Lambertus

Autor: ehemaliges Mitglied


Lambertus

Die Kinder gehen heute wieder, wenn die Dämmerung einkehrt, und singen die Einladung zum Lambertusfest: „Kinder kommt runter, Lambertus ist munter!“

„O Buer, wat kost din Hei ...“ oder „Guter Freund ich frage dir ...“.

Dieser Brauch wird wohl seit vielen, vielen Jahren in Münster zu Ehren des hl. Lambertus gelebt. Ich kenne ihn aus meiner Kinderzeit. Vor allem am Prinzipalmarkt an der Lamberti-Kirche wird es auch heute noch um eine große Pyramide aus Holz, geschmückt mit vielen blühenden Blumen, in die die Kinder ihre bunten Lampions stecken, gefeiert.

Die Kaufleute hängten in jeden Bogen ihrer Arkaden eine große bunte Laterne auf. Schon Ende der 1950er Jahre waren es Laternen von Schulkindern für dieses Fest gemalt. Der ganze Prinzipalmarkt, vom Café Schucan (1836 – 1989) bis zur Lamberti-Kirche wurde dann statt mit üblichen Leuchten von den Laternen, die viele Bilder zeigten, erhellt. Die Lambertus-Laternen verschwanden erst, wenn Adventskränze zur Vorweihnachtszeit die Laternen ersetzten.

Zu meiner Kinderzeit luden noch abends die Kinder, die auch in den benachbarten Straßen ihre Blumen-Pyramide gebaut hatten, zum Lambertus-Singen ein: „Kinder kommt runter, Lambertus ist munter!“

Oft begannen diese Spiele um die Pyramiden schon in den ersten Septembertagen. Jeden Abend hörte man diese Einladung und je nachdem, wie der Tag sich für ein Kind ereignet hatte, durfte man dann doch noch hinaus zum Singspiel.


Es war vor allem auch für die Halbwüchsigen eine willkommene Gelegenheit, abends im dunkeln noch auf die Straße zu gehen, dabei ganz unverhofft und gaaaanz unschuldig auf einen Freund oder eine Freundin zu treffen. Doch am folgenden Abend, dem 18. September, hieß es dann oft: „ … Kinder bleibt oben, ist alles gelogen!“

Der Sommer war eben zu Ende, die noch hellen Abende vorüber und zumeist waren auch die Eltern dagegen, dass sich ihr Nachwuchs in der Dunkelheit noch draußen in den Straßen vergnügte. Vor allem in der irgendwo noch im Kopf einiger Münsteraner bestehenden Ecke Ribbergasse – Messertasche, wo vor dem Krieg die Masematte zuhause war … Aber die Frauenstraße, die dahinter liegenden Schulen haben diese Ecke geschluckt.

Heute bräuchte man diesbezüglich dort keine Angst mehr zu haben. Auch der Kindertanz am 17. September um eine Blumen-Pyramide ist auf verschiedene Schulhöfe und vor allem auf den Platz vor der Lamberti-Kirche gezogen. Die Kinder singen nicht mehr in den Straßen einladend „Kinder kommt runter, Lambertus ist munter!“ und schwenken dazu nicht mehr lockend ihre selbst gebastelten Laternen auf dem Weg zu „ihrer“ Pyramide.

Und mein Schwiegervater kann auch schon längst nicht mehr zu dem Bauern-Kirmes-Lied „O Buer, wat kost din hei...“ den Bauern spielen, der sich zum Endes des langen Liedes dann mit einem Korb voller Äpfel vor den Kindern retten musste ...

Die Kinder gingen, weil es üblicherweise das letzte Lied um die Pyramide war, glücklich mit dem ergatterten Apfel nach Hause.
 


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Kommentare (9)

Roxanna

Von diesem Brauch, liebe Uschi, habe ich auch noch nie gehört. Es war ein schöner Brauch, schade, dass er nicht mehr in seiner Urform gelebt wird. Ich habe es mit Interesse gelesen und danke dir.

Herzlichen Gruß
Brigitte

ehemaliges Mitglied

@Roxanna  
Liebe Brigitte,
ich denke dieser alte Brauch ist eher auf das Münsterland beschränkt. Hier im Nordwestdeutschen gibt es viele Verbindungen zu Holland und Lambertus wirkte ja in Holland.

Allerdings sind aufgrund seiner Ermordung und der Verehrung, die ihm danach von kirchlicher Seite zugestanden wurde, vielerorts Kirchen nach ihm benannt oder erbaut worden.

