Mathematik einmal anders


Ich selbst bin ja ein begnadeter Mathematiker und mein Chef weiß das auch sicher zu schätzen – deshalb schickt er mich auch immer wieder zu diesen nicht nur schrecklichen, vielmehr auch schrecklich teuren Wochenend-Seminaren. Die ausgesuchten Hotels gleichen sich wie ein Ei dem andern. Smart gekleidete, dynamisch erscheinende Jungmanager und -innen, von schlank bis vollschlank, strömen mit aller Wichtigkeit des Lebens in einen Graf-August -, Fürst von Trallala- oder sonstwie genannten Saal, um den Worten und Erklärungen des Seminarleiters zu lauschen und für die Firma und die eigene Fort-Bildung zu sorgen, um dann allerdings die eigenen Sorgen abends in der Hotelbar mit vollem Kopf und voller Leber ein wenig zu vergessen.

So auch an diesem Wochenende – Statistikseminar. Alfred, der Seminarleiter, ist mein langjähriger Freund und Mitarbeiter in der gleichen Firma. Ich habe mit ihm die Themen ausgearbeitet. Also setzte ich mich an die Hotelbar, lauschte den von dem Barpianist aus dem Klavier heraus gequetschten Melodien und gab dem Barkeeper in relativ schneller Folge meine Bestellungen auf.

Dann kam sie. Taff - grauer Hosenanzug, kurze blonde Haare, zwischen der den Blick freigebenden Lücke im Jackett ein rotes Etwas, wie eine Kreuzung zwischen Tuch und Krawatte und mein Eindrucks-Scanning bezüglich des Alters ergab ein Ergebnis von “um die Mitte Dreißig”. Na, auch keine Lust mehr, waren ihre ersten Worte, und dabei versuchte sie den Barhocker näher an die Theke zu rücken. Vergeblich! Der ist festgeschraubt, sagte ich, da müssen Sie sich eben etwas nach vorne beugen. Ein Wodka-Lemon forderte sie sodann vom Barkeeper. Das tue ich mir nicht länger an, diese Mathematik, das brauche ich doch nun wirklich nicht. Naja, sagte ich, ich kenne das schon alles und lebe eben mit der Mathematik, und halte sie für sehr wichtig, wobei ich nicht umhin kam, mir Gedanken über den Rauminhalt ihres Oberkörpers und die damit verbundenen Proportionen zu machen. Offensichtlich bemerkte sie dies und meinte, machen Sie jetzt gerade eine Kurvendiskussion? Ich fühlte mich ertappt und stotterte, nicht direkt, mehr nur tangential, wegen der zwei Berührungspunkte. Ich bin berührt, erwiderte sie und gab noch eine Bestellung auf. Die Zwei, wenn wir schon dabei sind, ist das nun eine rationale oder irrationale Zahl. Das kann man so nicht beantworten, also d i e zwei, das kann schon mal vom Rationalen zum Irrationalen führen. Gerade, weil Proportion eine Gleichung zwischen Verhältnissen ist. Haben Sie ein Verhältnis, fragte sie mich unvermittelt. Nein, um Gottes Willen, das würde völlig meinen Determinanten widersprechen. Was für Tanten? Sie sehen mehr danach aus, als würden Sie nicht gerade auf Tanten stehen, grinste sie und gab dabei eine weitere Bestellung auf, mit der Bemerkung, mir auch einen Wodka-Lemon zu servieren. Ich bedankte mich artig und sagte, ich müsse nun in dieser Situation zu einem Algorithmus greifen. Sie prostete mir zu und meinte, dass Greifen im Rhythmus manchmal ganz gut täte. Und ein Algenbad sei der Haut sehr förderlich. Nein, sagte ich nun doch etwas belehrend, Algorithmus sei ein Verfahren zur Lösung eines Problems in endlich vielen Schritten. Na, sag` ich doch, erwiderte sie, viele kleine Schritte ergeben einen Loga-Rhythmus. Hauptsache Rhythmus. Das heißt nicht Logarhythmus, sondern Logarithmus, und dann prostete ich ihr zu und ergänzte, ein Logarithmus ist ein Rechnen mit Potenzen. Das müssen Sie mir nicht sagen, zischte sie, ich rechne eigentlich bei jedem Mann mit Potenz. Manchmal sogar hoch drei – und dann fing sie an lauthals zu lachen. Gut,war der, nicht wahr. Ja, aber wissen Sie, beim Logarithmus wird immer der Potenzwert oder der Exponent gesucht. Ich suche nicht mehr meinen Ex, und dessen Potenz schon gar nicht, warf sie trotzig ein. Haben Sie mit Ihrem Ex gebrochen, fragte ich neugierig. Ja, und wie, sagte sie, Sie wissen das doch als Mathematiker, die Wurzel allen Übels ist eine Potenz mit einer gebrochenen Hochzahl. Stimmt, stimmte ich ihr zu, und bei einem Bruch zählt immer der Zähler und der Zähler eines Bruches ist die Hochzahl des Radikanten. Radikal, wie Sie das sehen, flüsterte sie und berührte dabei wie zufällig meine Hand.

