Nebenwirkungen
Momentan stecke ich mitten in meiner Chemotherapie wegen Brustkrebs. Gleich nach der ersten „Ladung" vor einem halben Jahr im September 2020 überraschte mich und das onkologische Klinikpersonal meine massive, umgehend einsetzende Blasenentzündung. Mein Körper gestattete mir kein bisschen mehr, meiner Blase Einhalt zu gebieten, es lief einfach! Es war sehr sehr unangenehm. So eine Entzündungsreaktion hatte ich noch nie.
Es brauchte drei Wochen Antibiotika-Einnahme, bis dieser überaus lästige halbstündige Toilettenbesuch ganztätig vorbei war, die nächste Chemo gegeben werden konnte – mit einem identischen Ergebnis der Nebenwirkung! Nur war mein HA dieses Mal geschickter in der Auswahl des Medikamentes. Doch auch dieses Mal musste die nächste Chemo wieder um eine Woche verschoben werden.
Es spielte sich ein, so alle 14 Tage mit mal weniger, mal heftigerer Auswirkung begann spätestens zwei Tage nach der Chemo nicht aufzuhaltender Urinfluss. Und immer hieß es seitens des Onkologen: erst nach zwei fieberfreien und antibiotikafreien Tagen wieder eine Chemo, sonst geht das nicht mit der Chemo.
Inzwischen hab ich dreiviertel meiner vorgesehenen Chemotherapien erhalten. Die erwünschte Wirkung hat sich trotz der Unterbrechungen offensichtlich eingestellt und der Operationstermin für den Rest der auslösenden Krebsknoten ist festgelegt.
Vergangenen Mittwoch nach der Chemo stellte sich die Blasenentzündung erst einen Tag später – am Samstag – ein. Mein HA hatte Notdienst und bestellte mich nach meiner nächtlichen Beschwerdemeldung per Mail für den Samstagmittag in die Praxis. Unter anderem machte er sich per Ultraschall ein Bild von dem Geschehen in meinem Körper.
Ach ja, auch die Nieren wollte er sich anschauen. Das war für mich der Anlass, von meinem „Pech“ bei meiner 31 Jahre zurückliegenden Unterleibs-Operation zu berichten, zumal vor allem jetzt stets diese rechte Nierenstelle zu spüren ist. Damals war der Operateur leider nicht nüchtern, wie bereits zwei Monate zuvor auch bei einer anderen Patientin. Da die Harnleiter von der Niere zur Blase recht durchsichtige dünne Schläuchlein sind, war es ihm gelungen, mir den rechten Harnleiter durchzuschnibbeln! Auch vergaß er zum Schluss, die vorgeschriebene Kontrast-Kontrolluntersuchung durchzuführen. Dann hätte er gesehen, welches Missgeschick ihm gelungen war, hätte es sofort „reparieren“ können. So aber beendete er die OP und die Krankenschwestern wunderten sich in den nächsten Stunden, im Verlauf des nächsten Tages darüber, dass in die Wunddränage kein Wundwasser sondern vor allem Urin einlief!
Im Verlauf des Folgetages beschwerte ich mich auch über Nierenbeckenschmerzen. Aber ich wurde erst gegen Abend darauf befragt, als die Schmerzen schon fast unerträglich waren. Dem Chef der Gynäkologie schwante, was da geschehen sein konnte. Aber er wurde nicht umgehend tätig. Um diese Schandtat seines operierenden Oberarztes zu vertuschen, schob er den nun anstehenden erneuten Operationstermin auf nach 20 Uhr abends, als der unterstützende Urologe einer Klinik in der nahen Stadt ihn nur noch per Telefon unterstützen konnte.
Eigentlich wäre es erforderlich gewesen, dass dieser andere Facharzt die neue große Operation hätte durchführen müssen, es war ja ein urologisches, kein gynäkologisches Problem. Auch stand dieser Chef-Gynäkologe kurz vor seiner Pensionierung. Wenn ich ihm ins Gesicht sah, sah ich als Optikergattin, was für „Glasbausteine“ dieser Mann auf der Nase trug. Es war in meinen Augen kein Wunder, dass es ihm nicht gelang, in der zweiten großen Operation innerhalb von zwei Tagen, den angerichteten Schaden zu beheben.
