Es ist nicht leicht ein Wurm zu sein.


Es ist nicht leicht, ein Wurm zu sein.

Die Geschichte über, die ich berichte, spielt am Rande einer kleinen Stadt. Sie hatte lediglich ein paar tausend Einwohner. Im Süden der Kleinstadt hatte die Gemeinde neues Bauland ausgewiesen. Das Umfeld war schön anzuschauen. Manches Viertel wurde umsäumt von großen alten Bäumen. Auch gab es hie und da wild wachsende Obstbäume. Besonders die Kinder erfreuten sich jedes Jahr, wenn sie in kleine Äpfel beißen konnten. Süßkirchen und Birnbäume vervollständigten das Bild, welches sich dem Betrachter bot.
Es war ein friedliches Bild. Oftmals kreisten Raubvögel über die Felder, um nach Mäusen und anderem Kleingetier Ausschau zu halten. Aber die Ruhe war trügerisch. Von Weitem schon sah man am Rande eines ehemaligen Kornfeldes, Baumaschinen stehen. Bald würde die Baufirma ihre Tätigkeit aufnehmen. In den nächsten Tagen, sollte dort, wo einst ein Feld mit Weizen bestellt wurde, mit den Ausschachtungen begonnen werden. Dann war es vorbei mit der Ruhe und Beschaulichkeit.
Tief unter der Erde, wo einst der Bauer sein Getreidefeld bearbeitete …

„Gehst du heute noch arbeiten?“, fragte Frau Regenwurm ihren Mann. Paul, ihr Mann, schlängelte sich zu ihr hin und strich zärtlich an ihr vorbei.

„Ja doch, ich muss noch ein wenig die Erde auflockern, das ist wichtig. Ich werde erst am Abend zurück sein. Also bis dann“, sagte er und machte sich in einem der vielen Gänge davon.“ Paul Rewu war ein pflichtbewusster Regenwurm. Seine Familie bestand aus seiner Frau Pauline und seinen Kindern Karl und Peter. Die beiden spielten zu gerne ihr Lieblingsspiel, verknoten. Sie schlangen sich oftmals so zusammen, dass ihre Mutter Mühe hatte, die beiden zu entwirren. Auch wusste sie manchmal nicht, wo ihr Kopf und wo ihr Schwanzende war. Wenn Frau Rewu beim entknoten war, kicherten die beiden so laut, das die Gänge zitterten, die sie mit ihren kleinen schlanken Körpern gebuddelt hatten.

„He ihr zwei, habt ihr euch schon gewaschen? Ihr müsst doch gleich in die Schule.“ Pauline legte den beiden ein paar Bröckchen leckere Erde hin.
„Och man“, beklagte sich Karl, „die blöde Schule. Onkel Schnürli ist immer so streng zu uns.“ Onkel Schnürli war ihr Lehrer. Er war erfahren und weit herum gekommen. Hatte er doch immerhin schon drei Jahre auf seinem Buckel. Er versuchte, den Wurmkindern aus seinem reichhaltigen Leben einiges zu vermitteln.
„Was steht denn heute auf dem Stundenplan?“, wollte Mama Wurm wissen.“ Während sie mit ihren Kindern sprach, kleisterte sie den Ausgang mit frischem Kot aus. Er war in letzter Zeit etwas ausgebröckelt.
„So fertig“, sagte sie mehr zu sich selbst.“ Peter beendete gerade seinen Verzehr, als seine Mutter erneut die Frage stellte.
„Also was steht denn auf dem Plan Peter?“
„Er will uns irgendwas erzählen, über unsere Wurmverwandtschaft. Wie viel Arten es gibt und wo.“
„Aha“, machte Pauline, „na dann los mit euch. Und lernt mal schön.“
„Kannst du uns das nicht beibringen Mama? Der Weg zur Schule ist ja nicht gerade um die Ecke.“
„Ich könnte es, aber ich will nicht. Hab auch gar keine Zeit. Schließlich muss ich unsere Wohnhöhle aufräumen. So, und jetzt kriecht los. Es wird Zeit.“
Maulend krochen sie in Richtung Ausgang. Ihre Schule war zwei Meter weiter. Der tägliche Weg über ein Stück Wiese war nicht ganz ungefährlich. Wenn das Gras feucht war, kamen sie gut voran. Jetzt im Frühjahr war noch alles in Ordnung. Wenn der Sommer kam und die Sonne ihre heißen Strahlen zur Erde schickte, blieben sie lieber unter der Erde. Die heißen Strahlen der Sonne bekamen ihnen nicht gut. Sie trocknete ihre Haut aus. Aber
zum Glück gab es ja die Sommerferien, wo sie nicht in die Schule mussten.
Kaum waren sie am Ausgang, begegnete ihnen Oma Schnecke.

