Wetter, Alter, Teufel...?
Mit den ersten zwei Faktoren hängt man ja ganz sicher zusammen. Wie es mit dem dritten so ist – na ja,
wer weiß?
Dass ich nämlich im unseren letzten Kabarettauftritt plötzlich den Text vergessen habe, das ist eine ziemlich übliche Sache, wieso würde man sonst in Profi-Theatern einen Souffleur einstellen? Und wir haben keinen… Zum Glück geriet ich nicht in Panik, sondern setzte mein Lied mit anderen Worten fort. Statt „Ich nehme Sie auf eine Reise mit, mein Herr, denn ich mag Sie irgendwie“, habe ich ungefähr gesungen „ich habe die Worte vergessen, da finde ich aber gleich welche“ . Und weitere Zeilen erschienen auch gleich in meinem Gedächtnis; außer unserem wachen Regisseur hatte es wohl niemand gemerkt.
Natürlich fühlte ich mich damit nicht ganz komfortabel, denn ich bemühe mich immer, mein Werk möglichst gut zu tun. Dies war aber nichts im Vergleich damit, was ich am Freitag in der Schule veranstaltet habe, wo ich ja seit Jahren als eine Person gelte, auf die Verlass ist…
Kurzum: Ein Kollege, der neue Englischlehrer, musste aus einem persönlichen Grund am Freitag ausreisen; der Schuldirektor hat ihm erlaubt, vor seiner letzten Unterrichtsstunde loszufahren, unter der Bedingung, dass er einen Ersatzlehrer/in findet, der seine Gruppe zusammen mit der eigenen betreuen würde. Na, dann hat er mich gefunden, die Gruppen wurden nach den Fremdsprachen eingeteilt.
Ich war natürlich einverstanden, kein Problem. Das Gespräch hat am Donnerstag stattgefunden, am Freitag hat mich der nette junge Mann noch am Morgen daran erinnert. Gut, dass Sie mich daran erinnern, sagte ich, so etwas könnte ich aber keinesfalls vergessen! (Alte eingebildete Lehrerin).
Es war kurz vor 22.00 Uhr, als ich fast mit einem Geschrei im Bett wach wurde, bevor ich noch richtig eingeschlafen war. DIE GRUPPE! Unglaublich, wie konnte ich das vergessen haben? Zumal es hier am Freitag sehr warm und schwül war, die Fenster auf, sogar die Klassenraumtür auf – ich konnte mehrere Schüler kurz nach dem Unterrichtsanfang sehen können, wie sie die Treppe runter gingen – und nichts, keine Assoziation!!!
Drei Nächte ziemlich schlecht geschlafen. Ob ich dem Mann darüber schreiben kann, ihm auch das Wochenende verderben…? Habe ich – gestern Abend. Heute habe ich mich auch noch mündlich bei ihm entschuldigt; er wird es vielleicht nicht gleich vergessen, wir mögen uns aber, und er vergibt es mir gewiss – mal. Zumal nichts Böses passiert ist, Gott sei Dank, den Jugendlichen, die sich nicht gemeldet haben, sondern – weg, es war ja auch ihre letzte Unterrichtsstunde…
Was mich an dieser Geschichte besonders erschüttert hat: Die Tatsache, dass meine Pflicht als ob in meinem Gehirn ganz nicht mehr existiert hatte (bis auf den Abend). Als ob mir da jemand ein Medikament in meinen Kaffee rein getan hätte, oder mich fern bedient: Tue nicht! Ich musste an andere Situationen denken, über die mal gehört oder gelesen. Dass sich da jemand selber fragen musste: Warum habe ich das nicht getan? Oder auch – warum habe ich das gemacht? Und die Antwort war jemals einfach: Keine Ahnung.
Kommentare (8)
@Rosi65
Ich musste auch lachen, liebe Rosi, über Deine Geschichte. :) Es ist schon wirklich oft so, dass etwas schief geht, wenn man sich gerade sooo viel Mühe gibt...
