Mit dem Wohnmobil durch Skandinavien, Teil 2. Finnland


Mit dem Wohnmobil durch Skandinavien, Teil 2. Finnland

Karte Titel.JPG

Möglichst leise packen wir unsere Gerätschaften zusammen um die Nachbarn nicht zu stören. Bei den Anglern im Mobil nebenan rührt sich noch nichts. "Früh" ist eben im Land der Mitternachtssonne relativ. 
 erst das Hämmern des Diesels wird die Schläfer kurz hochschrecken lassen bis wir drüber halb des Lakselv dessen Lauf ein wenig folgen. Dann geht es die Hänge des Flusstales hinauf und durch die nur leicht hügelige Landschaft der Grenze entgegen.

101 Neiden Petkula fertig.jpgLeichtes Erstaunen macht sich breit beim passieren der Grenzbeschilderung und erst recht wie die ersten Hinweisschilder auftauchen. Irgendwie habe ich noch den Slogan im Ohr: "Finnisch ist gar nicht so schwer!" post sollte in der Landessprache Posti heißen und Bank, Banki. Allerdings scheint sich diese einfache Sprachform nicht bis hierher herumgesprochen zu haben. 

Grenze.jpg
Auch der zweisprachigen Hinweise sind für uns nicht wirklich hilfreich. Hier im Norden sind die Straßenschilder einmal in Finnisch und dazu noch einmal in der Sprache der Sami beschriftet.

Wappen.jpg
Kirakkajärvi.jpg
Verirren werden wir uns trotzdem nicht, denn es gibt nur diese eine Straße. Abzweigende Fahrwege sind nur dürftig geschotterte Seitenstraßen. 
 Plötzlich voraus mehrere Lagerhallen mit greller Reklame, die ermuntert seine übrig gebliebenen norwegischen Kronen in Ware umzusetzen. Da lassen wir uns nicht zweimal bitten. Viel norwegisches Geld ist eh nicht mehr da. Für die ausgestellten Schneescooter oder für Quads reicht es natürlich nicht, nicht einmal für die Kanus vor der Türe aber es gibt auch kleine Dinge, die uns erstrebenswert erscheinen.
 Als erstes fallen die Imkerhüte ins Auge. Nicht wie die weißen zu Hause, sondern in dunkelgrüner Tarnfarbe mit schwarzem Netz. Für die Enkel noch kleine Spielzeug Elche und passend zur Reise Elch- Geräuchertes und Rentierwurst. Weil ich einschreite wie meine Frau Sandkastenformen in den Händen dreht, fallen dafür Wollsocken mit Norweger-Muster in den Einkaufskorb. Mein Einwand, dass Norwegermuster in Finnland vielleicht unpassend wäre, wird nicht einmal ignoriert. Endlich an der Kasse. Der Einkaufskorb ist gut gefüllt und das Kontingent an norwegischen Kronen muss noch kräftig mit Euros aufgestockt werden. 
 wenige Kilometer weiter wächst sich die von uns gewählte, laut Karte untergeordnete Straße, zum Asphaltband erster Güte aus. Die große Tafel am Wegrand gibt Auskunft, dass hier mit EU-Mitteln eine Superstraße, ähnlich der neuen Bundesstraßen zu Hause, entstanden ist. Was die neue Verkehrsader erschließen soll bleibt uns verborgen. Einziger Zweck könnte sein, eine Verbindung ins russische Murmansk zu schaffen. 
 Uns ist das erst einmal egal. Wir rollen so sehr bequem gen Süden. Allerdings geht es auf Mittag zu und am Wegrand lädt praktischer Weise gerade ein Waldparkplatz zum Verweilen ein. 
 Nach der Kartoffelsuppe aus der Dose pirscht man sich in den Wald. Traudl hält Ausschau nach Beeren und Pilzen, während ich auf der Hatz nach Elch und Ren bin. Freilich nicht mit der Flinte sondern mit dem Fotoapparat im Anschlag. 
 Leider ist uns kein Jagdglück gegönnt. Die Schwammerl haben wohl die Köpfe eingezogen, Elch und Konsorten halten vermutlich Mittagsschlaf und so reicht's nur zu einigen Landschaftsbildern am nahen See. 

See.jpg  
Blume.jpg
Trotzdem hebt der Spaziergang die Stimmung. Die Mücken versuchen vehement an mein Blut zu kommen, scheitern aber an den Imkerhüten. 1:0 für uns! 
 Und lustig wird es auch noch. Für die erheiternde Szene sorgt das erschrocken zurückweichende Pärchen, das beim Anblick der vermeintlich Außerirdischen kreidebleich Zuflucht in seinem Wohnwagen sucht. Erst wie wir die Hüte absetzen, uns quasi demaskieren, lugen sie vorsichtig aus der Türe. Das Eis bricht dann, wie sich die komischen Gestalten am Wohnmobil mit deutschem Kennzeichen zu schaffen machen. Bereitwillig geben wir den Herrschaften aus dem Main-Tauberkreis anschließend Auskunft über Mückenschutz der finnischen Art. Sie sind von Süden her unterwegs und haben schon entsprechend Blutzoll bezahlt. Schließlich gesellt sich noch eine Schweizer Wohnmobilbesatzung zur illustren Runde, so dass wir zu tun haben den Absprung zu schaffen, ohne unfreundlich zu wirken. "Das war knapp", meint Traudl", schließlich möchten wir den Rest des Tages nicht an einem Waldparkplatz verbringen. "Waren aber lauter nette Leute", entgegne ich, "und den Tipp mit dem Mückenschutz haben sie auch begeistert aufgenommen".
 Ob das nun der Inarijärvi, der Inarisee ist oder nicht, ist schwer zu sagen. Genau so schwierig ist es zu bestimmen, ob diese Wasserflächen irgendwo zusammenhängen odereinzelne Seen sind. Das Gewirr ist undurchschaubar. Sicherlich kein Wunder bei 1040 qkm Wasserfläche und 3000 Inseln. Vermutlich ließe sich nur aus der Luft die Gestalt des 3.größten Sees Finnlands erkennen. 
 Hier am Boden fordern jedoch, zusätzlich zur landschaftlichen Schönheit immer wieder lethargisch an und auf der Straße stehende Rentiere die volle Aufmerksamkeit. Dann tauchen da immer wieder eigenartige Briefkästen am Wegrand auf. Mal einfache, zur Straße hin offene Kästen, dann wieder liebevoll gestaltete Kunstobjekte. Uns unverständlich tragen sie vierstellige Hausnummern. "Inari 2019" bringt einen schon zum Grübeln, noch dazu, wenn es bis zum Ort selbst noch 50 km sind, - wenn nicht mehr. Entweder ist die gesamte Gemeinde durchnummeriert oder ein Zifferncode gereicht den Reisenden zur Denksportaufgabe. Bestimmt für den Postboten auch gewöhnungsbedürftig. Das Gemeindegebiet umfasst immerhin über 17000 qkm und dabei leben in der Kommune nicht einmal 7000 Menschen. 
 Traudl möchte die Zusammenhänge in der Karte erforschen. Doch alles stellt sich eher verwirrend dar. Nur eines ist inzwischen klar, die Ufer des Inari haben wir mit der Nebenstraße inzwischen verlassen und die Europastraße 75, die jetzt unter den Rädern liegt, stößt erst wieder kurz vor dem Ort auf den See. 
 Dem See als Attraktion am Ortseingang lässt sich im beginnenden Nieselregen nicht viel abgewinnen. Da ist es gut, dass sich als Unterschlupf das Sami Museum anbietet.
 Das ist nun nicht eines der üblichen Bauernhausmuseen. Es bietet mehr. Im Hauptgebäude fletscht der ausgestopfte Vielfraß seine Zähne während Schneehühner das Weite zu suchen scheinen. Wie die Tierwelt erklärt ist, genauso anschaulich ist auch die Flora im Kreis der Jahreszeiten dargestellt. Durchaus sehenswert auch Kultur und Kunst der Sami. Nicht nur kunstvoll gewebte Kleidung sondern auch alte Silberschätze zeugen von der Tradition der Lappländer. 
Natürlich sind die Konstruktion der Haupthalle und die Ausstattung von Gängen und Restaurant in modernem finnischen Design gehalten. Obwohl in Architektenkreisen wegen seiner Klarheit gerühmt, halten wir uns nicht länger damit auf. Es regnet nämlich nicht mehr und so ruft uns das Freigelände.
 Freilich findet sich hier wieder ein Flair von "Bauernhaus" - und doch ist es anders. Eigenartige Heuschober, die gleichzeitig als Unterstände dienten oder kleine Vorratshüttchen auf Baumstämmen, um Fleisch und Getreide vor diebischem Getier zu schützen. 
 Dass sich nicht nur Tiere daneben benehmen, sondern auch Menschen die Regeln brechen, davon zeugen die Relikte im Gerichtsgebäude. Gut, es ist eines der stattlichsten Blockhäuser reihum, aber direkt ein Justizpalast ist der eingeschoßige Bau mit zwei größeren Räumen nicht. Dafür wurden die Urteile gleich vor Ort vollstreckt, wie das spärliche Mobiliar und die Darstellungen an der Wand Auskunft geben. 
 Die finnische Rauchsauna fehlt selbstverständlich nicht im Ensemble des weiten Rundes. Es verstehe, wer will, warum diese Bauart in hiesigen Gefilden so beliebt ist. Man heizt den aus Feldsteinen errichteten, kaminlosen Ofen stundenlang an bis die Temperatur stimmt. Dann wird Glut und Asche entfernt und das Saunieren beginnt, nach kurzem Lüften. Rußige Rauchschwaden treiben den Gästen die Tränen in die Augen bis sie Abkühlung im Freien suchen. Freilich ist die Museumssauna nicht in Betrieb und die erklärende Tafel vor der Hütte kennt nur die Vorzüge der finnischen Rauchsauna. 
 Während in den Bauernhäusern die Gerätschaften des täglichen Gebrauchs eher einem Sammelsurium, denn musealer Authentizität gleicht, springt doch manches Objekt ins Auge. 
 So eine ausziehbare Bettstatt, die im Handumdrehen aus dem Einzelbett ein Doppelbett für Gäste werden lässt. Wer da wohl mit wem geschlafen haben mag? Nun, das soll unsere Sorge nicht sein. Vielleicht diente es nur dazu Platz zu schaffen, denn die Stuben waren oft Küche, Wohn- und Arbeitsraum zugleich. 

Collage.jpg

 Langsam trödeln wir so dem Ausgang zu. Eigentlich wieder eine neue Erfahrung gemacht. In unserer Vorstellung waren die Lappen umherziehende Nomaden mit Rentierherden und hier zeigen sie sich als ortsansässige Bauersleute und Viehzüchter mit festen Dorfstrukturen.
 der eben einsetzende Nieselregen treibt mich in den großen Souvenirshop. Sicher, das Wohnmobil stünde gleich schräg gegenüber am Parkplatz, aber mich treibt die Neugier zum Andenkenkram. Zugeben würde ich das allerdings nie. Das wäre ja noch schöner! 
 meine Frau eilt flotten Schrittes voraus, hin zu den Attraktionen. Es fängt allel mit dem kleinen Elch für die Krippe daheim an. Vielleicht doch noch ein zweiter Elch und ein Bär dazu? "Aber wir haben doch schon an der Grenze einen Elch", - wage ich einzuwerfen. "Schau dir doch die an! Die passen viel besser und sind gar nicht teuer!" Ich wende mich resignierend den Ansichtskarten zu. Plötzlich taucht über den Regalen immer wieder ein Husky auf. Mir schwant fürchterliches. Tatsächlich tunt der fast lebensgroße Plüschhund samt Welpen am Arm von Traudl herum. Fröhlich signalisiert sie mir die erfolgreiche Jagd. "Schau nicht so angesäuert, ist doch für unsere Enkelin!" Der Hund wechselt zu Herrchen auf den Arm. Selbst wenn er nicht zu groß wäre für den Einkaufskorb, hätte er auch nicht mehr Platz. Die schönen gestrickten Pullover für unsere Kinder tragen nämlich ganz schön auf.
 Beim Durchschlängeln am Parkplatz gebe ich zu bedenken, dass wir die Sachen für den Rest der Reise mitschleifen müssen. "Papperlapapp, das verstaue ich alles im Alkoven, da ist genug Platz!" "Wenigstens brauchen wir nicht Angst zu haben, dass das Auto überladen ist", nörgle ich noch ein wenig herum, "denn für den Kram haben wir ja viele, viele Euros im Laden gelassen!" 
 Wie die Räder wieder hinaus ziehen auf die E 75 zieht der nächste Schauer auf. Da werden wir wohl den Ort selbst vom Auto aus genießen. 
 Inari empfängt den Mobilisten mit weit auseinander liegenden, an der Chaussee aufgereihten Zweckbauten. Ein- und zweigeschossige, schmucklose Wohnhäuser, dazwischen Werkstätten und Läden, deren unaufgeräumte Lagerplätze auch nicht direkt einladend wirken. Einziger Lichtblick in der Tristesse die bunte Leuchtreklame der Tankstelle. Natürlich dämpft der einsetzende Landregen das Bild noch zusätzlich. Damit fällt nicht nur der Stadtrundgang durch die kleine City flach sondern auch die Erkundung der Wasserflugangebote. Das wär schon was, bei strahlend blauem Himmel über den Inarisee zu fliegen und diese riesige Inselwelt aus der Vogelperspektive zu genießen. So aber ist es den Einsatz bestimmt nicht wert. 
 Als Ersatz soll uns der Aussichtspunkt an der Route nach Ivalo dienen. Unvermittelt zweigt der Schotterwerg von der Hauptstraße ab. Nur aus dem Reklameblatt zwischen den Bäumen lässt sich der Schluss ziehen, dass wir am richtigen Ort sind - oder auch nicht. Der Parkplatz für die Wanderer ist nur dürftig belegt. Trotzdem streifen immer wieder einzelne Gestalten mit Rucksäcken durchs Unterholz. Wir versuchen, auch wegen des herniedergehenden Wolkenbruchs, die Höhe mit dem Mobil zu erklimmen. Die Enge des Fahrweges macht mir keine Angst. Soll doch oben am Gipfel ein Kaffee mit Parkplatz auf Besucher warten. Also ist die Wendemöglichkeit vorhanden.                   
Doch plötzlich nach der nächsten kleinen Biegung ist es vorbei mit dem gemütlichen bergauf Kutschieren. Abrupt steigt die die Straße an. Steine spritzen unter den Reifen davon, schlagen scheppernd gegen die Radkästen. Dreckschlieren spritzen meterweit zur Seite. Also doch auf dem richtigen Weg! Im Führer habe ich was gelesen von 15 oder 17% Steigung. Bei der nächsten Kehre schießt das Wasser gussartig über die Piste. Da ist es gut, dass die Fahrbahn in den Kurven asphaltiert ist. Für uns allerdings etwas weniger gut. Die Räder des Fronttrieblers finden auf dem Belag nur mühsam Halt. dann wieder steil bergan auf aufgeweichtem Schotter bis zur nächsten Kehre. Jetzt wieder rein in den "Steinschlag" der Antriebsräder bis der Asphalt erreicht ist. Zudem hängt die Piste noch etwas seitlich. Die Fahrt wird zusehends abenteuerlicher. Traudl will sich diesem Wahnsinn nicht mehr weiter aussetzen, wobei wir auch nicht wissen, welche Überraschungen der Steig weiter oben noch bereit hält. Einzige Lösung: Umkehren! Nur leichter gesagt, wie getan. Langsam lasse ich das Mobil rückwärts bis zur nächsten Kehre rollen. Hier ist die Straße breiter. Mit viel Kurbeln am Lenkrad und Ausnutzen jedes Zentimeters befestigten Untergrunds gelingt das Unterfangen.
 Jetzt liegt er vor uns, der Inarisee. Leider recht unscharf hinter dem Vorhang vom Himmel fallenden Wassers.

