Vor 50 Jahren: Jahrhundertereignis "Seegförni" am Bodensee

Autor: ehemaliges Mitglied



(Foto:Keystone/Krebs)


50 Jahre ist es her, seitdem das letzte Mal eine kompakte Eisdecke den Bodensee und tief unter ihm auch den Rhein überzog. In den Ländern rund um den Bodensee erinnert man sich in diesen Wochen wieder an dieses Jahrhundertereignis, das damals nicht nur viel Freude und Spaß bot, sondern auch einigen Menschen das Leben kostete.
Zur Erinnerung an dieses Ereignis im Jahre 1963 lädt derzeit die Gemeinde Hagnau ins "Gwandhaus" ein, wo durch den Heimat-und Geschichtsverein eine Ausstellung " Über eisige Grenzen" an jene Wochen erinnert wird, als der Bodensee unter einer dichten Eisdecke verschwand und damit die Grenzen "einfror", die zwischen den Ländern errichtet war.


Alles was Beine, Räder oder Kufen hatte war unterwegs zur anderen Seite (Foto:Bruell)


Im Februar 1963 verschwanden die Grenzen zwischen den drei Ländern bis in den März hinein. Mitten auf dem zugefrorenen See trafen die Menschen aus Deutschland, Schweiz und Österreich , plauderten und teilten fröhlich das Erlebnis, das vermutlich wegen der globalen Erderwärmung nun 2013 auch zum letzten Mal stattfand.


Ein Gedenkstein in Lochau (A) erinnert an die letzten Seegförni


Im 15. und 16. Jh. fror der See noch 14 mal zu, im 17.und 18., 19.und 20. Jh. nur noch dreimal.

Am 6. Februar 1963 kamen die ersten Hagnauer über den See in die Schweiz. Tausende sollten ihnen in den nächsten Tagen und Wochen zu Fuß, auf Schlittschuhen, mit Fahrrädern bis zu Pferdegespannen, Motorrädern, ja auch Autos folgen. Auch die Schweizer und Österreicher ließen es sich nicht nehmen, die Nachbarn auf der andern Seeseite zu begrüßen. Es sei auch nicht verschwiegen, dass in diesen Wochen auch der Schmuggel munter blühte.

Dabei wurden viele Freundschaften geschlossen, dieses gemeinsame Erleben brachten die Menschen aus den Ländern am See zusammen, was zuvor durch das nationalistisch geprägte Jahrhundert kaum denkbar war.
In der speziellen Atmosphäre rund um die Eisfläche entstanden Freundschaften; der sonst so trennende See verband nun die Menschen, die um ihn herum lebten. Die Freundschaften von damals, sie halten bis heute.
Wer ein Boot hat, fährt im Sommer immer noch viel rüber , die Freundschaften hatten Bestand und umfassen mittlerweile auch Menschen, die 1963 noch gar nicht geboren waren.

Ich kenne die Seegförne noch aus den Erzählungen meiner Schwiegermutter , die sich mit ihrem Hund über den zugefrorenen See von Meersburg nach Altnau in der Schweiz wagte, was der Hund dann allerdings mit seinem Leben bezahlen musste, da das Eis des Sees seinen Bauch zu stark unterkühlte. Aber sie erzählte noch Jahrzehnte danach von diesem Erlebnis, das in den Menschen mehr bewegte als es je Politiker hätten schaffen können - Verbundenheit der Menschen rund um den See. Durch den überwiegend gesprochenen alemannischen Dialekt - auch die Bezeichnung "Seegförni hat da ihren Ursprung- verstanden sich die Menschen sofort und entdeckten ihre Gemeinsamkeien, die das gegenseitige Verständnis mehr förderte als alle Worte zuvor. Diese Zusammengehörigkeit hält bis heute an. Im Sommer treffen sich viele wieder, es gibt gemeinsame Veranstaltungen und besondere kulturelle Verbindungen.



Flugzeuglandung auf dem Eis in Lindau (Foto: W.Stuhler)


Allerdings kostete das Abenteuer, über den gefrorenen See zu laufen, auch vielen Menschen das Leben , als die Eisfestigkeit im März nachließ und trotzdem noch die Menschen aufs Eis lockte. Auch Autofahrer ließen sich nicht davon abhalten, noch einmal über den See zu fahren, manche brachen ein und kamen ums Leben oder wurden stark unterkühlt aus dem Eiswasser gerettet. Selbst ein Flugzeug landete bei Lindau auf dem See - es war eine absolute Sensation, die unvergessen bleibt.

Natürlich lockte dieses Naturschauspiel auch die Geschäftemacher an: Buden mit allerlei Souvenirs, aber auch mit Getränken, Bratwürsten und anderen Leckereien standen nicht nur am Rande, sondern auch mitten auf dem See.


Die traditionelle Prozession - 1963 noch über den gefrorenen See (Foto: Jules Vogt)


Im Gedenken an dieses verbindende Jahrhundertereignis veranstalteten die Gemeinden Altnau, Hagnau, Immenstaad und Münsterlingen kürzlich noch mitten in der Fasnachtszeit einen Festakt. In dessen Zentrum stand eine ökumenische Prozession. Dabei wurde die Büste des heiligen Johannes, die seit 1573 jeweils bei einer Seegfrörni über den See getragen wird, zur Kirche es Klosters Münsterlingen getragen, wo sie seither ruht. Hunderte Personen nahmen trotz schlechten Wetters an der Prozession und dem Festgottesdienst teil.

Und wie 1963, als auf beiden Seiten des Sees fröhliche Feste gefeiert wurden, feierten die Menschen nun mit einem Maskenball bis weit in die Nacht hinein.

Luchs ( Bilder aus Archiven und Wikipedia)

Anzeige

Kommentare (0)


Anzeige