Literarische W o r t-Kunde I
Literarische Wortkunden
Glosse 1
So lese ich es in einer Erzählung:
"Ich statiste."
Wie? „... statisten“? "Ich statiste, du statistest..." - als ein deutschsprachiges Verb? Und hat nicht mit "Statisten", mit "casting", gar "online-casting", "talentsuche" oder "Komparsen" zu tun? Genau!
Also: Wir (als personales Subjekt) "statisten" einen zählbaren Vorgang in Zahlen. - Das ist aber ein kleine Frechheit, ein absolut seltenes Wort, abgeleitet vom Fremdwort Statistik.
Das literarische Beispiel lautet so:
Ein Herr Pumm, Lleher, Stadtrat einer Kleinstadt in Mecklenburg, ist sonntags unterwegs und trifft die ihm bekannten Polizisten Schlieker und Weiß, die am Markt einer eigenartigen Beschäftigung nachgehen...
"I wo, Herr Pumm", krächzte Weiß. "Wir brauchen doch kein Geld. - Ich statiste."
Und der Zusammenhang dieser komischen Erklärung?
Der ist folgender in dieser Kurzgeschichte von Hans Fallada: „Das Groß-Stankmal Bericht aus einer deutschen Kleinstadt von 1931“
„Was machen Sie denn da?" fragte Pumm. „Sind Sie Autofalle, Weiß?"
„I wo, Herr Pumm", krächzte Weiß. „Wir brauchen doch kein Geld. - Ich statiste."
„Was sind Sie? Statist?"
„Statistik", belehrte den Lehrer der Stadtsoldat Weiß erhaben. „Statistik, Herr Pumm. Ihr Genösse, Bürgermeister Wendel, will wissen, wieviel Kraftfahrzeuge an einem Sonntag durch Neustadt fahren."
Und dies beginnt so:
Das Groß-Stankmal
Bericht aus einer deutschen Kleinstadt von 1931
Wie alle Geschichten - nicht nur die aus der Kleinstadt - fängt es mit einem Garnichts an, und wie alle Geschichten wird es später riesengroß - für eine Kleinstadt.
Pumm, der stellungslose Junglehrer Pumm, der sich im Nebenberuf ein paar Groschen durch die Berichterstattung für die sozialdemokratische „Volksstimme" verdiente, die ser Pumm also war an einem schönen Sonntagnachmittag TOH seinem derzeitigen Mädchen versetzt worden und schlenderte etwas ziellos über den Markt seines Heimatstädtchens Neustadt. Am Ende des Markts stand auf einem Holzpodest Wachtmeister Schlieker und regelte den Verkehr, der heute wirklich lebhaft war. Der ganze Autoverkehr von Hamburg zu den Qstseebädern geht über Neustadt. Vielleicht darum, zur Hilfe» stand hinter Wachtmeister Schlieker ein zweiter Wachtmeister, Weiß, mit einem Notizbuch.
„Was machen Sie denn da?" fragte Pumm. „Sind Sie Autofalle, Weiß?"
„I wo, Herr Pumm", krächzte Weiß. „Wir brauchen doch kein Geld. - Ich statiste."
„Was sind Sie? Statist?"
„Statistik", belehrte den Lehrer der Stadtsoldat Weiß erhaben. „Statistik, Herr Pumm. Ihr Genösse, Bürgermeister Wendel, will wissen, wieviel Kraftfahrzeuge an einem Sonntag durch Neustadt fahren."
„Warum denn?" fragte Pumm. „Sagen Sie es schon. Ich gebe 'ne Zigarre aus."
„Keine Ahnung, Herr Pumm. Ehrenwort. Keine Ahnung."
Pumm dachte scharf nach, fragte nach den bisherigen Zahlen, sagte erstaunt: „So viele" und blieb stehen, mit zu zählen. Bis Mitternacht. Sie lösten sich manchmal ab, einen heben, aber im allgemeinen zählten sie gemeinsam und genau.
Wie gesagt, damit fing es an.
