Verschenken

Leider gehöre ich zu jenen Menschen, die beim Verschenken nicht besonders viele Ideen haben. Schlimmer noch, es ist für mich immer ein Krampf, ganz gleich ob es sich um Freunde handelt, um unsere erwachsenen Kinder, die nichts mehr brauchen oder um unseren 14-jährigen Enkel.

Oft warte ich bis zum Schluss, in der Hoffnung doch noch eine Idee zu haben. Aber ich kenne mich und weiß, dass es nichts wird.
Auch die Frage an unseren Moritz z.B., was er sich denn wünscht, führt nicht immer zum Erfolg.
Es ist bei ihm wie bei den meisten normal situierten Ein-Kind-Familien. Play-Station ist out. Notebook ist fast neu. Handy ist auf dem neuesten Stand, Fernseher gehörte fast zur Erstausstattung, um mal ein Bisschen zu übertreiben. Und das altersgerechte Fahrrad, welches lange schon nicht mehr einfach nur Fahrrad heißt, ist teurer als mein Geschenkvolumen.

Noch vor Jahren hatten wir das Glück, jedes Jahr den Winteranorak zu Weihnachten schenken  zu dürfen. Aber als Mo 12 wurde und mit Armen und Beinen mächtig in die Länge schoss und er zur Anprobe mit dabei sein musste, hatte sich dieses Geschenk als Geschenk für mich  erledigt. Ganz abgesehen davon freut sich ein 12- oder mehrjähriger nicht unbedingt mehr über Sachen zum Anziehen. Mädchen vielleicht, aber unser Mo, der eigentlich Moritz heißt, jedenfalls  nicht.

Freilich, mir fällt es nicht schwer, einen passenden Schein in einen Umschlag mit einem schönen und extra ausgesuchten Spruch zu legen. Aber ich beobachtete ein einziges Mal nur, wie dieser Umschlag abrupt aufgerissen und alles geschriebene Wort ignoriert wurde. Von der Mama vielleicht nicht, aber vom halbwüchsigen Kind. Und seit diesem Tag sind für mich Geldscheine generell als Geschenke tabu oder ein Nogo wie man heute sagt...... oder:  Das geht gar nicht.

Über unser Weihnachtsgeschenk schreibe ich mal am Ende des Jahres. Aber Geburtstag hatte unser  Moritz am 25. März. Stolze 14 Jahre bei 1 Meter 83 Körpergröße. Mädchen sind z.Z. nicht interessant, aber wenn er mit Papa und dem Großvater in den Wad fährt, um das Holz vom letzten Sturm zu bergen, dann kann er kräftig mit anpacken. Und er liebt diese Arbeit unter Männern.

Zeit sollten wir uns wieder schenken. Zeit, miteinander zu arbeiten, Zeit, um miteinander zu lernen und auch Zeit, um miteinander Spaß zu haben. Zeit, um miteinander zu reden und Zeit, um  einander zu verstehen und auch, um sich neu kennenzulernen.
Wir schenkten ihm  zum Geburtstag also Zeit mit mir in Form von  2 Eintrittskarten.  Eine für ein Fußballspiel für RB Leipzig gegen Hoffenheim am vergangenen Samstag im Leipziger Zentralstadion. Eine Karte für ihn und logisch  eine für seine Oma, nämlich für mich.

Niemand aus meiner ganzen Familie wollte oder würde jemals mit mir zur Bundesliga gehen. Unsere  40-jährigen Kinder haben freilich nie Zeit und mein lebenslänglicher Ehebegleiter, meistens Ehemann genannt, glaubt den sensationslüsternen Medien mehr als mir,  was Randale im Fußballstadion betrifft. Es könnte eine auf die Nase geben.

Unser Mo, selbst Fußballer in irgend einer Regionalklasse FFF meinte: „RB ist nicht gerade meine Lieblingsmannschaft, aber gegen Hoffenheim..... das wird interessant. Ich halte auf Hoffenheim.“
Ich hatte mit ihm zunächst eine interessante Diskussion über Verbundenheit mit der Region. Niemals würde ein Katalane auf Madrid halten, war ich der Meinung, zumal ich mit ihm im Februar im ( leeren ) Stadion des FC Barca gesessen habe. Aber  er ist eben 14. Und es war einfach nur ein gutes Gespräch.
Gestern waren nun Oma und Enkel beim Spiel. Mein allererstes Spiel der Bundesliga !!! Ich will ganz ehrlich sein, es war auch wie ein Geschenk für mich.

