Aktuelle Themen Die Würde des Menschen....
Liebe Lalelu,
ich weiß, dass du kranken, hilflosen, behinderten Menschen nicht die Würde abspricht. Das habe ich keinesfalls gemeint.
Mir geht es nur um ein Verständnis von Würde, das nicht impliziert, (auch wenn es nicht so gemeint ist), dass wir das hilflose, schwache, behinderte Leben als unwürdig betrachten.
Mir scheint, der Begriff der Würde ist kompliziert und hat auch mit moralischen Urteilen zu tun und halte es nicht für verkehrt, über dessen Auslegung nachzudenken.
Verstehst du meine Gedankengänge? Manchmal fällt es mir schwer, das auszudrücken was ich meine.
Mane
Als ich - mit etwa 42 Jahren - die Mandeln operieren lassen musste, schabte ein Arzt das Ding raus - und 2 Krankenschwestern assistierten. Als es auf Mittag zuging, sagte der Arzt: "Ihr könnt jetzt ruhig essen gehen; den Rest mache ich noch allein". Es ging nur noch ums Zunähen der Wunde. Die Schwestern verschwanden - ohne mir z.B. auch nur "Gute Besserung" zu wünschen. Der Arzt nähte. Ich bekam plötzlich einen Hustenanfall, da Blut in die Lunge floss. Der Arzt wurde über und über mit Blut bespritzt - und fluchte, ich solle mich gefälligst zusammenreissen. Wäre ich nicht mit Lederriemen an den Schragen gefesselt gewesen, ich hätte ihm eine runtergehauen!Ohje, du Ärmster. Erst passt der Arzt nicht auf und dann kriegste auch noch geschimpft.
Ich erinnere mich an eine Operation im Kindesalter, als mir die Rachenmandeln (wir sagte damals Polypen) herausgenommen wurden. Das habe ich unangenehm gespürt, konnte mich aber nicht wehren wahrscheinlich war ich auch fixiert. Auch die Zahnarztbesuche waren damals nicht ohne. Da bekam man keine Narkosespritze wie heute und das führt oft dazu, das man die Angst vor dem Zahnarzt sein Leben lang behält.
Mane
Liebe Lalelu,
ich weiß, dass du kranken, hilflosen, behinderten Menschen nicht die Würde abspricht. Das habe ich keinesfalls gemeint.
Mir geht es nur um ein Verständnis von Würde, das nicht impliziert, (auch wenn es nicht so gemeint ist), dass wir das hilflose, schwache, behinderte Leben als unwürdig betrachten.
Mir scheint, der Begriff der Würde ist kompliziert und hat auch mit moralischen Urteilen zu tun und halte es nicht für verkehrt, über dessen Auslegung nachzudenken.
Verstehst du meine Gedankengänge? Manchmal fällt es mir schwer, das auszudrücken was ich meine.
Mane
Liebe Mane,
um deine konkrete Frage zu beantworten: ja, ich glaube, dass ich verstehe, was du meinst und liege weitgehend auf deiner Linie.
Deine Aussage: Mir scheint, der Begriff der Würde ist kompliziert ist der Schlüssel zum Thema.
Ich wollte es genauer wissen, habe ein wenig recherchiert und bei Wikipedia eine sehr lange Abhandlung gefunden, in welcher detailliert beschrieben wird, was man seit der Antike bis heute unter „Menschenwürde“ versteht.
Menschenwürde, Wikipedia
Dieser Artikel ist viel zu ausführlich, als dass ich mich intensiv damit hätte befassen können. Aber bereits das „diagonale Überfliegen“ hat mir gezeigt, dass sich die Menschen von Anfang an nicht wirklich einig waren, was genau unter Menschenwürde zu verstehen ist.
Es scheint so, dass auch wir hier keinen 100%igen Konsens in dieser Frage finden. Zwar stimmen wir in Grundsatzfragen überein, aber unsere Schwerpunkte unterscheiden sich in einzelnen Details. Ich finde jedoch, dass dies nicht schlimm ist.
Wie ich wiederholt schrieb, ist einer meiner Schwerpunkte die Selbstbestimmung, die ich mir von niemandem nehmen lassen möchte, solange ich klar denken kann. Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass ich Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen kein belastbares Urteilsvermögen haben, die Menschenwürde abspreche. Jeder Mensch hat sie, unabhängig davon wie krank, hilflos oder geistig beeinträchtigt er sein mag!
Ich spreche sogar einem Menschen dann die Menschenwürde nicht ab, wenn er sich würdelos verhält.