Der Gyn wusste, dass er den durchtrennten Harnleiter mit Hilfe einer s. g. Schiene zusammenfügen musste. Doch das gelang ihm nicht! Er aber glaubte, das geschafft zu haben. Ich wurde wieder „zugenäht“ und durfte nun, um den Sitz der Schiene nicht zu gefährden, eine Woche lang streng auf dem Rücken liegend in meinem Bett ausharren. Das war schon eine Tortur, sich nicht drehen zu dürfen, gleichzeitig weiterhin die Schmerzen im Nierenbecken und obendrein, damit die Entzündung aus meinem Körper verschwinden sollte, an die 100 Antibiotika-Infusionen durchzustehen. Jede einzelne Infusion sorgte umgehend für starkes Erbrechen. Meine Besucher waren entsetzt, dass ich schwarz erbrach. Leber und Galle waren überfordert! Die Schwestern konnten sich nicht erklären, dass immer noch so viel Urin im Dränage-Beutel landete, aber nicht im Urinbeutel! Man verlegte mich aufgrund meines Zustandes zu einer sterbenden alten Patientin aufs Sterbezimmer …
Doch den offensichtlich erwarteten Gefallen tat ich ihnen nicht! Ich überlebte diese Tortur. Ich schaltete über meinen Mann einen Fachanwalt ein, der – genau wie der Anwalt der April-Patientin – Klage gegen die Klinik und die Chirurgen einreichte.
Nach acht Tagen, in denen mein Leib weiterhin voll mit Urin überschwemmt war, die Entzündungen nur leicht rückläufig waren, wurde ich durch das energische darauf Bestehen meines Mannes dieser Klinik entzogen und im Liegendtransport in die städtische Urologie verlegt. Dort wusste man umgehend das Richtige zu tun. Endlich wurde – von nun an über vier Monate jede Woche neu – die erforderliche Schiene gelegt. Ich bekam in die rechte Niere einen künstlichen Ausgang, in dem sich der anfallende Urin dieser Niere nun sammelte und nicht mehr meinen Bauch befüllte. So langsam spürte ich Besserung, statt zu sterben.
Als ich jetzt am Samstag meinem HA diese Geschichte während der Ultraschalluntersuchung meiner Niere erzählte, haute es ihn fast vom Hocker!! Und wie zur Bestätigung fand er in meiner rechten Niere auch noch die Stelle, an die der künstliche Ausgang angelegt worden war. Ob die es ist, die mir bei jeder Chemo nun die Blasenentzündung verursacht, verriet er mir nicht. Aber er ließ es offen, ob das der Fall ist. Schließlich spüre ich an dieser Stelle täglich eine oft schmerzhafte Empfindung, die bei einem Umdrehen zuerst nach einer anderen Körperlage verlangt …
Ob denn zu beweisen gewesen sei, dass da schlimme Fehler gemacht worden seien, wollte mein HA wissen. Klar, wenn gleich zwei Mal das Gleiche passierte. Ich bekam von der Klinikversicherung meine finanzielle Entschädigung bereits zum Geburtstag im August 1989, nur einen Monat nach dem Geschehen, als ich noch nicht einmal endgültig gesundet war. Der nicht nüchtern operierende Chirurg musste umgehend gehen. Der Chefarzt der Gynäkologie wurde vorzeitig in seinen Ruhestand versetzt. Seine Rachsucht ließ ihn noch meinen heimischen Gynäkologen verbal angreifen, warum er seine beiden Patientinnen anwaltlich unterstützt habe ...
Kommentare (8)
@Meerjungfrau43
Liebe Meerjungfrau!
Auch ich weiß Deinen Vornamen nicht. Den von Dir angeführten Grund hatte ich im Hinterstübchen, als ich überlegte, ob ich meine Geschichte festhalten und posten wollte oder nicht.
Natürlich sind auch die Ärzte "nur" Menschen mit ihren guten wie schlechten Eigenschaften. Nur wenn ein Doc weiß, dass er alkoholsüchtig ist und dennoch am anderen Tag eine Operation bewältigen muss, ohne dem Patienten zu schaden, sollte er - menschlich gedacht - zusehen, dass er vom Alkohol wegkommt oder das Operieren drangibt.
