Aktuelle Themen Prügelstrafe
Aus gegebenem Anlass eröffne ich hier dieses Thema, weil es m. E. so wichtig ist, dass es nicht nur in den Blogs abgehandelt werden sollte.
Noch in meiner Kinderzeit galt es als probates Erziehungsmittel, Kinder zu schlagen.
Auch ich habe als Kind meine Erfahrungen mit der "körperlichen Bestrafung" machen müssen.
Zum Glück haben sich die Zeiten geändert und seit November 2000 gibt es den § 1631 Abs. 2 BGB: „Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“
Trotzdem müssen auch heute noch knapp ¼ aller 6 – 16-Jährigen mit Gewalt aufwachsen – das sind fast 3 Millionen Kinder in Deutschland, weil körperliche Gewalt von zu vielen Eltern als legitimes Mittel zur Erziehung angesehen wird. Unterstützung fanden diese Eltern vor kurzem bei der höchsten Autorität der Katholiken. Pp. Franziskus findet körperliche Züchtigung in Ordnung, so sie denn in Würde geschehe. Für mich ist das ein Widerspruch in sich. Körperliche Strafen sind immer für den, der sie erfahren muss, entwürdigend, ganz egal, ob es sich um ein Kind, einen Jugendlichen oder einen hilflosen Senior handelt.
Die Statistik zeigt, dass bei uns jeden dritten Tag ein Kind an den Folgen von Misshandlungen stirbt. Im Jahr 2015 wurden 130 Kinder getötet, im Jahr darauf waren es 133. In 78 Fällen blieb es bei einem Tötungsversuch.
100 der getöteten Kinder waren zum Zeitpunkt des Todes jünger als sechs Jahre. Die Zahl der körperlichen Kindesmisshandlungen stieg von 3.929 (2015) auf 4.204 Kinder (2016). 1.913 Kinder davon waren unter sechs Jahren.
Angesichts dieser schrecklichen Zahlen ist es gut, dass auch schon dem vermeintlich harmlosen familiären Klaps ein gesetzlicher Riegel vorgeschoben wurde. Bekanntlich gibt es den Teufelskreis, dass besonders Eltern, die als Kind selbst Gewalt erfahren mussten, diese wiederum bei ihren Kindern anwenden.
Erziehen erfordert Liebe, Einsatz und Zeit. Stattdessen zuzulangen ist ein Armutszeugnis.
In der Schule ist körperliche Bestrafung absolut abzulehnen, weil
- auch Kinder eine Menschenwürde haben,
- weil durch Schläge noch niemand ein besserer Mensch oder Schüler wurde,
- weil wir Kinder nicht zu gewaltfreier Konfliktlösung erziehen können, wenn sie das gegenteilige Beispiel erfahren,
- und weil, wie Loewe unten geschrieben hat, gute Lehrer ohne körperliche Bestrafung auskommen
und die schlechten gottseidank ihre Inkompetenz nicht mehr hinter Prügelorgien verstecken dürfen.
Margit
Ich glaube nicht, dass dir in Bezug auf Prügelstrafen im ST jemand widersprechen wird und ich selbst bin ein strikter Gewaltgegner, in jeder Hinsicht.
Ich selbst bin in einem liebevollen Elternhaus aufgewachsen, auch wenn ich mit Sicherheit die Geduld meiner Eltern manchmal überstrapazierte. Es gab Verbote, Hausarrest aber keine Prügel. Die lernte ich erst kennen, als mich eine Nonne (Handarbeitslehrerin) fast bewusstlos prügelte. Mein Vater hat dies postwendend unterbunden aber dann fingen erst die „richtigen“ Strafen an, nämlich die verbalen und die waren schlimmer als die vorangegangenen Prügelstrafen. Ich fühlte mich minderwertig, abartig und wie der letzte Dreck. Und erst im Alter von Mitte 20 konnte mein natürliches Selbstbewusstsein wieder aufgebaut werden. Zumindest bis der nächste Angriff kam, denn als 1947 Geborene konnte ich nicht begreifen, warum ein alter verbitterter Mann mich ungestraft als Hitler Brat betiteln durfte und ich keine Möglichkeit hatte, mich dagegen zu wehren.
Ich bin nicht nur gegen physische Gewalttaten sondern auch gegen das Verstümmeln einer kindlichen Seele.
