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Aktuelle Themen Abscheulicher Schießbefehl

hugo
hugo
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Re: Abscheulicher Schießbefehl
geschrieben von hugo
als Antwort auf mart vom 11.08.2007, 21:10:40
ja, mart darüber hab ich schon so oft nachgedacht (ich hab ja mit dem Eisernem Vorhang, der Demarkationslinie, der innerdeutschen Grenze, der Mauer gelebt und immer wieder ist man mit diesem Thema in Berührung gekommen)

Die Unmoral beginnt für mich schon viel eher und nicht erst wenn irgendein Vorgesetzter, eine Regierung den Befehl zum Schießen gibt.

Als die Deutschen den Krieg begannen und diese Katastrophe herbeiführten.

Als die Russen und Amerikaner die Teilung festlegten und ein neutrales, friedliches Deutschland verhinderten.

Als sich die Deutschen in Ost und West von Ihren Regierungen gegeneinander instrumentalisieren ließen.

Von da an war klar, das dem Einzelnen, dem Deutschen in Ost und West (bis auf ganz wenige Ausnahmen) keine nennenswerten Aktivitäten gegen diese unmenschlichen unmoralischen Gegebenheiten zur Verfügung standen.

Beide Seiten fügten sich, beide nahmen in der übergroßen Mehrheit das Leben in dem Rahmen so an, wie es von nun ab möglich war.

Die einen die Ossis waren von der Richtigkeit der Politik ihrer Regierung überzeugt, teilüberzeugt, oder nicht überzeugt, ohne am Zustand zu rütteln.

Die anderen, die Wessis gewöhnten sich ebenfalls an die Zustände, fanden sich damit ab und hatten außer kritische Bemerkungen, trotzige Äußerungen und seichte Versuche den Ossis das Leben zu erleichtern, keine brauchbaren nützlichen Ideen, geschweige denn tatkräftige Lösungen parat.

Beide waren sie im Herbst 1989 absolut überrascht von dem was da passierte, sie trauten ihren Augen nicht und waren nicht in der Lage die Zusammenhänge zu begreifen, sie staunten nur.

Schnell aber waren nun die Medien zur Stelle und mit ihnen massenhaft die besser Wissenden, die plötzlich aktiv wurden, die vermeintlich alte Rechnungen begleichen müssenden und natürlich die Absahner.
und in diesem Chaos diesem euphorischem Durcheinander, kam eine große Anzahl guter Ideen, kam echte, selbstlose Hilfe oft unter die Räder und wurde untergebuttert (ebenso wie schuldhaftes früheres Versagen, siehe Schießbefehl) und nun knabbern wir eben um so länger an den Unzulänglichkeiten unserer Vergangenheit und werden wohl noch öfter mit unangenehmen alte Wunden aufreißenden Erkenntnissen konfrontiert werden.

Es wurde eben nur eine einseitige Aufarbeitung, und kein Schnitt gemacht der all das alte Unrecht hätte auf den Tisch gepackt, be-, und gewertet, abgehandelt und ,,, einen neuen Anfang ohne ständiges Rückblicken ermöglicht hätte.

übrigens gibt es weltweit Schießbefehle an Alte und Junge und das Schlimme, tagtäglich werden solche Befehle tausendfach ausgeführt.

seit 1945 gab es 170 Kriege weltweit mit 35 Millionen Toten das sind tagtäglich 1600 und fast alle wurden auf Befehl getötet, an Unfälle glaub ich da nicht,,,und alle sind sie eben so unnötig, unverständlich und unmoralisch,,,,,,und verbrecherisch wie die an der innerdeutschen Grenze,


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hugo
pilli
pilli
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Re: Abscheulicher Schießbefehl
geschrieben von pilli
als Antwort auf hugo vom 11.08.2007, 20:27:29
danke hugo für den tipp

hier der artikel vom 17. August 1995 aus "Die Welt" von Michael Mielke:

...

NVA-Generäle blasen per Attest zum Rückzug

Prozeß wegen des Schießbefehls an der Grenze - Acht Hochdekorierte stehen vor Gericht / Von MICHAEL MIELKE

Berlin - Morgen beginnt vor der 35. Großen Strafkammer des Berliner Landgerichts der bislang größte Prozeß gegen ehemalige DDR-Militärs. Acht Ex-Generälen der Nationalen Volksarmee (NVA) wird vorgeworfen, als Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrates am Schießbefehl mitgewirkt und Beihilfe zu zahlreichen Tötungen und Verletzungen an der innerdeutschen Grenze geleistet zu haben.