Inari See.jpg
Kaum haben die Räder des Reisemobiles die Europastraße unter sich, hört auch schon der Regen auf.
 Die Stadt Ivalo ist das Verwaltungszentrum der Gemeinde Inari. Um die 3500 Einwohner zählt der Ort, während Inari selbst nur etwa 400 Bewohner hat. Die restliche Bevölkerung verteilt sich "auf dem Land". Zu Hause wäre der Ort gerade mal ein Marktflecken. Hier unterstreicht die Wichtigkeit der Flugplatz mit Tower, Vorfeldkontrolle, Abfertigungshalle und täglicher Flugverbindung nach Helsinki.
 Trotzdem scheint uns das moderne Städtchen nicht so wichtig und so steuert man den Kaunispää, Aussichts- und Skiberg im Urho Kekkonen Nationalpark an. 
 Ganze 438 Meter ist die Erhebung hoch und bietet eine fantastische Aussicht über die waldreiche Hügellandschaft. Ein bisschen wie Bayerischer Wald mutet das an. Aber auch nur ein wenig. Dafür sorgen schon die in größeren Gruppen lagernden Rentiere. Sie dösen im strömenden Regen gleichmütig vor sich hin, während wir im Bergrestaurant schnell Zuflucht suchen. Mit Aussichtspunkten haben wir hier im Finnischen nicht direkt das Glück gepachtet. 

Kaunispää.jpg
Also weiter gen Süden. 
 Es ist nicht weit bis Tankavaraa. Der Name hat Klang bei den Goldsuchern der Welt. Hier harrt das Lappländische Goldmuseum der Besucher. Die Erwartungen sind hoch. Ist die Suche in der Gegend doch noch in vollem Gange. Das heer der Touristen wäscht am Ivalo- und am Lemmenjoki meist nur etwas Goldstaub aus dem Flusssand aber es gibt auch Profisucher die mit schwerem Gerät und Kettenbaggern dem Gelände zu Leibe rücken. 
 Ein Junge, Besucher einer der vielen Touristenanlagen hatte mal besonderes Glück. Er fand ein 39 Gramm schweres Nugget, das später als Moped tituliert wurde. Nicht die Form war der Namensgeber sondern die Verwendung des Gegenwertes. Sein Fund ermöglichte es dem Burschen sich ein Moped zu kaufen.
 Freilich reicht der Fund nicht an den größten, bisher in der Gegend ausgegrabenen Goldklumpen mit 390 Gramm Gewicht heran. Einige der Schürfer sind noch auf der Suche nach dem legendären Batzen, den ein Digger gefunden und wieder vergraben haben soll. Ob diese Geschichten wahr sind, ist nicht so recht nachprüfbar, jedoch beflügeln sie nicht nur die Phantasie sondern auch den Fremdenverkehr. 
 Gespannt rollen wir auf den Parkplatz. Gespannt sind wir nicht so sehr wegen des Goldes, sondern ob wir noch aufs Gelände dürfen. Es ist bereits 17:00 Uhr und in einer Stunde wird geschlossen. Ob sich der Eintritt noch rentiert für eine Stunde? Sollen wir gleich am Parkplatz übernachten und am Morgen mit der Visite beginnen? Schließlich wagt man nach kurzer Beratung den sofortigen Besuch. 

Tankavaara 1.jpg
Es ist eine gute Entscheidung, denn die finnische Goldgräberei wird thematisch nur gestreift. Dafür nehmen Australien, Alaska und Afrika breiten Raum ein. Auch die weltweiten Edelsteinvorkommen werden ausgiebig behandelt. das hängt vermutlich mit dem großen Verkaufsraum für Mitbringsel zusammen. Wie überall an touristischen Brennpunkten führt zum Ausgang kein Weg am Souvenirshop vorbei. In zahlreichen Schütten liegen Halbedelsteine, unedle Steine und esoterische Helfersteine.
 Schon vorhin ließ der Gang durch die finnische Goldgräberstadt kurz Skepsis aufkeimen. Die Fassaden sahen denen, der als Westernstädte verkleideten Freizeitparks täuschend ähnlich. Sogar die Reklameschriften in Englisch geben Auskunft darüber, wo sich Saloon und Sheriff befinden.

Tankavaara 2.jpgTankavaara 3.jpg
Unter diesen Voraussetzungen möchten wir nicht selbst zur Pfanne greifen und im hauseigenen Claim die Schüssel schwingen. Wir sind mal wieder enttäuscht. Nach den Ausführungen im Führer hätten wir anderes erwartet. Gut dass so nur eine Stunde verloren ging. So kann man sich in aller Ruhe einen idyllisch gelegenen Campingplatz suchen.
 Wie schon oft, folgen wir unterwegs einfach dem nächstbesten Hinweisschild mit dem stilisierten Zelt. Diesmal geht es weit hinein in die Wälder bis sich die Tore des Camps zeigen. Verwundert stelle ich fest, dass die Mücken die ältere Dame an der Rezeption meiden, während mich binnen kurzem ein ganzer Schwarm einhüllt. Es kann nicht an der von Wind und Wetter gegerbten Haut der Frau liegen. Also frage ich nach der vermutlich sehr geheimen Rezeptur. Sogleich holt sie aus dem Regal hinter ihr ein Fläschchen, das denen für Backaromen täuschend ähnlich sieht. "Nur betupfen!", bedeutet sie mir. Das Wundermittel bleibt dennoch im Laden zurück. /,50 € bin ich nicht bereit für die paar Milliliter zu bezahlen. Trotzdem bietet mir die Dame freundlich die Sauna an. Unverzüglich würde man diese beheizen, so dass wir in etwa zwei Stunden rein könnten. Vorsichtig frage ich nach: "Rauchsauna?" "Natürlich, typisch finnisch", lacht sie. Ich lehne ab und wie ich ihre Enttäuschung bemerke, winde ich mich mit einem "vielleicht morgen" vorsichtig heraus. 
 Die Stellplätze im Wald sind fürs Mobil zu eng. So geht es über den kurzen, steilen Weg hinunter an den See. Die Abendsonne lässt die Wasserfläche in mildem Licht glitzern und blinken. Vielleicht noch eine Runde im See schwimmen? Immerhin beträgt die Lufttemperatur immer noch 23°. Wenn wir es nicht besser wüssten, würden uns die dick vermummten Gestalten vor den Zelten komisch vorkommen. So weiß man jedoch schon Bescheid über die Killer der Idylle. Die Mücken sind die Störenfriede. Also schnell raus und Stromkabel anschließen. Natürlich unter dem Schutz des Imkerhutes. Leichtsinnig bin jedoch in der kurzen Hose und im T-Shirt unterwegs. Die Blutsauger kennen kein Pardon und stürzen sich gnadenlos auf mich. 
 damit ist es nichts mit dem Dämmerschoppen im Freien. Stattdessen gibt es Abendessen im Mobil mit ungestörtem Blick auf den See. Weil die Nächte ja immer noch sehr hell sind und sich das Rollo vor dem großen Fenster verklemmt hat, schlafe ich schlecht. Irgendwann raffe ich mich dann auf um die Fotos auf den Laptop zu überspielen. So scheint im Mobil nur das fahle Licht des Bildschirms. Draussen bewegt sich plötzlich was. Zwei Rentiere streifen vom See herauf durch den Zeltplatz. Neugierig beschnuppern sie das Zelt der Rostocker Motorradfahrer, die hinterm Mobil campieren. Die durch einen Windhauch flatternde Plane erschreckt die Tiere und sie stieben davon ins angrenzende Unterholz.

Petkula 1.jpg
Am morgen liegt die Mückenbrut scheinbar noch satt in den Federn. Frühstück im Freien unter Vogelgezwitscher und in wohlig wärmender Sonne. Da ist sogar noch eine kleine Fotopirsch am Strand entlang drin bevor ich mich zur Dusche begebe. Dort haben sie sich versammelt, die Plagegeister des Abends. "Sieben auf einen Streich" ist nichts gegen meinen Rachefeldzug mit dem nassen Handtuch. Wie ich mich dann zufrieden vor unserer Haustüre niederlasse, meldet sich ein neuer Störenfried an. "Rentierbremsen!" Während sich die heimischen Artgenossen niederlassen und sich eine genehme Einstichstelle suchen, stechen diese Biester bereits im Anflug zu. Mir scheint, dass sie die Beine erst aufsetzen, wenn das Blut bereits fließt. Und das fließt heftig! Sofort bildet sich ein großer, roter Tropfen auf der Haut. was mich besonders ärgert ist, dass die Chancengleichheit nicht mehr gewahrt ist. es gibt keine Möglichkeit vor dem Angriff zurück zu schlagen. Meine Frau trifft es besonders hart. Den Stich setzt die Bremse ins Augenlid und das Auge schwillt binnen kürzester Zeit komplett zu. Die Konsequenz ist natürlich die sofortige Abreise.

102 Petkula - Lentira mit fertig.jpg 
 Nach nur wenigen Kilometern treffen wir in Sodankylä ein. Wieder eine Gemeinde die uns Deutsche mit ihren Einwohnerzahlen und ihrer Ausdehnung zum staunen bringt. Über 100 Kilometer erstreckt sich das Gemeindegebiet in Nord-Südrichtung und gar 170 Kilometer in Ost-West Ausdehnung. Dabei kommt die Kommune gerade mal auf gut 8500 Einwohner. Von denen leben im Hauptort und in dessen unmittelbarer Umgebung 5700 Menschen. Wobei "unmittelbare Umgebung" im Finnischen eine ganz eigene Bedeutung hat. Dicht besiedelt scheint es hier nicht zu sein.
 Uns führt aber etwas anderes her. Die Neugier hat der Pfarrerssohn in der alten Holzkirche geweckt. Nachdem vor Gott alle Menschen gleich sind, - nur scheinbar manche etwas gleicher, war es in hiesigen Gefilden Brauch, dass sich die Honoratioren unter dem Kirchenboden bestatten ließen. Dieser Vorzug wurde auch des Pfarrers Buben zuteil, als jener noch im Kindesalter verstarb. Das ist natürlich schon lange her und die Leiche soll sich mumifiziert haben. Das Besondere daran ist, dass die Mumie durch die Ritzen des Kirchenbodens zu sehen sein soll. 
 Freilich ist es nicht nur die Mumie, die zum Verweilen Anlass gibt. Das Kirchlein selbst stellt alleine durch sein Alter die Attraktion des Ortes dar. 1689 erbaut, soll das finnische Kiefernholz noch nie erneuert worden sein. Ob das nun an der Festigkeit des Holzes der langsam wachsenden Bäume liegt, oder weil es den Schädlingen hier zu kalt ist, weiß ich nicht. Anschauen lohnt sich allemal.

Alte Kirche Westseite.jpg

Wie hier meist üblich sitzt eine Dame der Kirchengemeinde am Eingang. Diesmal sind sie sogar zu zweit. Zwei Mädchen, offenbar Kunststudentinnen geben gerne Auskunft. Verstanden haben wir das Angebot in bestimmt lupenreinem Finnisch nicht, aber die Verständigung klappt ohne Weiteres mit "Händen und Füßen". Erst inspiziert man das Kircheninnere sowieso auf eigene Faust. Viel gibt es darüber nicht zu berichten. Die Ausstattung ist selbstverständlich komplett aus nordischem Holz und scheint teilweise erneuert zu sein. Zumindest von einem Teil bin ich überzeugt dass dieses neu ist, denn mit Spanplatten haben die Zimmerer im 17. Jahrhundert vermutlich nicht gearbeitet.

Altar.jpg
Altarbild.jpg
Empore.jpg
Einziger Schmuck neben dem lebendigen Holzinterieur ist das Altarbild von Petter Bergström. Es ist nicht sehr groß und zeigt das Abendmahl. Geschaffen wurde es im Jahre 1739. Ich muss gestehen, dass mir der Maler Bergström bislang gänzlich unbekannt war. 
 Zwischendurch lugen wir immer wieder verstohlen durch die Spalten der Bodendielen. Leise, um die Damen im Vorraum nicht aufmerksam zu machen, raune ich Traudl zu: "Eine Taschenlampe wäre jetzt praktisch!" Als Antwort tippt sie sich mit dem Finger vielsagend an die Stirn. "Vergiss nicht, das ist eine Kirche!"  
 Also frage ich die zwei Mädchen nach der Mumie. Leider haben sie davon noch nie etwas gehört und mit meinem angelesenen Wissen so gar nicht vertraut. Mir kommen Zweifel, ob ich in meinem Forscherdrang nicht einer Sage aufgesessen bin.
 Draußen im Freien kann ich wenigstens meiner Leidenschaft frönen. Friedhöfe! Was ist das hier für ein Gottesacker im lichten Wald, über dem Hochufer des Kitinen Flusses. So schön, dass ich mich am liebsten gleich hineinlegen möchte. Gut, der lange Winter am Polarkreis ließe einen wohl etwas frösteln. Und dann noch dazu ich, der ich die Kälte so gar nicht mag. 

Friedhof.jpg
Nun denn, noch bin ich lebendig genug um zwischen den Grabstellen herum zu laufen. Oft sind mehrere einzeln eingefasste Gräber nochmals mit einer bis zu 20 Meter langen Umrandung umschlossen. Die wird vermutlich die Zugehörigkeit zur Sippe demonstrieren. So tritt auch das Schicksalhafte des Ortes zu Tage. 
 Am Parkplatz vorbei geht's zur neuen Kirche. Sofort faszinieren mich die Stromsäulen an jeder Parkbucht. Sie dienen dazu im Winter die Automotoren auf Temperatur zu halten. An den Supermärkten sind die Steckdosen immer frei zugänglich, jedoch hier, am Hort der Nächstenliebe ist jeder Anschluss akribisch versperrt.
 Die neue Kirche ist nicht super modern, nicht hässlich aber auch kein besonders sehenswertes Kleinod.

neue Kirche.jpg
Hingegen weltberühmt in Forscherkreisen ist die hier errichtete Geophysikalische Forschungsstation der Universität Olulu. bekannt auch durch den Namen ICECAT. Ob eine Besichtigung möglich ist, lässt sich nicht erforschen und so tingelt die Mobilbesatzung neuen Zielen entgegen. 
 Südlich von Sodankylä suchen die Räder den Weg immer am Kitinenjoki entlang. Es sind kleine Nebenstraßen die zum Pyhätunturi führen. Für uns ist die Amethyst-Mine in den Flanken des Berges das Ziel der Begierde. 
 Vorher verwirren den mitteleuropäischen Fahrzeuglenker jedoch eigenartige Verkehrsschilder. Sollte da etwa ein Motorschlitten Vorfahrt haben?

Verkehrszeichen.jpg
Dann tauchen urige Blockhäuser zwischen den vom langen Winter und Schneedruck geformten Fichten auf. Immer wieder blitzen die Wasser vom Pyhäjärvi zwischen den Bäumen auf. Es ist einfach ein Traum an Natur, der sich uns präsentiert. Kein Wunder, dass das Areal als Pyhä-Lusto-Nationalpark geschützt ist. Es ist, so meine ich gelesen zu haben, der kleinste finnische Nationalpark. Nur verwundert dabei etwas die touristische Erschließung um den Berg herum. Sie zielt natürlich zum großen Teil auf den Wintersport ab. Dafür erscheinen die Schneisen für die Schnee-Scooter-Pisten, Loipen und Skilifte jetzt im Sommer als hässliche Narben in der Natur. Vielleicht auch, weil es so aussieht, wie wenn die Wege neu angelegt wären. Dagegen verschwinden die Blockhäuser mit ihren alten, verwitterten Stämmen fast unsichtbar im Wald. 

Hütte.jpg
Hütte mit See.jpg
Der schattige Wanderer Parkplatz lädt gleich zur Mittagsrast ein. Hinterm Auto plätschert ein kleines Bächlein dem See entgegen und nur ganz oben am Parkplatz steht der verlassene PKW des vorhin abmarschierenden Wanderer Pärchens.
 Direkt idyllisch, wenn nicht die brütende, schwüle Hitze wäre. bestimmt misst man an die 30 Grad. Und noch eines stört das Bild. Die Abraumhalden hinter den Bäumen. Soll man sich die Wanderung zu den Minen unter diesen Bedingungen antun? Vielleicht die Räder den grobsteinigen Weg den Berg hinauf schieben um nach der Besichtigung flott zu Tal sausen zu können? Wer weiß, vielleicht ist die ganze Strecke gar nicht befahrbar? Natürlich spielen in die Überlegungen auch noch die Erfahrungen aus Tankavara mit hinein. Schließlich siegt dann doch die Bequemlichkeit. Wir lassen das Edelsteinschürfen  und und genießen lieber die ursprüngliche Natur auf der weiteren Tour. 
 Als die kleine Nebenstraße auf die Europastraße 63 trifft ist es vorbei mit der Beschaulichkeit. Man ertappt sich dabei, bereits finnische Verhältnisse verinnerlicht zu haben. Hie und da mal ein entgegenkommendes Auto nennt sich schon "quirliger Verkehr". Das "Quirlige" gibt sich jedoch gleich wieder hinter Kemijärvi. Wir schwenken ostwärts ab um ins wahre Herz Finnlands vorzudringen. 
Karelien heißt das Schlagwort. Den Weg weist die gut ausgeschilderte Via Karelia.

