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Aktuelle Themen Kriegsopfer Kinderseele

mane
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Re: Kriegsopfer Kinderseele
geschrieben von mane
als Antwort auf olga64 vom 16.02.2016, 17:09:59

Aber zu den syrischen Flüchtlingskindern. Ich kenne durch meine Tätigkeit im Helferkreis einige und bin immer wieder so verblüfft, wenn ich erlebe, wie schnell diese Kinder Deutsch lernen (sie sind ja in den Kitas mit deutschen Kindern zusammen), wie schnell sie wieder lachen und spielen lernen. Alles Dinge, die sie nicht kannten, wenn sie nachts weinend und mit viel Angst den nächsten Bomben lauschen mussten, die über das Haus geworfen wurden.
Die Kleinen werden es schaffen, wenn es auch deren Eltern schaffen.
Schlimmer ist es bei den Heranwachsenden und auch den jungen MÄnnern. Deren Traumata dürfte sie lebenslang begleiten und je nach innerer Ausgestaltung auch zu grossen Aggressionen führen. Olga


Hallo Olga,

dass die Kinder wieder spielen und lachen können, heißt nicht, dass die Erinnerungen nicht immer noch wirken. Sie kommen hoch in den Träumen der Nacht und bei lauten Geräuschen, die an Bomben u.a. erinnern. Die bösen Erinnerungen überlagern meist die guten und folgen den Kindern wie ein Schatten.

Eine Heilung ist möglich, wenn die Bedrohung vorbei ist und die Kinder hier bei uns eine liebevolle Betreuung und etwas Normalität finden, die z.B. Sie mit ihrem Helferkreis ihnen geben. Ganz wichtig ist, dass sie Eltern haben, die sie stark machen.
Die Annahme, dass kleine Kinder, im Gegensatz zu "den Heranwachsenden und auch den jungen Männern" kaum Schäden durch die Erlebnisse aus Krieg und Flucht davontragen, ist falsch. Sabine Bode schreibt in ihrem Buch Die vergessene Generation - Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen, dass diese, sogar wenn sie noch sehr klein waren und keine direkten Greuel mitbekamen, die Angst und Unsicherheit über ihre Eltern vermittelt bekommen.
Mane
olga64
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Re: Kriegsopfer Kinderseele
geschrieben von olga64
als Antwort auf mane vom 17.02.2016, 09:58:05
Ich bin 1944 geboren, allerdings hatte ich wohl das Glück, da es im nicht gebombten Garmisch war, hiervon unberührt zu sein. Aber damals wurden m.W. die meisten jungen, schwangeren Mütter in Gebiete geschickt, wo es ungefährlicher war. Die Nazis dachten ja immer noch an ihre Zukunft und wollten den "Nachschub für die Herrenrasse" ja beschützt wissen.
Ich denke auch,da das Erinnerungsvermögen der Menschen mit ca 4 Jahren einsetzt, dass vieles davon nur aus Erzählungen der Eltern usw. resultiert und sich dann irgendwann mit vermeintlichen Tatsachen vermischt. Dadurch entstehen auch solche Bücher, die natürlich auch geschrieben werden, weil ein Autor damit Geld verdienen möchte.
Zu Ihrer Aussage der psychologischen Betreuung der syrischen Kriegskinder. Diese ist sehr wichtig, kann aber bei Kleinkindern natürlich noch nicht erfolgen. Es handelt sich ja um grossenteils Gesprächstherapien und bei einem Kleinkind, das noch nicht sprechen kann, ist dies nicht sinnvoll. Dieses Kleinkind sollte zuerst mal wieder die ganz essentiellen Bedarfsstrukturen erleben dürfen: essen, schlafen, Zärtlichkeit mit den Eltern, spielen, neue Freunde finden und lachen können. Darauf kann man dann psychologisch aufbauen. Olga
Haller
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Re: Kriegsopfer Kinderseele
geschrieben von Haller
als Antwort auf mane vom 12.02.2016, 17:32:11
In den 70er Jahren hatte ich einen Kollegen, der im 2. Weltkrieg als Soldat gedient hat.
Auch er hat damals ein Trauma erlitten. Das hat sich zwar nur insofern ausgewirkt, dass er im Sitzen geschlafen hat, aber auch nach dem Krieg noch und auch zu der Zeit noch, als ich ihn kennen lernte.