Beispiel: Wenn ich einen Menschen sehe, der völlig betrunken in der Gosse liegt und Vorübergehenden obszöne Worte hinterher ruft, befindet sich dieser Mensch nach meiner Meinung in einem würdelosen Zustand, aber seine grundsätzlich vorhandene Menschenwürde verliert er dadurch nicht.
Ja, es ist kompliziert, eine allumfassende Erklärung für den Begriff „Würde“ zu finden. Durch unsere Diskussion komme ich sogar mehr und mehr zu der Überzeugung, dass es wahrscheinlich unmöglich ist, zu einer Definition zu kommen, in der sich jeder ohne Abstriche wiederfindet. Was für den einen absolut unerträglich und würdelos ist, erscheint dem anderen „normal“.
Beispiele: der Klaps auf den Po, die Ohrfeige oder die noch immer vorhandene Benachteiligung von Frauen in unserer Gesellschaft, erst recht von solchen mit Migrationshintergrund. Etliche von ihnen haben sogar im eigenen Umfeld deutlich weniger Rechte als männliche Mitglieder. Dennoch fühlen sich viele von ihnen nicht in ihrer Würde verletzt; dieser Zustand ist für sie „normal“.
Das zeigt, dass objektive Kriterien für Menschenwürde oft theoretischer Natur sind, weil Verletzungen subjektiv überhaupt nicht als solche empfunden werden.
Abschließend will ich noch ganz allgemein bemerken: Auch wenn unser Grundgesetz sagt, die Würde des Menschen sei unantastbar, wird sie dennoch tagtäglich überall auf der Welt massiv verletzt, auch im Geltungsbereich unseres Grundgesetzes – jedenfalls dann, wenn man objektive Maßstäbe anlegt.
Lalelu
Menschenwürde ist immer das, was derjenige, der sie erleidet, oder derjenige, der sie ausübt, gerade darunter versteht. Trump und der Nordkoreaner haben da wohl eine andere Meinung, als z.B. Mandela oder Ghandi.
Ja, Schorsch, genau so ist es! Daher reite ich auch so hartnäckig darauf herum, dass für mich das Selbstbestimmungsrecht unverzichtbar zur Menschenwürde erwachsener und urteilsfähiger Menschen dazu gehört.
Die meisten Menschen würden es beispielsweise als eine schlimme Verletzung ihrer Menschenwürde ansehen und Klage erheben, wenn jemand sie misshandeln würde. Andere bezahlen sogar Geld dafür. Haben diese in solchen Momenten keine Würde?
Ob jedoch Trump oder Kim Jong-un jemals einen Gedanken an Menschenwürde „verschwenden“, wage ich zu bezweifeln. Sogar dann, wenn dieser Begriff für sie kein Fremdwort ist, wird ihr Handeln nicht davon bestimmt, sondern von Machtgelüsten.
Lalelu
Trump in den Mund gelegt:
"Verlangt da einer Menschenwürde?
Ich den gleich umbringen würde!"
Menschenwürde ist immer das, was derjenige, der sie erleidet, oder derjenige, der sie ausübt, gerade darunter versteht. Trump und der Nordkoreaner haben da wohl eine andere Meinung, als z.B. Mandela oder Ghandi.
Zitat von Lalelu:
Liebe Lalelu,Wie ich wiederholt schrieb, ist einer meiner Schwerpunkte die Selbstbestimmung, die ich mir von niemandem nehmen lassen möchte, solange ich klar denken kann. Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass ich Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen kein belastbares Urteilsvermögen haben, die Menschenwürde abspreche. Jeder Mensch hat sie, unabhängig davon wie krank, hilflos oder geistig beeinträchtigt er sein mag!
Ich spreche sogar einem Menschen dann die Menschenwürde nicht ab, wenn er sich würdelos verhält.
du beziehst dich hier auf die Selbstbestimmung an deinem Lebensende, da stimme ich dir zu.
Im alltäglichen Leben ist es jedoch oft mit der Selbstbestimmung nicht so einfach. Als soziale Wesen können wir nicht unbeschränkt über uns selbst bestimmen (uns selbst verwirklichen), Das liegt in der Natur der Sache, weil immer auch andere betroffen sind. auf die wir Rücksicht nehmen (müssen). Auch über Gesetze und Regeln können wir uns nicht einfach hinwegsetzen, denn sie steuern das Zusammenleben.
Auch der Begriff der Würde existiert nur in der gegenseitigen Wertschätzung der Menschen untereinander. Wie auch APet richtig schrieb:
Olga, Sie sprechen das Flüchtlingsthema an. Diese Menschen flohen vor den vielfach erlebten Verletzungen ihrer Menschenwürde aus ihrem Heimatland, erlebten diese Verletzungen auf der Flucht und kommen auch bei uns nicht zur Ruhe. Dazu kommen die größtenteils rechtsextrem motivierten Angriffe auf sie und ihre Unterkünfte, die nicht weniger werden, doch in den Medien kaum noch erwähnt werden."Für mich ist Würde, einen Menschen so zu behandeln, wie ich auch gerne behandelt werden möchte. Es hat auch mit Respekt zu tun".