Via.jpg
der Ausdruck hört sich alt und ein wenig römisch an, hat jedoch mit beidem nichts zu tun sondern ist eine rein touristische Erfindung. 

Karelien ganze Seite.jpg
Diese Via Karelia ist immer noch Europastraße und so stark frequentiert, dass öfters Rentiere die Fahrbahn mit benutzen und sie manches mal auch zur Lagerstätte umfunktionieren. Das unendliche Gewirr aus Seen und Wäldern scheint kein Ende zu nehmen. 

Ren im See.JPG
gerade Straße Via.JPG
Herde am Straßenrand.JPG
herde auf der Straße.JPG

Fremdenverkehrsorte mit modernen Hotelanlagen wie in Ruka, das auch gleich noch mit einer großen Sprungschanze aufwartet, liegen genauso am Weg wie das aus dem Fernsehen bekannte Kuusamo, unter dessen Namen die Wintersportorte eines 40 qkm großen Gebietes firmieren. 

Ruka.JPG
 Wie alle Ansiedlungen diese Ansiedlungen, die sich dem Skisport verschrieben haben, bieten auch die Finnischen im Sommer einen eher trostlosen Anblick. Zwar beginnt in dieser Gegend das große Wandergebiet, doch es schaut so aus als sei nicht viel los mit der Wanderschaft. 
 Wir möchten es aber noch ein wenig rustikaler. Hinter Kuusamo noch einmal links ab und hinein in den Grenzschatten zu Russland. Das ist des Finnen wahres Wanderparadies. Da wird die mehrtägige Tour am Bärenpfad angepriesen. Das ganz zu Recht, denn sie leben noch in diesem Landstrich, die Braunbären.
 Von Bär, Wolf, Luchs und Vielfraß ist nichts zu sehen - aber Schwammerl. Birkenpilze stehen zu Hauf am Straßenrand.
 Kurze Verschnaufpause in der Zivilisation der Stadt Soumussalmi. Außer Zweckbauten gibt es nicht viel zu sehen, aber unsere Pferdchen müssen zur Tränke.  
 Nach der etwas makabren Attraktion des Umlandes steht uns der Sinn nicht. Zwar weist der Führer die Panzersperren, Bunker und Schützengräben des Winterkrieges als Sehenswürdigkeit aus, aber dahinter stehen auch die Zahl der Gefallenen und Hinterbliebenen, unendliches Leid und wirtschaftliche Armut. Da hilft es auch nichts dass Finnland mit Stolz der Schlachten gedenkt in denen sie die Truppen Stalins gestoppt haben. 
 Irgendwo in der Gegend um Lentira verfranze ich mich. Das passiert immer, wenn ich den Anweisungen meiner Beifahrerin nicht Folge leiste. Traudl ist eine begnadete Kartenleserin und navigiert auf den Meter genau. Da hat sie schon früher, wie wir noch motorsportlich bei kleinen Rallys und Orientierungsfahrten unterwegs waren manche Aufgabe bravourös gelöst. Aber ab und zu vertraue ich eben meiner Intuition und meist geht das schief. So kurvt und rangiert das Mobil jetzt im einsetzenden Regen auf Feld- Waldwegen herum bis sich die richtige Abzweigung findet. 
 Plötzlich bricht eine junge Elchkuh aus dem verwachsenen Seitenweg hervor. Vollbremsung! Das scheppern des Geschirrs hinter uns im Wohnraum lässt nichts Gutes ahnen. In dem Moment rast mit Karacho ein PKW aus dem Gestrüpp und hinter dem Elch her. Der Fall ist klar! Da will sich ein Wildere mit Elchfleisch versorgen. Die Aufregung um diese Ungeheuerlichkeit lässt uns sogar eventuell zerdepperte Teller und Tassen vergessen. 
 Wie sich der Wald zu einer Lichtung öffnet, gibt er den Blick auf den Campingplatz frei. Weite Wiesen, hoch über dem sich seeartig ausbreitenden Flusses mit wenigen Bauten des Camper Areals. Wenn die Sonne schiene, bestimmt eine Augenweide. 
 Die Rezeption im alten gemütlichen Holzambiente wirkt vertraut und unterstreicht die Freundlichkeit der Platzbetreiber. Leider klappt es mit der Verständigung nicht so toll. Die Leute sprechen nur finnisch. Zwei Schweizer, seit Tagen auf Tour mit dem Kanu, versuchen zu dolmetschen. Leider wird deren finnisches Kauderwelsch auch nicht verstanden. Aber wie üblich, kommen wir schon zusammen. Hände und Füße helfen bei der angeregten Unterhaltung. 
 Die Stellplatzwiese für Durchreisende ist leer, so ist es schwierig das passende Fleckchen zu finden. Wie einfach ist doch diese Prozedur wenn nur noch ein oder zwei Parzellen frei sind. Schließlich gelingt die schwierige Entscheidung doch. Es ist noch Zeit, bis das Menü bereitet ist. So schlüpfe ich eilends hinaus um auf Entdeckungstour zu gehen. Nebenbei kommt es mir nicht ungelegen dass damit mein Part als Küchenhilfe flach fällt. 

Lentira 3.JPG
Einfach traumhaft der Blick hinunter zum Wasser und das selbst jetzt bei leichtem Nieselregen. Nur unser täglich Nass lässt sich nicht finden. Denn eigentlich wollte ich nicht nur die Natur erkunden, sondern auch nach Duschen und Toiletten Ausschau halten. 
 Also noch einmal zurück zur Anmeldung. Die beiden Schweizer sitzen immer noch hier. Sie paddelten unverdrossen tagelang im Regen durch ansonsten unvergleichlich schöne Kanureviere. Das das nicht die reine Freude ist mit Kanu und Zelt kann ich mir gut vorstellen. Wie sie den Campingplatz am Ufer sahen, haben sie, durchnässt und durchgefroren sofort die Chance beim Schopf gepackt. Nun will das Pärchen ein- zwei Tage in einer der Hütten logieren, bis die Reisefähigkeit wieder hergestellt ist. 
 Mich begleitet der freundliche Herr vom Camp zum Mobil und zeigt mir unterwegs den langgestreckten Bau mit moderner Sauna, Ruheterrassen und Treppe zum Fluss hinunter. Sauna ist eben des Finnen besonderer Stolz. 
 Schließlich findet sich auch der Sanitärbau ein. Direkt gegenüber des Wohnmobiles habe ich es in seiner urigen Außenansicht für ein Wochenendhaus gehalten. 
 Nach dem Abendessen geht es noch einmal auf Fotopirsch. Der Elch, der gerade majestätisch seine triefenden Schaufeln aus dem Wasser hebt kommt nicht. Dafür der nächste Regenschauer, der mich schnell ins Auto und ins wohlig warme Bett treibt. 
 Der Morgen grüßt mit stahlblauem Himmel und mit Kälte. Da tut die heiße Dusche gut um den kurzen Weg ins traute Heim und zu duftendem Kaffee zu schaffen.
 Schnell noch die weitere Route abgesteckt, die uns immer hart an der russischen Grenze nach Süden führt. Inzwischen liegt der Polarkreis wieder einmal hinter uns. Obwohl die Finnen den gut nachbarlichen Grenzverkehr  mit den Russen pflegen, ist hier nicht viel los. Und genau diese Ruhe suchen wir.

103 Lentira - Imatra fertig.jpg Als nächster Fixpunkt steht die Besichtigung des Bomba Hauses in Nurmes an. Ein "Muss" für den Finnlandreisenden, der karelische Kultur kennen lernen möchte. So habe ich das gelesen. 
 Ein Herr Jegor Bomba lebte im russischen Teil Kareliens mit seiner 24 köpfigen Familie und den Tieren in diesem 25 Zimmer Haus. Er ließ das Gebäude 1934 abbauen und in Finnland am Pielinen See wieder errichten. Drumherum entstand ein ursprüngliches karelisches Dorf, das 1978 fertig gestellt wurde. Wir erwarten wegen der Begeisterung der Finnen für den Ort ein Freilichtmuseum mit Kunst und Kultur des Landstrichs. Die Eisverkäufer und Andenkenstände gehören natürlich dazu, zu so einem Touri-Zentrum. Das lässt sich tolerieren.
 Am Bomba Haus selbst angekommen folgt die Ernüchterung. Die meiste Fläche nehmen Restaurants ein, die sich sogar in die Ausstellungsräume hinein erstrecken. Das war es dann wohl mit Kunst und Kultur. Auf den Anschlagtafeln bieten Prospekte noch Strick- und Tanzkurse im Heimatlook an. Langsam dämmert es auch mir. Das Dorf ist ein Hotelbetrieb. Die kleinen Häuschen sind zusätzliche Hotelunterkünfte und das Haupthaus mit den Annehmlichkeiten von Wellnessoase und Schwimmbad ist ein wenig hinter Bäumen versteckt. Nur von außen ist alles karelisch. 

Bomba kompl..JPG
 Also Abmarsch und wieder rein in die Wälder. Leichter gesagt, wie getan. Die 9000 Einwohner Stadt Nurmes, die Zar Alexander der II. 1876 gegründet hat, verwirrt uns etwas. So erwischt man den richtigen Weg nicht und findet sich auf einer kleinen, von Birken gesäumten Schotterstraße wieder.   

Rain.JPG         
             
So lasse ich mir verirren und Umwege gefallen. Breite Lupinenstreifen begleiten den Wegrand in bunten Farben. Das Licht der Sonne spielt durch die Blätter der Bäume fallend in Kringeln auf dem Schotter. Nur der Bauernhof in Wellblech- und Bretteroptik stört etwas.
 Langsam, suchend dahinrollend, findet sich Hilfe beim entgegen kommenden Radfahrer. Bereitwillig und freundlich erklärt er den Weg zur Hauptstraße, bevor er wieder in die Pedale tritt. Nach kurzer Strecke hat uns die Reichsstraße 75 wieder und wartet sogleich mit dem passenden Parkplatz am kleinen See für die Mittagsrast auf. 
 Richtig liebevoll und aufwändig hergerichtet ist der Rastplatz mit großer Brotzeithütte und nebenan im gleichen Blockhausstil das Häuschen für die Toiletten. 

Parkplatz Blockhaus.JPG
Leider scheint es auch hier im Norden Mode zu sein, dass Schmierfinken mit Sprühdosen meinen, sich verewigen zu müssen. Dabei weist das Hinweisschild allgemein verständlich auf das richtige Verhalten am Parkplatz hin - meine ich jedenfalls.

PP Schild.JPG
Daneben führen die Reisenden wenige Stufen an das stille Seeufer hinunter. Da läßt sich gut vespern bevor zum Aufbruch geblasen wird. 
 In Lieksa dreht der Kurs dann noch einmal auf Ost. Wieder hinein in die pure Natur. Den Genuss der Fahrt stört nur das dauernde scheppern des Geschirrs. Die Straße ist inzwischen zur schlechten Piste verkommen. Mit teilweise grobem Schotter unter den Rädern sind oft nicht mehr wie 20 km/h drin. Eigentlich macht das alles aber nichts. Schließlich kommt man auch langsam ans Ziel. Die Sonne scheint, die Luft ist lau und mir kommt der Spruch in den Sinn: "Besser schlecht gefahren, wie gut gegangen!" Nur selten kommt ein Auto entgegen. Sie tragen jetzt oft russische Nummernschilder. 
 Natürlich kostet der langsame Trott Zeit und wir haben ordentlich Verspätung wie wir unterhalb der orthodoxen Kirche von Ilomantsi in den Parkplatz rangieren. 
 Da sieht man, dass man auch als unabhängiger Wohnmobiltourist Zeitdruck haben kann. Besser gesagt, man macht sich den Druck selbst, denn um 18:00 Uhr schließt das Gotteshaus und es ist jetzt 18:15 Uhr. Nun pressiert es nicht mehr.

Kirche ilomantsi.JPG
Kartoffel.JPG
Langsam schlendert man an den Gemüse- und Blumenbeeten vorbei den Kirchhügel hinauf. Eine Runde um den Sakralbau und natürlich an der Kirchentür gerüttelt. Es könnte ja aus irgendeinem Grund noch offen sein. Zudem kommen immer wieder Leute und genießen die Abendsonne auf den Bänken im weiten Rund. Ich begutachte inzwischen fachmännisch die kleinen Kartoffeläcker und die dahinter liegenden Bauernhöfe, ehe wir zum Mobil zurück schlendern.
 Was tun? Am Parkplatz übernachten und früh morgens in die Kirche oder weiterreisen? Erst einmal die Reiseführer wälzen, ob diese etwas hergeben über die Ausstattung der Kirche. Noch einmal alles Für und Wieder abwägen, um sich dann doch für die Weiterfahrt zu entscheiden. 
 Joensuu, die Hauptstadt der Region ist nicht mehr fern. So planen wir dort zu übernachten und dann die 75 000 Einwohner Metropole zu erforschen. Holzhandel en gros ist der treibende Wirtschaftsfaktor. Das zeigt sich schon bei der Anfahrt. Holzflöße auf dem Fluss, so groß wie Inseln und an den Ufern Berge von Stammholz aufgeschichtet. Dabei ist Joensuu Universitätsstadt und das angesagte, karelische Zentrum für Kunst, Musik und Kultur.
 Uns interessiert jedoch erst einmal der Campingplatz. Die Anfahrt gestaltet sich schwierig. Das Stadion neben dem Platz hat für ein Rockkonzert die Tore geöffnet. Die jungen Leute strömen in Scharen dorthin. Musik aus Lautsprechern beschallt das Stadtviertel in immenser Lautstärke. Jugendliche liegen sturzbetrunken oder zugekifft zur Hälfte auf dem Gehsteig und zur Hälfte auf der Straße. Die, die noch ins Konzert wollen steigen achtlos über die Leiber hinweg. Das scheint Normalzustand zu sein. Niemand kümmert sich. Weit und breit kein Sanitäter oder anderes Hilfspersonal zu sehen. Manche übergeben sich oder sitzen stieren Blickes, bleich wie die Wand an der Gehsteigkante. Vorsichtig umkurven die Räder Beine, Köpfe und Körper. Wir sind schockiert. Hilfe leisten für einen Einzelnen scheint bei der Menge abgestürzter Individuen unmöglich. Am Zufahrtsweg zum Campingplatz bietet sich Gelegenheit zum Wenden. 
 beraten müssen wir uns nicht. Der Lärm mit seinen hämmernden Bässen, der sich Musik nennt, läßt bestimmt die ganze Nacht nicht nach. Am Platz stehen sicherlich viele Wohnwägen und Zelte der Konzertbesucher. Da braucht es nicht viel Phantasie um sich vorzustellen, wie es um die Nachtruhe bestellt sein wird und was am nächsten Tag geboten ist. Nein Danke! Nur noch flüchten ist unser Motto. 
 Das Glück ist uns hold. Knappe 40 Kilometer außerhalb findet sich eine ruhige Bleibe. Im Schilf, direkt am Seeufer wird eingeparkt. Ruhe kehrt ein.

