wie ich in Leipzig in die Russische Kirche kam
[email=Hundefreund]russische Kirche[/email][email=monika.schug@gmx.de]wie ich......[/email]Es war 1952: meine Mutter lag in der Frauenklinik der Universität Leipzig und wünschte sich, daß ich sie für eine Woche besuchen käme. Es waren Sommerferien! Fein säuberlich hatte sie beschrieben, mit welcher Straßenbahn ich vom Bahnhof aus, fahren sollte und wo aussteigen und in welches Gebäude und wen wo fragen mußte. Omi saß wieder verzweifelt auf ihrem Küchenstuhl, drehte Däumchen und jammerte: Mächen, das kannste doch nicht machen, nee, nee, was soll aus Dir bloß werden? Opa war da anders. Ja, mein Frosch, das schaffst Du, komm wir kaufen eine Fahrkarte. Gesagt getan, ich packte meinen kleinen Rucksack und "Vater" und Opa brachten mich zum Zug. Mit Essen und Trinken ausgestattet, stieg ich ein und drängelte mich in irgendeine Ecke und verfolgte mit lustvollem Blick meine "Weltreise". Meine Mutti steht da vorne, sagte ich, wenn mich jemand ansprach. Vorallem durfte ich Leipzig nicht verpassen, ich hatte ja keine Ahnung wie weit es weg war? Die Zeit verging, es wurde lang und länger, ich wurde unruhig und fragte nun mal nach, wer wohin fuhr und schon hatte ich wieder Orientierung. Also, wenn "die da " aussteigen, dann muß ich auch raus. Das hat wunderbar geklappt und ich lief denen durch den zerbombten Bahnhof nach und stand dann vor dem Bahnhof und sah die Straßenbahnen. Prima, jetzt den Zettel raus. Aha, da kommt eine, diese Linie sollte ich nehmen. Vorsichtshalber noch den Schaffner gefragt und es paßte. Mit Getöse und Gerumpel setzte sich das Gefährt in Bewegung und es dauerte nicht lange und ich stieg an dem Ort, wo ich hin sollte, aus und stand vor einer wunderschönen Russischen Kirche mit Park und wie in einer anderen Welt. Auf der anderen Seite sah ich die Uni-Klinik im unelegant wirkenden aschgrau und stand und stand. Auf einmal tippte mich ein Finger an, ich drehte mich um und hinter mir stand ein Pope. Ein großer dünner Mann im Ornat und fragte mich, ob ich mich verlaufen hätte. Ich erzählte ihm die Geschichte, weshalb ich dort stand und noch viel mehr. Er freute sich, daß ich ein paar Worte russisch sprach, nahm mich an den Schultern und ging mit mir zur Frauenklinik, mit herein und bis zur Tür des Krankenzimmers. Meine Mutter erschrak, als sie mich mit diesem Popen sah und fiel fast aus dem Bett. Das Wiedersehen war erst mal wichtiger und der Pope verabschiedete sich und lud mich für irgendwann in die Kirche ein. Ich verabschiedete mich und bedankte mich artig und meine Mutter saß noch immer halb aufrecht im Bett mit offenen Mund. Langsam schüttelte sie den Kopf, und dann kam es wieder: Mächen, Mächen, was machste bloß für Sachen?! Ihre Bettnachbarin, mit der sie sich angefreundet hatte, hatte auch eine Tochter im gleichen Alter, ebenso wiederverheiratete Witwe und sie wohnten etwas außerhalb von Leipzig in ihrem Schrebergartenhaus, da sie ausgebomt waren. Wir beiden Mädels verstanden uns auf den ersten Blick.
Nun gut, wir fuhren in die Hütte, die wirklich schon sehr gut ausgebessert und wintertauglich war und im Garten stand eine riesige Zinkbadewanne, der Quell aller Lust. Ihr "Vater" mußte arbeiten und wir zwei genossen die Freiheit. Nachmittags besuchten wir unsere Mütter, erklommen das Völkerschlachtdenkmal, lernten die Geschichte des Warum und Wieso und durchstreiften das Gelände. Nachdem wir uns nun sehr gut angefreundet hatten, nahm ich sie eines Tages mit zur Russischen Kirche. Wir schlichen zuerst ein bißchen rum und dann klopfte ich an diese große Tür. Ich klopfte nochmal und plötzlich ging sie auf und der Pope stand vor uns. Meine neue Freundin wollte schon wegrennen, ich hielt sie am Arm fest, der Pope senkte sein Haupt und strahlte über alle Backen. Er nahm uns freundlich auf und zeigte uns die Kirche mit samt der Geschichte und Traditionen. Wir bekamen Kekse und Tee aus einem Samowar und waren ganz erfüllt vom Glanz, den Bildern und Teppichen. Sowas hatten wir beide noch nie gesehen. Wir verabschiedeten uns auf's Höflichste, er segnete uns und wünschte Glück. So gestärkt kamen wir wieder ins Krankenhaus und erzählten und erzählten. Unsere Mütter schüttelten nur die Köpfe, es folgte aber keine Strafpredigt.