Als am 20. Januar 1992 vor dem Berliner Landgericht der erste Prozeß gegen Mauerschützen mit einer dreieinhalbjährigen Haftstrafe für den Ex-DDR-Gefreiten Ingo Heinrich endete, gab es in Leitartikeln, auf der Straße und auch bei den Opfern einen Konsens:

„Die Großen lassen sie laufen, und die Kleinen werden gehenkt."

Dieser Vorwurf hat sich inzwischen durch Verfahren gegen den ehemaligen DDR-Verteidigungsminister Heinz Keßler (siebeneinhalb Jahre Haft) oder den stellvertretenden DDR-Verteidigungsminister Fritz Stre-litz (fünfeinhalb Jahre Haft) kaum relativiert. Die beiden Ex-Generäle müssen ihre Strafe noch immer nicht verbüßen. Ihre Anwälte haben gegen die vom Bundesgerichtshof bestätigten Urteile Verfassungsbeschwerde eingelegt. Die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes - keiner vermag zu sagen, wie sie ausfällt - wird frühestens Ende des Jahres erwartet. So können auch jene hochdekorierten Herren, die sich ab morgen vor dem Berliner Landgericht verantworten müssen, noch hoffen. Bis gestern waren es zehn.

Ex-Admiral Wilhelm Ehm (76) von 1963 bis 1987 Chef der Volksmarine der DDR und seit 1972 Stellvertreter des DDR-Verteidigungsministers, und Ex-Generaloberst Horst Stechbarth (70), von 1972 bis 1989 Stellvertreter des Ministers und Chef der Landstreitkräfte, haben jedoch schon per Attest („aus gesundheitlichen Gründen") zum Rückzug geblasen. Ähnliche Anträge werden in Bälde von den übrigen fast ausnahmslos hochbetagten ehemaligen DDR-Generälen zu erwarten sein: Ex-Generalleutnant Ottomar Pech (81) von 1961 bis 1979 "Chef der Verwaltung Kader des DDR-Verteidigungsministeriums; Ex-Generalleutnant Helmut Borufka (76), von 1974 bis 1982 Hauptinspekteur der NVA; Ex-Generalleutnant Alfred Leibner (73), von 1961 bis 1987 Militär-Staatsanwalt der DDR; Ex-Generaloberst Wolfgang Reinhold (72), von 1972 bis 1989 Stellvertreter des Ministers und Chef der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung; Ex-Generalleutnant Heinz Handke (68), von 1982 bis 1988 Hauptinspekteur der NVA; Ex-Generaloberst Fritz Peter (67), von 1976 bis 1989 Leiter der Zivilverteidigung; Ex-Generaloberst Joachim Goldbach (65), von 1979 bis 1986 Stellvertreter des Ministers und Chef der Rückwärtigen Dienste, und Ex-Generalleutnant Harald Ludwig (65), von 1979 bis 1990 Chef der Verwaltung Kader des Verteidigungsministeriums.

Die Anklage lautet auf Beihilfe zum Totschlag und versuchten Totschlag. Grundlage der Anklage sind nach Auskunft des für die Aufarbeitung von DDR-Unrecht zuständigen Generalstaatsanwalts Christoph Schaefgen Jahresbefehle über Maßnahmen an der innerdeutschen Grenze, die von den Angeklagten als Angehörigen des Kollegiums des Ministers für Nationale Verteidigung der DDR mitbeschlossen wurden. In diesem Gremium, so erklärte der Chef der Berliner Staatsanwaltschaft II, sei auch der Befehl beraten worden, der Grundlage für den berüchtigten Schießbefehl war.

Er enthielt die Forderung,

„Grenzverletzer zu vernichten",
„Grenzdurchbrüche zu verhindern"

beziehungsweise

„nicht zuzulassen".

Zudem hätte er die Weisung enthalten, die Minen und Selbstschußanlagen an der innerdeutschen Grenze zu errichten.

Die jeweiligen konkreten Anklagepunkte, sie liegen bei den acht noch verbliebenen Angeklagten zwischen zwölf Vorwürfen des versuchten Totschlages (Reinhold) und vier versuchten Totschlägen (Borufka), sind nach Auskunft Schaefgens aber nicht identisch mit der wirklichen Zahl der Todesfälle an der innerdeutschen Grenze während der Amtszeit der Angeklagten.

Nach Erkenntnissen der Berliner Arbeitsgemeinschaft 13. August mußten bei der Flucht aus der DDR insgesamt 825 Menschen an der Grenze ihr Leben lassen, davon 681 seit dem Mauerbau am 13. August 1961.