Joenesuu Camp.JPG
Vogelgezwitscher weckt am Morgen den Langschläfer. Kaffeeduft umschmeichelt seine Nase. So läßt sich's leben. Schnell streicht man Joensuu vom Routenplan. Noch einmal zurück in die Nachwehen der gestrigen Veranstaltung, das wollen wir nicht 

103 Lentira - Imatra fertig.jpg Zudem gibt es Kultur im Überfluss ganz in der Nähe. Nur in etwa 10 Kilometer Entfernung befindet sich Uusi Valamo, ein orthodoxes Kloster. Ungewöhnlich ist der Umstand, dass es das einzige othodoxe Männerkloster in Finnland ist und genauso exotisch dürfte seine Entstehung sein. Ursprünglich war das Kloster Valamo auf einer Insel im russischen Ladogasee beheimatet. Sein Ursprung geht bis ins 8. Jahrhundert zurück. 
 Nachdem große finnische Gebiete nach dem Winterkrieg 1940  an Russland fielen und damit auch der Ladogasee, flüchteten die Mönche nach Finnland. Retten konnten sie nicht viel. Das einzige Relikt das sie mitbrachten, ist eine Marien-Ikone aus der alten Kirche. 
 Es gelang der Bruderschaft hier, auf dem Areal eines alten Gutshofes die erste, kleine kleine Kirche zu bauen und damit Uusi Valamo, also Neu Valamo zu gründen. Den Traditionen stark verbunden behielten die Mönche ihre russische Sprache um erst 1977 auf Finnisch umzuschwenken. Immerhin zählt der orthodoxe Glaube in Finnland 60 000 Mitglieder, die bis dahin für das Kloster nicht erreichbar waren. Vermutlich ist die Sprachbarriere der Grund dafür, dass das Kloster fast ausgestorben wäre und erst in den letzten Jahrzehnten wieder Zulauf von meist finnischen Novizen bekommt. 
 Inzwischen ist eine neue Kirche gebaut und klösterliche Betriebsamkeit eingekehrt die auch Ausgaben verursacht. Dass die Bruderschaft zum Erhalt der Anlage Geld verdienen möchte und auch kann, stellt sie vielfältig und geschäftstüchtig unter Beweis. Gästehaus nebst Restaurant verwöhnen die Reisenden, die dann gerne die Sauna am See zur Erfrischung und die Klosterbibliothek zur Erbauung nutzen dürfen. Für Bildung sorgt die hier beheimatete Volkshochschule. Die wartet, vermutlich wegen der Weitläufigkeit Kareliens mit einem angeschlossenen, kleinen Hotel auf. 
 Im Souvenirshop können sich Besucher mit Andenken und Geschenken eindecken. Sehr gefragt bei den Touristen die Ikonen, die praktischerweise gleich nebenan in der Ikonenwerkstatt gefertigt werden.
Ein kleiner Nachteil ist die Anreise mit dem Auto. Denn zum See hin entfalten die goldenen Kuppeln und weiß getünchten Mauern so richtig ihren strahlenden Glanz. Vielleicht hingen die Mönche damals bei ihrer Suche nach der geeigneten Örtlichkeit der verlorenen Inselheimat nach, denn bei der Schiffsanreise meint man schon eine Insel anzusteuern. 
 Wir hingegen kommen auf dem Landweg und "ankern" am Parkplatz. An Ort und Stelle nimmt man uns im Kassenhäuschen den Obulus für die Eintrittskarten ab. Dafür wandert der kleine Orientierungsplan in die Tasche der Windjacke. Unbedingt sollen wir die Tannenallee hinaufgehen, rät die Kassendame, denn diese sei etwas ganz Besonderes. Weil Tannen in Finnland eventuell selten sind, man in Bayern jedoch ab und an Tannen zu sehen bekommt, lustwandeln wir den kleinen Fußweg, sozusagen hinten rum, auf den Klosterhügel. 

Alte Kirche.JPG
Kirche.JPG
wegen unseres eigenen Weges fasziniert uns als Erstes der Kinderspielplatz, dessen Figuren nicht verhehlen können, dass sie selbst gefertigt und eher naiver Kunst entsprungen sind. Für Kinder allerdings bestimmt der Hit. 
Dann rüber zur alten Kirche. Da ist es ziemlich leer drinnen. Weil gerade Abt und Mönche gestenreich diskutieren, trödelt man weiter, am Cafe "Laffka" vorbei, der neuen Kirche zu. Das Kulturzentrum nebenan mit Ausstellungen zur Klostergeschichte, mit der Konservierungsanstalt für Ikonen und für andere Kunstwerke sowie der Bibliothek hat sonntags geschlossen. Und heute ist natürlich Sonntag.
 Kaum kommt die Sonne ein wenig hinter den Wolken hervor blitzen die Kirchenkuppeln gleißend auf. Doch was ist das? Es ist nicht alles Gold was glänzt - sagt man und bei näherer Betrachtung wird aus dem beschriebenen Kuppelgold schnödes Kupferblech, allerdings blank poliert. Das macht uns selbstverständlich nichts aus.
 Wichtiger ist, dass die Beschreibung des Führers über die Ausstattung der Kircheninnenräume nicht zu viel versprochen hat. Es gibt orthodoxe Kunst im Überfluss. In einem kleinen Seitenraum, der sogenannten Winterkirche, ist die bei der Flucht gerettete Ikone der Muttergottes von Konevitsa ausgestellt. Sie stellt heute den größten Schatz der orthodoxen Kirche Finnlands dar und soll wundertätig wirken. 

Ki innen 1.JPG
2 Ikonen.JPG
Winterkirche.JPG
Seitenkirche.JPG
Nach der ehrfürchtigen Betrachtung des Gotteshauses führen die Schritte hinüber zum Souvenirshop. 
 Ikonen, vermutlich aller Heiligen in allen erdenklichen Größen erwarten das kauffreudige Publikum. daneben kunstvolle Schmuckeier und Matrjoschkas in vielfältigen Variationen. Sammeltassen, Gläser mit Madonnen oder dem Bild des Klosters. Steine gegen Wehwehchen aller Art. Die Dinge die es überall gibt werden selbstverständlich auch hier angeboten. Die Nonnen aus dem Kloster am anderen Ufer des Sees sind auch nicht vergessen und deren handgezogenen Kerzen stehen auch zum Verkauf.
 Wen wundert es, dass besonders künstlerische Kerzen, Schmuckeier und kleine Ikonen mit uns weiterreisen dürfen. 
 Wieder eintauchen in in die Wälder- und Seenlandschaft auf unendlich langen, geraden Verbindungsstraßen. 
 In Savonlinna komme ich mir schnell heimisch vor. Vielleicht habe ich tatsächlich beim Einordnen auf der mehrspurigen Straße geschnitten oder behindert. Bemerkt habe ich es jedenfalls nicht. Die Suche nach dem Weg zur Wasserburg fordert meine volle Konzentration. Plötzlich schert kurz vor dem Wohnmobil ein alter Benz ein und zwingt mich zur Vollbremsung. Der Fahrer dreht sich um und zeigt mir mit hochrotem Kopf den "Stinkefinger". Dann schießt er davon, um die Aktion gleich noch einmal zu praktizieren. "Vielleicht ein Münchner in Finnland", raune ich Traudl zu, bevor der öffentliche Parkplatz gefunden ist. "ist alles zugesperrt - und hast du den Kühlschrank umgeschaltet?", frägt meine Frau mich ab. Gerade melde ich "alles klar!", wie der Stinkefingerfreund über den Parkplatz marschiert. Wie er das Mobil sieht dreht er völlig unschuldig ab und verschwindet eiligen Schrittes über die Straße hinweg. Dabei hätte ich gerne ein paar Worte mit ihm gewechselt. Jetzt ist es an mir, den roten Kopf zu haben. "Feigling!", denke ich mir noch, bevor wir hinunterschlendern ans Seeufer.  

Savonlinna Burg.JPG
Da liegt sie, massig hingestreckt im See, die Burg Olavinlinna. Die kurze Brücke ist der einzige Zugang und hat die Anlage Jahrhunderte lang geschützt. Sie hat eine bewegte Geschichte hinter sich. War mal russisch, mal schwedisch, schließlich wurde sie Gefängnis und zuletzt Opernhaus. Regelmäßig finden jetzt jährliche Opernfestspiele statt. Räume und Kapelle können für Veranstaltungen und Hochzeiten gemietet werden. Es ist wieder Leben in den alten Mauern. Für uns ein wenig zu viel davon. Es ist Opernzeit und die Besucher versuchen einen Blick in den Hof zu erhaschen, obwohl dort noch gar nichts los ist. Die Kasse für die russische Ikonenausstellung ist vom Schwarm japanischer Bustouristen dicht belagert. Wir drehen schließlich ab um noch gemütlich am Seeufer entlang zu spazieren und die Stimmung zu genießen. Inzwischen treffen die ersten Operngäste ein und damit fällt eine Umkehr in die Burg und zur Ausstellung flach. 
 Nächste Anlaufstelle soll Keremäki sein. Dort steht die größte Holzkirche der Welt. Es ist wieder nur ein Katzensprung von 17 Kilometern dorthin. Die Scheibenwischer beseitigen in langsamem Takt feine Tröpfchen beginnenden Regens. Inzwischen sind wir das finnische Wetter gewöhnt. Man kann sich darauf verlassen. Täglich 2 Stunden heftiger Regen wechselt sich zuverlässig mit blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein ab. In Keremäki haben wir ihn, den wolkenbruchartigen Niederschlag. "Selten ein Schaden, bei dem kein Nutzen dabei ist", meine ich zu Traudl hingewandt. "So ist wenigstens noch eine Parklücke nahe der Kirche frei". Bis der Regen abgeklungen ist, hält man verspätete Mittagsrast. Es hat schon was gemütliches, wenn das Essen am Herd kocht und der Regen aufs Blechdach trommelt. Dazu kommt die Ruhe der Unabhängigkeit. Wenn es mit dem Wetter nichts wird, bleibt man eben an Ort und Stelle über Nacht. 
 Wie erwartet lässt der Regen schnell nach und es gilt die Gegend zu erkunden. Der sakrale Bau ist gewaltig. 5000 Gläubige finden darin Platz. Davon stehen für 3500 Menschen Sitzplätze zur Verfügung. Natürlich ranken sich viele Geschichten um die Größe. 
 Es heißt zwar, dass das Einzugsgebiet der Pfarrei um 1847, zur Zeit der Fertigstellung, riesig gewesen ist und der Pfarrer allen seinen Schäfchen die Gelegenheit bieten wollte, gemeinsam die Messe zu feiern. 
 Schöner ist jedoch eine andere Version. Nach der hat der Baumeister den Plan in Fuß berechnet und bemaßt. Die finnischen Handwerker und Helfer bauten dann aber nicht in Fuß sondern in Metern. Wer weiß zu sagen was wirklich an Wahrheit dahinter steckt. Erst einmal rundherum um wenigstens gute Fotos zu schießen, die das "Kolossale" richtig zur Geltung bringen. das Teil ist einfach zu groß. Also hinein und drinnen ein bisschen staunen. Das klappt aber auch nicht, denn die Türen sind versperrt. Bestimmt gäbe der angeschlagene Zettel Auskunft, wenn, ja wenn er nicht in finnisch verfasst wäre. 

Kirche.JPG
Turm.JPG
Nun denn, frisch rüber zum Turm. Von dort schreit ein knalliges Plakat "Sovenirs" herüber. In meinem besten Englisch, ich weiß dass es eher dürftig ist, versuche ich nachzufragen. Das Mädchen, das ich wohl beim Schäkern mit ihrem Freund gestört habe, lächelt mich und frägt ob ich nicht eine Fremdsprache, wie zum Beispiel Englisch könne. "Du Biest!", denk ich mir. Da entdecke ich ein Plakat auf dem zu lesen steht, dass eben ein Konzert in der Kirche stattfindet und dieses noch an die zwei Stunden dauern soll. So suchen wir Ansichtskarten aus und wie es ans Zahlen geht versteht das "Biest" plötzlich mein Englisch sehr gut. Weil ihr Freund ist auch nicht mehr da ist, würde sie sich gerne mit uns unterhalte. Jetzt mag aber ich nicht mehr. 
 Auf das Konzertende warten wollen wir nicht mehr, weil der Führer beschreibt, dass die Ausstattung des riesigen Baus sehr schlicht und spartanisch ist. Wieder nimmt das Mobil den Asphalt unter die Räder. Retreti und Lusto stehen auf dem Reiseplan. Allerdings versteckt sich das Kunstmuseum, trotz mehrerer "Dorfrunden" sehr gut vor uns. Gleich tut es ihm etwas später des Zaren Jagdhütte, die inzwischen allerdings ein Hotel beherbergt. Ob das nun sehenswert ist, sei dahingestellt. Gefunden haben wir es eh nicht. 
 So wendet man sich wieder der Natur zu. Auf einer 26 Meter hohen, nur 5 Meter breiten, aber 7 Kilometer langen Kiesmoräne führt uns das Sträßchen Punkaharju zu. Immer wieder blinken rechts und links Wasserflächen durch die Blätter des dichten Laubwerks. Schön ist der Ausblick schon, aber bei uns zu Hause hätte es der Kiesbuckel wohl nicht zu einem Park der Krone gebracht. Den rief nämlich der Zar schon im Jahre 1843 aus um dieser außergewöhnlichen Naturschönheit Rechnung zu tragen.
 Allmählich reichen uns die Sehenswürdigkeiten - auch die, die wir nicht gefunden haben und tingeln weiter gemächlich die Grenze entlang. Man tangiert zwei Grenzübergänge, die mich ein wenig wehmütig stimmen. Rüber möchte ich schon gerne aber ich weiß, dass das am Visum scheitert. Also weiter in Richtung Nachtlager. Meine Co- Pilotin hat den Stadt-Campingplatz in Imatra als passend ausgespäht. 
 Bei der Anfahrt geschieht außergewöhnliches. Der zweite heftige Schauer am heutigen Tag. Der hat auch den Fuchs erwischt, der klitschnass, direkt vor uns die Stadtautobahn überquert. 
 Wie das Mobil im weitläufigen Wald-Camp den Stellplatz sucht, scheint die Sonne bereits wieder etwas zaghaft durch die Wolken. Beim Rundgang, um die nötigen Dinge für die täglichen Verrichtungen des Campers zu erforschen, stelle ich fest, dass wir hier die Exoten sind. Wenige finnische, aber viele russische Reisende bevölkern den Platz. Der kleine Grenzverkehr funktioniert scheinbar reibungslos. Wie ich mit bekomme, ist der Tourismus in der Gegend eines der Standbeine der Wirtschaft und das Geld bringen hauptsächlich Reisende aus dem nur wenige Kilometer weit entfernten Nachbarland. Wirtschaftlich scheint es dort nicht schlecht bestellt zu sein, denn es sind fast nur schwere Limousinen und Sportwägen deutscher Edelmarken mit dem "RUS" Vermerk auf dem Kennzeichen zu sehen. 
 Traumhafte Stimmung am Morgen trotz der Kühle, die die sternenklare Nacht brachte. Nebelschleier heben sich vom Waldboden und verzaubern im Gegenlicht der Sonne den Campingplatz in eine zauberhafte Feenlandschaft. 

104 Imatra - Turku mit Wimpel.jpg
Aus diesem Traum heraus wollen wir an die Ufer des wilden Mannes. Na ja, so wild wird's wohl nicht werden. Nur die Übersetzung des Stadtnamens Lappeenranta heißt auf schwedisch eben "an den Ufern des wilden Mannes". Dieser ziert auch das Stadtwappen und läuft einem des Öfteren als Blumenrabatte oder als Leckerei über den Weg. 

Wappen.JPG

Restaurantschiff.JPG
Zufällig findet sich sogar am vermutlichen Touristenhafen ein zentral gelegener Parkplatz.
Zahlreiche Restaurantschiffe ankern an der Hafenmole. Fast jede Reling zieren Geranien, Es ist so richtig gemütlich zum entlang Flanieren. Erste Grillstationen sind schon geöffnet. Es ziehen unverschämt gut nach Fisch duftende Schwaden durch um meine Nase. Natürlich schlage ich zu. Eine Tüte mit superkleinen Fischchen, etwa in der Größe von Pommes Frites, wechseln den Besitzer. Richtig knackig und rösch genieße ich diese Spezialität bis mich meine Frau darauf aufmerksam macht, dass diese kleinen Dinger vermutlich nicht ausgenommen sind. Nach der kurzen Schrecksekunde, die mich befällt denke ich mir, "haben sie vorher geschmeckt, so sind sie jetzt bestimmt nicht schlechter" und beiße drauf, dass es nur so knackt. 
 Vor uns türmt sich der Festungswall auf. Der ist über den steilen Fußweg zu erklimmen und kostet ganz schön Puste. 
 Ziemlich verworren ist die Geschichte um die Festung. Erst errichteten die Schweden zur Verteidigung ihrer Ostgrenze. Das Bollwerk muss allerdings nicht sehr stabil gewesen sein weil die Russen es 1741 innerhalb von fünf Stunden besetzten und unverzüglich dem Erdboden gleich gemacht haben. Weil sie schon dabei waren, schleiften sie gleich die ganze Stadt und Lappeenranta war fortan russisch. Nun war es an den Eroberern ihre Westgrenze mit einer Festung zu sichern. Erst als sich das russische Großfürstentum in Finnland etablierte, wurde es, wieder vereint, friedlicher in der Gegend. 
 Der Wiederaufstieg der Stadt hing eng mit dem Bau des Saimaa-Kanals zusammen. Damit war Lappeenranta auf dem Wasserweg mit St. Petersburg verbunden und stieg sogar zum internationalen Kurort auf. Auch heute liegt der wirtschaftliche Erfolg in der Nähe zu St. Petersburg begründet. Viele westliche Firmen nutzen Finnland als Umschlagplatz für den Warenverkehr nach Russland. Davon profitierte auch der "Wilde Mann".
 Wieder zu Atem gekommen wagen sich die neuen Eroberer an den Sturm der Festung. Niemand verwehrt den Zugang. Im Gegenteil, sogar äußerst freundlich fällt der Empfang aus. 