Bruny
Leider artet das "Nicht-schlagen-dürfen" an den Schulen leider öfter in Psycho-Terror und Ritalin-Zwang aus.
Brüllen und Rausschmiss sind an der Tagesordnung.
Eltern von braven, angepassten Kindern kriegen das in der Regel nicht so mit.
Leider artet das "Nicht-schlagen-dürfen" an den Schulen leider öfter in Psycho-Terror und Ritalin-Zwang aus.
Brüllen und Rausschmiss sind an der Tagesordnung.WAs soll ein "Ritalin-Zwang" sein? Haben Lehrer irgendwo in Deutschland die Möglichkeit, Kindern Pillen zwangsweise zu verabreichen? Oder gehört hierzu nicht nach wie vor die ärztliche Medikation und das Einverständnis der Eltern?
Eltern von braven, angepassten Kindern kriegen das in der Regel nicht so mit.
Eltern können nur auf etwas reagieren, was sie von ihren Kindern auch erfahren. Sollten in einer Schule unhaltbare Zustände für ein Kind sein, so ist es wichtig, im Elternhaus eine offen und gute Gesprächsatmosphäre zu haben; sich auch Zeit für die Sorgen des Kindes zu nehmen und vor allem "auch zwischen den Zeilen" hören zu können. Es macht keinerlei Sinn, bei Verdachtsmomenten ohne weitere Recherche die Lehrer zu beschimpfen oder ihnen mit anwaltschaftlichen Konsequenzen zu drohen. Die Situation für das Kind dürfte sich dadurch nicht verbessern.
Ich komme auch noch aus einer Zeit, wo zu Hause und auch in der Schule geprügel wurde; nichts hinterfragt und ohne jeden Trost, wenn die Lehrer mal wieder ausgeflippt waren. Zu Hause gab es dann die Kommentare: wird schon richtig gewesen sein. Die Mütter waren selbst oft in ihrer Überforderungen Ventile für Prügeleien, wenn sie androhten: warte nur, bis der Papa heimkommt, der dann in seinem Frust auch noch die Prügelstrafen an den "unfolgsamen" Kindern ausüben mussten.
Aber auch heute dürfte theoretisch noch gelten: wer geschlagen wird, wird später selbst schlagen. Gewalt ist ja nicht etwas, was Säuglinge "mit der Muttermilch" erhalten, sie wird erlernt und weitergegeben. Olga
Hallo Mareike,
auch Eltern von Schülern, die nicht verhaltensauffällig sind, bekommen durch die Erzählungen ihrer Kinder meist sehr genau mit, was sich in der Schule so abspielt.
Ich habe in meiner Schulzeit als Lehrerin Brüllen und Rausschmeißen nie als übliche Tagesordnung erlebt, sondern als Ausnahmen in besonderen Stresssituationen.
Aber meinst Du denn wirklich, die Situation an Brennpunktschulen oder in heftigen Klassen würde dadurch verbessert werden können, wenn Lehrer zuschlagen dürften? Ich stelle mir das lebhaft vor, was kleine und schwache SchülerInnen zu erdulden hätten, an die großen und starken würde sich ja keiner rantrauen. Ich habe fast 40 Jahre Schüler zwischen 10 und 19 Jahren am Gymnasium unterrichtet: es gab keine Situation, in der ich SchülerInnen hätte schlagen müssen oder wollen, um Autorität zu zeigen.
Sicher ist es für Schüler, die von zu Hause aus gewohnt sind, geschlagen zu werden, eine Umstellung, wenn die Erziehungsmethoden in der Schule anders sind. Wie war das früher doch so "schön"? Kinder, die zu Hause verprügelt wurden, bekamen auch in der Schule Dresche, weil die Lehrer wussten, dass die Eltern mit ihnen d'accord waren und weil die Kinder sich nicht trauten, ihre Schwielen zu Hause vorzuzeigen aus Angst vor weiterer Bestrafung. Glaub mir, eine positive Lernatmossphäre lässt sich eben nicht mit Gewalt und körperlichen Strafen erreichen.
Natürlich kostet es viel Kraft in einer Klasse mit 30 oder mehr Schülern zu unterrichten, unter denen sich mehrere verhaltensauffällige SchülerInnen befinden. Aber gerade da sind Konsequenz, klare Regeln, Zuwendung und nicht körperliche Strafen Verhaltensweisen, die Erfolg versprechen.
