durch den Lärm und das Geschrei aus
dem Schlaf gerissen und fanden eine Karin vor, die aus zahlreichen
Schnittwunden heftig blutete.

Gäbe es noch mehr zu berichten über Vorfälle dieser Art?
Ja. Viel mehr.

Wie lange kann eine Angehörige das aushalten?
Die beiden Frauen hielten fast sieben Jahre durch.
Dann waren sie am Ende.
Abgemagert, ausgebrannt, ausgezehrt.
Es ging nicht mehr.

In den letzten 2-3 Jahren ging es nicht um die Frage eines
guten Gewissens, sondern darum, all die vielen Tage, möglichst
ohne großen Schaden, hinter sich zu bringen.
Hilfe von außen war in diesem Fall nicht möglich.

Im  "  Haus der Demenz  " ist kaum jemand über 80.
Vergreist ist niemand.
Sie sind dort frei, können sich bewegen wie sie es wollen.
Wenn sie das Essen nicht mögen, bekommen sie Pudding, Joghurt,
Kekse, Kuchen, Bananen ect.
Nur nach draußen, das können sie nicht.
Für die Aufnahme muss ein richterlicher Beschluss vorliegen.

Anna

Anzeige

Lenova46
Lenova46
Mitglied

RE: Was mich bewegt
geschrieben von Lenova46
als Antwort auf Anna842 vom 20.07.2024, 21:34:12

Meinen Respekt für diese Darstellung ohne Schnörkel.

Das wird eindrucksvoll vorstellbar.

Xalli
Xalli
Mitglied

RE: Was mich bewegt
geschrieben von Xalli
als Antwort auf Anna842 vom 20.07.2024, 21:34:12
" gefällt mir" kann ich für deinen realistischen guten Beitrag nicht geben,
es ist selten geworden, dass jemand mit solch genauen Beobachtungsgabe
sich des wichtigen Themas annimmt...danke

Gruß Xalli
schorsch
schorsch
Mitglied

RE: Was mich bewegt
geschrieben von schorsch
als Antwort auf Anna842 vom 20.07.2024, 21:34:12

Ein erschütternder Bericht. Und das kann jeden treffen.....


Anzeige

schorsch
schorsch
Mitglied

RE: Was mich bewegt
geschrieben von schorsch

Meine Frau besuchte mit anderen Frauen zusammen (Kaffeekränzchen) ab und zu ehemalige Kaffeefreundinnen, die inzwischen in Pflegeeinrichtungen gezogen waren - resp. von Angehörigen animiert wurden, in das Heim zu ziehen. Meine Frau hat mir von diesen Besuchen erzählt. Sie waren mit einer der Gründe, dass meine Frau eines Tages Bilanz - und den Stecker - zog. Denn ein solches Ende in Unbeholfenheit und totaler Abhängigkeit wollte sie sich keinesfalls antun.

Edita
Edita
Mitglied

RE: Was mich bewegt
geschrieben von Edita
als Antwort auf schorsch vom 20.07.2024, 22:18:31
Ein erschütternder Bericht. Und das kann jeden treffen.....


Wobei man auch sagen muß, daß Wut und Aggression weniger durch krankheitsbedingte Veränderungen im Gehirn entstehen, als vielmehr durch die Angst der Betroffenen vor den sich verändernden Lebensbedingungen!
Ich kenne das auch, meine Tochter ist auch schon mit einem Messer auf mich losgegangen, und war eigentlich in ihrem ganzen Benehmen untragbar, das hätte ich nicht auf Dauer ausgehalten, das ist jetzt 23 Jahre her, es war ein schleichender, aber ein langer Prozeß, darum bin ich auch so spät drauf gekommen, woran das liegen könnte. 
Niemand, aber gar niemand konnte mir helfen, auch nicht der Neurologe, den ich darauf angesprochen habe, ob mein Kind eventuell mit den Antiepileptika überdosiert sein könnte!
Sie hatte zu dem Zeitpunkt nämlich ein neueres Medikament, daß sie seit 2 Jahren nahm und welches sie anfallsfrei machte! 

Der Neurologe sagte „ da kann man nichts machen, Hauptsache sie ist anfallsfrei und wenn es nicht mehr tragbar ist, dann muß sie eben in ein Heim“!

Aber das genügte mir nicht und ich setzte  mich mit der Medikamentenfirma in Verbindung und siehe da, ich bekam nach meiner Schilderung, was meine Tochter so alles von sich gab und „anstellte“, Hilfe! 

Die Fa. setzte sich mit dem Neurologen in Verbindung und gestaltete ganz vorsichtig und schleichend die Medikamentendosis neu, innerhalb eines knappen Jahres halbierten wir die Dosis und siehe da, diese unkontrollierte Wut und Aggression waren wie gekommen so zerronnen und sie ist immer noch anfallsfrei!

Wenn ein zu Pflegender aber niemanden hat, der ihn beobachtet und auf ihn schaut, der ist arm dran und wird mit seiner Angst, seiner Wut, seiner Aggression alleine gelassen, isoliert und eventuell noch mehr mit Medikamenten vollgestopft!

