Zwischen Beliebigkeit und Zwangsläufigkeit




In meinem vorigen Eintrag bedeutete das „Warten“ so etwas wie einen Blick in die Zukunft. Der erste Novembertag morgen neigt auch dazu, an die Vergangenheit zu denken.

Beliebigkeit und Zwangsläufigkeit des menschlichen Schicksals. So war ungefähr das Thema des Literaturunterrichts, so vor 45 Jahren. Anhand welches Buches das Thema erörtert war…? Nicht mehr wichtig; es könnte eigentlich ein jedes Buch gewesen sein.

Was kann man mit 20 darüber sagen, selbst wenn der Buchautor etwas vorsagen wollte. Was konnte der Universitätslehrer selbst darüber wissen; er war nicht mal 35 Jahre alt. Die Tatsache, dass er ziemlich ernst aussah, brachte ihn wahrscheinlich auch nicht weiter.

Und nun, was kann man überhaupt so allgemein darüber sagen – und was, wenn man an sein/ihr eigenes Leben denkt, das nun zurück liegt? Man weiß ja nicht ganz sicher, wenn man über etwas auch wirklich entscheiden konnte; egal, ob man schließlich damit zufrieden war, oder auch nicht. Muss man verzweifelt werden, wenn etwas nicht erreicht, wovon man träumte, und vieles getan hatte, um es sich zu ergattern? Vielleicht wäre der ersehnte Weg doch falsch (gewesen)? Welche Rolle hatten dabei die Mitmenschen gespielt, dass man gewonnen/verloren hatte?

Egal wie es auch (gewesen) wäre, egal wie man sich damit fühlen kann, und egal inwieweit religiös man ist, und den Gottes Willen darin sehen kann und will – die Hoffnung, dass man doch Einfluss auf sein eigenes Leben haben kann, die tut gut. Ein wenig Freiheit, irgendwelche Erwartungen, die sich eventuell erfüllen können. Oder auch nicht…


zamyślenie.jpg

(Bild aus dem Internet)

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Kommentare (8)

Manfred36


Verwendet man „x-beliebig“ als Variable in einem Algorithmus, dann entsteht zwangsläufig ein jeweils unterschiedliches Ergebnis. Zielt man auf ein bestimmtes Ergebnis ab, sollte man da also nicht gleichgültig, willkürlich, gedankenlos zufällig verfahren. Ich kann aber auch bewusst davon absehen, meine Entscheidung aus dem hohlen Bauch heraus auf ihre weitgehenden Folgen zu prüfen, weil ich ja im Moment lebe. Was dann zwangsläufig kommt, ist halt unwillkürlich, Glück oder Pech.

Es gibt aber auch Zwangsläufigkeiten, die uns keine große Wahl lassen. Z.B. im Rahmen der Pandemie. Wenn ich dann mein beliebiges Verhalten als meine individuelle Freiheit werte, mache ich mich schuldig. Soziale Verbindlichkeiten und Empathie sind nicht willkürlich, beliebig zu handhaben.
 

Christine62laechel

@Manfred36  

Stimmt, lieber Manfred, es gibt Situationen, wo man gar nicht gefragt wird, ob man sich dieses odes jenes gerade wünscht, ob man dafür sei, oder dagegen. Wenn die Verbote oder Gebote vernünftig, kann man sie ebenso vernünftig annehmen; sie können sogar das Gefühl der Sicherheit stärken. Das wissen gut die Kinder, möchte man die moderne Pädagogen freundlich erinnern. :)

werderanerin

Welch interessantes Thema, liebe Christine und "Antworten" darauf wird es vielleicht so viele geben, wie es Menschen gibt...

Ich denke , dass wirklich Jeder auch selbst sehr viel Einfluss auf den Verlauf, positiv wie negativ des eigenen Lebens hat. Die Erkenntnis aber bekommt man vielleicht erst später, wenn man sein Leben überdenkt. 

Was kann man als junger Mensch schon beeinflussen, frage ich mich...ist da wirklich überhaupt das Verlangen, etwas zu beeinflussen...(?)  , ich denke, da gibt es Möglichkeiten aber die Eltern werden Wege ebnen und somit auch die Zukunft beeinflussen.

Mir scheint oft, dass ich erst mit dem Älterwerden mein Leben wirklich den entspr. Schub geben kann, weil ich freier bin und für MICH entscheide ! Ich kann meinen, eigenen Weg immer in eine Richtung lenken, ob das dann richtig war, sehe ich später aber ich kann dann wieder eine andere Richtung einschlagen (wenn ich das dann auch möchte...).

Letztlich würde ich auch Syrdals Spruch "Jeder ist seines Glückes Schmied" als das Motto für ein gutes, eigenes Leben als eine Art Lebensmotto (!) nehmen !