Dass sein Chef ihn aber noch zu decken versuchte, indem er mir selbst auch noch Schaden zufügte, finde ich noch unverzeihlicher. Meinem HA gestern fiel tatsächlich die Kinnlade herunter! Er mochte es nicht glauben und bekam dann die - in der Niere vergessene? - Anschlussstelle des künstlichen Ausgangs im Ultraschallbild der Niere zu sehen.
Der Tatsache, dass ich angeblich keine Kinder bekommen könne, widersprach mein Körper fünf Jahre später. Mein Sohn war (vor 54 Jahren) unterwegs, wollte aber nicht auf die Welt. Die Hebamme vergaß mich unter der Geburt für vier Stunden, hatte sich schlafen gelegt, weil sie in einer anstrengenden Nacht fünf Babys geholt hatte. Bis mich spätnachmittags eine Nonne fand, allein auf einem zu hoch eingestellten Kreissbett liegend, von dem ich mit meinen Wehen nicht herunterkam. Sie sammelte eigentlich nur die angefallene Schmutzwäsche ein. Die folgende Gewaltanwendung, um meinem Sohn nach elf Monaten Schwangerschaft auf die Welt zu helfen, zerriss meine Geburtswege total, weil es für einen Notkaiserschnitt zu spät und eine normale Geburt für das große Kind nicht mehr möglich war. Kommentar des Neu-Chirurgen, der mir meinen Chemo-Port einsetzte: "Sie sind doch kein Elefant!, die tragen so lange aus." Doch die festgestellte Schwangerschaft im März 1966 endete tatsächlich erst am 24. November 66 - warum auch immer ...
Auch dieser Gynäkologe, der sich nicht kümmerte, ist dafür verantwortlich, dass viereinhalb Jahre später mein Tochter drei Tage in den Presswehen auszuhalten hatte! Ich bin heute noch glücklich darüber, dass keines meiner Kinder einen Sauerstoffmangel erlitten hat, der sie möglicherweise zu geistigen Krüppeln hätte machen können.
Eigentlich wundert es mich, dass ich noch für notwendige Eingriffe Vertrauen habe ...
Zum Glück muss niemand heutzutage mehr mit Repressalien rechnen, wenn er oder sie eine Fehlbehandlung feststellt und den Verursacher dafür zur Rechenschaft ziehen will. Eine blöde Antwort bekam ich einmal dennoch: Über solchen Geschehnissen müsse ein Chirurg stehen, sonst könne er nicht mehr operieren. Ob da wohl ein gewisses Mass an Ordnung in seinem Leben gegeben sein sollte??
Entschuldige, wenn ich noch ein paar Horrorgeschichten ergänzt habe. Aber herzlichen Dank für Deine Geschichte in Deinem Kommentar
Uschi
Liebe Uschi,
was für eine dramatische Geschichte, die mir zutiefst leid tut.
Meine Güte, was hast Du alles mitgemacht und musst wohl noch einiges durchhalten.
Für mich ist das aber wieder ein Beweis für die UNFÄHIGKEIT mancher Ärzte, das Richtige zum richtigen Zeitpunkt zu tun.
Oft schützen sie sich sogar gegenseitig.
In dieser Beziehung könnte auch ich aus ähnlichen Erfahrungen berichten.
Ich kann Dir nur von Herzen wünschen, dass Du weiterhin die Kraft hast, das alles durchzustehen.
Mit liebem Gruß von
Andrea
@Muscari
Liebe Andrea,
es musste einfach auch mal heraus, was mir immer wieder als etwas hingestellt wurde, das so gar nicht schlimm wäre. Jeden Morgen, als ich seinerzeit in der Urologie lag, bekam ich von meinem Göga zu hören, wie gut ich es doch hätte. Ich könne im Bett liegen bleiben und schlafen - und er müsse zur Arbeit!! Und abends beklagte er sich, dass ich ihm nichts kochen konnte. Ich verwies ihn auf die durchs Klinikfenster sichtbare Pommes-Bude. Da könne er momentan doch seinen Hunger stillen.
Unsere Tochter war zu der Zeit gerade selbs in ihrern zweiten Rekonvaleszenz-Woche nach einer schweren Operation, aber er verlangte, dass sie käme und ihn zu bemuttern hätte. Dummerweise war sie so brav ...! Würde ihr heute nicht mehr passieren. Aber ihre Fürsorge für mich (obwohl keineswegs von mir verlangt) ist unglaublich!!