Nach einer Woche fuhr ich wieder nach Hause und in Gedanken war ich nur in Leipzig. Zu Hause holte mich mein Opa ab und da konnte ich losschnattern. Mein "Vater" kam dann zu den Gro0eltern und wir fuhren gemeinsam per Rad nach Hause. Es wurde eine ganz stille Heimfahrt, nur der Dynamo surrte und das Licht flackerte. Es lag eine Stille zwischen uns - er fragte auch nichts - wir radelten nur.
Am nächsten Tag lockten wir uns leise aus der Reserve durch belanglose Fragen. Irgendwann war es dann wieder wie immer. Ich war wieder angekommen.
Ja, und die Russische Kirche ist mir nie mehr aus meiner Erinnerung entschwunden.
Finchen
Nun gut, wir fuhren in die Hütte, die wirklich schon sehr gut ausgebessert und wintertauglich war und im Garten stand eine riesige Zinkbadewanne, der Quell aller Lust. Ihr "Vater" mußte arbeiten und wir zwei genossen die Freiheit. Nachmittags besuchten wir unsere Mütter, erklommen das Völkerschlachtdenkmal, lernten die Geschichte des Warum und Wieso und durchstreiften das Gelände. Nachdem wir uns nun sehr gut angefreundet hatten, nahm ich sie eines Tages mit zur Russischen Kirche. Wir schlichen zuerst ein bißchen rum und dann klopfte ich an diese große Tür. Ich klopfte nochmal und plötzlich ging sie auf und der Pope stand vor uns. Meine neue Freundin wollte schon wegrennen, ich hielt sie am Arm fest, der Pope senkte sein Haupt und strahlte über alle Backen. Er nahm uns freundlich auf und zeigte uns die Kirche mit samt der Geschichte und Traditionen. Wir bekamen Kekse und Tee aus einem Samowar und waren ganz erfüllt vom Glanz, den Bildern und Teppichen. Sowas hatten wir beide noch nie gesehen. Wir verabschiedeten uns auf's Höflichste, er segnete uns und wünschte Glück. So gestärkt kamen wir wieder ins Krankenhaus und erzählten und erzählten. Unsere Mütter schüttelten nur die Köpfe, es folgte aber keine Strafpredigt.
Nach einer Woche fuhr ich wieder nach Hause und in Gedanken war ich nur in Leipzig. Zu Hause holte mich mein Opa ab und da konnte ich losschnattern. Mein "Vater" kam dann zu den Gro0eltern und wir fuhren gemeinsam per Rad nach Hause. Es wurde eine ganz stille Heimfahrt, nur der Dynamo surrte und das Licht flackerte. Es lag eine Stille zwischen uns - er fragte auch nichts - wir radelten nur.
Am nächsten Tag lockten wir uns leise aus der Reserve durch belanglose Fragen. Irgendwann war es dann wieder wie immer. Ich war wieder angekommen.
Ja, und die Russische Kirche ist mir nie mehr aus meiner Erinnerung entschwunden.
Finchen
Kommentare (8)
ortwin
Großmutter und Tante unterhielten sich in "Russisch", wenn wir Kinder es nicht verstehen sollten, worüber gesprochen wurde - das eben nur deshalb, weil sie als Deutsche bis 1915 in Moskau gelebt hatten, in Moskau haben sie französisch gesprochen, damit das Personal nicht mithören konnte.
Mutter erzählte von den vielen russischen Kirchen in Moskau. Sie hatte einen Kosaken als Kindermädchen. - Ich kann eben kein russisch, sonst könnte ich den Spruch, den Mutter uns in russisch vortrug: "Ein Pope hatte einen Hund ...", u papa (= Pope) und sabaka (= Hund). Als die Russen Berlin eingenommen hatten, wurden die Richtungsschilder mit kyrillischen Buchstaben aufgehängt - naja, das lernt man eben.
Gehst du nach Baden-Baden, dann findest du eine russische Kirche, die jetzt wieder reichlich russisch sprechende Gläubige betreut.
Als ich 1954 meinen Onkel in Berlin-Rudow besuchte, füllte er mir meine Feldflasche mit einem im Samovar zubereiteten Pfefferminztee auf - der roch sehr intensiv bei der Heimfahrt nach Bonn.
