Ferien in Bayern
Ferien in Bayern
Wir durften in den Sommerferien 1951 und 1952 die Nordseeinseln Borkum und Juist kennenlernen. Offensichtlich war es unserem Vater aber auch wichtig, uns zu zeigen, dass es statt der Küstengebiete in unserer Heimat auch die gebirgigen Seiten gab.
Er war als Kleinkind oft in Ostpreußen, der Heimat seines Stiefvaters gewesen, um auf dem Lande möglicher TB vorzubeugen.Er war in Südfrankreich gewesen, hatte Europa bis zur Wolga als Kriegssanitäter kennenlernen müssen, und seine Heimkehr nach Kriegsende hat ihn wohl über die Ukraine und Österreich nach Norddeutschland kommen lassen.
Heute verstehe ich, dass er vor allem Österreich und den Süden Deutschlands wohl landschaftsmäßig begeistert „gesehen“ hat, nicht nur die überall gegenwärtigen Zerstörungen des Krieges. Erzählt hat er uns Kindern davon nie, doch wohl seiner Mutter.
Unsere Oma hatte ein ganz besonderes Verhältnis zu meiner jüngeren Schwester, denn sie teilten sich nach dem Tod unserer Mutter 1951 ein Zimmer jahrelang und haben ganz sicher das eine oder andere Mal über den Papa, seine Erlebnisse in der Kindheit oder auch später im Krieg und seine frühe Heimkehr danach gesprochen. Von meiner Schwester erfuhr ich jetzt erst von solchen Gesprächen.
Wir waren also in den Sommerferien 1953 in den Chiemgau gefahren. Das war eine sehr lange Zuganreise! Unsere Unterkunft hatten wir in Unterwössen. Aber in Oberwössen gab es einen Badesee, der uns in den heißen Augusttagen magisch anzog. Vor allem für unsere Jüngste war der Weg, dort hinauf zu wandern wohl zu beschwerlich. Also fuhren wir mit dem Bus in den Nachbarort.
So ein wenig schwimmen konnte ich schon, aber in Wirklichkeit werden wir alle dort wohl nur „geplanscht“ haben. Als bleibende Erinnerung ist mir vor allem im Gedächtnis geblieben, dass ich nach so einem reichlich genossenen Spaß mich dann auf eines der bereit liegenden Bretter setzte – unbeachtet auf eine Wespe – die sich natürlich wehrte!! Da war für diesen Tag der Spaß vorbei und wir machten uns auf den Heimweg.
Unsere Jüngste schloss sich auch schnell der kleinen Heidi an, das Töchterlein unserer Wirtsleute. Einmal mussten wir allerdings recht schnell die Kleine wieder nach Hause bringen, denn sie war den Verlockungen der giftigen Tollkirsche erlegen, die nahe am Haus am Wiesenrand wuchs – sie aß davon. Unser Vater wusste sehr wohl, dass diese so schwarz lockenden Früchte nicht gegessen werden durften und so konnte Heidi gleich zu Hause entsprechend „behandelt“ werden.
Ausflüge in die Berge brachten auch uns Kindern einerseits wunderschöne Erlebnisse, andererseits aber auch die Erkenntnis, dass wir nicht alles und so viel wir mochten und am Wegesrand fanden, in uns hineinstopfen durften. Schon gar nicht bei der Ankunft auf der Bärenbadalm dann frische Vollmilch fast direkt von der Kuh darauf trinken! Unsere Älteste vertrug schon als Baby keine Frischmilch, auch sie hatte reichlich Beeren und Nüsse genascht und auf der Alm zum frischen Käsebrot „gute“ Milch getrunken. Das führte auf dem Rückweg ins Örtchen natürlich zu einigen Erleichterungen: vorher Input – nachher Output …
Die Tiroler Achen war auch einmal Ziel einer Wanderung. Für uns Kinder war es so spannend, sie auf einer Holzbrücke zu überqueren und
einige Zeit später an ihrem Ufer ein kleines wohl für Kinder gebautes Häuschen zu entdecken. Klar haben wir dort uns hineingesetzt, aber auch die Stufen hinunter in das Flüsschen ausprobiert.
