Wohin das Leben führt ...
Mein Leben begann nicht in meiner Heimatstadt, es war ja Krieg. Meine Mutter war ausgebombt worden und deshalb mit ihrer kleinen Tochter ins Weserbergland evakuiert worden. Dort wurde ich dann 1944 geboren.
Nach Kriegsende fand mein Vater relativ schnell in unserer Heimatstadt wieder eine Wohnung. Inzwischen war noch ein drittes Mädchen zur Welt gekommen. Der Vater hatte nun mit seinen Töchtern ein Dreimädelhaus. Doch das Glück wurde schnell beendet, denn unserer Mutter waren nur noch wenige Jahre mit uns verblieben. In den Nachkriegsjahren war eine lebenserhaltende Krebsbehandlung noch nicht möglich und so verstarb sie 1951.
Unser Vater fuhr mit allen, die die letzte schwere Zeit mit ihm durchgestanden hatten, nach Borkum.
Diese Insel wie auch die leichte Hügellandschaft des Weserberglandes, wo ich geboren wurde, haben mich mein Leben lang nicht wieder losgelassen.
Mitte der 1950er Jahre, es könnte 1956 oder 1957 gewesen sein, hatten wir so einen strengen Winter, dass der Aasee Münsters stark zufror. Alle, die Schlittschuhe besaßen, waren auf dem Eis unterwegs. Ich hatte keine, aber stattdessen habe ich mein Geschick mit dem Fahrrad auf der Eisfläche ausprobiert. Sogar ein VW-Käfer fuhr darauf spazieren.
Zur gleichen Zeit muss es meinem späteren Mann, damals 14 Jahre alt, in den Sinn gekommen sein, seinen Heimweg von der Schule über den zugefrorenen See zu nehmen. Er hatte wohl nicht bedacht, dass das kleine Flüsschen Aa, das den See speist, unter der Oberfläche durch das Fließen nahe seinem heimischen Ufer das Eis recht dünn bleiben ließ. Er hatte fast das Ufer, wo er zu Hause war, erreicht, als die Eisdecke ihn nicht mehr trug. Zum Glück war der See hier nicht tief. Aber er brach ein und musste nun klitschnass und zitternd vor Kälte das Ufer erklimmen und schnellstens nach Hause laufen. Erkrankt ist er seinerzeit nicht, aber es hat ihn doch vorsichtiger werden lassen.
Wie oft ich in meinem Leben auf die Ostfriesischen Inseln gefahren bin, das Sauerland besucht habe, kann ich nicht zählen. Sogar mit meiner eigenen kleinen Familie 1970 in den Teutoburger Wald, wo mein Mann eine neue Arbeitsstelle antrat, bin ich gern gezogen, weil ich diese Hügellandschaft so liebte. Gleich hinter dem Ort gab es viele Wege, die doch teils überraschend steil waren, die wir aber gründlich auskundschafteten.
Sogar im Winter war es für unsere Kinder möglich, hier zu rodeln, nicht jedes Jahr, aber doch immer mal wieder. Dabei konnte ich auch unserer Tochter beibringen, mit dem Schlitten dort herzufahren, wo sie es wollte – nicht die steile Abfahrt es vorschrieb. Unser Sohn hatte das bereits als Kleinkind in den sanften Abfahrten der münsterschen Promenade gelernt – wenn denn mal in der Stadt Schnee liegen blieb.
Dieser erste Borkumbesuch hatte zur Folge, dass auch meine Kinder am liebsten ans Meer fahren. Meine Tochter hat sich schon vor Jahren, als sie zuhause ausgezogen war, ein Motorboot angeschafft, ist sogar Kapitänin für die Küste geworden.
In ihrer heutigen Umgebung auf Weser und Aller immer wieder, wenn der Beruf ihr die Zeit lässt, kleine Erholungsfahrten zu machen, die auch ich gern genieße, ist ihr große Freude. Natürlich hat ihr Mann auch inzwischen diesen Schein gemacht und
Sohnemann Max ist auf dem besten Wege, den Eltern dies später einmal nachmachen zu wollen. Aber erst muss er noch richtig Schwimmen lernen.
