Meine Schottische Familie und meine Erfahrungen - 3


Meine Schottische Familie und meine Erfahrungen  -  3

Meine etwas kuriose Schottenfamilie ist Euch inzwischen bekannt.
 
Im Plauderstübchen fiel kürzlich das Stichwort «Abfallkübel», was mich an folgendes Geschichtchen erinnern liess:
 
Die Land-Lady war für die Küche zuständig. Was mich damals wunderte war, dass ich nie zum Rüsten von Gemüse, Kartoffeln und Salat verdonnert wurde. Während der Arbeitstage, also Montag bis Freitag, gab es die Hauptmahlzeit immer am Abend und jede Woche die gleichen Menüs. Jeden Samstag/Sonntag/ Montag gab es für 5 Personen ein Chicken, auf Deutsch Hänchen 😋, mit etwas Kartoffeln und Erbsen – z.B. ein halber Pouletschenkel  am Samstag und die andere Hälfte am Sonntag. Am Montag schabte sie das Restfleisch von den Knochen und bereitete einen Hühnerreis zu.
Was es Dienstag/Mittwoch zu Essen gab, weiss ich heute nicht mehr, aber Donnerstag/Freitag ist noch sehr gut in meiner Erinnerung.
 
Ein Stück geschnürten Rindsbraten im Ofen geschmort, Kartoffeln und Blumenkohl. Den Rest des Rindsbraten gab es dann jeweils freitags.
Eines Tages musste ich als Köchin einspringen, weil die Land-Lady ausserhaus war. So erklärte sie mir, wie und was ich zu tun hatte und weg war sie.

Das Fleisch musste ich rechtzeitig in den Ofen tun, denn es sollte eine gewisse Zeit vor sich hin schmoren. Als ich das Fleisch vor mir hatte, war ich überrascht, wie klein resp. schmal es war und dachte mir, naja wahrscheinlich hatte sie ein kleineres Stück gekauft, weil sie ja eh nicht mitass. So schob ich das kleine Stück Fleisch in den Ofen, das durch das Schmoren noch kleiner wurde, schälte Kartoffeln – etwas mehr, als bei der Land-Lady üblich – rüstete den Blumenkohl so, wie ich es gewohnt war von zuhause. Den Blumenkohlstotzen mit den starken grünen Blättern schmiss ich weg. Plötzlich war der Land-Lord in der Küche und wollte etwas im Abfallkübel entsorgen und entdeckte meinen Blumenkohl-Abfall. Er holte alles wieder aus dem «Abfallkübel» raus, schnitt es klein und fügte es zum Blumenkohl in die Pfanne. Ich entsetzte mich ganz im Stillen, denn ich wagte es nicht zu widersprechen!!
Dann kam der Moment des Austeilens. Ich nahm rechtzeitig den Schmorbraten aus dem Ofen, der zu meinem Entsetzen derart schmal, dass ich knapp vier Scheiben schneiden konnte, ohne dass man hätte Zeitung dadurch lesen können, fügte ordentlich Kartoffeln auf die Teller sowie Blumenkohl inkl. Kleingeschnittenes, aber mit ein wenig heisser Butter darüber. Dem Land-Lord sagte ich, dass leider kein Fleisch übrigblieb, weil es so ein kleines Stück war.
Dem Geräuschpegel zufolge hat es den Herrschaften sehr gemundet und wir assen alles rübis und strübis (ganz und gar) weg.
Alle verliessen den Tisch zufrieden und ich räumte die Küche auf, damit die Land-Lady nichts zu meckern hatte.
 
Dann am nächsten Morgen beim Frühstück, nicht dass die Land-Lady ein grünes  Kleid anhatte und geschminkt war, NEIN, sie fragte mich, wo denn das restliche Fleisch sei??? Da stand ich da resp. der Frühstücksbissen blieb mir im Halse stecken. Ich fasste mich und erklärte ihr, wie klein doch das Stück Fleisch war, dass es gerade für alle reichte. Sie bestand drauf, dass Fleisch hätte übrigbleiben müssen. Aber ich hatte Glück, der Land-Lord war auf meiner Seite!
 
Als Folge dieser Fleischverschwendung, gab es freitagabends lediglich Spiegeleier.

Fortsetzung folgt....
 