Tor.JPG
Haus 1.JPG
Haus3.JPG
Haus 2.JPG
Kirche.JPG
Kleine Kaffees, Galerien und Kunsthandwerksläden warten auf Kundschaft. Gut besucht ist das Geviert mit seinem Kavallerie- und Trachtenmuseum, dazu noch die kleine orthodoxe Kirche, die allerdings heute geschlossen hat. Solche Kleinigkeiten fechten uns nicht mehr an. Entschädigung gibt es genug mit dem fantastischen Blick über Hafen und Stadt. 
Allein der Rückweg über die alte Garnison-Straße ist beschwerlich. Das grobe Kopfsteinpflaster malträtiert die alten Knochen. Noch ein wenig Hafenflair geschnuppert und dann rüber nach Ylämaa.
 Dort gibt es Edelsteine von denen ich noch nie etwas gehört habe, - nicht einmal im Kreuzworträtsel. Extra wären wir wohl nicht dorthin gefahren, aber es liegt auf dem Weg zur Küste. 
 Die kleine Edelstein-Schleiferei wartet mit dem besagten Edelstein, dem Spektrolyth auf. Gerne hätte ich beim Schleifen zugeschaut, doch in der Schauschleiferei rührt sich nichts. Es sei denn, die Frau die ein bisschen an einem Stein herumpoliert und etwas eingraviert steht stellvertretend für die Werkstatt. Wie gehabt zeigt die Ausstellung Funde aus aller Welt, viele als Bilder und auf Landkarten an den Wänden. Letztlich bleiben wir am Verkaufsstand hängen um kleine Mitbringsel auszusuchen. Schauen die Mineralien im Rohzustand nach unscheinbaren Teerbrocken aus, so schillert der schwarze Stein geschliffen in allen Farben. Entdeckt soll man das Vorkommen beim Ausheben von Stellungen während des Krieges haben. Laut unserer Broschüre verwertete man den nicht brauchbaren Abfall als Unterbau im Straßenbau. 
 Allerdings ist diese Veredelung bei der Weiterreise nach Hamina nicht direkt zu erkennen. Hamina war Garnisonsstadt zu Zeiten der schwedisch-, russischen Besatzungswirren und beherbergte noch bis in unsere Tage eine Offiziers- und Kadettenschule. Das Hauptgebäude würde in seinem schloss-ähnlichen, Renaissancestil eher nach St. Petersburg passen, wie in dieses 10 000 Einwohner Städtchen. 
 In der Altstadt ist nicht viel los. Sogar das Mobil findet problemlos einen Parkplatz im Rund des Marktplatzes. Das Ambiente nimmt die Besucher mit seinem gemütlichen Charme sofort gefangen. In der Mitte das Rathaus und rundherum säumen Häuser mit schmucken Holzfassaden den achteckigen Platz, von dem aus Seitenstraßen in alle Richtungen weg führen. Dazwischen ragen die Kirchen heraus, die natürlich erstes Ziel sind. 
 Die orthodoxe Kirche ist eingerüstet und geschlossen, die evangelische Kirche sehr nüchtern in seiner Ausschmückung. So schlendern wir gemächlichen Schrittes weiter zur nächsten Ecke um uns ein Eis zu gönnen. 

Rathaus.JPG
Ort+evang.JPG
Platz.JPG
Kadett.JPG
Plötzlich, wir haben die Runde fast vollendet, kommt ein älterer Herr völlig aufgelöst auf uns zu. Man hätte in sein Auto eingebrochen und er sucht Augenzeugen. Leider können wir nicht helfen. Eigenartig ist der Vorfall schon. Bei seiner Limousine ist die Frontscheibe gesprungen aber sonst ist nicht viel zu sehen. "Also - wenn ich der Dieb wäre, würde ich mir das Wohnmobil vornehmen und keinen PKW", raune ich Traudl zu. "Da ist mehr zu holen und der Dieb hat die Besatzung immer im Blick auf der üblichen Touristenrunde". Vielleicht hat es die Scheibe ja nur wegen Hitzeverspannungen zerrissen. Unverdrossen klappert der Herr Geschäft um Geschäft ab um doch noch Zeugen zu finden. Ob er überhaupt schon nachgesehen hat, ob ihm was abhanden gekommen ist, lässt sich nicht ergründen. 
 Schon komisch, dass nun auch uns ein etwas beklemmendes Gefühl beschleicht, das uns unverzüglich aufbrechen lässt. 
 Die Ufer der Ostsee sind erreicht und der Kurs dreht auf West. Unter den Rädern liegt die Trasse des alten Königsweges, der von London über Stockholm und Turku nach St. Petersburg geführt hat. Dass die Strecke auch heute noch sehr wichtig ist, beweisen die unzähligen, entgegenkommenden Lastwägen. 
 Hauptumschlagplatz des russischen Warenverkehrs ist eben Finnland. Allerdings zählt dabei nicht nur die Tradition. Schiffsverladung und Lagerung scheinen eben vielen Firmen in Finnland sicherer zu sein, wie in St. Petersburg. Darum laufen viele Frachtschiffe Helsinki oder Kotka an um die Waren von hier, direkt mit LKW' s ans Ziel zu bringen.
 Auch wir laufen Kotka an, allerdings nicht wegen des Warenverkehrs sondern auf der Suche nach dem Campingplatz. So recht sagt das Angebot jedoch nicht zu weil die Bleibe für mehrere Tage Ruhepause genehm sein soll. So tingelt man eben weiter nach Loviisa. Vielleicht nicht ganz so schön wie Hamina aber doch recht ansprechend und zudem liegt der Campingplatz direkt am Meer. 

Rathaus 2.JPG
Erst einmal heißt es die Vorräte auffüllen. Dazu braucht man, wie wir wissen Geld. Nachdem Geld tanken heute kein Problem mehr ist, sind wir auf der Suche nach dem nächsten Automaten schnell fündig. 
 Vor dem Automaten schwindet plötzlich die versierte Selbstsicherheit. Dieser stählerne Bankmitarbeiter verfügt über zwei Kartenschlitze. Wohin nun mit meiner Karte? Stecke ich sie falsch rein, schnappt sie sich eventuell der Automat? Die dreisprachige Beschriftung hilft auch nicht direkt weiter. Zur Auswahl stehen Finnisch, Lettisch und Russisch. Nun studiere ich die Bilder auf der Automatenfront und bin mir schließlich ziemlich sicher, wie ich's machen muss. Verflixt nochmal(!) jetzt habe ich doch die Pin vergessen. Hin und her-überlegt - mir fällt die blöde Zahl nicht ein. Wie leergefegt scheint mein Oberstübchen zu sein. Es hilft nichts. Zurück zum Mobil und Traudl fragen. Sie kann sich alles merken, ist der Pool aller Pins und Kennwörter und solchem Zeug. Leider kratzt das Malheur auch gehörig an meiner Reputation. 
Endlich spuckt der Schalter die Moneten aus. Am nahen Supermarkt fällt sofort der Umgang mit Alkoholika auf. Wein, Whisky und Co. lagern in der Extra Abteilung hinter Gittern. Kaufen ist sowieso nicht angesagt denn die Preise sind horrend.
 Am Campingplatz schließlich empfängt man uns mit ausgesuchter Herzlichkeit. Schade, dass ich kein Wort verstehe. Aber es ist der rechte Platz um drei, -vier Tage zu entspannen. Die Sonne hat die Oberhand gewonnen und die Temperaturen signalisieren Badewetter. Endlich - nur noch Ruhe.

Auto.JPG
Badehaus.JPG
See 1.JPG
See 2.JPG
Die Bilder sind aufs Laptop überspielt und der Schrott ist gelöscht. Reisebericht tippen ist auch langweilig. Rum spaziert am Meer bin ich mir auch schon genug. Außerdem treibt die Hitze sogar dem Müßiggänger auf der Liege die Schweißperlen auf die Haut. Romane lesen mag ich nicht so gerne. Was nun? Es ist unglaublich, nach nur einem Tag Sonne, Strand und Ruhe überkommt mich Langeweile. Aber auch Traudl wird es langweilig obwohl sie gut zu tun hatte mit ihrer Hausarbeit. Da bleibt der Entschluß nicht aus: "Morgenpacken wir es wieder, morgen geht die Reise weiter!"
 Die endlosen, entgegenkommenden LKW-Kolonnen auf der E 18 sind geblieben. jedoch fällt schon seit einiger Zeit auf, dass sich die Landschaft verändert hat. Weite Getreidefelder säumen die Straße, dazwischen immer wieder Glashäuser für den Gemüseanbau. Die südliche Küste ist scheinbar mit wärmerem Klima gesegnet. Und noch etwas fällt auf. Es gibt keine Mücken mehr. Die fühlen sich offensichtlich an der Küste nicht so wohl, wie im Hinterland. 
 Porvoo, die zweitälteste Stadt Finnlands ist wohnmobilfreundlich. Wenigstens zu uns. Am Eingang zur Altstadt direkt ein Parkplatz, wie gemacht für uns. hier ist Prvoo noch eine ältere 50 000 Einwohner Stadt, wie andere auch. Doch welche Verwandlung nach dem Eintritt in die Altstadt. Wie eine Puppenstube präsentieren sich die ein- und zweigeschossigen Holzhäuser. Natürlich sind in diesen Puppenstuben- Häuschen Kaffees, Läden, Bäckereien, Souvenirshops und eben alles, was Touristen so lieben und Touristen gibt es genug. Sie schieben sich fast durch die schmalen Gassen bis diese sich zum Marktplatz weiten. Nun wird es auch ruhiger. den Weg zur Kirche hinauf finden nur noch Einzelne. Dabei ist es den Gang wert, schon wegen der stillen Winkel und den verträumten Ecken. Dort ist es ein Blumen-Wildwuchs, da die kleine Sitzecke in blühenden Stauden, die den Blick einfangen.
 An der Kirche ist schnell klar, warum sie nicht zum touristischen Anziehungspunkt taugt. Die Renovierung steht an und der Bau ist rundherum eingerüstet. Dazu der hohe, verschlossene Bauzaun der den Blick ins Innere des Baus verhindert. Schade, denn der Sakralbau wurde schon 1418 fertig gestellt und blieb als eines der wenigen Häuser beim Großbrand von 1760 verschont. Im Originalzustand ist sie trotzdem nicht erhalten, weil sie mehrfach geplündert wurde, der Dachstuhl gebrannt hat und zuletzt eine Bombe während des zweiten Weltkrieges das Dach durchschlug. 

Bild 1.JPG
Bild 2.JPG
Bild 3.JPG
Bild 4.JPG
Bild 5.JPGBild 6.JPG
Was solls? Hinter der Kirche ums Eck und hinunter zum Fluss, zum Porvoonjoki. Leichter gesagt, wie getan. Das mittelalterliche Pflaster aus groben Feldsteinen malträtiert beim "Abstieg" die Gelenke. So dauert es, bis wir unten sind und die Brücke überquert haben. Das rechte Ufer ist nämlich für den Fotografen das Bessere, denn drüben liegen die berühmten Speicherhäuser am Wasser. Grundstücke, schmal und lang wie Handtücher säumen den Porvoonjoki. Zu Zeiten des Salzhandels und später, wie Porvoo eines der finnischen Handelszentren war, wollte jeder Händler direkten Flusszugang und auch ein Lagerhaus am Wasser. Um diesem Verlangen nachzukommen teilten die Ratsherren das Gelände entsprechend auf. So kam die Stadt zu dieser etwas eigenwilligen Bebauung. 
 inzwischen ist der Hafen draußen am Meer. Er hat sich zum Industriehafen gewandelt mit Raffinerie und Tanklager. Die früher so heiß umkämpften Speicherhäuser beherbergen heute Angler und Freizeitkapitäne. So werden sie gut erhalten und dienen Porvoo als markantes Aushängeschild. Natürlich fehlt es auch sonst nicht an fremdenverkehrsfreundlichen Attraktionen wie dem Restaurantschiff oder dem Gaffelschoner "Glückauf" an der Mole.
 Nach der gemütlichen Runde steht der nächste Programmpunkt an. Helsinki, die Hauptstadt Finnlands.    

Vorwegweiser.JPG
Im Einzugsgebiet der Großstadt ist die E 18 natürlich als Autobahn ausgebaut. So sind die 50 Kilometer schnell abgespult und am inneren Stadtring findet sich sogar die passende Parkmöglichkeit in einer Seitenstraße. Besonders interessant macht die Stelle der Biergarten an der Einmündung zur Mannerheimintie. 
Mannerheim war eine schillernde Persönlichkeit, der es als oberster Militär und als Politiker zum finnischen Nationalhelden brachte. Und nun wandeln wir auf der nach ihm benannten Chaussee stadteinwärts. Ob sitzend, wie am Reichstagsgebäude oder hoch zu Ross, überall Mannerheim.

Mannerheim.JPG
Irgendwie scheint hier das Yuppie-Viertel seinen Anfang zu nehmen. Jugendliche Managertypen in dunklen Anzügen eilen vorbei. In den Kaffees fein gekleidete Damen und auf der Straße schon mal röhrende Zwölfzylinder. Im Grunde hat uns das neue, moderne Helsinki schon interessiert. Es wird viel davon geschwärmt. Aber wir merken, dass das doch nicht so ganz unser Fall ist.

Bus Hochhaus.JPG
kirche Bahnhof.JPG
Modern 2.JPG
Wie immer, wenn man meint etwas verpasst zu haben, kehrt schnell Reue ein. "Hätten wir nicht doch ...", denk ich mir, wie draußen die Glaspaläste der IT- Unternehmen, Banken und Versicherungen des Stadtrandes vorbei ziehen. Die modernen Trabantenviertel der Städte sehen weltweit gleich aus, sind trotz glitzernder Fassaden nicht mehr besonders sehenswert. Da haben wir wohl mit unserem Schwerpunkt aufs falsche Pferd gesetzt.
 Ein kurzes Stück Schnellstraße bringt das reisemobil hinaus aufs Land, hinaus auf den Königsweg.

Weg Elch.JPG
Natürlich verläuft diese historische Route nicht auf der Trasse heutiger Autobahnen sondern über die Dörfer auf den von alters her bestehenden Handelswegen. 
 Die Ruhe tut gut. Wenig Verkehr, viel Natur und Zeit zum Schauen. Dieser Landstrich ist etwas besonderes. Zum Einen ist er zweisprachig. Der finnische Ortsname Inkoo findet sich am Ortsschild in schwedisch als Inga. Nun ist diese Zweisprachigkeit an sich keine große Besonderheit. Außergewöhnlich dabei ist, dass hier flammend patriotische Finnen, deren Ahnen aus Schweden stammen, ihre schwedische Sprache vehement verteidigen. 
 Die Feldsteinkirche von Inkoo findet sich direkt an der Straße. Im Schatten weitausladender Bäume, im Schatten der Friedhofsmauer, lässt sich erst einmal gut Brotzeit machen, bevor wir zur Besichtigung schreiten. 
 der erste Weg führt mich natürlich in den Friedhof. Sofort fällt mir die Kriegergedenkstätte ins Auge. Für jeden Gefallenen gibt es eine kleine Steintafel mit seinem Namen. Das Geviert umfasst bestimmt 20 mal 10 Meter und bietet 75 Marmorplatten Platz. 75 Menschen, deren Leben für militärische Arroganz und politischem Machtstreben geopfert wurde. Da ist es das Mindeste, dass man diesen Menschen und ihren einzelnen Schicksalen wenigstens eine würdige Gedenkstätte widmet. 
 Was mich besonders aufregt in diesem Zusammenhang, ist der Umgang mit dem Gedenkstein für die Kriegsopfer bei uns zu Hause. Im Zuge der Dorferneuerung möchten Planer die Gedenkstätte, als nicht mehr zeitgemäß, verschwinden lassen. 

friedhof.JPG
Allerdings wird dann nichts mehr mahnen, werden die Kinder nicht mehr nach dem Sinn des Steines fragen. Freilich wäre das für manche Eltern bequemer, den Wahnsinn erklären zu müssen in einer Zeit die voll ist von machtgierigem Säbelrasseln. 
 Fort mit den trüben Gedanken und frisch hinein in Kunst und Kultur, sprich in die Kirche. 
 Diese alten Gemäuer strahlen etwas Erhabenes aus, obwohl nur aus Feldsteinen errichtet, steht der Bau schon seit dem frühen 16. Jahrhundert. 
 Die Wandmalereien stellen den Tanz des Todes dar,- sagt man. Der geschichtliche Hintergrund dafür soll in der schnellen Ausbreitung der Pest begründet sein. Ob das alles so stimmt, weiß ich natürlich nicht.
 Trotzdem sind die Malereien unbedingt sehenswert. Diese filigrane Arbeit zu jener Zeit zu bewältigen, imponiert mir. Die Ausschmückung der Decken mit den Ornamenten faszinieren mich, auch weil sie im Gegensatz zur Außenansicht stehen. Der abgesetzte Turm und auch die Kirche selbst signalisieren dem Besucher schon von weitem Wehrhaftigkeit, wirken geradezu abweisend. Bestimmt diente das Gotteshaus in kriegerischen Zeiten als Fluchtburg.