Mane
Beispiele: der Klaps auf den Po, die Ohrfeige oder die noch immer vorhandene Benachteiligung von Frauen in unserer Gesellschaft, erst recht von solchen mit Migrationshintergrund. Etliche von ihnen haben sogar im eigenen Umfeld deutlich weniger Rechte als männliche Mitglieder. Dennoch fühlen sich viele von ihnen nicht in ihrer Würde verletzt; dieser Zustand ist für sie „normal“.
Das zeigt, dass objektive Kriterien für Menschenwürde oft theoretischer Natur sind, weil Verletzungen subjektiv überhaupt nicht als solche empfunden werden.
Lalelu
Liebe Mane,Zitat von Mane:
Liebe Lalelu,
du beziehst dich hier auf die Selbstbestimmung an deinem Lebensende, da stimme ich dir zu.
Im alltäglichen Leben ist es jedoch oft mit der Selbstbestimmung nicht so einfach. Als soziale Wesen können wir nicht unbeschränkt über uns selbst bestimmen (uns selbst verwirklichen), Das liegt in der Natur der Sache, weil immer auch andere betroffen sind. auf die wir Rücksicht nehmen (müssen). Auch über Gesetze und Regeln können wir uns nicht einfach hinwegsetzen, denn sie steuern das Zusammenleben.
Auch der Begriff der Würde existiert nur in der gegenseitigen Wertschätzung der Menschen untereinander. Wie auch APet richtig schrieb:"Für mich ist Würde, einen Menschen so zu behandeln, wie ich auch gerne behandelt werden möchte. Es hat auch mit Respekt zu tun".
zwar hatte ich mich speziell auf das Selbstbestimmungsrecht am Lebensende bezogen, aber für mich ist es nicht nur dann ungeheuer wichtig, sondern immer, solange dadurch keine Rechte anderer beeinträchtigt werden.
Es ist selbstverständlich und unausweichlich, dass in jeder Gemeinschaft Regeln festgelegt werden müssen, durch welche die Rechte des Einzelnen unter Umständen eingeschränkt werden.
Bei Entscheidungen, die einzig und allein das erwachsene Individuum betreffen, und die keinen anderen beeinträchtigen oder ihm schaden, bin ich aber der Meinung, dass jeder nach seiner Fasson selig werden soll, und dass niemand das Recht hat, ihm Vorschriften zu machen oder Verbote auszusprechen.
Zu dem, was APet schrieb, hatte ich mich bereits geäußert. Ich stimme ihr völlig zu, was den Respekt betrifft, bin aber nur teilweise einverstanden mit ihrem ersten Satz. Vielleicht will der andere gar nicht so behandelt werden, wie ich es mir für mich selbst wünsche? Was dann? Daher hatte ihren Satz bereits weiter oben ergänzt:
Für mich ist Würde, einen Menschen so zu behandeln, wie ich auch gerne behandelt werden möchte – und dabei Wünsche des anderen so weit zu berücksichtigen, wie es mir möglich ist, ohne meine eigenen Überzeugungen aufzugeben.
Ich will nicht schon wieder den Begriff der Sterbehilfe strapazieren und bringe daher ein ganz harmloses Beispiel: Wenn ich mal krank bin, was zum Glück nur äußerst selten vorkommt, will ich am liebsten im Bett liegen bleiben. Ich finde es dann schön, wenn mein Mann ca. dreimal am Tag erscheint und mich fragt, ob ich was brauche und mich ansonsten einfach in Ruhe lässt.
Ist hingegen mein Mann krank, würde es ihm gefallen, wenn ich den ganzen Tag an seinem Bett sitze und ihn „betüttele“.
Wenn wir unsere jeweilige Vorliebe einfach auf den anderen übertragen würden, mein Mann mich also im Krankheitsfall permanent umsorgen würde und ich nur dreimal am Tag bei ihm erscheinen würde, wäre ich genervt und mein „armer“ Mann käme sich total vernachlässigt vor .
Mit anderen Worten: wir dürfen uns gegenseitig nicht so behandeln, wie wir selbst gerne behandelt werden möchten, sondern wir müssen uns nach den Wünschen des anderen richten, wenn wir ihm den nötigen Respekt zollen möchten. (Nach fast fünfzig gemeinsamen Jahren kriegen wir das ganz gut hin ).
Lalelu