Einen nächsten Umzug hatte ich 2010 an die Aller gemacht. Dort zu leben, die Nähe meiner Tochter und auch der Küste habe mich entscheiden lassen, Münster und dem Teutoburger Wald den Rücken zu kehren. Als ich jetzt, nach dem Tod meines Exmannes das eine oder andere Mal in den Ort, wo ich 39 Jahre gelebt habe, kam, war es schon ein eigenartiges Gefühl, alles wieder zu sehen. Aber es zieht mich nichts mehr dort hin zurück. Eher mache ich eine Fahrt an die Küste, am liebsten auf eine Insel, die schnell mit der Fähre erreichbar ist: Borkum oder Norderney …
Und nun habe ich vergangenen April auch Verden Adieu gesagt und lebe auf dem Land in einer kleinen Wohnung in der Nähe, die mein vorletztes Heim ist. Im Verlauf dieses Jahres ziehe ich in das Haus meiner Tochter, weil ich dann nicht nur tagsüber für ein paar Stunden meinen Enkel bei mir habe, sondern dort dann Familienanschluss nahe der Weser genießen kann. Alles ist zum Schluss gut. Das eine oder andere Mal kann ich meinen Sohn am Teutoburger Wald besuchen oder er besucht uns, seine Restfamilie ...
Ich bin angekommen.
Kommentare (8)
Ganz bestimmt nicht, liebe Kristine!
Ein wenig unternehmungslustig bin ich schon noch, wenn ich denn in den nächsten Monaten meine WS-Erkrankung geregelt bekomme. Auch die war teils ein Grund, umzuziehen.
Vielleicht ist es mir ja beschieden, so alt wie meine Großeltern zu werden: irgendwo zwischen 88 und 102 Jahren? Muss nicht sein, aber so ein paar Jährchen noch das Leben meiner Lieben zu begleiten, würde mir schon gefallen.
Herzlichen Dank fürs Lesen und Deinen Kommentar
Uschi
Man kommt schon ganz schön rum in seinem Leben, liebe Uschi. Es gibt aber auch noch Leute, die bleiben ein Leben lang an dem Ort, an dem sie geboren sind. Ich bin auch schon viel umgezogen, immer durch irgendwelche Umstände mehr oder weniger ausgelöst. Es ist gut, wie ich finde, nicht immer an demselben Ort zu bleiben, es ist aber auch gut, wenn man älter ist, eine Heimat zu finden und anzukommen. Alles Gute für deinen Umzug, gutes Eingewöhnen und eine schöne Zeit mit deinem Enkelchen wünscht dir
Brigitte
Liebe Brigitte,
es ist schon richtig, dass auch heute noch viele Menschen an dem Ort verweilen (können), in dem sie geboren wurden. Aber die Arbeitswelt sorgt für Umtriebe ...
Meine hiesige Umgebung entsprach schon bewusst gewählt 2010 meinem Wunsch - nah genug, noch ein wenig die "Berge" zu besuchen, auch nah genug, auch die Küste zu erreichen, falls mich so ein Wunsch urlaubsmäßig doch einmal nicht aus dem Kopf geht.
Mit herzlichem Dank für Deine Wünsche einen lieben Gruß von
Uschi
Für Deinen Umzug, liebe Uschi, alles erdenklich Gute und ein Wohlfühlen in Deinem neuen Zuhause
wünscht Dir
Elbstromerin
Es wird alles seine Lauf nehmen, liebe Elbstromerin!
Und dann werde ich angekommen sein. Im Grunde bin ich das jetzt schon.
Mit liebem Dank für Dein Lesen einen herzlichen Gruß an die Elbe
Uschi
...möge Dir dieses familiär verbundene Glück für alle Lebenszeit erhalten bleiben
Mit Sonntagsgrüßen
Syrdal
Das, lieber Syrdal,
ist auch mein größter Wunsch.
Danke für Dein Lesen.
Mit herzlichem Gruß
Uschi
Dein Leben hast du sehr schön beschrieben, herrliche Bilder begleiten alles... und man sieht, welche "Strecken" und oftmals auch Wirrungen man im Laufe eines Lebens so zurücklegen kann aber auch manchmal muss.
Wenn man dann, wie du jetzt , sein Leben gedanklich an sich vorbei ziehen läßt, liebe Uschi, ist es um so schöner zu lesen, dass du wohl nun im Haus deiner Tochter irgendwie am Ziel angekommen bist.
Das heißt sicherlich nicht, dass ein Leben vorbei sein muss und ich denke, dass du nicht nur mit deinem Max viel Zeit verbringen wirst....ich kann nur sagen
Viel Spaß und Freude wünscht
Kristine