Kirche Teppich.JPG
3 er.JPG
Wie schön, dass man heute als "Eindringling" ohne jegliche Behinderung durchs Land reisen darf. Das genießen wir natürlich in vollen Zügen. Auf kleinen Nebenstraßen zockelt man, quasi querfeldein, auf Turku zu. Da lugt mal eine Elchkuh nebst Kind aus dem Gehölz, dort fangen gepflegte Blumenbeete vor dem Bauernhaus den Blick. Der halb versunkene Fischerkahn signalisiert gleichmütige Gelassenheit. 
 Erst kurz vor den Toren der ältesten finnischen Stadt erfasst die Reisenden wieder Hektik. Die Schatten werden schon lang und wir sind noch auf der Suche nach dem Campingplatz. Laut Führer soll er leicht zu finden sein und im Süden der Stadt liegen. Diesmal haben wir eine Bleibe mit allem Komfort und Hotelanschluss gewählt. Eigentlich nicht unser Stil und zudem sehr teuer. Voraus taucht schon das Hinweisschild mit 5 goldenen Sternen auf, da gewahre ich unterhalb der Böschung, hinter Büschen verborgen einen Parkplatz. Tatsächlich gibt es auch die Einfahrt zum Platz und so steht das Mobil schnell am Waldrand eines weitläufigen Parks inmitten von blühenden Rapsfeldern. Erst kommen noch Jogger vorbei um ihre Runden im Park zu drehen, dann kehrt Ruhe ein bis mit Blitz und Donner heftige Schauer über uns hernieder gehen. 

Turku Camp.JPG
Am Morgen wecken erste Sonnenstrahlen die Langschläfer. Leider ist es windig und noch etwas bewölkt, wie die Räder durch Pfützen über den noch nassen Asphalt dahin rollen. Noch ist hinter Mauern aus Containern nichts zu sehen von der Schönheit der alten Hauptstadt. dann gibt sich die Stadt etwas wohnlicher bis schließlich den Reisenden die gute Stube am Aurajoki empfängt.
 für Autofahrer immer wieder faszinierend wie einfach hier die Parkplatzsuche abläuft. Problemlos findet sich auch für uns ein Plätzchen am Taurun Kapunginteatterrie, dem Stadttheater. Es soll gar das älteste Stadttheater der Welt sein. Für uns ist allerdings wichtig, dass es am Flussufer liegt und damit sozusagen direkt an der Flaniermeile.
 Restaurants als alte Schiffe verkleidet, liegen fest vertäut am Ufer, Eins zieht mich besonders in den Bann. Hinter jedem Bullauge stehen dekorative, antike Schiffsmodelle. Nur darf ich nicht hinein. Nein, nicht die Preise sind es, die mich aufhalten, es sind die Öffnungszeiten. Wir sind nur zu früh dran. 
 Gemächlich trödelt man weiter. Herrschaftliche Häuser zieren die gegenüber liegende Flussseite. Apothekenmuseum und das majestätische Stadthaus als letzten Blickfang, bevor uns Pavoo Nurmi über den Weg läuft. Freilich begegnet uns der legendäre finnische Langstreckenläufer nicht persönlich, sondern in Form einer Statue. Immer hart am Aurajoki entlangführt der Fußweg direkt am Kulturzentrum vorbei. Stilisierte Engel schweben über dem langen Seefahrergemälde en der Einfassungsmauer um die Laufkundschaft aufmerksam zu machen. Dann umfängt die Reisenden der Park an der Universität. Trotz der nahen Hauptverkehrswege ist es beschaulich still unter dem riesigen Blätterdach. Inmitten von Spazierwegen sitzt monumental Per Brahe auf seinem Denkmalssockel. Als schwedischer Generalgouverneur von Finnland gründete er die hiesige Akademie. Er war Landmarschall und Reichsrat und was weiß ich noch alles. Immerhin scheint er viel für Finnland getan zu haben. An der, an sich schon schlecht leserlichen Tafel, versuche ich noch dieses oder jenes Wort zu entziffern, bis ich plötzlich bemerke dass mir meine Frau abhanden gekommen ist. Wie ich mich umblicke, gewahre ich sie schon, wie sie drüben auf den Dom zueilt. Der hoch aufragende Turm diente uns schon geraume Zeit als Wegweiser.
 Durch den leeren, weiten Vorplatz wirkt das Nationalheiligtum der Finnen auf dem kleinen Hügel noch monumentaler. Im Jahr 1300 weihte man den roten Backsteinbau zur Kathedrale. Zahlreiche An- und Umbauten erweiterten das Kirchenschiff um mehrere Seitenkapellen. Wie fast alle Städte, blieb auch Turku von Brandkatastrophen nicht verschont. Der letzte Stadtbrand von 1827 beschädigte auch den Dom stark. Beim Wiederaufbau errichteten die Baumeister den Turm neu, der nun 85,53 Meter misst. 
 Das ist nun für mich als Mitteleuropäer nichts Besonderes. Es gibt in Bayern höhere Kirchen und in Norddeutschland viele aus Backsteinen. 
 Im Inneren wandelt sich das Bild. Gotischer Baustil mit ausgemalten Spitzbögen der Kreuzgewölbe. Der Maler hat den Sternenhimmel an die Decke hingezaubert, dass man ihn in seiner Leichtigkeit fast schweben sieht. Die nüchternen Säulen des Tragwerkes führen die Blickachse zum Hauptaltar, der dem gotischen Anspruch gerecht wird, aber durch das Altarbild schon ein wenig ins Barocke abschweift. Die Seitenkapellen geraten förmlich zum Glanzpunkt, besonders wenn man Sarkophage mag. Natürlich habe ich mir nicht gemerkt, wer da alles so herumliegt. Mein Augenmerk gilt dem handwerklichen Geschick das in den Metallsärgen steckt. Genau so die Wappensammlungen an den Wänden, denen die künstlerische Hand anzusehen ist. Die große Orgel vervollständigt das Ensemble. Die ist allerdings aus dem Jahr 1980. Fast wehmütig schreiten wir hinaus und ans gegenüber liegende Flussufer. 
 Die ersten Sonnenhungrigen haben sich bereits die besten Plätze an den Ufern des Aurajoki reserviert. Freilich hat man als Tourist keine Zeit zum Müßiggang. Da stehen noch einige Sehenswürdigkeiten zur Besichtigung an. Na ja, so verbissen sehen wir das dann doch nicht und lassen gerne mal eine Attraktion links liegen. 

Turku 1.JPGDom alles.JPGTurku 2 komplett.JPG                
Langsam trödelt man durch Nebenstraßen hinüber zum Marktplatz. Quirliges Treiben empfängt uns. Es ist Markttag und die Stände bieten alles Mögliche zum Kauf. Hauptsächlich landwirtschaftliche Erzeugnisse , vom Gemüse über Obst und Südfrüchte ist alles da. Unter Sonnenschirmen darf man südländische Spezialitäten probieren. Eisstände Schnickschnack und Blumen wechseln sich ab und als Hit dazwischen die alte Straßenbahn, die jetzt als Kaffee ihren Dienst verrichtet. Hier mal ein Blick, dort die Preise vergleichend landen wir schließlich an der orthodoxen Kirche.
 Ungeheure Anziehungskraft üben zwei am Boden stehende Kirchenglocken aus. Meine Frau betätigt sich sogleich als Glöcknerin. Jedoch entlockt nicht einmal der kräftigste Faustschlag den bestimmt meterhohen Klangkörpern ein Tönchen, weil sie satt auf Holzbohlen aufliegen. So müssen wir ohne Geläut in den Rundbau einziehen. Wie im Dom, überzieht auch hier die Kuppel ein Sternenfirmament. Zwar spiegelt der blankgewienerte Holzboden fast, doch bestimmend ist nicht das dunkle Holz wie oft in anderen orthodoxen Gotteshäusern. Weiße Marmorsäulen tragen die Kuppel. Der Altar, wie auch die übrige Ausstattung ist in weiß und Gold gehalten, geben dadurch dem Gebetsraum eine sehr fröhliche Anmutung. Dazu heben sich die dunklen Rahmen der Ikonen markant ab. Obwohl das Ensemble gefällt, stürzt man sich schnell aufs Neue ins Marktgetümmel. 
 Am Theater vorbei und dann rüber zur "Old Bank". Nur der Name ist geblieben, obwohl man dort immer noch Geld anlegen kann, denn heute ist aus der Bank eine berühmte Kneipe geworden. Übrigens befinden sich die Toiletten im ehemaligen Tresorraum. Schon beim Anmarsch keimen heimatliche Gefühle auf. Über der Tür hängt als Zunftzeichen das Schild vom Münchner Hofbräu-Bier. Wer sich lieber am Weißbier laben möchte, der kann sich auch am Gebräu aus München gütlich tun.  
 An mächtigen Gründerzeit-Stadthäusern vorbei, lassen wir uns dem Fluss zu treiben. Man sieht Turku an, dass es Hauptstadt war, zur Kulturhauptstadt erkoren wurde und es sich hier leben lässt. Als Rückweg bietet sich das linke Flussufer an. Einfach herrlich das Panorama auf der anderen Seite mit den vertäuten Windjammern und viel Grün. Dazu steckt uns die Gelassenheit der Einwohner an. Trotz der Geschäftigkeit ist nichts zu spüren von der zelebrierten, hektischen Wichtigkeit in anderen Städten. Die Bewohner Turkus scheinen ein besonderer Menschenschlag zu sein. 
 Inzwischen haben wir die Reisevariante "mit der Fähre nach Schweden", gänzlich verworfen. der Preis wäre durchaus annehmbar aber die Fahrzeit von elf Stunden schreckt uns ab. Außerdem gibt es oberhalb von Turku auch noch viel Sehenswertes an der Küste entlang.
 So richtet man sich fast ein wenig wehmütig zur Abreise. Noch einmal am dauerlaufenden Nurmi vorbei zur Schnellstraße und wieder nordwärts, immer an der Ostseeküste entlang. 
 Vorher gibt es noch einen kurzen Abstecher durch Wald und Wiese nach Nuosiainen, zu Bischof Henrik. Er ist der Nationalheilige Finnlands und war der erste Bischof des Landes. Obwohl er zahlreiche Wunder vollbracht haben soll und ihm in Finnland große Verehrung entgegengebracht wird, schaffte er es nicht zur Heiligsprechung durch den Papst. Damit teilt er das Schicksal mit dem schwedischen Bischof Erik. Vermutlich waren die "Nordländer" einfach zu weit weg von Rom.
 Ohne das Schild "Henrikinkirkko" hätten wir die Kirche, obwohl sie auf einem kleinen Hügel steht, nicht gefunden. Hinter Bäumen versteckt, wartet der, für eine Dorfkirche doch eher gewaltige Bau aus massiven Feldsteinen und mit schwarzem Schindeldach, auf die Pilger. 
 vermutlich hat der Andrang seit dem 13. Jahrhundert etwas nachgelassen, weil wir die einzigen Besucher sind. Nur ein einzelner, älterer Herr kommt uns, mit Rechen und Harke bewaffnet, aus dem Friedhof entgegen.
 Glanzlicht in der sonst ziemlich schmucklosen Kirche ist der Sarkophag des Bischofs. Ob Henrik nun in diesem Sarg ruht oder in Turku seine Heimstatt gefunden hat, ist für uns nicht zu ergründen. 

3.JPG
 Freilich ist auch das Interesse an diesem Mysterium nicht so groß, dass wir mehr Zeit darauf verwenden möchten, denn es wartet schon die nächste klerikale Absonderlichkeit auf die kleine Reisegesellschaft. Nur wenige Kilometer entfernt steht in Mynämäki das nächste zu groß geratene Gotteshaus. Hier hat sich der schwedische Statthalter und großzügige Kirchenstifter Henrik Fleming ein Grabmonument errichtet. Das Epitaphium zeigt Henrik nebst Frau einmal als frisch Verblichene, schön und hübsch dargestellt. Dann in der zweiten Ausführung als halb verweste Leichname, denen Schlangen und Kröten aus den Schädeln kriechen. Das ist doch was, für meine ab und zu etwas morbide Gedankenwelt. Leider wird nichts aus Schauder und Grusel. Die Kirche ist verschlossen. 
 Der triste Tag, windig, bewölkt und manchmal mit Nieselregen aufgepeppt ist gerade richtig für die Sehenswürdigkeiten-Tour. Das nächste Highlight wartet. Die Seefahrerkirche von Pyhämaa. Querfeld ein führt der Weg der Küste entgegen nach Uusikaupunki. Nur vereinzelt tauchen kleine Häuschen mit liebevoll gestalteten Vorgärten am Weg auf. 

Haus.JPG
Man spürt in der Landschaft die Nähe des Meeres. Wegen des Windes ist Vorsicht angesagt. Eigentlich sollte die Tour über zahlreiche kleine Inseln quasi durchs Meer führen. Weil nun so ein Wohnmobil durch seitliche Windböen schnell mal umgeworfen oder zumindest von der Straße befördert werden kann, wählen wir die Variante durch die Wälder. 
 Da nun Pyhämaa von der Größe des Ortes nicht direkt als Nabel der Welt zu bezeichnen ist, findet sich die Kirche schnell. Irgendwie stimmt alles nicht mit der Beschreibung aus den Reiseführern überein. Das Bauwerk ist aus Stein und besitzt einen Turm. Alles schön gemauert und innen alles schnörkellos, aber auch nicht modern. Allerweltkirche eben.
 Wo ist der hölzerne Bau mit den vielfältigen naiven Malereien geblieben? Hat man ihn abgerissen und dafür dieses Gemäuer errichtet? Das Ganze auch noch ohne es uns Touris in den Führern bekannt zu machen? 
 wieder draußen im Freien gewahren wir den rot gestrichenen Holzschuppen hinter der Kirche. Ein Anker steht vor der Türe. Etwas unentschlossen blickt man sich um. Immer wieder kommen Leute aus der Hütte. Was das wohl ist? Natürlich siegt die Neugier und es treibt uns hinein in den durchaus weitläufigen "Geräteschuppen". 

