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Aktuelle Themen Was ist eigentlich normal? Nur was die Mehrheit denkt und tut?

Karl
Karl
Administrator

Was ist eigentlich normal? Nur was die Mehrheit denkt und tut?
geschrieben von Karl
Anlässlicher aktueller Diskussionen begegnet man immer wieder Aussagen wie "Das ist normal", das ist "nicht normal". Oft wird "normal" auch mit "natürlich" und "nicht normal" mit "widernatürlich" gleichgesetzt. Häufig wird unter "normalem" und "natürlichem" Verhalten auch einfach ganz platt nur das Mehrheitsverhalten verstanden. Aktuell ist das bei der Diskussion über die Homosexualität zu beobachten. Ich erinnere mich auch an Äußerungen des Papstes Benedikt, der homosexuelles Verhalten als unnatürlich bezeichnet hat.

Ich war in meinem Berufsleben Biologe mit einer lebenslangen Neugier für alles, was mit den Themen Evolution und Evolutionsmechanismen zu tun hat und aus dieser Erfahrung heraus kann ich nur sagen, dass individuelle Variationen gerade auch im Verhalten für Populationen von großem Vorteil sind und z. B. Homosexualität keineswegs unnatürlich ist.

Vieles spricht dafür, dass ein gewisser Prozentsatz homophiler Individuen für eine Gesellschaft von Vorteil ist. Dafür lässt sich nicht nur der nachgewiesene Beitrag genetischer Prädispositionen auf die Variabilität der sexuellen Orientierung heranziehen.

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Interessant ist z. B. auch, dass der Anteil von homosexuellen Männern ansteigt, wenn sie zweit oder gar drittgeborene Söhne sind. Dieser Anstieg ist unabhängig davon, ob diese Söhne in der eigenen oder in einer fremden Familie aufgezogen werden. Es handelt sich also nicht um einen kulturellen Einfluss, sondern um einen biologischen Effekt des mütterlichen Organismus während der Schwangerschaft. Dafür muss es einen Selektionsvorteil geben!

Evolutionsbiologisch ist dies mit dem Konzept der [i]inclusive fitness
erklärbar. Es ist nämlich keineswegs für die Evolution relevant, wie viele Nachkommen ein gegebenes Einzelindividuum hat, sondern ob sich eine Erbanlage durchsetzt, hängt davon ab, ob die Häufigkeit einer Genvariante im Laufe der Generationen innerhalb einer Population zunimmt und das kann auch dann passieren, wenn der Träger einer solchen Genvariante anderen Trägern bei der Aufzucht von Nachkommen auf irgendeine Weise behilflich ist.

Kurzum, ich möchte hier ein Plädoyer dafür halten, dass "normal" und "natürlich" keineswegs nur das Verhalten der Mehrheit ist. Wir müssen es lernen, die Vielfalt in unserer Gesellschaft wert zu schätzen. Es darf keine Diktatur der Mehrheit geben! Normal ist nicht nur das, was die Mehrheit hat oder tut.

Karl
Edita
Edita
Mitglied

Re: Was ist eigentlich normal? Nur was die Mehrheit denkt und tut?
geschrieben von Edita
als Antwort auf Karl vom 11.01.2014, 10:22:57
Vielleicht sollten wir während unserer Schulzeit mehr Wert auf Biologie denn auf Religion Legen ? In der Tierwelt kommt es z.B. auch vor, ich habe aber vergessen welche das sind, daß die Tiere, wenn sie geboren sind, erst mal Geschlechtslos sind, und erst wenn das " soziale Umfeld " " abgeklärt " ist, entwickelt sich das Geschlecht! Ferner kommt es in der Tierwelt auch vor, daß aus " sozialen " Gründen das Geschlecht einfach gewechselt wird!
Was die Menschen einfach für " normal " erklären, ist in der Biologie total unnormal und würde Evulotion verhindern!