„Oh, guten Morgen ihr zwei“, rief sie, „hab euch schon lange nicht gesehen. Kriecht ihr zur Schule?“
„Ja leider“, erwiderte Karl.“
„Wohin willst du denn heute hin, Oma Schnecke?“
„Ach, ihr wisst es noch nicht“, erwiderte sie und kroch um einen Kiesel herum, „Morgen Nachmittag findet das alljährliche Wiesenfest statt.“
„Und wir müssen zur Schule“, mokierte sich Peter und schien zu überlegen, ob er schwänzen sollte oder nicht.“
Karl schien die Gedanken seines Bruders zu erraten, denn er sagte: „Komm wir müssen weiter. Sonst schimpft Onkel Schnürli.“ Missgestimmt und widerwillig krochen beide in Richtung Schule. Endlich waren sie angelangt. Die kleine Höhle, die als Schule diente, war schon gut besucht.


„Ah, gut das ihr auch schon da seid. Dann können wir ja endlich beginnen“, sagte Onkel Schnürli und begann mit seinem Vortrag.
„Ihr wisst ja schon, dass wir hier in Deutschland leben. Von unserer Sorte gibt es in diesem Land etwa neununddreißig verwandte Arten. Wer von euch weiß denn, wie viel Arten es in der Schweiz gibt?“
Ede, als der Klassenbeste, erhob als Einziger sein Schwanzende.
„Ja, Ede?“
„In der Schweiz gibt es eine Art mehr als hier“, beantwortet Ede, die Frage von Schnürli, „und zwar, vierzig.“
„Und in dem Land, wo es so viele Berge gibt, na, was glaubt ihr, wie viel gibt es dort?“ Karl glaubte, es zu wissen. Er erhob sein Schwanzende.
„Es ist Österreich. Und dort gibt es etwa zweiundsechzig Arten.“
„Richtig Karl, bravo“, freute sich Onkel Schnürli.“
„In ganz Europa gibt es circa vierhundert Verwandte.“
„Und wie viel gibt es auf der Erde?“, wollte ein Wurmmädchen wissen.“
„Eine gute Frage Elli. Soweit ich weiß, müssten es gut dreitausend sein.“
In der Klasse der kleinen Würmer wurde noch vieles besprochen. Die letzte Stunde war angebrochen. Peter empfand diese Stunde als die schrecklichste, denn es handelte sich ums Rechnen. Er verstand nicht so recht, warum man diese Kopfwehstunde überhaupt brauchte. In der Mathematik befanden sie sich schon in der Oberstufe. Alle kleinen Wurmkinder waren in der Lage, Zahlen mit ihren schlanken biegsamen Körpern darzustellen. Herr Schnürli hatte heute Peter auf den Kieker. Immer ich, dachte dieser.
„Peter wie viel ist denn dreißig weniger neunzehn“, fragte er neugierig, „ das wirst du doch wissen, oder?“ Zögerlich hob Peter sein Schwanzende.
„Elf?“
„Glaubst du es nur, oder weißt du es?“, fragte Herr Schnürli.“
„Doch ich weiß es. Es ist elf. Das Ergebnis lautet elf“ Sein Lehrer schien nicht ganz überzeugt, denn er sagte: „Dann zeig mir, wie eine Elf aussieht.“ Peter bemühte sich, seinen Körper in der Mitte zusammen zu falten. Die Klasse erschien ihm heute besonders eng, denn er musste sich an seine Klassenkameradin Dinki vorbei quetschen. Aber schließlich hatte er es geschafft. Er erhob seinen Kopf und sah seinen Lehrer fragend an.
„Bravo Peter, du scheinst es ja doch zu wissen.“
„Gut Kinder der Unterricht ist für heute beendet. Dann kriecht schnell nachhause. Eure Eltern warten bestimmt schon mit dem Essen auf euch.“
Unterwegs begegneten sie Oma Schnecke, die sich beeilte, rechtzeitig zum Wiesenfest anzukommen.
„Hallo Kinder“, begrüßte sie die beiden, „wie war es in der Schule. Habt ihr auch fleißig gelernt?
„Ja, ja“, beeilte sich Peter zu antworten, „war schon Okay.“
Aber Oma Schnecke hörte den feinen Unterton heraus, der aus Peters Antwort zu entnehmen war. Sie wiegte ihre Fühler bedenklich hin und her.