Ich arbeitete mal mit einem älteren Mann in Sache Übersetzungen zusammen (selber war ich damals noch verhältnismäßig jung). Ich hatte ihn eigentlich gern, er hatte aber einen ziemlich schwierigen Charakter - ein typischer Narzist... Mal wurde ich so böse nach einem Anruf von ihm, dass ich meiner Schwester eine SMS verschickt habe: Mit dem R. komme ich kaum nur noch zurecht! Kaum geklickt, wurde es mir bewusst: Statt an meine Schwester, habe ich die Nachricht - an den Mann selbst verschickt... Erst später habe ich von ihm in einem Gespräch erfahren, dass er keine SMS empfangen will.
Ich glaube, je schlimmer ein solches Abenteuer, desto angenehmer lacht man dann, wenn es doch keine schlimmen Konsequenzen gibt. :)
Mit Grüßen
Christine
Vergleichbares ist mir sogar in jungen Jahren passiert. Damals war ich beim Fernsehen verantwortlich für verschiedene Sendungen, auch für eine 25-Minuten-Reihe, die immer am Sonntag im Vorabendprogramm ausgestrahlt wurde. Na gut, zu tun hatte ich da direkt nichts, aber ich musste eben am Sender sein, um im Fall der Fälle als Verantwortlicher für die Sendung fungieren oder entscheiden zu können.
Nun hatte ich im Zuge einer Endfertigung die ganze Woche fast ausschließlich am Sender verbracht, genauer gesagt im Studio, im Schneideraum und in der Regie – jeden Tag 12 – 16 Stunden. Endlich war die etwas komplizierte Sendung in der Nacht vom Freitag zum Sonnabend fertig, abgenommen und sendebereit. Ich aber war völlig ausgelaugt. Den Sonnabend habe ich dann zuhause wörtlich verschlafen.
Am Sonntag habe ich mir einige Vorbereitungsarbeiten für ein neues Sendeprojekt vorgenommen und sehe eben nebenbei eine mir bekannte Sendung. Plötzlich bin ich erschrocken: Das ist doch „meine“ Sendung... und ich war zuhause, obgleich ich am Sender sein müsste! Also sofort los. Ich brauchte nur eine viertel Stunde mit dem Auto. Auch hatte ich den Berechtigungsausweis, aufs Fernsehgelände fahren zu dürfen und konnte so direkt bis zum Sendestudio fahren. Raus und rein ins Sendestudio und... meine Mannschaft saß gemütlich bei einem Kaffee zusammen, die Sendung war gelaufen. Niemand wunderte sich, dass ich erst jetzt dazu kam, man hatte wohl vermutet, dass ich in meinem Büro sei und mir die Sendung dorthin habe „stecken“ lassen (das war hausintern möglich und auch üblich). – Ich gebe zu, dass ich niemanden gesagt habe, eben erst gekommen zu sein, aber insgeheim war ich sehr froh, das alles gut gelaufen war und meine Abwesenheit nicht bemerkt wurde. Ich konnte mich eben auf „meine Mannschaft“, das Sendeteam, immer voll und ganz verlassen – es war ein wirklich „tolles Team“! - Und ich formulierte mir insgeheim ein wenig lächelnd den Satz: "Wenn man mich nicht hätte, brauchte man mich gar nicht."
Wenn ich heute nach über 40 Jahren daran denke, bin ich noch immer mit großer Hochachtung für alle „meine Leute“ sehr dankbar.
Syrdal
@Syrdal
Da hattest du einen beneidenswerten Job, in meinen Augen auf jeden Fall. Schon das Wort "Studio" bedeutet für mich etwas Interessantes. :) Ich konnte aber nur kurz als Moderatorin in einem Studentenradio tätig sein; unsere Sendung dauerte mehrere Abendstunden. Wir hatten auch ein tolles Team, wo ich mich echt geschätzt fühlte.
Ich glaube auch nicht, dass man dich nicht brauchen würde. :) Etwas Anderes ist, jemandes kurze Abwesenheit nicht bemerken, und etwas Anderes, wenn ein gefragter Mitglied einer Gruppe fehlen würde. Und da warst du ja gewiss einer. :)
Christine
Dass du einen Teil des Textes von deinem Lied vergessen hast, liebe Christine, würde ich, zumindest teilweise, darauf zurückführen, dass es Spannungen in eurem Team gegeben hat. Könnte das sein, dass du deshalb nicht so entspannt sein konntest?