An einem anderen Weg fanden wir auf einem Holzsteg über einen Bach eine Möglichkeit, statt in dem Geröll des Baches auf dem Steg sitzend unsere „heißgelaufenen Füße“ zu kühlen oder auch eine kleine, offensichtlich selbstgebaute Mühle im Bach zu entdecken …
Der Chiemsee lag in nicht allzu weiter Entfernung von Unterwössen erreichbar. Eine Tagesfahrt mit dem Bus brachte uns zu einem Hafenörtchen, von wo aus wir auch eine Seefahrt zur Herreninsel machten und das herrliche Schloss besichtigten, das uns Kinder natürlich sehr beeindruckte. Wir hatten im Winter zuvor den gerade neu herausgekommenen Disney-Film Cinderella sehen dürfen und nun konnten wir uns eine reale Vorstellung davon machen, wie ein Schloss von innen aussah, der Spiegelsaal, viel Gold und Stuck ...
Vier Jahre später habe ich mit meinen Eltern dann die österreichische Seite der Tiroler Achen erleben dürfen. Wir machten Urlaub am Achensee, wo eine der steilsten Zahnradbahnen vom Inntal hinauf zum See führt. Auch das war für mich ein Erlebnis, an das ich mich gerne erinnere.
Kommentare (6)
@ladybird
Ach liebe Renate! Ich weiß ja doch ein wenig, wie die Welt noch in meinen Kinderjahren aussah. Wenn ich heut sehe, mit welchen Ranzen die Kinder zur Schule gehen, welche Hefte und Bücher sie schon als Erstklässler brauchen - verglichen mit meiner I-Männchen-Zeit der pure Luxus!
Es gab nicht nur eine Mitschülerin in meiner Klasse, wo den Eltern sogar das Geld fehlte, ihrem Kind auch "nur" eine heile Schiefertafel zum Schreiben lernen zu kaufen ... Eine kleine Erika, eigentlich ein recht freches Mädchen, erhielt von unserer Klassenlehrerin eine heile neue Schiefertafel geschenkt, weil sie nur eine Scherbe hatte. Aber Erikas Stolz hinderte sie daran, die Tafel anzunehmen. Erzürnt, dass ihr Mitleid entgegen gebracht wurde, zerdepperte sie das gute Stück auf dem Boden mit dem wütenden Kommentar: " ... ich brauche keine neue Tafel geschenkt!"
Da war an Reisen gar nicht zu denken! Und ob es schön für Manche gewesen wäre, sei auch dahin gestellt, denn die "Reisen", die die Flüchtenden aus den besetzten Gebieten in das Nachkriegsdeutschland machen mussten, um überhaupt irgendwo eine Unterkunft zu bekommen - die waren oft gar nicht angenehm oder gar schön. Und die Ankunft in manchem "Schlupfloch" bei ablehnenden "Gastgebern" dürfte auch nur schwer zu ertragen gewesen sein ...
Es steckten so viele Emotionen in den Menschen, auch schon in den Kleinen ... Daher auch mein "heimliches Zögern", diese Geschichte zu veröffentlichen.
Es freut mich, dass Du meine doch recht frühen Reisen mit der Familie als richtigen Schatz siehst. Das sehe ich inzwischen auch so. Und heutzutage ist es längst nicht mehr allen Familien oder Alleinerziehenden gegeben, sich eine mehrwöchige Urlaubsreise - wohin auch immer - zu gönnen. Max hat seine Sommerferien auch zu Hause verbracht, weil andere Dinge Vorrang hatten. Aber die Nachbarskinder und auch verschiedene Mitschüler/Innen waren oft bei ihm zu Besuch mit Poolparty und Zwetschgenkuchen ... Alle hatten viel Spaß!!
Lieben Dank für Dein Lesen und Deinen herzlichen Kommentar
sagt Uschi
Das ist eine wirklich schöne Erinnerung an die damaligen Kindheitstage. Ebenso die Fotos. Besonders Bayern war damals ein ganz besonderes Ferienziel.