„Ihr müsst an später denken. Wenn ihr nicht lernt, findet ihre keine Arbeit“, sagte sie mit einem seufzen in der Stimme, „es wird heutzutage immer schwieriger eine feste Anstellung zu bekommen.“
„Wenn du es sagst“, murmelte Peter und kroch neben seinem Bruder eilig davon.“
Pauline Rewu hatte während des Unterrichtes ihrer Kinder, die Höhle gesäubert. Sie war, nachdem sie mit ihrer anstrengenden Arbeit fertig war, auf die Wiese gekrochen. Sie hielt Ausschau nach besonders leckerer Erde. Schließlich fand sie ein paar schmackhafte Humusbrocken, die Ihre ganze Familie gerne fraß. Der Brocken war besonders groß. Sie hatte Mühe, ihn mit ihrem Schwanzende, in ihre Behausung zu zerren.
Gleich mussten ihre Jungen aus der Schule kommen. Sie würden hungrig sein.
„Mama, Mama“, riefen beide gleichzeitig, „wir haben Hunger, was gibt es denn?“ Karl und Peter krochen gerade über die Schwelle zu ihrer Höhle.
Nachdem Paulines Kinder gefressen hatten, waren sie müde und kuschelten sich zusammen. Bald darauf schliefen sie ein.


Der Weg zur Arbeit war weit. Seit heute Morgen hatte er fast einhundert Meter zurückgelegt. Paul Rewu kam der Weg, den er zurück legen musste, besonders lange vor. Ich werde langsam alt, dachte er, während er einem Stein auswich, der vor ein paar Tagen noch nicht dagelegen hatte. Seltsam, dachte er, hier auf dieser Wiese gab es eigentlich keine Steine. Jedenfalls keine, die so groß waren. Während er so vor sich hin kroch und an seine Familie dachte, verspürte er plötzlich einen starken Luftzug.
Ein großer Vogel landete neben ihm, riss seinen Schnabel auf, packte ihn am Schwanzende und flog davon. Er krümmte sich vor Angst. Offensichtlich hatte sein letztes Stündlein geschlagen.
Meine Familie wird mich nicht wiedersehen“, dachte er zitternd und versuchte sich zu befreien, was ihm aber nicht gelang. Er hörte einen anderen Vogel in seiner Nähe schreien. Er wurde im Schnabel des gefiederten Hin und Her geschleudert. Ihm wurde ganz schwindelig.
Das Federvieh schien sich zu streiten. Höchstwahrscheinlich um ihn. Plötzlich öffnete sich der Schnabel des Vogels, der ihn so erbarmungslos festgehalten hatte. Er wusste nicht, wie ihm geschah. Haltlos stürzte er in die Tiefe. Aber das Schicksal wollte nicht, das ihm etwas passierte. Recht unsanft landete er auf einer Steinplatte und rutschte sich krümmend und Halt suchend von ihr herunter, um im weichen Gras zu landen.
„Uff“, stöhnte er noch ganz benommen. Da hatte er noch einmal Glück gehabt. Die Platte aus Stein, die wie ein Gebirge vor ihm aufragte, kannte er nicht. Augenscheinlich befand er sich nicht mehr in seinem Revier.
Er versuchte, sich ein wenig zu orientieren. Es war nicht einfach für ihn. Aber er wusste genau, das er hier noch nicht gegraben hatte. Dieses Fleckchen Erde war ihm gänzlich unbekannt. Wie sollte er nachhause finden? An Arbeit war jetzt nicht zu denken. Was sollte er tun?
Etwas störte ihn in seinen Überlegungen. Was war das? Die Erde zitterte. Das Zittern und Beben verstärkte sich. Er bekam Angst und kroch so schnell er es vermochte, unter den Stein auf den er noch vor Kurzem gefallen war. Die Sonne, die ihn eben noch erwärmte, verschwand. Nicht weil er unter den Stein kroch, nein, das war es nicht.
Ein etwas senkte sich auf ihn herab, verdunkelte schlagartig die Sonne. Er verspürte starke Schwingungen. Es fühlte sich an, als werde er hochgehoben.