Kristine

Christine62laechel

@werderanerin  

Liebe Kristine,

ich glaube, da gibt es einen Fall, wo es für einen echt schwer sein kann, dieses hier mehrmals erwähnte Motto als sein/ihr Lebensmotto zu nehmen. Und nämlich, wenn man jemandem anderen ein Unrecht machen müsste, um selber etwas zu erreichen. Ein Beispiel aus meinem eigenen Leben: Um mein wichtiges Lebensziel vor über zehn Jahren zu erreichen, müsste ich meine Tiere bei fremden Menschen, vielleicht für immer, lassen. Selbst den Moment, wie ich das tun würde, wie sie darauf reagieren würden, wollte ich mir nicht vorstellen. Wahrscheinlich habe ich ich vieles verloren... Ihre Liebe aber nicht - und das machte mich auch zu einem verhätnismässig glücklichen Schmiede. :)

Mit Grüßen
Christine

Roxanna

Solche Gedanken, liebe Christine gehen mir auch öfter durch den Kopf. Ich glaube, und da gehe ich von meinem Lebensweg aus, dass man weniger Einfluss darauf hat, wie man als junger Mensch vielleicht denkt. Erfahren habe ich immer wieder, dass sich etwas gefügt und mit aller Anstrengung nicht hat ändern lassen. Ist das nun Schicksal, gegen das sich aufzulehnen verschwendete Energie ist?
Es gibt diesen Spruch von Reinhold Niebuhr: "Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden".

Es hat auch starke Auswirkungen, in welche Familie ich hineingeboren werde, welche Anlagen ich dadurch mitbekommen habe und wie ich in dieser Familie geprägt wurde. Je nachdem kann das etwas sein, was mir Möglichkeiten gibt mich zu entfalten oder aber es wird einem etwas mitgegeben, was belastet, womit man immer wieder umgehen muss.

Der Gedanke, den Syrdal formuliert, sich selbst zu verzeihen, wenn man seine Möglichkeiten nicht so ausgeschöpft hat wie man gerne gewollt hätte, gefällt mir sehr gut. Wir stoßen immer wieder auch an Grenzen bei uns selbst und bei anderen.

Einen guten Sonntag und herzliche Grüße

Brigitte

 

Christine62laechel

@Roxanna  

Liebe Brigitte, den von dir in deinem Kommentar zitierten Spruch mag ich sehr, und denke oft daran, wenn ich eben etwas nicht ändern kann, oder wenn ich es kann, oder wenn ich nicht sicher bin, mit welchem von den zwei Fällen ich gerade zu tun habe. :)

Familie, was die da einem alles verderben kann, darüber könnte man wirklich vieles sagen. Hier gibt es einen Spruch, so ungefähr: Mit der Familie sieht man am besten nur auf einem Foto aus. ;) Glücklich, wem es damit besser geht.

Mit lieben Grüßen
Christine

Syrdal


Dem antik-römischen Politiker Appius Claudius Caedus (* um 340 v. Chr.; † 273 v. Chr.) wird das Wort „Jeder ist seines Glückes Schmied“ zugesprochen – ein Wort, das seinen tiefen Wahrheitssinn bis heute nicht verloren hat. Ja, liebe Christine, es ist durchaus richtig, dass jeder in unseren modernen Gesellschaften normal im Leben stehende Mensch auf seinen individuellen Weg enormen Einfluss nehmen kann. Dies rechtzeitig zuerkennen und die entsprechende Folgerung daraus zu ziehen und zu befleißigen, führt sogar zu einem weiteren Sprichwort hin: „Es ist nie zu spät…“ Aber hier spielt der Zeitfaktor freilich eine limitierende Rolle, denn manches ist mit den fortschreitenden Jahren leider doch nicht mehr nachzuholen. Das alles aber mit klarer Sachlichkeit zu erkennen und auch restlos zu akzeptieren, trägt den Aspekt der ehrlichen Selbstverzeihung in sich. Es nützt nichts, sich ständig und jahrelang mit Schuldzuweisungen zu plagen, denn das bessert nichts und man fühlt sich nur dauerhaft schlecht. Wichtig ist, sich selbst zu verzeihen, womit zwar das Geschehene nicht ungeschehen gemacht wird, aber die künftige Wegrichtung neu bestimmt werden kann. Darüber könnte man aber ganze Bücher schreiben…
In einem kleinen „Marginalien"-Gedicht habe ich das einmal so betrachtet:

Selbstverzeihung
 
Zu gerne wär ich ohne Fehler
und stets perfekt zu jeder Stund‘
und wär‘ auch überzeugt, dass jeder
nur Gutes hört aus meinem Mund.
Und doch, und doch ist es geschehen,
dass manches nicht ganz edel war,
dem muss ich nun ins Auge sehen...
Sollt’ mir verzeihen ganz und gar!

Liebe Grüße zum Beginn des tiefherbstlichen November, dem Monat der Einkehr und Besinnung, kommen hier von
Syrdal
 

Christine62laechel

@Syrdal  

Da hast du ein sehr wichtiges Wort in diesem Zusammenhang erwähnt, lieber Syrdal, und nämlich: Schuld. Ich glaube, viele Menschen im ca. unseren Alter konnten es auch immer wieder hören, ja damit gequält werden. Es hieß damals kaum, dass man einen Fehler begangen hat, dass es nur ein Irrtum wäre, das man ja auch irgendwie korrigieren könnte. Nein, es hieß Schuld, und lag einem echt schwer auf den Schultern. In dem Geist erzogen - denn damals wurden die Kinder, nicht immer nur schlecht, erzogen - hatte man Probleme damit, sich für etwas zu entscheiden, man fürchtete die Verantwortlichkeit, als könnte man auch noch als Erwachsener zu hören bekommen: Na siehst du, wie dumm du schon wieder gehandelt hast, ist ja nur deine Schuld... Manche konnten so etwas vielleicht auch wirklich noch als Erwachsene hören. :) Na ja, und dann war es nicht leicht, ein Schmied des eigenen Glückes zu werden...

Mit besten Grüßen
Christine


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