 
Jutta


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Kommentare (7)

ladybird

Liebe Jutta....
Deine Erzählungen über Deinen Aufenthalt in Edinburg   fingen so ziemlich harmlos an....von mal zu mal steigerte sich die Spannung auf die Fortsetzung, denn die Kuriositäten nahmen zu....
die Eigenartigkeiten der " Herrschaften" das unerklärbare Verhalten dieser...
nach meiner Erfahrung in Schottland passen diese Eigenschaften aber in dieses Land:
es ist ein bißchen mystisch, Geheimnis-umwoben....
Hat man Dir denn sprachlich wenigstens geholfen?
Wie geschrieben: die Spannung wächst....mit der Freude auf Deine Fortsetzung,
Dank Deines Schreibstils liest man es gerne...
reading again...
herzlichst
Renate

 

Jutta

@ladybird  

Liebe Renate,

Danke für deine Zeilen. Ich freue mich, dass du Gefallen daran hast. Ich schreibe schon an der nächsten Anekdote, die sehr brisant, aber offenbar auch very Scotish sein wird.

Liebe Grüsse
Jutta

Rosi65

Liebe Jutta,

sicher war die Land-Lady froh, dass Du ihr im Haushalt so viel von der unangenehmen Arbeit abgenommen hast. Was ja gar nicht Deine Aufgabe war. 

Deshalb vermute ich mal, dass sie Dich aber auch gleichzeitig als Konkurrentin sah, die halt jünger, schneller und auch einfallsreicher war als sie selber.
Und durch ihr seltsames Hierarchieverhalten versuchte sie vielleicht dieses Ungleichgewicht wieder herzustellen. Was ich menschlich gesehen allerdings sehr schade finde.

Viele Grüße
   Rosi65  
 

Jutta

@Rosi65  

Liebe Rosi,
 
Erstmal vielen Dank für deinen Kommentar und entschuldige, dass ich erst jetzt antworte. Aber dies ist bereits mein dritter Versuch – alle landeten im Nirwana.
 
Mir war damals schon klar, eine sehr günstige Putzfee für die Land-Lady gewesen zu sein, aber es störte mich nicht gross. Zudem war ich während der Arbeit immer alleine im Haus, sodass ich meinen Frieden hatte.
Dass sie mich als Konkurrentin sah, war wohl so. Anlass dazu gab ich zwar nicht, konnte mir das Grinsen auf den Stockzähnen aber auch nicht verkneifen.
 
Trotz einiger Stolpersteine war es eine spannende, lehrreiche und gefreute Zeit in Schottland, die ich nie hätte missen mögen.
 
Liebe Grüsse
Jutta

indeed

Liebe Jutta,

so darf ich annehmen, dass es in deiner schottischen Familie keine übergewichtigen Leute gab. 
Alleine schon, wie ein Hähnchen mehrmals zu Mahlzeiten herhalten musste bei einer 5köpfigen Familie oder war es doch eine Poularde? Hier zählt man ein ab 1400 Gramm schweres Hähnchen ist es eine Poularde, wohin gegen um die 800 g ein normales Hähnchen schwer ist. Kann aber jedoch auch gerne mehr sein (s. Gewicht der Poularde).

Nun gut, du hast es überlebt :-))

Herzlichst Ingrid und liebe Grüße

Jutta

@indeed  

Liebe Ingrid,

Danke für deinen Kommentar. Ich hatte schon den Eindruck, dass das Hähnchen etwas grösser war, als seinerzeit bei uns in der Schweiz. Trotzdem war ich damals doch sehr überrascht, wie wenig ich auf dem Teller hatte.

Als ich die Ersatz-Köchin war, meinte ich wirklich in zufriedene Gesichter geschaut zu haben, weil mal ein wenig mehr auf den Tellern war. Und beschwert hatte sich niemand bis dann halt die Land-Lady nach Hause kam. Zum Frühstück bekam ich dann ihren Unmut zu spüren 🤔.
Für mich war da eine kleine Welt verrückt, denn was konnte ich schon tun, sie hätte ja zuvor etwas sagen können.

Wir hatten das Heu halt nicht auf gleichem Boden!

Sei herzlich gegrüsst von
Jutta

 

JuergenS

Schottische Sparsamkeit?
Als Tourist wie ich bekommt man davon nix mit, nur in Hotels spart man mit Nachtruhe, aber das ist eine andere Geschichte.😉


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