Ängstlich rollte er sich unter dem Stein zusammen, der ihm so etwas wie Schutz bot. Wenige Augenblicke später schien ihn ein Ungeheuer auszuspeien. In hohem Bogen flog er mit der Erde, die ihn umgab, auf einen anderen großen Haufen Humuserde.
„Hilfe“, wollte er rufen, doch die Erde, die ihn umgab, hüllte ihn ein. Sie rutschte zusammen und befand sich immer noch in Bewegung. Verzweifelt suchte er halt an einem kleineren festen Brocken Erde. Aber auch dieser verweigerte ihm die Sicherheit eines festen Halts. Nach einer endlos langen Zeit, kam er zur Ruhe. Verzweifelt bohrte er sich einen Weg an die Oberfläche.

Paul Regenwurm war erleichtert, als seine Sinne die Wärme der Sonne registrierten. Auf einem Büschel Grashalme, die aus der aufgetürmten Erde herausragten, saß ein Grashüpfer und sah zu Paul hinüber, der versuchte, sich in seiner neuen und fremden Umgebung zurechtzufinden.
„Hallo Herr Wurm, sie sind wohl nicht von hier?“, fragte der Hüpfer und sprang mit einem Satz gekonnt neben Paul.
„Eh was? Nein, ich weiß nicht, wo ich bin“, erwiderte Paul, „auf einmal rumpelte die Erde und nun bin ich hier. Ich weiß nicht was geschehen ist.
Pauls Aufregung hatte sich gelegt. Die Grille hüpfte ein wenig herum, so als wisse sie nicht, wo sie hin wolle.
„Entschuldigung“, begann Paul zögerlich, „können sie mir sagen, wo ich bin? Ich war auf dem Weg zur Arbeit. Aber jetzt habe ich die Orientierung verloren. Ich weiß noch nicht einmal, wo meine Wiese ist, in der, meine Frau und meine Kinder leben.“
Der Grashüpfer zirpte vor sich hin. Ihm war es Augenscheinlich, egal wo er sich befand.
„Also“, begann er, „der Hügel, auf dem wir uns befinden, ist ein Erdhaufen, der von einem Bagger hier abgelegt wurde. Hier wird gebaut. Mein Onkel hat mir erzählt, die Menschen wollen hier neue Häuser bauen.
„Aha“, erwiderte Paul er hatte schon von den Menschen gehört, aber noch keinen gesehen. Manchmal, so dachte er, hätte ich doch auch Augen, so hätte ich der Gefahr entgehen können, die mich hierhin verschlug. Aber wie sagte Schnürli vor einiger Zeit.
„Der große grundgütige Wurm wollte nicht das Wir Augen bekommen. Unsere Aufgabe im großen Gefüge besteht darin, die Erde aufzulockern, sodass sie belüftet wird. Das ist unser Lebensinhalt – und wird es auch weiterhin bleiben.“
Paul seufzte.
„Kannst du mir sagen, wo meine Wiese ist, in der ich wohne? Ich weiß nur, dass dort ein großer Baum stehen muss. So hat Oma Schnecke mir einmal berichtet.“
Die Grille sprang mit wenigen Sätzen zum höchsten Punkt des Erdhügels und hielt nach einem einzelnen Baum Ausschau.