Da es sich hier aber um Kinderseelen handelt, schätze ich die Traumatisierung noch wesentlich höher ein.
Damit die, um ihre Kindheit betrogenen, Kinder irgendwann einmal wieder ein halbwegs vernünftiges Leben führen können, gilt es einer nicht geringen Kraftanstrengung, nicht nur von Seiten der Kinder, sondern auch von den Menschen, die sie umgeben und vor allem benötigen sie psych. Unterstützung.

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mane
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Re: Kriegsopfer Kinderseele
geschrieben von mane
als Antwort auf olga64 vom 17.02.2016, 17:32:59
Erst ab dem 2. bis 3. Lebensjahr haben Kleinkinder die Fähigkeit, Geschehnisse in Worten zu beschreiben. Davor geht das nicht und die Erlebnisse, denen sie davor ausgesetzt waren, bleiben diffus, das heißt, je früher ein Kind traumatisiert wird, umso scherer ist die Aufarbeitung dieser Erlebnisse. Eine Frau, die als Kleinkind den Krieg erlebt hatte, sagt:
"Wie soll ich in Worte fassen, was damals passiert ist? Wenn ich das könnte oder wenn ich diese Angst, die ich damals wohl gehabt haben muss, wenn ich das sagen könnte. Eigentlich ist es wichtig, das zu erzählen, was mich erschreckt hat. Ich weiß es nicht!"



Sie haben recht, besonders wichtig ist es für Kinder, die die Schrecken von Krieg und Flucht erlebt haben, dass erstmal die essentiellen Bedürfnisse gestillt werden.
Neben einer Gesprächstherapie, die für Kleinkinder, die ihre Erlebnisse noch nicht in Worte fassen können, natürlich nicht geeignet ist, gibt es weitere Möglichkeiten, die Kleinen therapeutisch zu betreuen. Neben der einfachen Spieltherapie, wo Kinder im Spiel, z.B. anhand von Puppen andeuten, was mit ihnen passiert ist, gibt es auch spezielle traumabezogenene Spieltherapien und anderes.
Mane
olga64
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Re: Kriegsopfer Kinderseele
geschrieben von olga64
als Antwort auf mane vom 18.02.2016, 13:02:16
Die menschliche Psyche hat auch den temporär guten Verdrängungs-Mechanismus. Dies ist auch gut für traumatisierte Menschen, die zuerst mal wieder eine ganz normale (Überlebens)-Basis finden müssen, was sowieso sehr viel Kraft erfordert.
Die psychologische Aufarbeitung kann dann erfolgen, wenn ein einigermassen tragfähiges Fundament besteht - alles erfordert viel Kraft,die wieder aufgebaut werden muss. Olga
mane
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Re: Kriegsopfer Kinderseele
geschrieben von mane
als Antwort auf Haller vom 18.02.2016, 00:56:15
Hallo Haller,

je länger es dauert, bis die Kinder in professionelle Hände kommen, um so schwieriger wir die Integration ablaufen. Leider haben flüchtende Kinder in den ersten 15 Monaten ihres Aufenthaltes in Deutschland keinen Anspruch auf eine Psychotherapie. Hoffen wir, dass neben den Eltern sich auch Menschen um sie kümmern, die einiges auffangen können.

Dein ehemaliger Kollege, der im Zweiten Weltkrieg traumatisiert wurde, hatte gar keine Chance, die Erlebnisse damals aufzuarbeiten. Die Deutschen durften (und ich vermute, es ist oft immer noch so) sich, wegen ihrer übermächtigen Schuld, nicht als Opfer sehen - jedenfalls nicht öffentlich. Außerdem waren sie mit dem Aufbau usw. beschäftigt und verdrängten die Geschehnisse. Das ständige Einschlafen Deines Kollegen ist möglicherweise eine Folge davon gewesen.

Micha Brumlik ist ein Erziehungswissenschaftler und Publizist. Er wurde als Kind jüdischer Flüchtlinge in der Schweiz geboren und lebt seit 1952 in Deutschland.
Er nennt Deutschland eine "traumatisierte Kultur." Er vermutet, dass die Kriegskinder ihre psychische Kraft verbrauchten, im Wissen oder in der Auseinandersetzung mit der z.T verbrecherischen Elterngeneration und darüber das eigene Leid verdrängten. Er betont, nur wenn man eigene Verletzungen wahrnehme, könne man auch Empathie für andere empfinden. Und genau das habe es nicht gegeben in diesem Land.