Beim 2. Missgeschick kann ich sehr gut verstehen, dass du dir Gedanken machst, wie so etwas geschehen kann. Wenn ich jetzt mal von mir ausgehe, dann kann mir so etwas in der Art passieren, wenn ich überlastet bin, zu viel im Kopf "rattert" oder ich einfach erschöpft bin. Da kann es passieren, das etwas sozusagen "durch den Rost" fällt. Ich hoffe, du kennst diesen Ausdruck . Was davon vielleicht bei dir zutrifft, weiß ich nicht, aber ich wünsche dir auf jeden Fall, dass der Kollege nicht nachtragend ist. Alles ist menschlich und du schreibst, dass ihr euch mögt, so kann er sicher bald sagen "Schwamm drüber". Und wichtig ist auch, dass du dir das selber nachsehen kannst und nicht allzu streng mit dir bist. Inwieweit sich der Gehörnte mit dir einen "Spaß" erlaubt hat, wird wohl nicht herauszufinden sein .
Herzliche Grüße
Brigitte
@Roxanna
Ja, also die Spannungen die empfinde ich nun nicht mehr, liebe Brigitte - man ist eher nett zu mir, denn bald kommt unser großer Auftritt, im echten Theater, er wird von meinem Sohn preiswert verfilmt werden... ;)
Der Kollege hat es mir natürlich vergeben, obwohl er wohl nicht ganz verstehen kann, wie es möglich war; er ist jung und nicht gerade zerstreut. :) Wenn ich meinen Schuldirektor sehe, schaue ich weg; ob er es erfahren hat...? Sagt nichts dazu. Ich habe ja 24 Jahre an der Schule gearbeitet, ohne dass man mich je tadeln müsste.
Die Rolle des Gehörnten finde ich doch nicht ganz gering...
Mit lieben Grüßen
Christine
Das Problem von Gedächtnis-Aussetzern hat mich ein Leben lang begleitet. Am Ärgsten noch, wenn ich mich zu sehr auf etwas eingestellt hatte. Wahrscheinlich war dieses absolute Einstellen der unterschwellige Trugschluss, es sei bereits abgewickelt. Die Gedanken waren dann schon eine Ebene weiter. Auch heute habe ich noch Aussetzer, aber mit 83 kann man die ein wenig verzeihen.
@Manfred36
Mir geht es genauso, und auch nicht nur deswegen, weil ich mit meinen 63 Jahren einen Anspruch darauf haben dürfte, ab und zu etwas zu vergessen, verkehrt zu machen... Es gibt Tage, wo ich einen wunderbar klaren Verstand habe, kann verstehen und schöpfen. Es gibt aber auch solche, wo ich einfach eine Eselin bin. Es besteht keine Statistik, welche Tage öfter vorkommen.
Liebe Christine,
gerade wenn man zu der zuverlässigen Menschengruppe gehört, die viel organisieren, wichtige Termine doppelt notieren, und seine Mitmenschen ständig an irgend etwas erinnern muss, dann grenzt es fast an einer Katastrophe, wenn man selber mal etwas vergißt.
Man grübelt und grübelt...
Mache Dir bitte keine Gedanken, liebe Christine, wenn es Dir nur einmal passiert ist.
Übrigens ist mir kürzlich auch etwas ganz Dummes passiert.
Habe eine wunderschöne Geburtstagskarte in Übergröße gekauft, dazu die passende Briefmarke mit teurem Porto. Schnell nach Hause...Karte ausschreiben...schnell zum Brifkasten, kurz vor der Leerung,...Brief eingeworfen...prima, ohne Briefmarke!!!
Habe dann gleich beim zukünftigen "Geburtstagskind" angerufen und meine Schusseligkeit gebeichtet.Das war mir richtig peinlich, denn der Empfänger muss ja ein Strafporto entrichten.
Zwei Tage später erhalte ich den Rückruf: "Karte ist gut ohne Briefmarke angekommen. Die Post hat gar nichts gemerkt."