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Aktuelle Themen Digitale Demenz ...ein kulturelles Phänomen

libelle
libelle
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Digitale Demenz ...ein kulturelles Phänomen
geschrieben von libelle
Seit einiger Zeit bemerke auch ich, wie Telefonnummern heute zu einem Problem werden, wenn das Mobil oder der (das?) Palm nicht zur Hand, oder die Akkus wieder einmal leer sind.

Immer lag der neueste ADAC Atlas in meinem Auto, heute klebt ein Navi an der Frontscheibe. Strassen suchen ist out, mega-out ! Wie weit ist es von hier nach da? Der Routenplaner im Internet zeigt uns den Weg und die genaue Anzahl der Kilometer, egal wohin die Reise gehen soll, Europa, Australien, Amerika... kein Problem.
Sogar den Weg in die hiesigen Weinberge bekomme ich von SUSI angesagt.

Morgen früh muss ich um 6:30h am Bahnhof sein... Wecker stellen ist nicht gerade cool, der (oder doch das?) Palm piepst, verlässlich und nicht zu laut... und ich kann ihn schon Tage vorher programmieren, sodass ich eigentlich morgen vergessen kann J)))
Papier und Bleistift am Telefon? Nummern und Notizen schreibe ich direkt auf das Display und kann auch sie abhaken.

Wusste ich früher, in welcher Strasse dieses oder jenes Hotel zu finden ist, frage ich heute mein Email Adressbuch.

Vor einigen Tagen bekam ich, als Werbegeschenk, eine Armbanduhr mit integriertem USB Anschluss im Armband.
Jetzt habe ich meine Daten nicht mehr im Kopf sondern am Handgelenk.

Wenn wir all die kleinen und größeren Hilfen des Digitalen Zeitalters beherrschen, geht (fast) nichts mehr verloren, außer ein stets zur Verfügung stehendes Gedächtnis....

Ist es nicht tröstlich zu wissen, dass dieser Zustand keine Krankheit, sondern nur eine (vorübergehende?) Abhängigkeit von 'Susi','Hubert','James' und Co ist?


Habt Ihr ähnliche Erfahrungen?

Gruß
libelle

Hubert der (das?) Palm
James das Mobil
Susi ist die Dame von der SuchInformation meines Navis ...



hafel
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Re: Digitale Demenz ...ein kulturelles Phänomen
geschrieben von hafel
als Antwort auf libelle vom 14.10.2007, 18:05:42
Die Zeiten haben sich eben geändert und wir nehmen alle gerne diese Hilfsmittel und Fortschritte in Anspruch.
Ein Beispiel aus meinem Beruf.
Als ich Elektrotechnik studierte war es damals Gang und Gebe dass man mit dem Rechenschieber umgehen und interpolieren konnte. Das hatte den Vorteil, dass man die Größenordnungen abschätzen musste, den der Rechenschieber sagte einem nur die Zahlenkombination, nicht die Größenordnung (Meter oder Millimeter)!

Heute im Zeitalter des Taschenrechners werden diese "Gaben" verschüttet. Ein Abschätzen, ob diese Dimension überhaupt realistisch ist, fällt der nachfolgenden Generation nicht leicht.
--
hafel
simba
simba
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Re: Digitale Demenz ...ein kulturelles Phänomen
geschrieben von simba
als Antwort auf libelle vom 14.10.2007, 18:05:42
Bei mir sinds nur die Telefonnummern, früher hatte ich alle im Kopf, jetzt sind sie im Handy eingespeichert - nicht mal die Nummer meines Sohnes weiss ich
--
simba

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angelottchen
angelottchen
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Re: Digitale Demenz ...ein kulturelles Phänomen
geschrieben von angelottchen
als Antwort auf libelle vom 14.10.2007, 18:05:42
vor einigen Tagen gab es einen bericht über Navigationsgeräte und ihre Besitzer und es war erschreckend: Auf Autobahnraststätten oder an Kreuzungen gefragt, wo sie denn seien und ob sie das auf der Karte zeigen könnten, mussten 75% passen ...

Ursprünglich wollte ich mir auch so ein Teil anschaffen - habe es dann mal 3 Tage ausprobiert und muss sagen:ich verlasse mich lieber auf mein gutes Kartengedächtnis und meine "spickzettel" - und ich kann auch immer noch im Kopf ausrechnen, wenn es unterwegs einen stau gibt oder ich langsamer fahren muss, wann ich dann am Zielort ankomme ..

Mein letztes Handy hat einer der Hunde im Garten begraben - ich vermisse es nicht - und an sonsten liebe ich meinen kurzen Bleistift und das Ledermäppchen mit dem Notizbuch ..
--
angelottchen
hafel
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Re: Digitale Demenz ...ein kulturelles Phänomen
geschrieben von hafel
als Antwort auf angelottchen vom 14.10.2007, 18:27:01
@ angel. : Mein letztes Handy hat einer der Hunde im Garten begraben

Toll, da kannst Du jetzt vom Festnetz aus die Maulwürfe anrufen...... oder zur Ordnung rufen ))))))
--
hafel
angelottchen
angelottchen
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Re: Digitale Demenz ...ein kulturelles Phänomen
geschrieben von angelottchen
als Antwort auf hafel vom 14.10.2007, 18:42:22
ein Handy mit Vibrationsfunktion habe ich für einen taub geborenen Pyreneenhund umfunktioniert - der trägt es jetzt in einem Spezialhalsband direkt am Körper und sein Frauchenbraucht ihn nur anzurufen, dann kommt er )
--
angelottchen