„Nie wieder Auschwitz“,... war eine moralische Position, aus der sich eine moralische Verpflichtung gegenüber den Opfern herleitete. Man habe sich nicht eingefühlt in ihr Leid, sondern sich verpflichtet gefühlt durch dieses Leid. Und nun sei diese Pflicht im Laufe der Jahrzehnte zur Last geworden, die man gern loswerden würde.Quelle
geschrieben von Micha Brumlik

Mane

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olga64
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Re: Kriegsopfer Kinderseele
geschrieben von olga64
als Antwort auf mane vom 18.02.2016, 15:08:29
Mane - das Problem ist auch, dass es zu wenige Psychotherapeuten in Deutschland gibt und vor allem solche, die sich mit Kindern beschäftigen. Derzeit warten auch inländische Patienten viele Monate, um eine Therapie zu erhalten. Viele befinden sich ja noch in der Ausbildung, bzw. im Studium, benötigen dann Praktika und können dann erst beginnen.
Meine Freundin, altgediente Ärztin und Psychotherapeutin mit Schwerpunkt Kinder (hier hauptsächlich bulimische Mädchen, misshandelte und missbrauchte Kinder) engagiert sich ebenfalls bei Flüchtlingskindern, ist aber terminlich so stark überlastet, dass sie guten Gewissens niemand mehr annehmen könnte. Es braucht ja Zeit, um mit Kindern zu sprechen und zu arbeiten. Die Kostenübernahme wäre für meine Freundin nicht so wichtig - hätte sie Zeit, würde sie es sicher auch kostenlos machen. Aber sie kann ihre gegenwärtigen Patienten nicht einfach im Stich lassen.
Dazu kommt erst mal das lange Asylgenehmigungs-Prozedere, das alle durchlaufen müssen, die zu uns kommen. Bis dieses nicht geklärt ist, haben diese Menschen keine Möglichkeiten - auch nicht bei Sprachkursen, Arbeitsaufnahme usw. Olga
mane
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Re: Kriegsopfer Kinderseele
geschrieben von mane
als Antwort auf olga64 vom 18.02.2016, 16:01:58
Olga, ich gebe Ihnen in allem recht.
Fehlen jetzt bereits Psychotherapeuten, wird es durch die behandlungsbedürftigen Flüchlingskinder noch zu weiteren Engpässen kommen. Schwierig wird es auch, wenn die Kinder in die Schule kommen. Mögen sie noch so motiviert sein und für einige Zeit ihren Kummer vergessen können, wird sie das Erlebte doch weiterhin belasten. Die Lehrer waren und sind bereits stark gefordert durch die Inklusion. Der gemeisame Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Kindern läuft meist unzureichend - zu große Klassen, fehlende Sonderpädagogen und Schulpsychologen usw.. Das hat dazu geführt, dass an manchen Regelschulen die behinderten Kinder zurück an die Förderschulen gehen.
Mane
olga64
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Re: Kriegsopfer Kinderseele
geschrieben von olga64
als Antwort auf mane vom 19.02.2016, 09:43:17
Bei den GRundschulen sah es ja bis vor kurzem noch so aus, dass hier keine Lehrer mehr gebraucht werden ,da keine (deutschen) Kinder mehr nachwachsen. Es erfolgten Zusammenlegung von Schulen usw. Jetzt ändert sich die durch die Flüchtlingskinder - aber es gibt keine Lehrer, die müssen erst ihr Studium aufnehmen und abschliessen.
Bayern möchte 2.000 neue Grundschullehrer einstellen - findet sie aber nicht. Im Gymnasialbereich sieht es anders aus - da gibt es mehr als man derzeit benötigt (in einigen Fächerkombinationen). Man versucht jetzt, diese Lehrer zur Umschulung zu bewegen, damit sie an Grundschulen unterrichten, wofür aber auch gute Fremdsprachenkenntnisse erforderlich sind.
Auch bereits pensionierte Lehrer versucht man derzeit in Bayern zurückzuholen, die meist auch kommen, weil sie dies auch als humanitären Gedanken sehen.
Man kann gut sehen, dass jedes Problem immer zwei Seiten hat und es sich viele zu leicht tun, wenn sie diese Problematik jetzt umgehend wieder der Unfähigkeit "der Politik" zuschreiben. So ist es halt nicht. Olga

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