Leider war es uns in dieser Zeit nicht möglich, solche Ferienfahrten zu unternehmen. Da reichte es gerade mal von Aachen aus an den Rhein, und das nur für eine Nacht.
Umso lieber habe ich Deine Erinnerungen mit großem Interesse gelesen.
Mit Dank und liebem Gruß von
Andrea
@Muscari
Liebe Andrea, ich erinnere mich, von Dir gelesen zu haben, wie diese Deine Fahrt an den Rhein mit Deiner Mutter verlief. Auch das wird ganz sicher eine schöne Erinnerung für Dich sein.
Fast schäme ich mich ein wenig, schon so bald nach dem Krieg solch ein Glück erfahren zu haben. Aber es waren auch wirklich sehr schöne Ferien, die mein Vater seiner Familie so bald schon wieder schenken konnte.
Danke dass Du lesen mochtest und so lieb kommentiertest.
Herzlichen Gruß von
Uschi
Ist es nicht wunderbar, sich solcher schönen Kindheitserlebnisse erinnern zu können. Auch wenn es die „schlechten Zeiten“ nach dem Krieg waren, für uns Kinder waren es bei allem Hunger und Mangel herrliche Zeiten mit vielen, vielen Abenteuern.
Dein schöner Bericht zeigt so vieles auf, das mich (und sicher auch andere Leser) an die eigene Kindheit erinnert... Sehr schön
Mit Dank grüßt
Syrdal
@Syrdal
Beim Blättern in meinem Kinderalbum, das unser Vater sehr gewissenhaft mit uns jedes Jahr mit den entstandenen Fotos für jede von uns bearbeitete, fiel mir ja die Fahrt ins Chiemgau mit dem Nachtzug ein. Das führte dann halt dazu, auch diese ganze Geschichte schriftlich festzuhalten.
So etwas habe ich gezögert, diesen Blog zu posten, denn ich weiß ja, wieviele Menschen, auch damals Flüchtlinge noch Anfang der 1950er Jahre kaum genug zu essen hatten und vieles mehr.
Doch wir hatten das Glück, dass unser Vater seinen Salon nach dem Krieg wieder so vorfand, wie er ihn verlassen hatte! Rundherum war vieles zerbombt, das münstersche Rathaus mit dem Prinzipalmarkt, der Katthagen nahe meines Vaters Salon
(in dem Haus existiert in den Räumen des Friseurgeschäftes heute noch eine "Klavierkneipe"!), wo auch das recht nahe gelegene Geschäftshaus meines mütterlichen Großvaters durch die Bombardierung verbrannte. Die Nähe zur Überwasser-Grundschule gestattete meinen Großeltern und meinen Eltern allerdings, die eigenen Möbel im Schulkeller recht sicher verwahrt zu wissen.
Etwa 1949 erlaubten die Engländer (in Münster die Besatzungsmacht) ihm wieder, in seinem Salon arbeiten. Somit hatte er damals die Möglichkeit, solche Reisen schon zu unternehmen, aber auch eine sehr gute Mitarbeiterin, die seinen Salon in seiner Abwesenheit zum Vorteil aller sehr gewissenhaft weiter führte.
Schön, dass Du auch für Dich Positives in meiner Geschichte lesen mochtest. Danke
Herzl. Gruß von
Uschi
Liebe Uschi,
Deine Reisen bzw.Deine Ferien als Kind sind die reinsten Schätze....wundervolle und so wertvolle Erinnerungen. Ich habe sie gerne gelsesen und plastisch vorgestellt. Bei allem, was Ihr gemacht habt, wäre ich gerne dabei gewesen, doch wir waren Flüchtlinge und an Verreisen war nicht zu denken.
Ich oder "man" war aber nicht traurig, denn das Reisen war zu dieser Zeit noch mehr Seltenheit und etwas sehr besonderes. Und durch die vielen Kinder, die zuhause ihre Ferien verbrachten, war ich halt auch beschäftigt.
Ich wußte ja nicht, was noch schöner war.....
Mit dem Lesen Deiner Berichte, war ich eben mit Dir/Euch unterwegs und hatte große Freude
danke Dir und grüße Dich
Renate