Das ist inzwischen in der Pädagogik allgemein bekannt und wird nicht mehr angezweifelt. Deshalb finde ich es übel, wenn jetzt plötzlich von Laien wieder gefordert wird, dass Kinder und Jugendliche von Eltern und Lehrern geschlagen werden dürfen.
Margit
Gibt es schon auch "angepaßte" Kinder?
Eltern von braven, angepassten Kindern kriegen das in der Regel nicht so mit.
Ich möchte das bezweifeln, es gibt unauffällige Kinder, die meistens auch noch brav sind!
Edita
Deshalb finde ich es übel, wenn jetzt plötzlich von Laien wieder gefordert wird, dass Kinder und Jugendliche von Eltern und Lehrern geschlagen werden dürfen.Nun, ich hoffe sehr, dass Du meine Stellungnahme nicht so verstanden hast.
Margit
Ich finde es grundsätzlich von Übel, wenn Erziehung auf Bestrafung fußt, das hat nl. wenig mit Würde zu tun.
@ Edita
Ob ich nun von angepasst oder brav spreche, es ändert wenig an der Realität.
Auch die Braven leiden, denn Gewalt wird weitergereicht und hat viele Varianten.
Es gäbe Stellungnahmen wie folgende nicht, wenn es anders wäre: Mobbing
Seite 3 beschreibt Lehrerverhalten welches zu Gewalt und Mobbing beiträgt.
Wie Prügelstrafen zuhause unterbunden werden können ... ich wüßte es gerne. Vieles läuft versteckt ab.
Mein Enkel hat es hautnah erlebt, wie sein Freund aufgrund der Schulproblemen mit Ausschlussverfahren, zuhause anschließend immer wieder verprügelt wurde. Ob es dem Lehrer bewusst war, weiß ich nicht.
Wie Prügelstrafen zuhause unterbunden werden können ... ich wüßte es gerne. Vieles läuft versteckt ab.
Mein Enkel hat es hautnah erlebt, wie sein Freund aufgrund der Schulproblemen mit Ausschlussverfahren, zuhause anschließend immer wieder verprügelt wurde. Ob es dem Lehrer bewusst war, weiß ich nicht.
Verstehe ich nicht ganz. Wenn Ihr Enkel dies anscheinend in Ihrer Gegenwart (oder seinen Eltern gegenüber erzählt hat), warum liessen Sie sich davon abhalten, diese Schlägerfamilie anzuzeigen? Warum versuchen Sie auf Lehrer zu delegieren? Es müsste Ihnen doch reichen, den Aussagen des Enkels so weit zu vertrauen, dass Sie weitere Schritte einleiten können. Wenn Sie dies nicht mach(t)en, ist das Phlegma oder Desinteresse? Olga
Natürlich kostet es viel Kraft in einer Klasse mit 30 oder mehr Schülern zu unterrichten, unter denen sich mehrere verhaltensauffällige SchülerInnen befinden. Aber gerade da sind Konsequenz, klare Regeln, Zuwendung und nicht körperliche Strafen Verhaltensweisen, die Erfolg versprechen.Auch diesen Satz greife ich gerne auf.
Mein Enkel hat selber auch unter dem gleichen Lehrer gelitten, meist weil er für seinen Freund Partei ergriffen hat.
Gestern noch habe ich mich mit ihm darüber unterhalten.
Mit Tränen in den Augen erwähnte er dann seine Lehrerin aus dem 4. Schuljahr, die mit klaren Regeln, Konsequenz und ZUWENDUNG ihre Klasse mit über 30 Schülern hervorragend geführt hat.
Ja, es gibt sie, solche Pädagogen und sie sind enorm wertvoll gerade für die "verhaltensauffällige" Kinder.
Es wurde sowohl beim Schulamt wie beim Jugendamt wie beim Schulpsychologischen Dienst gemeldet, eben auch weil die Schule mit involviert war.
Sie würden sich wundern, wenn sie erfahren würden, wieviele Kinder geschlagen werden.
Aber auch wieviele Schüler Gewalt anwenden. Es ist schon Normalität, dass weiterführende Schulen ihren eigenen Polizisten haben.