(Nachzulesen in verschiedenen Sammlungen von Erzählungen von Fallada, z.B. in dieser: H. F.: Gute Krüseliner Wiese rechts… und 55 andere Geschichten Berlin/Weimar 1991: Aufbau-Verlag. S. 140-150.
Was der Autor, der recht viele umgangssprachliche, niederdeutsche oder Slang-Ausdrücke der Großstadt oder der Schülersprache in seinen Texten verarbeitet, wenn es das Thema mit seinen Personen und der Handlung erlaubt, hat hier ein Verb gebildet und einem „Wachtmeister“ in den Mund legt, das sich nicht in der deutschen Sprache durchgesetzt hat.
Man kann auch vermuten, dass dieser „Wachtmeister Weiss“ in seiner Hilfsfunktion nicht so recht weiß, was er da leisten muss, als sonntags in „Neustadt“ eine Verkehrszählung angesetzte ist, um den abfließenden Verkehr nach dem Wochenende aus den Ostseebädern erfasst werden soll.
Falladas Geschichte ist ein schöner Bericht aus einer Kleinstadt; wo – auf Grund der Verkehrsbelästigung eine Folgerung gezogen und durchgesetzt werden soll: Wir brauchen eine Tankstelle am Markt, um dem Durchgangsverkehr etwas abzugewinnen...
Da sind Bürgermeister, Verwaltung, Stadtrat und die Fachleute beschäftigt…
Fallada hat sich rech früh für eine Lösung entschlossen.
Der Titel zeigt es an: Statt Groß-Tankstelle firmiert er „Groß-Stankmal“.
Eine kurze Erwähnung erfindet diese erstaunliche Geschichte in diesem Forum:
Falladas Verkehrs-Geschichte
Nein, wir formulieren heute anders, umständlicher: Wir erstellen eine Statistik. Wir erarbeiten sie. Oder: … werten sie aus.
Mehr ist uns nicht eingefallen, als dass wir uns von Statistiken und ausgewerteten Zahlen erfassen.
Das hat Fallada schon 1931 gesehen und kritisch aufgeschrieben.
Hinweis auf das neue Fallada-Museumin carwitz:
Das Fallada-Museum
Glosse 1
So lese ich es in einer Erzählung:
"Ich statiste."
Wie? „... statisten“? "Ich statiste, du statistest..." - als ein deutschsprachiges Verb? Und hat nicht mit "Statisten", mit "casting", gar "online-casting", "talentsuche" oder "Komparsen" zu tun? Genau!
Also: Wir (als personales Subjekt) "statisten" einen zählbaren Vorgang in Zahlen. - Das ist aber ein kleine Frechheit, ein absolut seltenes Wort, abgeleitet vom Fremdwort Statistik.
Das literarische Beispiel lautet so:
Ein Herr Pumm, Lleher, Stadtrat einer Kleinstadt in Mecklenburg, ist sonntags unterwegs und trifft die ihm bekannten Polizisten Schlieker und Weiß, die am Markt einer eigenartigen Beschäftigung nachgehen...
"I wo, Herr Pumm", krächzte Weiß. "Wir brauchen doch kein Geld. - Ich statiste."
Und der Zusammenhang dieser komischen Erklärung?
Der ist folgender in dieser Kurzgeschichte von Hans Fallada: „Das Groß-Stankmal Bericht aus einer deutschen Kleinstadt von 1931“
„Was machen Sie denn da?" fragte Pumm. „Sind Sie Autofalle, Weiß?"
„I wo, Herr Pumm", krächzte Weiß. „Wir brauchen doch kein Geld. - Ich statiste."
„Was sind Sie? Statist?"
„Statistik", belehrte den Lehrer der Stadtsoldat Weiß erhaben. „Statistik, Herr Pumm. Ihr Genösse, Bürgermeister Wendel, will wissen, wieviel Kraftfahrzeuge an einem Sonntag durch Neustadt fahren."
Und dies beginnt so:
Das Groß-Stankmal
Bericht aus einer deutschen Kleinstadt von 1931
Wie alle Geschichten - nicht nur die aus der Kleinstadt - fängt es mit einem Garnichts an, und wie alle Geschichten wird es später riesengroß - für eine Kleinstadt.