Tolles Wetter, tolles Stadion, tolle Stimmung. Currywurst, Cola und für mich ein Bier. Fanschal von RB hatte nur ich. Sommerfanschal für 17.50 Euro. Wir saßen schließlich im Fanblock und da musste mitgesungen und mit geklatscht werden. Schal hochhalten, Schal schwenken.
„Wir sind Leipzig, Rasenballsport Leipzig, rot-weiß sind unsre Farben, wir werden niemals uuuu... hunter gehen..... wir sind Leipzig....

Oma hatte den Text schnell erfasst und sang ....... aber  erstaunlicherweise klatschte Mo mit. Er sagte mir später, dass er von dem Fanblock richtig beeindruckt war.... die müssen doch nach 2 Stunden rufen, singen, hüpfen nach den Trommeln doch völlig fertig sein.

Bei der ersten Torchance für RB sprangen wir alle, die Hände in die Luft werfend, von den Sitzen und als es daneben ging, setzten sich alle Fans mit lautem Raunen wieder hin.  Leider gab es nicht mehr viele solche „Rauner“
In der Halbzeit war RB zwar leider schon kurz vor dem Untergang. Mein  Mo meinte, dass wir uns doch noch was zu essen holen sollten, um die 2. Halbzeit zu überstehen  und ich solle an der Seite warten, er würde sich kümmern.
In den zweiten 90 Minuten  wurde seine Begeisterung für RB schon größer, vielleicht auch nur als Tarnmittel, weil der Hoffenheim-Sieg größer wurde. Wer weiß .
Im Zug auf der Fahrt nach Hause trafen wir auf RB- Fans. Es ist erstaunlich, wie schnell es mit diesem Fanschal   um den Hals zu einer Verbrüderung kommt.

Und ich liebe den Satz:
Vielen Dank meine Oma für den schönen Tag.


Vieles in unserem über 60-jährigen Leben hat sich verändert, auch die Verschenkenskultur, behaupte ich.  Wer weiß, wie lange unser Enkel noch die Zeit mit uns Großeltern mag ?
Aber bis dahin .......will ich es einfach genießen.

by Maritt 
 
 
 

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Kommentare (4)

ladybird

Liebe Maritt,
in Deiner  Beschreibung der "Geschenk-Prozedur" habe ich mich wieder gefunden und konnte alle Beispiele nach empfinden. Deine Schilderderung ist so "lebensnah" und köstlich, mußte ich doch öfters auch schmunzeln und nicken.
Schließlich konntest Du mit Deinem Eintrittskarten-Geschenk Dir selber noch eine Freude und einen Genuß machen. Bravo und Applaus,liebe Maritt
Stell Dir vor, mein ältester Enkel ist 24 und verdient 3x mehr als Oma´s Rente ausmacht, wir haben uns über das Schenken dann ausgesprochen und er meinte, ich hätte ihm viele Sandkasten-stunden "geschenkt", nun darf ich mich von ihm beschenken lassen.
Die Zeit-geschenke sind wirklich die wertvollsten
 Freude und Dank
schenke ich Dir für diesen Lesegenuß
herzlichst
ladybird-Renate

 

Maritt

Liebe Renate,

ja so wünsche ich mir meinen Enkel auch... in 10 Jahren.

Die Sandkastenstunden kann ich leider nicht mehr nachreichen, aber mir wird schon etwas einfallen......

Ich hoffe ja, dass der eine oder andere Leser  hier vielleicht noch ein paar Geschenk-Ideen mitteilt, denn wie ich am Anfang schon schrieb..... manchmal fällt einem einfach nichts ein.

Alles Gute für Dich und vor allem immer viele Schreibideen.

Maritt

ehemaliges Mitglied

Liebe Maritt,

was für einen wunderbare Idee es doch ist Zeit zu verschenken und wie man sieht, hast Du bei Deinem Enkel damit ins Schwarze getroffen und auch für Dich war es ein Erlebnis.

Du hast das ganz toll beschrieben und ich habe es sehr gern gelesen und mich mit Euch gefreut. Zeit, Hähe und Wärme sind wohl mit die schönsten Geschenke, die wir einander machen können.

Herzliche Grüße
Brita mit einem t

Maritt

Liebe Brita......

oh manno... wie muss ich immer aufpassen... nicht ein  doppel-t zu schreiben. Errötet
Dank für deinen Kommentar. Ich weiß, dass Du genau so denkst.
Nur nebenbei..... Dein Blog "Menschen" gefällt mir außerordentlich gut und ich kann ihn voll unterschreiben.
Wer solche Gedanken aufschreibt, hat gewiss schon alles im Leben durch.

Gerade das macht uns stark und gelassen.

Liebe Grüße
Maritt


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