Ich habe viele solcher und andere Dinge mit ihr in Krankenhäusern erlebt, hätte meine Tochter mich  nicht immer an ihrer Seite gehabt, sie wäre entstellt, noch dümmer oder schon tot!


Edita




 
Zaunkönigin
Zaunkönigin
Mitglied

RE: Was mich bewegt
geschrieben von Zaunkönigin
als Antwort auf Edita vom 20.07.2024, 23:27:08
Wenn ein zu Pflegender aber niemanden hat, der ihn beobachtet und auf ihn schaut, der ist arm dran und wird mit seiner Angst, seiner Wut, seiner Aggression alleine gelassen, isoliert und eventuell noch mehr mit Medikamenten vollgestopft!

Ich habe viele solcher und andere Dinge mit ihr in Krankenhäusern erlebt, hätte meine Tochter mich  nicht immer an ihrer Seite gehabt, sie wäre entstellt, noch dümmer oder schon tot!

Edita
 

und das muss ich leider ohne wenn und aber unterschreiben. 

Mein Mann läge als Schwerstpflegefall im Pflegeheim wenn es nach den Ärzten der Reha gegangen wäre und der Gipfel der Beweglichkeit wäre Pflegerollstuhl (nicht zu verwechseln mit einem normalen Rollstuhl) von Kommunikation bräuchte man gar nicht zu träumen. 

Ich erlebe leider aber auch sehr häufig, dass ich von Ärzten nicht ernst genommen werde. Wer keine hartnäckigen Angehörigen hat die bereit sind über ihre Grenzen zu gehen, der hat verloren bevor er angefangen hat zu kämpfen.

Gerade im neurologischen Bereich scheint das Standard zu sein. 

Der Neurologe der meinen Mann in der ersten Reha behandelt hat erlebte ihn nach seinem epileptischen Anfall noch einmal weil er seine Geh- und Stehfähigkeit wieder zurück gewinnen musste. Beim Abschlussgespräch sagte dieser Arzt zu mir: "solche Fortschritte bekommen wir hier so gut wie nie zu sehen." Dabei waren die Fortschritte meines Mannes zu diesem Zeitpunkt für mein Dafürhalten noch alles andere als beeindruckend.

Die Ironie dabei ist, dass genau das eine der Kliniken war in der ich das meiste erkämpfen musste. Wenn es nach dieser Reha gegangen wäre, dann hätten sie meinen Mann nach 3 Wochen im Pflegerollstuhl raus gekarrt. Mit einem Bauchdeckenkatheter weil massiv inkontinent aufgrund mehrfach falsch gesetzter Katheter, künstlicher Ernährung und nicht in der Lage zu stehen. Von kommunizieren können wollen wir da schon gar nicht reden. 

Deshalb bin ich auch davon überzeugt, dass man, gleichgültig wie gut das Pflegeheim und das Personal darin ist, sehr schnell abbauen wird, wenn es nicht Menschen gibt die von Außen regelmässig nach einem schauen. Da kann man sich ein noch so gutes Pflegeheim ausgesucht haben - man wird früher oder später vernachlässigt werden. Und ein gerichtlich bestellter Betreuer wird verwalten aber sich mit Sicherheit nicht kümmern.  

Meine Mutter war übrigens die Erste und bis jetzt die Letzte, die als eigentlich Dauerbewohner vorgesehener alter Mensch das Heim wieder verlassen hat. Das wird Gründe haben. 
Und noch ein Anektötchen. Dieses Pflegeheim verwaltete auch die Medikamente meiner Mutter nebst Medikamentenplan. Hätte ich nach diesem Plan meiner Mutter weiterhin die Tabletten verabreicht ohne diese von ihrem alten und wieder neuen Hausarzt überprüfen zu lassen, ich hätte sie ausgeknockt.

Ja - wer niemanden hat der kritisch auf das Ganze schaut und auch streitbar ist, der wird zur hilflosen Masse Fleisch. 
 
Zaunkönigin
Zaunkönigin
Mitglied

RE: Was mich bewegt
geschrieben von Zaunkönigin
als Antwort auf Edita vom 20.07.2024, 23:27:08
Wobei man auch sagen muß, daß Wut und Aggression weniger durch krankheitsbedingte Veränderungen im Gehirn entstehen, als vielmehr durch die Angst der Betroffenen vor den sich verändernden Lebensbedingungen!
Ich kenne das auch, meine Tochter ist auch schon mit einem Messer auf mich losgegangen, 
 
das ist bei Demenz und auch bei Schlaganfall noch einmal eine andere Sache. Mit beiden Erkrankungen können (müssen aber nicht) Persönlichkeitsveränderungen einher gehen. 

Aber ja, bei vielen Krankheiten ist das so wie Du es beschreibst. Da ist es die pure Angst - und das kann ich mehr als gut nachvollziehen. 

Anzeige