Ob ich mal nach Russland fahre?
ortwin
Mutter erzählte von den vielen russischen Kirchen in Moskau. Sie hatte einen Kosaken als Kindermädchen. - Ich kann eben kein russisch, sonst könnte ich den Spruch, den Mutter uns in russisch vortrug: "Ein Pope hatte einen Hund ...", u papa (= Pope) und sabaka (= Hund). Als die Russen Berlin eingenommen hatten, wurden die Richtungsschilder mit kyrillischen Buchstaben aufgehängt - naja, das lernt man eben.
Gehst du nach Baden-Baden, dann findest du eine russische Kirche, die jetzt wieder reichlich russisch sprechende Gläubige betreut.
Als ich 1954 meinen Onkel in Berlin-Rudow besuchte, füllte er mir meine Feldflasche mit einem im Samovar zubereiteten Pfefferminztee auf - der roch sehr intensiv bei der Heimfahrt nach Bonn.
Ob ich mal nach Russland fahre?
ortwin
ellen46
Leider lese ich erst heute deine Geschichte. Erinnerungen,ja die bleiben,besonders wenn es zu Mutter geht. Die russische Kirche ist noch immer sehr schön anzusehen.
Das Mächen hat doch alles sehr gut gemacht!
Liebe Grüsse von Ellen
Das Mächen hat doch alles sehr gut gemacht!
Liebe Grüsse von Ellen
finchen
danke für Deinen Kommentar. Gelle, das war schon ein Erlebnis! Aber im Volkerschlacht-Denkmal stank es von oben bis unten nach "Pisse", das dürfte 1957 nicht besser geworden sein. Aber die Kirche war der Wahnsinn!
Liebe Grüße Moni-Finchen
Liebe Grüße Moni-Finchen
finchen
Hallo Traute, ja, geformt derartig, daß bis heute kein Gramm Fett hängen geblieben ist.
Schmunzel, schmunzel.......
Gruß Finchen
Schmunzel, schmunzel.......
Gruß Finchen
mila2010
Mit sehr großem Interesse habe ich deine Geschichte über den Besuch der Russisch Orthodoxen Kirche in Leipzig gelesen. Als ich fünf Jahre alt war (1957), war meine Großmutter zum ersten Mal mit mir in dieser Kirche. Vor allem war ich beeindruckt von den goldenen Zwiebelkuppeln und der Ikonenwand im Innenbereich. Das hat mich als Kind schon sehr fasziniert, genauso wie die Besichtigung des Völkerschlachtdenkmals und die Spaziergänge im Botanischen Garten.
Immer wenn meine Eltern mit mir zu Besuch in Leipzig waren, wollte ich, dass meine Großmutter wieder mit mir losmarschiert. Nach der Flucht am 13. August 1961 sollten diese Besuche in Leipzig dann für einen langen Zeitraum für uns „Republikflüchter“ ein Ding der Unmöglichkeit werden.
Ganz herzlichen Dank für diese Geschichte
mila
Immer wenn meine Eltern mit mir zu Besuch in Leipzig waren, wollte ich, dass meine Großmutter wieder mit mir losmarschiert. Nach der Flucht am 13. August 1961 sollten diese Besuche in Leipzig dann für einen langen Zeitraum für uns „Republikflüchter“ ein Ding der Unmöglichkeit werden.
Ganz herzlichen Dank für diese Geschichte
mila
indeed
damals war es für dich eine "Weltreise" und du erzählst so lebendig und kannst deine gefühlten "Abenteuer" sehr gut rüber bringen. Ich geniesse deine Geschichten, die so voller Leben sprudeln.
Mit lieben Gruß
Ingrid
Mit lieben Gruß
Ingrid
Traute
Und auf dem Weg des Lebens, hat sich das Finchen geformt, so wie wir es mögen.
Das waren schwere Zeiten und die Pfiffigen und Mutigen haben es geschafft.Dein Mut die Dinge anzunehmen und zu bewältigen, hat Dir sicher im Leben geholfen die Probleme wie sie kamen zu lösen?
Eine schöne Kinderabenteuer Geschichte,
Liebe Grüße,
Traute
Das waren schwere Zeiten und die Pfiffigen und Mutigen haben es geschafft.Dein Mut die Dinge anzunehmen und zu bewältigen, hat Dir sicher im Leben geholfen die Probleme wie sie kamen zu lösen?
Eine schöne Kinderabenteuer Geschichte,
Liebe Grüße,
Traute
schon längst im Flugzeug oder Bus Richtung Russland.
Ob meine Russischkenntnisse ausreichen, ist sehr fraglich.
Das Lesen der Schrift hat mir noch nie Schwierigkeiten bereitet.
LG Monika