Kirchen.JPG
Kirche innen groß.JPG
Gemälde alle.JPG
  
Nun aber ist Staunen angesagt. Tatsächlich ist das die berühmte Opferkirche. Ob Decke oder Wände, kein Zentimeter ist unbemalt. Rosenranken überall. Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament. Dazwischen fromme Bibelsprüche auf den alten Holzbohlen. Wir sind begeistert! 
 Ausgemalt soll dieses Wallfahrtsziel der Seefahrer ein Künstler aus Wasa haben. Aber man liest auch von künstlerisch begabten Seeleuten, die sich hier während ihres Winterasyls versucht haben. Früher lagen die Handelsschiffe oft Wochen oder gar Monate im Eis eingeschlossen vor der Küste. Da ist es kein Wunder, dass die gläubigen Seefahrer und ihre Angehörigen zu Hauf zu dem Kirchlein pilgerten um Rettung zu erflehen. Natürlich war die Not auch der Spendenbereitschaft zuträglich. Was dabei verwundert ist, dass auch heute noch jährlich Spendengelder aus der ganzen Welt eingehen. Darunter durchaus ansehnliche Beträge für das Kirchlein und die Pfarrei.
 Der Kies des Parkplatzes knirscht unter den Sohlen wie wir windzerzaust noch einen Blick über das Kleinod und die ganze Anlage schweifen lassen. Heute gibt es wohl finnisches Wetter, mit dem zweistündigen Regenguss und der anschließenden Aufheiterung nicht. Aufheiterung bietet nur die lustige Hinweistafel des Parkplatzes im Stil eines Comics. Ein kleines Kontrastprogramm zum Wetter und dem Ernst der hiesigen Kirchengeschichte. 
 Nur etwa schlappe 40 Kilometer sind noch zu bewältigen, dann wartet der Campingplatz von Rauma auf unsere Ankunft. Unterwegs blitzt auch tatsächlich mal die Sonne durch die Wolkenfetzen. "Jetzt wird es schön", schwärmt meine Frau, "da ist noch der Dämmerschoppen im Liegestuhl drin!" "Mal sehen", entgegne ich argwöhnisch. Ich traue dem Frieden noch nicht so recht. 
 Am Platz schaffe ich es dann nur noch mit Mühe, von der Rezeption trocken ins Auto zu kommen. Der Wolkenbruch der gerade niedergeht, lässt alles hinter grauen Wasserschleiern verschwinden. Nur mit viel Schwung ist das Mobil rückwärts den kleinen Hügel hinauf zu bugsieren um hinter einer Baumgruppe etwas Schutz zu finden. 
 Traudl stellt eben Nudelwasser auf den Herd, wie es vehement an die Türe pocht. Nanu denk ich mir, was ist denn da los? Draußen steht heftig erregt unser Wohnwagen-Nachbar zu unserer Linken. Bis ich sein Anliegen verstehe, ist er schon ein wenig durchnässt. Unser Auto stünde nach finnischem Campinggesetz zu nahe an seinem Mobilheim. Grob geschätzt von einem bayerischen Handwerkerauge sind die geforderten 4 Meter Zwischenraum allemal eingehalten. Um den Herrn zu beschwichtigen versichere ich ihm, morgen in aller Frühe abzureisen. Weit gefehlt. Der Vorschlag zur Güte wird nicht akzeptiert. Die Aufregung steigt und die Gesichtsfarbe des Gegenübers wechselt ins Dunkelrote. Inzwischen hat er bestimmt keinen trockenen Faden mehr am Leibe, während ich gemütlich im Trockenen stehe. "Soll ich noch sagen, dass ich nachmesse wenn der Regen aufhört", raune ich meiner Frau zu. "Bloß nicht", antwortet sie, "sonst explodiert er", meint meine bessere Hälfte. So lenke ich ein und besänftige unseren Kontrahenten mit der Meldung das Gefährt etwas umzusetzen, wenn es auf dem aufgeweichten Terrain überhaupt möglich wäre. Traudl sichert unser Abendessen gegen Absturz und ich fahre das Reisemobil einmal vor und zurück. Das bringt dem Nachbarn etwa 20 Zentimeter mehr Abstand und wir haben ihn anschließend nicht mehr zu Gesicht bekommen. Manche Finnen scheinen uns doch ziemlich ähnlich zu sein. Der könnte gut einen Münchner Grantler (Nörgler) abgeben. So weit scheint das nicht hergeholt zu sein. Zumindest spricht man in Rauma einen Dialekt, den man im übrigen Land nicht oder nur sehr schwer versteht. 
 Am Morgen endlich wieder Finnenwetter. Zwar ist es ein bisserl frisch, aber die Sonne scheint und es ist angenehm bei diesen Temperaturen durch die Stadt zu spazieren. Mal sehen ob wir wieder anecken bei einem über korrekten Bürger. Allerdings sollte man etwas nachsichtig sein, denn nicht nur zahlreiche Brände peinigten die Bevölkerung, auch die politische Führung sprang mit den Leuten sehr willkürlich um. So siedelte man 1550 fast die gesamten Einwohner ins neu gegründete Helsinki um. Erst nachdem sich weiteres Leben langsam in Helsinki eingestellt hatte, durften die Menschen wieder in ihre Heimatstadt zurück kehren. 
 Unser Spaziergang läuft wie erwartet reibungslos ab. So kann man sich voll auf das konzentrieren was sich hier den Touristen Einzigartiges präsentiert. 
 Weil der letzte, der immer wiederkehrenden, verheerenden Stadtbrände bereits 1682 über Rauma hereinbrach, ist die Altstadt das größte und besterhaltene Holzhausareal Skandinaviens. 600 Gebäude zählen zum Weltkulturerbe der UNESCO. Die eingeschoßigen, bunten Bauten mit den reichen Verzierungen am Gebälk, nehmen einen sofort gefangen. Es hat etwas von Puppenstube. Sogar das Rathaus mit seinem Türmchen fügt sich nahtlos ins Gesamtbild ein. Etwas abseits des Zentrums nehmen die kunstvollen Zimmermann Arbeiten an den Fassaden ab. Die Farben bleiben, alles wirkt aber glatter, nicht mehr so elegant. Weiter vorne der Komplex des modernen Einkaufszentrums. Nur noch unpassend und störend in diesem Umfeld. 
 Da wenden wir uns lieber seitwärts, um zur Kirche vom heiligen Kreuz zu schlendern. Ehemals Klosterkirche, dann abgebrannt. Das Kloster wurde während der Säkularisation aufgelöst und zum königlichen Pferdestall umfunktioniert. Ein Bau ging später an die Kirchengemeinde Raumas. Die Kirche irgendwann in Stein wieder errichtet fungierte als lutherische Gemeindekirche. Einzig das Bau Datum des steinernen Turms lässt sich in Erfahrung bringen. Den Turm errichteten die Bürger im Jahr 1816 aus den Steinen der abgebrannten Dreifaltigkeitskirche, Zugleich diente dieser Turm der Schifffahrt als markantes Seezeichen im Bottnischen Meerbusen.
 Das Innere des Gotteshauses überrascht. Renaissance Kanzel, Schnitzereien, Glasmalerei und Deckengemälde in meisterhafter Ausführung. Immer wieder ertappen wir uns dabei die künstlerische Gestaltung im Stile der alten Meister dem hohen Norden Europas nicht abzusprechen, aber eben dort auch nicht zu vermuten. 
 Natürlich führt der Rückweg wieder durch die zauberhafte Altstadt und dann dorthin, wo die liebenswerten Häuschen in moderne Wohnblöcke übergehen. Denn dort wartet das Wohnmobil auf uns.

Rauma alle.JPG
Ein Stück weiter nach nordwärts, die Küste entlang wartet das nächste Kleinod in städtebaulicher Hinsicht. Kristiinankaupunki sagen die Finnen und Kristinestad die Schweden zu ihrem Ort. Pori lassen wir guten Gewissens "links" liegen. Die Stadt ist eher modern, glänzt aber mit seiner Kulturszene. Zum Einen sind die zurück liegenden Erfahrungen mit Kulturszenen nicht in der Art, dass man dem Reiseführer unbedingt folgen müsste und zum Anderen wollen wir ein wenig Strecke machen. 

Weg.JPG
 Das als atemberaubende Stadtpanorama Kristinestads von der Straßenbrücke aus hält sich in Grenzen. Links tummeln sich an den Liegeplätzen des Högholmsunndet Sportboote vor den Uferweiden. Rechter Hand die Hallen von Werkstätten und Supermarkt. Die Stadt zieht sich an der Hauptverkehrsader entlang eine Erhebung hinauf. Schließlich werden wir fündig. Nein, nicht die beschriebenen tollen Holzhäuser hat man entdeckt, sondern den weitläufigen Parkplatz am Sportboothafen. 
 Allerdings ist der Platz von hölzernen Bauten gesäumt. Jedoch sieht alles "etwas in die Jahre gekommen" aus. Abgewohnt, ließe sich sagen. Beim Spaziergang durch die Straßen ändert sich der erste Eindruck nicht. Nur das Innere des roten Bachsteinbaus der Kirche sieht mit seiner weißen Holzbaukunst an den mehrgeschossigen Emporen und dem Gestühl frischer aus. 
 Einziger Lichtblick sind die bunt gekleideten Seeräuber die über die Hauptstraße vermutlich zur  Theaterprobe eilen. Man kann nicht anders sagen, wir sind enttäuscht. Laut Führer soll Kristinestad mit dem Erscheinungsbild von Rauma in dauerndem Wettstreit liegen. In unseren Augen kann der Ort in keiner Weise mit dem UNESCO Weltkulturerbe Rauma mithalten. 

Kristne alle.JPG
Aber so ist das eben, beim Reisen auf eigene Faust. Da muss man in den Reiseführern auch gut zwischen den Zeilen lesen können und - fällt trotzdem herein, weil die eigene Wahrnehmung nicht mit der von Reisebuch Autoren und Co übereinstimmt. Die Eindrücke sind eben individuell und so setzt sich jeder seine Schwerpunkte subjektiv nach eigenem Gusto. Kein Wunder also, dass Erwartung und Realität oft auseinander driften. 
Es gibt aber Wiedergutmachung. Nicht weit von hier liegen die berühmten Kirchenställe von Närpes. 
 Närpes ist eine Gemeinde mit knapp 10000 Einwohnern. Wie sich die Besiedelung gestaltet, erkennt man an der Bevölkerungsdichte von 9 1/2 Einwohnern pro qkm. Vielleicht geht als Novum noch die Gewächshausdichte durch. Hier beginnt die Gemüsekammer Finnlands. Es gibt sogar einen Tomatenfesttag mit der weltweit größten Tomatentheke. Also an sich nichts, was einen vom Hocker reißen würde. 
 Genau so gestaltet sich die Anfahrt auf den modernen Ort. Als Erstes grüßt den Besucher das gelbe Logo des auch bei uns überaus bekannten Discounters von der Fassade der scheinbar in ganz Europa gleichen Warenhaushallen. Neuzeitliche, zweigeschoßige Wohnblöcke und das wars auch schon mit den Sehenswürdigkeiten, wenn da nicht noch das Kirchdorf wäre. 
 Ein unscheinbarer Wegweiser zeigt die Richtung zur imposanten Steinkirche am südlichen Ortsrand. Zu übersehen sind die Kirchenställe schon wegen ihrer großen Anzahl nicht. 150 gut erhaltene Holzschuppen von ehemals 450, säumen den Straßenrand und gruppieren sich in Kirchennähe. 

Ställe viele.JPG
 Notwendig machte diese Art von Behausungen die dünne Besiedelung und damit die Weitläufigkeit des Kirchensprengels. Nach tagelanger Anreise zu den christlichen Hochfesten konnten Mensch und Tier gemeinsam in den Hütten übernachten. Schlitten oder Kutschen fanden unter den weit ausladenden Vordächern Schutz. Sollten auch die kirchlichen Feierlichkeiten im Vordergrund stehen, so fand immer auch ein zugehöriger Markt statt. Neben Viehhandel und einfachen Belustigungen traf man sich hier natürlich zur Brautschau. Die weit auseinander liegenden Höfe erforderten fast diese Heiratsmärkte zum Kennenlernen. Damit blieben Familien oft zwei, drei Tage um diese und auch jene Geschäfte unter Dach und Fach zu bringen. Viel erfahren haben wir dann über die damalige Lebensweise in der Kirche. 

Kirche 10.JPG
 Die sehr freundliche Kirchenführerin erklärt einst und jetzt, Kunst, Kultur und Leben sehr ausführlich. Bei den wenigen Besuchern, die letzten zwei sind gerade gegangen, bleibt auch Zeit zum Ratschen. Verständigungsprobleme gibt es nicht. Die junge Dame hat in München Kunst studiert, spricht nicht nur deutsch sondern beherrscht sogar das Bayerische perfekt. Sie möchte uns partout zu ihren Eltern nach Hause einladen. Weil sie nur in den Ferien hier logiert, wohnt sie im Hotel "Mama". Wir möchten aber der Familie nicht zur Last fallen. Zudem ist es ungewiss ob nicht noch Hochprozentiges kredenzt wird und es am Ende nicht mehr so gut um die Fahrtüchtigkeit bestellt ist. 
 Am Kirchplatz, obwohl fast leer, darf man auf alle Fälle nicht übernachten besagt das dreisprachige Hinweisschild. Letztlich gelingt es nur mit Mühe, die Einladung höflich auszuschlagen. 
 Es fällt wieder auf. Finnen im mittleren Alter geben sich eher verschlossen, zumindest reserviert, während die junge Generation meist sehr offen, hilfsbereit und freundlich ist. 
 Weil das Ziel ja eigentlich war, mal wieder ein wenig Strecke zu machen, rollen die Räder schnell der E 08 zu. Flott geht es an Wasa vorbei. Die Stadt ist in ihren Bauwerken ziemlich modern geprägt. Die neugotische Kirche und wenige neu barocke Stadthäuser können nicht zum Verweilen verführen. 
 Die Region ist die niederschlagärmste in Finnland. Das Schwemmland der Landhebung gilt als sehr fruchtbar und hat die Gegend, zusammen mit den milden Sommern zur Kornkammer Finnlands gemacht. 
 Aber nicht nur., denn es entstand an der Küste entlang das finnische Badeparadies. Schäreninseln, endlose Sandstrände und Campingplätze aufgereiht wie an der sprich wörtlichen Perlenschnur ziehen sich nordwärts. In der Ferienzeit hält der Landstrich durchaus dem Vergleich mit der Adria stand, was den  "Auftrieb" der Sonnenhungrigen betrifft. 
 weil wir es aber ein wenig ruhiger haben möchten, sucht man sich ein Plätzchen zwischen den Zentren. Freilich gelingt der Treffer nur durch Zufall. Der familiäre Platz am Lestijoki, in Himanka ist bislang nur von einigen Dauercampern belegt. Zugvögel wie wir sind noch rar. 
 Damit steht dem ausgiebigen Abendspaziergang am Strand und an den Flussufern entlang nichts mehr im Weg. Während die illustre Gesellschaft aus Dauercampern und Personal heftig im Rezeptionsgebäude feiert, streben wir dem Nachtlager zu. Durch die Weitläufigkeit des Platzes stehen unsere Betten weit abseits, ganz allein auf einer kleinen Wiese. Vom Lärm der Fete bekommt man hier so gut wie nichts mit.

1 + 2.JPG
 Da ist es kein Wunder, dass die Mobilbesatzung morgens putzmunter aus den Federn hüpft. Ein weiterer Stimmungsaufheller sind die Duschen. Keine der üblichen Nasszellen erwarten uns, sondern sechs Quadratmeter große Duschräume. Die zudem noch sehr modern und mit allem Komfort ausgestattet sind.
 Nach dem reichlichen Frühstück schnurrt das Wohnmobil mit gut gelaunter Mannschaft wieder der Landstraße zu, während das Gros der Camper von Himanka noch angeschlagen in den Seilen hängt.

Mit Beschriftung (Fi).jpg 
    Die Landschaft fliegt geradezu vorbei bis der Wegweiser zum Abbiegen auffordert. Das Etappenziel Raahe liegt fast direkt am Weg. Langsam sucht das Gefährt die Route durch die Altstadtstraßen. Eigentlich gilt die Suche nicht dem Weg, sondern der Ausschau nach der passenden Parkmöglichkeit. "Da rechts, schau!" Traudl deutet in die Richtung der Einfahrt. Die hätte ich jetzt doch glatt hinter der riesigen Trauerweide übersehen. Fast wie für uns gemacht, die frisch geteerte Fläche hinter der Kirche. Also gleich hinein zu Kunst und Kultur. Leider stören wir ein wenig, denn es laufen eben die letzten Vorbereitungen für eine Hochzeit auf Hochtouren. 
 Seit 1912 ersetzt der heutige Steinbau die alte Holzkirche. Kein Wunder also, dass es nicht weit her ist, mit alten Meistern oder ähnlichem. Aber trotzdem ist es ein Gotteshaus zum Wohlfühlen. Fröhliche Blumenornamente verzieren die Pfeiler und ranken sich zur Decke hinauf. Rundherum herausgeputzte weiße Geländer an den Emporen. Die geschnitzte Kanzel, auch in weiß, sticht dennoch noch einmal hervor. Der strafend blickende Fotograf neben dem nicht minder brummig wirkenden Messdiener bedeuten, dass es an der Zeit wäre, zu gehen. 
 So schlendert man langsam dem Denkmal des Stadtgründers, dem in Finnland allgegenwärtigen Per Brahe zu. Den passablen, großen Platz für sein Denkmal hat er dem Stadtbrand von 1810 zu verdanken. Beim Neuaufbau ließ man diesen Marktplatz entstehen. rundherum schmucke Bürgerhäuser neben Verwaltungsbauten. Natürlich meist in Holzausführung, wie es in Finnland Brauch ist. Alles ist schmuck hergerichtet. In den Vorgärten zeugen die gepflegten Blumenrabatten vom Stolz und der Liebe zum Detail ihrer Besitzer. aber auch hintenrum, in den äußeren Straßen finden sich viele nette Häuschen. Da gibt es eine Imkerei mit Honigverkauf, dort frischen Gänsebraten. Dann taucht unvermutet ein Schloss auf. Tatsächlich ist es aber das älteste Gebäude Raahes, weil aus Stein. Um 1870 errichtete der ortsansässige Reeder dieses Herrenhaus. Da sieht man, mit welchen Geschäften man damals gutes Geld verdienen konnte. Raahe beherbergte damals die größte Handelsflotte Finnlands. 