Pumm, der stellungslose Junglehrer Pumm, der sich im Nebenberuf ein paar Groschen durch die Berichterstattung für die sozialdemokratische „Volksstimme" verdiente, die ser Pumm also war an einem schönen Sonntagnachmittag TOH seinem derzeitigen Mädchen versetzt worden und schlenderte etwas ziellos über den Markt seines Heimatstädtchens Neustadt. Am Ende des Markts stand auf einem Holzpodest Wachtmeister Schlieker und regelte den Verkehr, der heute wirklich lebhaft war. Der ganze Autoverkehr von Hamburg zu den Qstseebädern geht über Neustadt. Vielleicht darum, zur Hilfe» stand hinter Wachtmeister Schlieker ein zweiter Wachtmeister, Weiß, mit einem Notizbuch.
„Was machen Sie denn da?" fragte Pumm. „Sind Sie Autofalle, Weiß?"
„I wo, Herr Pumm", krächzte Weiß. „Wir brauchen doch kein Geld. - Ich statiste."
„Was sind Sie? Statist?"
„Statistik", belehrte den Lehrer der Stadtsoldat Weiß erhaben. „Statistik, Herr Pumm. Ihr Genösse, Bürgermeister Wendel, will wissen, wieviel Kraftfahrzeuge an einem Sonntag durch Neustadt fahren."
„Warum denn?" fragte Pumm. „Sagen Sie es schon. Ich gebe 'ne Zigarre aus."
„Keine Ahnung, Herr Pumm. Ehrenwort. Keine Ahnung."
Pumm dachte scharf nach, fragte nach den bisherigen Zahlen, sagte erstaunt: „So viele" und blieb stehen, mit zu zählen. Bis Mitternacht. Sie lösten sich manchmal ab, einen heben, aber im allgemeinen zählten sie gemeinsam und genau.
Wie gesagt, damit fing es an.
(Nachzulesen in verschiedenen Sammlungen von Erzählungen von Fallada, z.B. in dieser: H. F.: Gute Krüseliner Wiese rechts… und 55 andere Geschichten Berlin/Weimar 1991: Aufbau-Verlag. S. 140-150.
Was der Autor, der recht viele umgangssprachliche, niederdeutsche oder Slang-Ausdrücke der Großstadt oder der Schülersprache in seinen Texten verarbeitet, wenn es das Thema mit seinen Personen und der Handlung erlaubt, hat hier ein Verb gebildet und einem „Wachtmeister“ in den Mund legt, das sich nicht in der deutschen Sprache durchgesetzt hat.
Man kann auch vermuten, dass dieser „Wachtmeister Weiss“ in seiner Hilfsfunktion nicht so recht weiß, was er da leisten muss, als sonntags in „Neustadt“ eine Verkehrszählung angesetzte ist, um den abfließenden Verkehr nach dem Wochenende aus den Ostseebädern erfasst werden soll.
Falladas Geschichte ist ein schöner Bericht aus einer Kleinstadt; wo – auf Grund der Verkehrsbelästigung eine Folgerung gezogen und durchgesetzt werden soll: Wir brauchen eine Tankstelle am Markt, um dem Durchgangsverkehr etwas abzugewinnen...
Da sind Bürgermeister, Verwaltung, Stadtrat und die Fachleute beschäftigt…
Fallada hat sich rech früh für eine Lösung entschlossen.
Der Titel zeigt es an: Statt Groß-Tankstelle firmiert er „Groß-Stankmal“.
Eine kurze Erwähnung erfindet diese erstaunliche Geschichte in diesem Forum:
Falladas Verkehrs-Geschichte
Nein, wir formulieren heute anders, umständlicher: Wir erstellen eine Statistik. Wir erarbeiten sie. Oder: … werten sie aus.
Mehr ist uns nicht eingefallen, als dass wir uns von Statistiken und ausgewerteten Zahlen erfassen.
Das hat Fallada schon 1931 gesehen und kritisch aufgeschrieben.
Hinweis auf das neue Fallada-Museumin carwitz:
Das Fallada-Museum
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