Edita
adam
adam
Mitglied

Re: Was ist eigentlich normal? Nur was die Mehrheit denkt und tut?
geschrieben von adam
als Antwort auf Karl vom 11.01.2014, 10:22:57
Es darf keine Diktatur der Mehrheit geben! Normal ist nicht nur das, was die Mehrheit hat oder tut.
geschrieben von karl


Es darf auch keine Vergewaltigung der Mehrheit durch eine Minderheit geben. "Leben und leben lassen" beinhaltet das Maß an Toleranz, das zum Bestehen einer Gesellschaft, zu Handel und Wandel in ihr notwendig ist.

Es gibt keine verbindliche Definition des Begriffs "normal".

--

adam

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Karl
Karl
Administrator

Re: Was ist eigentlich normal? Nur was die Mehrheit denkt und tut?
geschrieben von Karl
als Antwort auf Edita vom 11.01.2014, 10:50:05
@ Edita,

Du sprichst die Geschlechtsbestimmung bei Korallenfischen an.
Die Fische entwickeln sich erst dann zum Erwachsenen, wenn sie einen ausgewachsenen Artgenossen treffen, mit dem sie gemeinsam brüten können. Kommen sie dabei mit einem Männchen zusammen, werden sie zum Weibchen und umgekehrt.
geschrieben von Bild der Wissenschaft
Überhaupt gibt es absonderliche Formen der Geschlechtsbestimmung im Tierreich. Der Schalter für die Geschlechtsbestimmung im Tierreich ist keineswegs immer genetisch programmiert. Wikipedia. Das ist aber noch einmal ein anderes, spannendes Thema

Karl
Karl
Karl
Administrator

Re: Was ist eigentlich normal? Nur was die Mehrheit denkt und tut?
geschrieben von Karl
als Antwort auf adam vom 11.01.2014, 11:07:03
So ist es. Die Mehrheit kann sich allerdings oft selber hinreichend schützen. Minderheiten bedürfen öfters des Schutzes. Karl
adam
adam
Mitglied

Re: Was ist eigentlich normal? Nur was die Mehrheit denkt und tut?
geschrieben von adam
als Antwort auf Karl vom 11.01.2014, 11:10:28
Der beste Schutz für jeden ist, sich innerhalb tolerabler Grenzen zu bewegen. Das gilt auch für Minderheiten, die innerhalb dieser Grenzen argumentieren können und beweisen, daß sie tolerabel sind. So kann sich im Laufe der Zeit Toleranz zu Akzeptanz wandeln. Hat sich schon jemand öffentlich dazu geäußert, wie sich das Outing von Thomas Hitlsperger auf das Leben von Schwulen auswirkt, die sich mit ihrer Umgebung arangiert haben, die auf dem Weg in die Akzeptanz sind?

Toleranz ist keine Bringschuld des Tolerierenden, Toleranz muß vom Tolerierten bestätigt werden. Zum Beispiel können Angstbarrieren nicht wegbefohlen werden, es braucht Zeit, Geduld und Einsicht von beiden Seiten. Dabei ist das Gesetz behilflich, daß Beleidigung, Verunglimpfung, bis hin zu übleren Taten, unter Strafe stellt.

--

adam

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panda
panda
Mitglied

Re: Was ist eigentlich normal? Nur was die Mehrheit denkt und tut?
geschrieben von panda
als Antwort auf Karl vom 11.01.2014, 11:10:28
Das Problem ist aber nicht nur " normal " oder " nicht normal "....
Schon bei " Toleranz " gibt es Mißverständnisse , bzw.unterschiedliche Interpretationen.

