TANZ DER STARE (kein Bild vorhanden)Von


Die Sonne sinkt. Ich schaue zum Fenster
in den verdämmernden Tag hinaus.
Ich habe mehr Zeit als andere Menschen,
denn ich liege im Krankenhaus.
Vor der Türme Filigran
hebt es nun zu schwärmen an:
Stare, abertausend Stare
wirken mir das Wunderbare:
Das nenn`ich Fliegen,
im Winde wiegen
in breiten Bändern,
die sich stets ändern.
Wolken und Ballen
zur Erde fallen,
seligem Reigen
zum Himmel steigen,
Tüpfelchen, bald hingehaucht,
bald in tiefes Schwarz getaucht.
Finden und teilen,
nahen, enteilen,
jagendes Schnellen,
Schwinden und Schwellen,
schwärmend pulsieren,
sich nicht verlieren.
Kreisen und treiben,
beisammen bleiben.
Schlingen und Schleifen
die Türme streifen,
bis ihre Nähe
scheuchte die Krähe.
Wirbeln und wenden,
allmählich enden ...
Wer hat`s gesehen in der Stadt,
die hunderttausend Augen hat?
Wer hat bewundert diese Pracht,
Schauspiel zwischen Tag und Nacht?
Es ist wohl selten etwas blinder,
als wir müden Menschenkinder,
eingespannt im Alltagstrott -
die Stare tanzen halt für Gott.


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Kommentare (3)

Lisan

Lieber Karl- Heinz,
ich leide seit Jahren an Agoraphobie. Bin an die vier Wände gebunden und komme nur selten dahin, wo es andren Menschen selbstverständlich ist, hinzu kommen. Und wenn es mir unter verschiedenen Umständen gelingt, in den nahen Tiergarten zu gehen, da staune ich immer, wie die Menschen durch diesen Park schlendern, ohne sich um zu sehen. Einfach nur wie die Lemminge dahin trotten und von der Natur kaum etwas mitbekommen. Für mich ist es jedes Mal ein Erlebnis, das man nicht mit Worten beschreiben kann. Dein Gedicht hat mich berührt und genau dieses Gefühl beim Lesen hatte ich immer, wenn ich auch die Menschen im Park beobachte. Zeige einem Stadtmenschen ein Bild von einer Straße, die er ständig durchläuft, aus einer anderen Perspektive, als die seine gewöhnlich, er wird die Straße nicht erkennen. Habe ich schon selbst erlebt mit Nachbarn. Wir laufen nur durchs Leben, doch die meisten von uns können es nicht genießen.
Sei gegrüßt von Lisa

Versuchsballon

@Lisan  
Liebe Lisa, ich dachte, es wird wahnsinnig schwierig sein, zu meinem
Starengedicht ein passenden Foto zu finden. Du hast es trotzdem geschafft
und ich bewundere dein Können und dein poetisches Verständnis. Heute
ist übrigens der Welttag der Posie (hatte keine Ahnung, daß es sowas gibt.)
Von deiner Krankheit habe ich auch noch nie was gehört; du tust mir aufrichtig
leid, wenn du so geplagt bist.  Beeinträchigt das Leiden dein Sehver-
mögen? Werde mich darüber informieren. Ich sage immer: Die beste
Krankheit taugt nichts! Ich selber war von einer hochgradigen Sehschwäche
betroffen (rechts 10,5 Dioptrien, links halb soviel.) 
70 Jahre lang trug ich eine Brille, bis zu einer doppelten Augen-OP.
Jetzt im Alter brauche ich merkwürdigerweise keine Brille mehr (außer einer Lesebrille natürlich). 
Der eine Kritikaster, der mich fragte, ob ich jemanden beleidigen
wollte (weil ich mein englisches Gedicht im Netz mangels
Resonanz für eine Überforderung hielt, was sie offenbar auch war), dieser Gescheitmeier  hat sich wieder gemeldet. Ich werde aber nicht drauf
reagieren, denn wer mir unverschämt kommt, der ist für mich gestorben
und zwar für alle Zeit.
Was bedeuten schon zwei, drei negative Reaktionen gegenüber Hunderten
von positiven, die ich dankbar zur Kenntnis nehme. Alles Gute, liebe
Lisa, und jetzt schon Frohe Ostern für dich und alle, die dich lieb
haben. Karl-Heinz



 


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