Ansicht R.JPG
  
Kirche 3 +.JPG
Raahe fertig.jpg
Nach dem Niedergang des Ostseehandels kämpfte die Stadt schwer um Anschluss zu finden. Wirtschaftlich aufwärts ging es aber erst seit 1960 mit der Gründung der Stahlfabrik am Ort.
 25 000 Einwohner zählt Raahe heute und ein großer Teil von ihnen scheint an der Hochzeit in der Kirche teilzunehmen. Der Parkplatz ist auf alle Fälle bis zum letzten Fitzelchen zugestellt. 
 Ganz am Rand, mit den Rädern am Randstein und die Überhänge in die angrenzenden Wiese ragend steht das Mobil am äußersten Ende der vorhin fast leeren Fläche. Das alles nur, weil ich den Einheimischen den Platz nicht wegnehmen wollte. Nun habe ich die Quittung dafür. Die Radien der Ausfahrt sind heillos zugestellt. Mit einem PKW ginge es vielleicht. Was tun? Schließlich versuche ich es. Nach schweißtreibender, endlos scheinender Rangierarbeit ist es schließlich geschafft. Der Parkplatz liegt hinter uns und die Straße hat uns wieder. Und zwar die Straße zum Meer hinunter, weil uns ein Baufahrzeug den direkten Weg versperrt. Nach ein paar hundert Metern rollt man schon an einer weiten Parkanlage am Ufer entlang. Nur wenige Besucher frequentieren die Wege um Luft und Sonne zu genießen. Kilometerlange, leere, feingepflasterte Parkbuchten säumen die Allee. "Nein", sage ich zu Traudl, "Sag jetzt nichts!" Ich derzeit keinen Kommentar zu Parkplatzproblemen hören. 
 Auf der E 08 passiert man schnell Oulu, eine eher moderne Stadt. Sicher gäbe es hier auch viel nicht Alltägliches zu sehen. Einzigartig und für den Aufschwung der Stadt ist die Teergewinnung in den Wäldern am Oulujoki entlang verantwortlich. Freilich liegt die Blüte des Geschäftszweiges schon lange zurück. Im !8. und 19. Jahrhundert besaß Oulu einen der weltweit größten Teerexporthäfen der Welt. Wie immer, bekamen die in tiefer Armut in den Wäldern hausenden Köhler nur einen geringen Erlös für ihr Produkt. Dafür machten die Händler ein gutes Geschäft und damit mehrte die Stadt als Umschlagplatz ihren Reichtum. Hier wurde das Geschäft gemacht. 
 "Schau", ruft Traudl plötzlich, "der schöne See!" Sie deutet auf die hinter Bäumen hervorblinkende, silberne Wasserfläche. Weil auch die Ausfahrt von der E 08 voraus ist, wage ich den Absprung. Tatsächlich gelingt es das Ufer über den holprigen Waldweg, der das Geschirr in den Fächern kräftig scheppern lässt, zu erreichen.         
                          
See.JPG
 Das ist nun wirklich der ideale Platz für die Rast. Weiter vorne nutzt eine Familie den feinen Sandstrand und das seichte Wasser zum Baden. Allerdings scheinen wir ihnen nicht recht geheuer zu sein. Sie packen zusammen um am gegenüberliegenden Ufer ihr Domizil erneut aufzuschlagen. So vespern wir ganz ungestört, versuchen mit den Zehenspitzen die Wassertemperatur zu testen, bevor die Räder erneut der Schnellstraße zurollen. 

Weg alle.JPG
Bald ist das Auto im "Anflug" auf Kemi.
Dass dieser Zwischenstopp eingeplant wurde, verdankt die Stadt nicht seinem hier stationierten, alten  Eisbrecher Sampoo, der Wintertouristen mit hinaus auf die zugefrorene Ostsee nimmt, sondern der Edelsteingalerie. Parken an der Kirche hinter einem anderen Wohnmobil. Es ist schon komisch, dass man sich fast unbewusst bei Gelegenheit die Nähe des "fahrenden Volkes" sucht. Nun gehts hinunter zu den Sportboothäfen und die Kaimauern entlang. Das ist vermutlich das Freizeitzentrum. Schwere Motorräder parken vor Imbissbuden. Die Bänke sind gut frequentiert und es ist erholsam am Meer entlang zu flanieren. Einziger Wermuttropfen, die Galerie hat schon zu. Wieder einmal hat uns die Mitternachtssonne einen Streich gespielt. Es ist zwar bereits 18:30 Uhr, aber die Sonne steht noch hoch am Himmel - und die Ausstellungsräume schließen um 18:00 Uhr. 

Kemi 4.jpg   
Solche Kleinigkeiten stören uns nicht mehr. Die Stimmung ist fantastisch. Das Meer glitzert in abertausenden Lichtblitzen, dass es fast in den Augen schmerzt. Ein wenig verweilen wir noch, bevor der Rückweg in Angriff genommen wird. Pfadfinder muss man nicht sein, denn der pinkfarbene Kirchenturm weist die Richtung. Wenige schöne Holzhäuser im Zentrum, das wars auch schon mit Kemi. Nun denn, also wieder schnell hinaus auf die Landstraße. 
 es wäre nicht mehr weit, hinüber ins schwedische Haparanda, doch kurzentschlossen wollen wir noch einmal nordwärts. Rovaniemi lockt. Nicht die Stadt selbst hat es uns angetan, sondern der Weihnachtsmann, der etwas außerhalb wohnt. Eigentlich wollten wir diese Touristenfalle am finnischen Polarkreiszentrum meiden, haben sie von Norwegen her kommend bewusst "links Liegen" lassen. Doch plötzlich stellt sich bei mir der Sinneswandel ein. Mit den Worten: "Wer weiß denn, ob wir noch einmal hier heraufkommen, an den Polarkreis", versuche ich meiner skeptischen Frau den Abstecher schmackhaft zu machen. An sich sind wir beide solchen touristischen Sehenswürdigkeiten nicht besonders zugetan.
 Aber erst einmal suchen die Räder den Weg am Kemijoki entlang durch Wälder und an frisch gemähten, duftenden Wiesen vorbei. Teilweise wie eine Reise in die Vergangenheit. Auf manchen Wiesen stehen Heuheinzen. Da keimt Sentimentalität auf. Dieses Prozedere der Heutrocknung ist mir aus der Jugend noch gut bekannt. Was war das für eine Schinderei, das Heu bei unstetem Wetter aus dem schon nachgewachsenen Gras heraus zu rechen. 
 So diskutieren wir dahin über die gute alte Zeit, die auch nur für den gut war, der auf der richtigen Seite stand. Leider standen die Bauernkinder und die von den Kleinbauern besonders, auf der falschen Seite. Immer mehr Jugenderlebnisse dämmern herauf, mit immer engagierteren Diskussionen, so dass wir förmlich überrascht sind, wie sich plötzlich das, einem riesigen Triangel gleichende Polarkreiszeichen, über die mehrspurige Straße spannt.
 Es ist schon spät wie wir die Parkbucht unter hohen Bäumen als Stellplatz für die Nacht aussuchen. Die Bäume sollen Schatten spenden, denn an die 25° wird es wohl immer noch warm sein. Das hätte uns mal jemand vor acht Wochen erzählen sollen: "Am Polarkreis zu heiß!" Ein hämisches Grinsen wäre wohl noch die freundlichste Antwort gewesen. 
 Nach dem Abendessen wandelt man gemächlichen Schrittes um den Platz. Freilich sind die Geschäfte schon zu und auch der Nikolaus hat bereits Feierabend. So tanzen wir die aufgemalte Linie des "Polarcircelen" entlang, kaspern ein wenig vor der installierten Webcam rum und suchen am Entfernungsbaum den Balken für München. Den gibt es jedoch nicht, aber dafür neben New York und Tokio, St. Johann in Tirol. Das ist nun auch nicht so weit von zu Hause entfernt. 2448 km sind dort eingebrannt. Irgendwie scheint das gar nicht so weit weg zu sein.     

HG fertig.jpg
Nach Kaffee und Frühstück treibt die Neugier die Reisenden hinaus. Na klar, Restaurant mit dem Weihnachtsmann von ...., ja natürlich vom Erfinder dieses Werbegags, Fabrikverkauf, Rentierfelle und Stiefel, alles eigentlich so, wie man sich das vorstellt. Trotzdem hat der Ort was, sagen wir mal, Magisches. Vielleicht wegen dieser Magie - oder ist es nur die Schnäppchenmentalität, kauft Traudl das wohlfeile, schon etwas eingestaubte Krippenfiguren Set. Nebenan, im Postamt des Weihnachtsmannes herrscht Betrieb. Wären die Angestellten nicht mit Wichtelmann-Kostümen ausstaffiert, sähe es aus, wie auf jedem anderen Postamt auch. Nur bei den Briefkästen gibt es Unterschiedsmerkmale die das große vielsprachige Schild ausführlich erklärt. Die Post im rechten Kasten wird gesammelt und erst an Weihnachten verschickt. Da schreibe ich doch gleich einmal im Namen des Weihnachtsmannes die Karten an meine Enkel. Plötzlich spuckt der Reisebus vor der Türe seine Ladung aus und schwupps ist die Luft erfüllt von japanischem Stimmengewirr. Drängelei und Gewusel verwirren mich etwas. In der Hektik stecke ich meine Karten in den falschen Briefkasten. Erst als die Karten drinnen liegen bemerke ich den Irrtum. Nun bekommen die Enkel im August Post vom Weihnachtsmann. Die werden Augen machen! 
 Schnell versucht man dem Trubel zu entfliehen. Vor den Läden des ganzjährigen Weihnachtsmarktes ist nichts los. Also dorthin, bevor die Meute kommt. Kugeln, Lametta, Tannenbäume aus Plastik, Kerzen in verschiedenen Ausführungen, alles ist zu haben, von künstlerisch bis gediegen und modern. Rentiere und Elche im Regal vom gleichen Hersteller wie zu Hause. Alles wie daheim im Advent - oder auch viel früher. Die ersten Schokoladen- Nikoläuse trifft man bereits im September an. Da fällt mir ein, dass ich so besehen mit meinen Karten für die Enkel zeitlich gar nicht so schlecht liege. "Außer den Preisen gibt's hier nichts Besonderes", raunt mir meine Frau zu. Durch die großen Scheiben sieht man, dass es beim Weihnachtsmann drüben gerade ruhig ist.   
 Schnell wechseln wir hinüber. Leider empfängt er uns nicht. Erstaunen macht sich breit, wie uns der Vorzimmer-Wichtel in unserer Heimatsprache anspricht. Er ist Student und wohl Menschenkenner in Person. Die Bewunderung verfliegt bei seiner Erklärung zum Empfangsmodus des Weihnachtsmannes. Er erscheint nur, wenn man sich mit ihm ablichten lässt. Da hätten wir nichts dagegen, nur gegen den Preis für das Foto haben wir was. Der mag für Ort und Event angemessen sein, uns jedoch erscheint er als Abzocke. So ergreift man eilends die Flucht um sich eine Etage höher zu retten. Dort thront, quasi über allem herrschend der Verkaufsraum der bekannten österreichischen Glasdynastie. Nachdem bekanntlich von verschiedenen Interessenten der begriff "preiswert" unterschiedlich interpretiert wird, gehen wir gemessenen Schrittes ohne Einkauf zurück zu unserem fahrbaren Heim. Eigentlich war alles so, wie wir es ursprünglich erwartet hatten und doch konnten wir uns dem Flair nicht ganz entziehen. 
 Uns ist nun nach Erholung zu Mute, nach Kontrast. Da bleibt nur der Weg zurück zur Natur. Auf kleinen Straßen rollt der Wagen westwärts, dem Grenzfluß, dem Tornionjoki entgegen. Die Mittagsrast am stillen kleinen See lässt uns zur Ruhe kommen. 

unterwegs Tornio.JPG 
Die Auffanglinie für die Weiterfahrt ist nicht nur der Fluss, sondern auch die am Ufer entlangführende E 08. Das heißt Kontrastprogramm. Kaum eine Möglichkeit Flussromantik zu genießen. Jedes Fitzelchen Parkmöglichkeit ist zugestellt von Fischern. Sie machen Jagd auf den Lachs. 
 Der Bursche scheint sehr schlau zu sein. Wieder das alte Lied mit den Kühltruhen auf den Ladeflächen der Pickups, tuckernden Stromerzeugern und riesigen Koffern für Angelutensilien. Ein halbes Stündchen lässt sich kein Fisch blicken. Irgendwie erfüllt mich diese Szenerie der erfolglosen Fischjäger im und am Wasser mit Zufriedenheit. Gibt sie mir doch recht mit meinem immer noch originalverpackten Angelzeug im Kofferraum.   
 In Kürze steht der nächste Grenzübertritt an. Geld verplempern steht diesmal nicht zur Debatte, weil die finnischen Euros genauso gut zu Hause ausgegeben werden können. Aber die finnischen Pfandflaschen versuchen wir im kleinen Laden, im Außenbereich von Tornio noch los zu werden. Ein voller Tank im neuen Land wäre sicher auch nicht schlecht. So gibt es noch diese und jene Verrichtung bis wir auf der stählernen Brücke den Tornionjoki und die Staatsgrenze nach Schweden überqueren. 

Haparanda.JPG
Das schwedische Haparanda empfängt die Besucher mit der reichlich ausgeschilderten Großbaustelle. Nach Einbahnstraßen, tiefen, kiesgrubenartigen Aushebungen und viel Staub findet sich das Mobil wieder auf der Brücke und gleich darauf wieder in Finnland. Beim zweiten Anlauf gelingt dann die Eroberung des schwedischen Brückenkopfes. 
 Wie das gepflegte Asphaltband gen Süden erreicht und die Besatzung nicht mehr gefordert ist, hängen die Gedanken dem Finnischen nach. Wieder einmal Zeit Resümee zu ziehen. 
 Die Natur war nicht so spektakulär wie in Norwegen, dafür gibt es sehenswerte Kultur, orthodoxe Kunst, starke kulturelle, zaristische Einflüsse und mittelalterliche Bauwerke. Die Menschen, oft "bayrisch" reserviert und nicht von so einnehmender Offenheit wie die Norweger. 
 Finnland scheint uns von seiner Geographie her nicht so sehr das Land für Wohnmobilen Urlaub zu sein. Gut vorstellbar aber sind Ferien in den Wäldern an einem stillen, abgelegenen See oder unendliche Kanuwanderungen. 
 Nun aber auf zu neuen Abenteuern nach Schweden. 
     
               

Anzeige

Kommentare (2)

Bandagenanderl

Die Texte liegen nun seit vielleicht 12 Jahren mehr oder weniger ungelesen in der Schublade. Nun endlich habe ich Opfer gefunden, die sich mit mein Werk beschäftigen. 
 Dein Kommentar freut mich sehr. Es stimmt. Es ist eine üble Tipperei, noch dazu, weil ich das Maschineschreiben nicht gelernt habe. 
 Aber es macht mir auch selbst Spaß, denn dabei kommen die ganzen Erinnerungen wieder. 

Bayrische Grüße

Anderl 

pippa

Meine Güte, lieber Anderl, was für eine Fleißarbeit. Das ist ja ein ganzes Buch.
Ich danke dir ganz herzlich für deinen Bericht.

Harzliche Grüße Pippa


Anzeige