Ursprünglich bedeutete Toleranz die Hinnahme einer Minderheit durch eine Mehrheit , wobei Letztere betonte , daß sie die " Leitkultur " ist.
So waren zur Zeit der Herrschaft des Islams in seinen Gebieten das Judentum und das Christentum " toleriert " sie durften aber nur unter Auflagen dort leben.
Im Mittelalter war das im christlichen Raum mit den Juden so , die man in kleine Burgen verwies ( bur-G-HETTO ) sie mußten gelbe Hüte tragen , usw.
Nach den Religionskriegen trat insofern ein Wandel ein , als sich ( beide ) Religionen , also Katholiken und Evangelische , darauf einigten , einander in ihrem Raum zu " tolerieren ".
Unter dem Einfluß der Aufklärung trat wieder ein Wandel ein , eine " Verfassung " gab klare Vorgaben , was " erlaubt " ist , und was nicht.
Es ist also bei Toleranz immer zu präzisieren , ob ,
einerseits ,
alle Erscheinungsformen ( einer Religion , einer Denkart , einer SEXUALITÄT , usw. ) - gleichberechtigt- nebeneinander existieren können . oder ob andererseits ,
eine Leitkultur der Mehrheit eine Minderheit zwar " akzeptiert ", aber
nur unter Auflagen , und deutlich macht , daß diese Leitkultur eben die " Richtige " ist.
So wird z.B. die Homosexualität vom Christentum , Judentum und Islam abgelehnt , vom Ersteren und Zweiten aber " toleriert " , vom Islam aber nicht , und gnadenlos verfolgt.
Da wir , in unserem Raum , eine Trennung von Kirche und Staat haben , gilt nur das , was die Verfassung sagt.( Christen kommen also in einen " Konflikt " , weil sie zwar etwas für falsch halten , andereseits aber verfassungsmäßig das akzeptieren müßen ).
Solange dies nicht hinreichend klar ist , wird - Toleranz und normal - immer mißverständlich und eben auch unterschiedlich gebraucht.
Re: Was ist eigentlich normal? Nur was die Mehrheit denkt und tut?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Karl vom 11.01.2014, 10:22:57
So einfach ist das nicht.

Linktipphttp
hafel
hafel
Mitglied

Re: Was ist eigentlich normal? Nur was die Mehrheit denkt und tut?
geschrieben von hafel
als Antwort auf Karl vom 11.01.2014, 10:22:57
Ich denke einmal, das "Normal" kein Begriff der Statistik ist. Es bedeuteut viel mehr "Vollkommenheit" der so genannten "goldenen Mitte". Es ist eine Zukunftsvision, was "man/frau" anstreben sollte.

Hafel
Re: Was ist eigentlich normal? Nur was die Mehrheit denkt und tut?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Karl vom 11.01.2014, 11:08:56
@ Edita, Du sprichst die Geschlechtsbestimmung bei Korallenfischen an.
Die Fische entwickeln sich erst dann zum Erwachsenen, wenn sie einen ausgewachsenen Artgenossen treffen, mit dem sie gemeinsam brüten können. Kommen sie dabei mit einem Männchen zusammen, werden sie zum Weibchen und umgekehrt.
geschrieben von karl
Überhaupt gibt es absonderliche Formen der Geschlechtsbestimmung im Tierreich. Der Schalter für die Geschlechtsbestimmung im Tierreich ist keineswegs immer genetisch programmiert. Wikipedia[/url]. Das ist aber noch einmal ein anderes, spannendes Thema Karl
geschrieben von Bild der Wissenschaft

um mensch mit mensch zu vergleichen, sollte nicht wahllos auf das tierreich zurückgegriffen werden, meine ich.
man sollte wenigstens bei den primaten bleiben ...

wo sollen solche vergleiche mit korrallenfischen, schlangen usw. usw. enden?
vielleicht bei einzellern und deren vermehrung durch teilung?

die natur hat sehr viele wege zur vermehrung gefunden, ausprobiert und probiert noch immer,
was, wie du richtig schreibst, ein anderes [u]interessantes thema
wäre.
die natur bezweckte (bisher) jedenfalls immer VERMEHRUNG
und bei mann/mann und frau/frau ist das eben nicht der fall,

obwohl nun auch WIR mit der technik (künstliche befruchtung usw.) versuchen,
wege zu beschreiten, wodurch sich die bisher "nomale=natürliche" konstellation mann/frau möglicherweise irgendwann erübrigt.

m./.
.

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