Die Berliner Staatsanwaltschaft II ermittelt momentan in über 1100 Fällen wegen des Verdachts des Totschlags oder des versuchten Totschlags gegen ehemalige DDR-Grenzer.
Von den Erarbeitern der Anklageschrift gegen die hohen DDR-Militärs wurde die Zahl der jeweiligen Vorwürfe jedoch begrenzt, um die Dauer der schon jetzt bis Ende 1995 geplanten Beweisaufnahme nicht ausufern zu lassen.

Gerhard Schmidt, Verteidiger von
Ex-Militärstaatsanwalt Leibner, rechnet indes schon „mit eineinhalb Jahren Prozeßdauer".

Gesetzliche Grundlage für die Anklage ist das im Vergleich zum heute gültigen Strafgesetzbuch (StGB) bei diesem Vorwürfen vergleichsweise mildere StGB der DDR.

Danach wird nach Paragraph 113 Totschlag „mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren bestraft". War es nur Beihilfe, kann die Strafe nach Paragraph 22 herabgesetzt werden. So werden die wirklich harten Strafen wohl doch die sogenannten Kleinen treffen. Die bislang höchste (zehn Jahre) bekam ein Gruppenführer, der im Oktober 1985 einen Flüchtling - er hatte sich schon mit erhobenen Händen ergeben - brutal niederschoß. Sechs Jahre Haft bekam ein Unteroffizier. Er feuerte im Juni 1965 mit seiner Kalaschnikow auf ein Liebespaar, das sich einem Motorboot im Berliner Teltowkanal verfahren hatte: Der Mann starb im Boot, die Frau leidet noch heute an ; den Verletzungen. Beide Grenzsoldaten waren anschließend für die "vereitelten Grenzdurchbrüche" belobigt worden - auch auf Weisung jener Herren, die sich ab morgen im Moabiter Justizpalast verantworten müssen.

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pilli
hugo
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Re: Abscheulicher Schießbefehl
geschrieben von hugo
als Antwort auf pilli vom 11.08.2007, 22:30:43
ok pilli, das ist im Internet so nicht nachlesbar und deshalb, danke für Deine Mühen.

Mal etwas abwegig die Frage -sie kam mir wieder, bei deiner "Lektüre"
mit folgendem Ausschnitt:"Grenzverletzer zu vernichten",
„Grenzdurchbrüche zu verhindern"

Der Bürger x bekommt den Befehl: verhindere eine Grenzverletzung, hier hast Du das Gewehr..

Der Bürger Y bekommt den Befehl: verhindere eine Grenzverletzung, hier hast Du die Minen und Selbstschüsse..

Gibt es aus Deiner Sicht einen Schuld-Unterschied bei der Beurteilung, Aburteilung zwischen
X und Y und dem Befehlsgeber ?

hugo

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eddylyne
eddylyne
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Re: Abscheulicher Schießbefehl
geschrieben von eddylyne
als Antwort auf hugo vom 11.08.2007, 22:55:44
Im TV wurde heute über den Schiessbefehl auch einiges gebracht.
In einem der Akten eines Stasi-Mitgliedes ist das Schreiben entdeckt worden.
Aber dieser Befehl richtet sich nur an die Stasi-Zugehörigen, die an der Grenze "illegal" mit den anderen Grenzern Dienst geschoben haben.
Sie sollen auf alles schiessen, egal ob Frauen oder Kinder, weil die "Verräter" sich durch diese Weise tarnen würden.

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eddylyne
hugo
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Re: Abscheulicher Schießbefehl
geschrieben von hugo
als Antwort auf eddylyne vom 11.08.2007, 23:02:15
hallo eddylyne

da kannste mal sehen, wie der gleiche Beitrag unterschiedlich "empfangen" wird.

Bei mir kam er son an: Schießt auf Flüchtende, auch wenn sie Frauen und Kinder dabei haben, denn die denken wenn sie ihre Kinder mithaben werden sie verschont,,oder so ähnlich.