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hafel
hafel
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Re: Digitale Demenz ...ein kulturelles Phänomen
geschrieben von hafel
als Antwort auf angelottchen vom 14.10.2007, 18:49:29
Das funktioniert bei Männern, die ihr Handy in der Hosentasche tragen, vermutlich auch ))))
--
hafel
dutchweepee
dutchweepee
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Re: Digitale Demenz ...ein kulturelles Phänomen
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf libelle vom 14.10.2007, 18:05:42
@libelle

diese digitalisierung hat aber auch vor allem nachteile!

in den 90ern habe ich ein digitales tagebuch am PC geschrieben - lange bevor die bloggs modern wurden. kürzlich wollte ich das mal wieder lesen, aber oh schreck: die software läuft nicht mehr unter XP und ein nachfolgeprogramm gibt es nicht, das diese dateien einlesen kann.
das kriegstagebuch von meinem opa aus dem 1ten Weltkrieg kann ich aber auch heute noch lesen.

all die fotos die wir bequem auf DVD brennen können, werden in spätestens 30 jahren nicht mehr lesbar sein, wenn sie nicht ständig auf neue datenträger umgebrannt werden. 10.000 jahre alte felszeichnungen können wir aber noch prima betrachten, auch ohne datenpflege.

DAS nenne ich wirklich "digitale demenz"
Linta
Linta
Mitglied

Re: Digitale Demenz ...ein kulturelles Phänomen
geschrieben von Linta
als Antwort auf simba vom 14.10.2007, 18:22:42

Simba,
Handy nutze ich nur, wenn ich einsame Strecken allein unterwegs bin. Für diesen Zweck sind einige wenige RufNr.
gespeichert.
Ansonsten Geburtstage, Telefon-Nr., Autokennzeichen möchte ich weiterhin gern im Kopf behalten.
Der Navi nutzt mir persönlich nischt, denn ich fahr eh links herum wenn DER/DIE mir rechts vorschlägt...)

Und noch eines, ich kann sogar noch OHNE Zettel einkaufen
n.
niederrhein
niederrhein
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Fortschritt und Verlust ....
geschrieben von niederrhein
als Antwort auf dutchweepee vom 14.10.2007, 19:38:50
Fortschritt und Verlust ....

[...] all die fotos die wir bequem auf DVD brennen können, werden in spätestens 30 jahren nicht mehr lesbar sein, wenn sie nicht ständig auf neue datenträger umgebrannt werden. 10.000 jahre alte felszeichnungen können wir aber noch prima betrachten, auch ohne datenpflege. [...]


Diese Diskussion wurde u.a. bereits in den frühen neunziger Jahren in der Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft geführt.
Dort wurde u.a. angeführt, daß etwa der Text auf dem Stein von Rosette vermutlich noch nach ein paar tausend Jahren zu lesen ist (mechanische bzw. chemische Störung ausgeschlossen). Mitteralterliche Pergamente sind auch nach hunderten von Jahren lesbar, das vorindustrielle Papier ist z.T. auch über hunderte Jahre alt, vom industriellen Papier heißt es allerdings wegen seines Säuregehalts, daß es nur eine begrenzte Lebensdauer hat.
Die neuen Datenträger (Tonwalzen, Schallplatten, Tonkassetten, Floppys, Disketten und schließlich die CDs) haben eine immer begrenztere Lebensdauer.
So seien die die Raumfahrtsdaten aus den sechziger Jahren nicht mehr lesbar. Welche Folgen dieser gleichsam "programmierte" Datenverlust letztlich hat ... darüber macht sich der Laie gar keine Vorstellungen und der Fachmann mag es sich gar nicht ausmalen.


Es ist aber nicht nur physikalisch-chemische Gefährdung der Datenträger, sondern dazu kommen noch:

- Die zum Lesen notwendigen Geräte wird es nicht mehr geben.

- Es fehlen die Menschen, die diese Geräte und vor allem Programme bedienen können. (Wer kennt noch Turbo Psacal, dBase, Framework etc. ?)

- Es gibt keine Fachleute, die die Programmiersprache beherrschen und auf dieser Ebene die Programme betreuen, "reparieren", ändern oder erweitern können.


Aber muß mich das als Mensch jenseits der siebzig noch stören? Zudem ... die meisten Menschen wird's nicht stören; die werden das Ende der Buchkultur genauso hinnehmen wie das Ende der "normalen" Zeitung. Lesen, "Studieren", das Sich-beschäftigen mit einer Materie wird vermutlich der Vergangenheit angehören ... ein paar Mausklicks und das nicht "kontrollierte" Stichwortwissen (oder auch Nichtwissen) wird vom Bildschirm als Essens allen Wissens ins Kurzzeitgedächtnis übernommen.

Bereits 1997 wurde in dem Bändchen "Mythos Internet" (Hrsg. von Stefan Münker, Ffm. 1997, edition suhrkamp, Band 2010) auf diverse Entwicklung und Gefahren hingewiesen.

Die Bertha
vom Niederrhein



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