Für Dein Lesen und Deinen liebevollen Kommentar bedankt sich herzlich
Uschi
Liebe Uschi,
da hast Du so viel Schlimmes und Schlechtes durchmachen müssen, darum kann man Dich wirklich nicht beneiden.😢
Das mit den vielen Blasenentzündungen kenne ich auch, hatte aber einen anderen Grund. Ich bin auch ständig mit Antibiotika bombardiert worden, bis ich davon an Krebs erkrankte. Meiner Meinung nach ist es so wichtig, an die richtigen Ärzte zu geraten. Aber das sieht man ja leider keinem an der Nasenspitze an. Alle weiteren Operationen sind bei mir gut überstanden und ich gelte als geheilt. Für Deine Zukunft wünsche ich Dir auch alles Gute und bleib gesund. Genieße Dein Leben in vollen Zügen. Sei herzlich gegrüßt von
Jutta
@Juttchen
Liebe Jutta!
Es war so eigenartig damals, ich fühlte mich gar nicht sterbenskrank, wurde aber von meinem Ex dazu animiert, gegen diese Ärzte vorzugehen. Glücklicherweise erfolgreich. Die Versicherung verlangte "nur", ich dürfe nie bei möglichen weiteren Beschwerden davon noch einmal gegen die Ärzte, das Krankenhaus vorgehen, sonst ... Eigentlich eine Frechheit!
Ich bin heute davon überzeugt, dass es nur noch wenige Ärzte gibt, die sich an den einmal geschworenen Eid halten. Die meisten kann man durchaus ruhig als Kaufleute bezeichnen.
Ob die hohe Antibiotikagabe seinerzeit geholfen hat, kann ich nicht beurteilen. Ich habe es in meinem weiteren Leben vermieden, wo es ging, Antibiotika einzunehmen. Doch momentan muss es wohl sein.
Ich gehe mal davon aus, dass die anstehenden Operationen "ordentlich" verlaufen, mir kein zusätzlicher gesundheitlicher Schaden zugefügt wird. Werde dafür sorgen, dass die entsprechenden Doc's von meiner OP-Karriere erfahren, bevor sie die Messer wetzen.
Bleib auch Du gesund und genieße Dein Leben, so gut es geht! Mach ich derzeit auch in meiner neuen größeren, toll renvierten Wohnung.
Herzlichen Gruß von
Uschi
Mein tiefste MItgefühl mit viel Hoffnung, dass es besser wird für Dich
Distel1fink7 Renate
@Distel1fink7
Liebe Renate, ich denke, das Jetzt ist eine Geschichte, durch die ich durch muss. Zum Glück hab ich niemanden mehr, der mir weis machen will, ich hätte ja nix. Das tat damals ziemlich weh ...
Danke für Dein Lesen meiner Dramatik und für Dein Mitgefühl
Uschi
Liebe ... (finde leider Deinen Vornamen nicht!)!
Es ist so wichtig, dass Du Deine Geschichte mitteilst, für Dich und andere !
Es war schlimm, wie es Dir ergangen ist, und dass Du heute immer noch darunter leiden musst ! Oft können andere das nicht verstehen, dass man die Ärzte nicht verantwortlich machen kann! Da ist Dir auch, wie mir, begegnet, dass "keiner der Maus den Schwanz abbeißt !"So könnte ich auch meine Geschichte schildern, ein Krankenpfleger, der den Operateur von vor 20 Jahren bei mir noch kannte, fand keine Worte...
Aber, was wir leicht vergessen : Ärzte sind leider auch Menschen, die Fehler machen und dann darauf hoffen, dass es keiner merkt !
Auch das zumindest eine verständliche Eigenart !
Und manche merken es vielleicht nicht einmal !
Wir aber müssen damit leben, oft hören wir, dass doch nichts Falsches passiert wäre, aber wir müssen mit einem verdrehten Bein und einem zunehmend kaputten Knie leben...
Immerhin haben sie es bei mir nach 20 Jahren verändert und ich habe die Hoffnung, dass sowohl das jetzt gerade Bein als auch das "ersetzte Knie" lange halten, vielleicht bis zum Lebensende ?!
Und genau das wünsche ich Dir auch und alles Gute !