Ok, sagte ich, lassen Sie uns noch ein Glas bestellen, irgendwie ist Mathematik auch nicht so das Wahre und es gibt ganz bestimmt noch was Schöneres – ein langer Abend wurde es trotzdem……....


*Koperni-kuss*

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Kommentare (3)

Harmonia ...naturblond!!!Grins!!!Wie immer super!!!Lachende Grüße!!!
Koperni-kuss wie wir uns die Mathematik "geteilt" haben. Und wenn du wüsstest was für eine Null ich in diesem Fach war.

Herzlichen Dank und liebe Grüße

Koperni-kuss
ehemaliges Mitglied Alles mathematisch oder?
In der Mathematik ist vieles möglich. Zwei Summanden bilden eine Summe. Es gibt ein harmonisches Mittel und es gibt harmonische Reihen. Man konvergiert zu Grenzwerten und man faßt zusammen. Auch Approximation ist gegeben.
Aber es gibt Menschen, mit denen findet man keinen gemeinsamen Nenner. Es funktioniert einfach nicht. Es wird versucht, das kleinste gemeinsame Vielfache zu ermitteln; unmöglich. Auch die Suche nach dem größten gemeinsamen Teiler bleibt erfolglos, keine
Primfaktorenzerlegung, die Suche nach der Stammfunktion, nichts hilft. Es gibt sie nicht, weil es das Gemeinsame nicht gibt und man vielfach geteilt ist. Was übrig bleibt ist eine Differenz.
Es gibt aber auch andere Menschen, bei denen bildet sich der gemeinsame Nenner völlig unkonventionell, wie von selbst und das Vektorprodukt ist völlig eindeutig. Kongruenzen erzeugen und vestärken sich von allein und eine Fourier-Analyse scheint absolut entbehrlich. Die Formalisierung dieser Beziehung allerdings zeigt den Zusammenhang; das Ergebnis bleibt immer unvollkommen, kleiner 1 und Nenner bleibt immer größer als der Zähler. Mit Glück erreicht man 70%, das ist viel und ansehnlich, aber nicht das Ganze.
Und dann gibt es noch diese ganz besonderen Menschen, bei denen nicht mehr nur der gemeinsame, sondern der kleinste gemeinsame Nenner im Mittelpunkt steht. Die Arithmetik errechnet den kleinsten gemeinsamen Nenner hier zu 2. Das was zählt, ist der Zähler und ein paar zählt zwei Personen. Die Division zeigt im Ergebnis den Quotienten und der ist immer größer 1.
Übrig bleibt etwas Vollkommenes, etwas, das keine Kommastellen braucht, keine Teilung kennt, etwas das in sich konsistent ist und Sicherheit verkörpert, still und fest steht, etwas das allseits als die Spitze des Eisbergs, als oberste Stufe der Treppe bekannt ist.
Übrig bleibt eins 1 - ein Ganzes.
Und wie so oft, ist dies nur blanke Theorie und so hat auch diese hier fragile Ungereimheiten und Schwächen, welche im mathematischen Paradoxon verfestgt sind. Denn wie die Empire unzählige male zeigt: trennt man dieses Paar und teilt das Ganze entwei,
so bleiben weniger als 2 Hälften übig.

Herzlichst Alwite

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