Deine Version -etwas konstruiert würde bedeuten- sie sollen auch auf Frauen und Kinder schießen, weil sich die Flüchtlinge auch als Kinder usw. verkleidet haben könnten,,,

merkste den feinen Unterschied ?

natürlich macht sich Deine Version viel besser in einer Nachricht,,,
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--
hugo
pilli
pilli
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Re: Abscheulicher Schießbefehl
geschrieben von pilli
als Antwort auf hugo vom 11.08.2007, 23:14:53
hugo

hier ist das video von tagesschau.de mit dem originalen wortlaut von Jörg Stoye zu der nachrichtenmeldung:

"Dokument zu Schießbefehl an der DDR-Grenze entdeckt"

tagesschau

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pilli

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dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

Re: Abscheulicher Schießbefehl
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf eddylyne vom 11.08.2007, 23:02:15
auch in meiner einheit gab es "sicherheitsnadeln". wir haben die stasie-leute eigentlich schnell herausgefunden, weil sie besonders aufdringlich und besonders wissbegierig waren. im "normalen" militäralltag war das zu verkraften und eher lächerlich, weil man die dort prima "nebenbei" in den schlamm stopfen konnte.

am "kanten" wäre mir das allerdings höchst unangenehm gewesen, einen solch schiesswütigen, verräterrischen patron an meiner seite zu haben, ...nachts, ...im dunkeln, ...mit scharf geladener waffe. im prinzip sind die grenzsoldaten opfer und bräuchten wahrscheinlich lebenslang psychologische betreuung.

die planenden vorgesetzten gehören wirklich bestraft, obwohl sie vermeintlich nach geltendem (DDR) recht und gesetz handelten. aber die bestrafung von militärischen (kriegs-) verbrechen hat ja nicht mal nach dem zweiten weltkrieg geklappt.
schorsch
schorsch
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Re: Abscheulicher Schießbefehl
geschrieben von schorsch
als Antwort auf eddylyne vom 11.08.2007, 23:02:15
Warum eigentlich wurde dieses Schreiben erst jetzt entdeckt - rein zufällig scheints? Ist da in D nicht eine komplette Mannschaft damit betraut gewesen, in ostdeutschen Archiven nach Beweisen für (gegen) Schuldige zu suchen?
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schorsch
hugo
hugo
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Re: Abscheulicher Schießbefehl
geschrieben von hugo
als Antwort auf schorsch vom 12.08.2007, 09:31:42
ja schorsch das ist schon eine komplizierte Materie.

und hier im St sind wir ein großes Stück weiter -zusammen mit Bild und co- als der erbärmliche Rest der Bevölkerung.

Hier wurde schon seit Jahren der Schießbefehl erkannt und benannt und "zitiert" und sogar blumenreich ausgeschmückt,,,
,,zu den Ossis wurde gesagt: Ihr habt doch auf alles geschossen an der Grenze wie auf die Hasen,,,das war natürlich nicht nur gemein sondern auch zu allgemein formuliert und musste hier den Zorn der so Bescholtenen herausfordern.
(aber das hast Du ja selber hier miterlebt, diese Diskussionen)

Jedem musste klar sein, das die Grenzer eine Schusswaffe bei sich hatten um damit,,naja was was wohl ? richtig schorsch, nicht Unkraut jäten sondern im Bedarfsfall schießen durften, sollten.

,,und das haben sie auch gemacht, wie sonst kämen die vielen Mauertoten zustande. Das waren ja nicht alles Selbstmörder die absichtlich auf eine Mine getreten sind. Nicht wenige sind ja auch beim durchschwimmen von Grenzgewässern beim Versuch des Überwindens des Grünstreifens usw tatsächlich regelrecht beschossen oder angeschossen oder erschossen worden.

Und niemand behauptet die Grenzer hätten ohne Befehl geschossen, sondern aus Vergnügen oder sportlicher Neigung oder ,,,,
Also muss es Befehle gegeben haben.

Was aber immer gefehlt hat -für die juristische saubere Aufarbeitung und zum Festnageln der Verantwortlichen- ist DER Schießbefehl an sich.

Also ein Dokument, ein Schriftstück mit Datum Adressat und Unterschrift,,,,woraus man die Eindeutigkeit eines solchen Befehls herauslesen kann, auf Menschen zu schießen wenn.....
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hugo
pilli
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Re: Abscheulicher Schießbefehl
geschrieben von pilli
als Antwort auf schorsch vom 12.08.2007, 09:31:42
keine "mannschaft" schorsch,

aber eine Behörde und zwar

"Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik"

beschäftigt sich u.a. mit:

zitat:

"Herzstück der Behörde ist das Archiv mit der Hinterlassenschaft der Stasi. Es dokumentiert die Herrschaftsmethoden und das Herrschaftswissen der ehemaligen SED als kommunistischer Staatspartei der DDR und ihrer Geheimpolizei: Akten, Karteikarten, Filme, Tondokumente, Mikrofiches. Mit insgesamt 180 km an Unterlagen ist es eines der größten Archive Deutschlands. Die Internetseiten von BStU-Online geben einen Überblick über die Bestände, die Arbeit der Archivare und den Zustand der Unterlagen."

Aufgaben der BStU

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pilli

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