Aber von diesem Brauch - wie er in Münster stattfindet - hab ich für andere Orte auch noch nicht gehört. Er gründet sich wohl irgendwie auch auf die zum Schluss verteilten Äpfel (wegen in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder auftretenden Hungersnöten) in Verbindung mit dem in Münster und dem Münsterland (bis nach Holland hinein) wandernden "Kiepenkerls".

Zumindest liegt für mich persönlich diese Verbindung nahe, weil auch die "Verkleidung", mit der der Hausmeister der Hildegardisschule in Münster so zu Lambertus auftrat.

Herzlichen Dank für Dein Lesen, Deinen Kommentar und lieben Gruß von Uschi

Roxanna

@nnamttor44  

Danke, liebe Uschi für die weiteren Ergänzungen zu diesem schönen Brauch und herzliche Grüße

Brigitte

Syrdal


Viele der alten Bräuche „leben“ nur noch in der Erinnerung der hohen Generation, in den jüngeren Graden und bei den Kindern und Jugendlichen gibt es sie kaum noch, die Moderne hat so vieles verdrängt. Doch die aus dem wahren Leben heraus erwachsenen Bräuche waren (und sind) es, die die tiefverwurzelten kulturellen Werte unserer Vorfahren durch die Jahrhunderte geprägt und weitergetragen haben.
 
Gottlob leben manche der alten Bräuche vor allem in ländlichen Regionen wieder auf, sogar im Osten, wo sie bis 1989 nicht mal mehr genannt werden durften.
 
Dass sich das alte Brauchtum noch lange erhalten mag, wünscht
Syrdal

ehemaliges Mitglied

@Syrdal  
Ich weiß, dass dieser Brauch durchaus noch gelebt wird. Den Kinder Münsters wird er aufgrund der Bedeutung der Lambertikirche in den Schulen offensichtlich auch heute noch nahe gebracht. Ich weiß aber schon, dass das private Erstellen einer Pyramide im heimischen Straßenbereich offensichtlich nicht mehr statt findet.

Die Schulhöfe einiger Schulen sowie eben der Kirchplatz an der Lambertikirche gibt den münsterschen Kindern statt des vielerorts üblichen St. Martinsfest ein Laternenfest zu feiern. Das ist natürlich ein Brauch, der landesweit in Niedersachsen üblich ist.

Mir ist schon bekannt, dass es im Osten eher für die Weihnachtsfiguren wie den Engeln andere Bezeichnungen gab. Irgendetwas mit Jahresendzeit... benannt. Das war schon heftig. So passte es ja in keiner Art zu der Bedeutung. Ich kann mir schon vorstellen, dass es eine Art politisch gesteuerte Strenge war ...

Es ist auch in meinen Augen schade, dass die alten Bräuche in der heutigen schnelllebigen Zeit immer mehr untergehen.

Um so mehr freute es mich, dass Münsters Studenten bereits in den 1980er Jahren die alte Pferdehändlersprache vom Send erforschten und sogar Wörterbücher und Sprachbücher dazu herausgegeben haben, damit diese alte bäuerliche Sprache nicht total verschwindet!

Herzlichen Dank für Dein Lesen und Deinen Kommentar
Uschi

 

Syrdal

Danke! – Interessant!
...und nur zur Vervollständigung: Die Weihnachtsengel nannte man in der DDR „Geflügelte Jahresendfigur“  - Na,darauf muss man erst mal kommen, einfach „genial“ im widerlichsten Sinne! 

ehemaliges Mitglied

@Syrdal  
Da hast Du wohl Recht, lieber Syrdal. Ich kenne den Ausdruck, aber er wollte mir eben absolut nicht in meine Erinnerung kommen. Hab ja liebe Bekannte in Altenburg, von denen ich diese Ausdrücke kenne  ...
LG Uschi

HeCaro

Es gibt so schöne alte Bräuche und es ist
erfreulich, dass sie noch gepflegt werden.

Von Lambertus weiss ich nur,  er war Bischof 
und ein Märtyrer. Schön,  dass Du an ihn
erinnert hast. 

Liebe Grüsse, Carola 
 

ehemaliges Mitglied

@HeCaro  
Liebe Carola, ja, ich weiß, dass Lambertus ermordet wurde, als seine Art, in Maastricht sein Bischofsamt vom neuen weltlichen Herrscher nicht mehr akzeptiert wurde.

Das allerdings war uns Kindern in den 1950er Jahren gar nicht bekannt, allenfalls denen, die zu der Zeit in ihrer Pfarrei im Schulunterricht davon erfuhren.

Meine Familie lebte bis 1954 im Kreuzviertel, wo der Brauch nicht üblich war. Ich lernte ihn erst danach kennen. Da war ich 10 Jahre alt ...

Schön, dass Dir mein Bericht gefallen hat. Danke für's Lesen und lieben Gruß
Uschi


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