„Ich sehe ihn“, rief er von oben herab, „du bist weit von zuhause weg. Für mich werden es etwas mehr als fünfhundert Sprünge sein. Wie lange du brauchst, bist du zu Hause bist, weiß ich nicht. Was mochte Pauline, seine Frau denken? So lange war er nicht mehr von seiner heimischen Höhle fort gewesen.
„Ich weiß auch nicht, wie lange ich brauche“, erwiderte er bedauernd, „aber es nützt nichts. Ich mach mich auf den Heimweg. Ich danke dir mein Freund für deinen Hinweis.“
Nun doch etwas froher gestimmt machte sich Paul auf den Heimweg. Das Abenteuer würde er nicht so schnell vergessen. Sein Instinkt sagte ihm, in welche Richtung er kriechen musste. Es mochte eine Stunde vergangen sein. Er wurde Müde. Das Abenteuer steckte noch in seinem Körper und hatte ihn doch Recht mitgenommen. Er beschloss ein wenig auszuruhen und kringelte sich neben einem Stein zusammen. Lisa hüpfte vor sich hin summend von einem Bein auf das andere. Auf der anderen Seite der Straße, in der sie wohnte, gab es eine große Wiese, auf der eine einzelne alte Eiche stand. Unweit von ihr standen ein paar Baumaschinen. Hier sollte demnächst eine neue Wohnsiedlung entstehen.
Sie lief über die Straße auf die große Grünfläche. Auf ihr wuchsen viele wunderhübsche Blumen. Vor ein paar Tagen erst hatte sie ihrer Mutter einen kleinen Strauß gepflückt.
Jetzt aber wollte sie nach ein paar Regenwürmern Ausschau halten. Ab und an hatte sie dort welche gefunden und sie ihrem Vater gebracht. Dieser angelte gerne, am nahe gelegenen Teich. Als sie auf der Wiese war, blickte sie sich im feuchten Gras um.
Nach einer Weile wollte sie enttäuscht die Wiese verlassen, da sah sie einen großen Wurm, der zusammengekringelt neben einem Stein lag.
Ja, der ist gut, dachte sie, da wird sich mein Vater freuen. Vorsichtig hob sie ihn auf, und steckte ihn in die Tasche ihres Kleides. Fröhlich pfeifend lief sie auf die große Eiche zu, unter der sie oftmals saß.
Paul wusste nicht, wie ihm geschah. Noch ein wenig schlaftrunken bemerkte er, dass sich seine Umgebung abermals geändert hatte. Irgendetwas schaukelte ihn hin und her. Lisa stolperte über eine Wurzel, die aus der Erde heraus schaute. In hohem Bogen wurde Paul aus der Tasche von Lisa herausgeschleudert und landete recht unsanft auf einem morschen Ast, der auf dem Boden lag. Das Mädchen rieb sich ihr Knie.
„So ein Mist“, knurrte sie ärgerlich und griff in die Tasche des Kleides. Aber der Wurm war nicht mehr da. Schade dachte sie, es war so ein schöner großer Wurm.
Humpelt entfernte sie sich von der Wiese. Paul rappelte sich auf. Er kroch über die alten Wurzeln der Eiche.
„Das ist der alte Baum, dachte er, „bald bin ich zuhause. Auf seinem Heimweg begegnete er abermals Oma Schnecke, die für ihre Verhältnisse, eine große Strecke zurückgelegt hatte.
„Oh hallo Herr Rewu. Sie waren aber lange fort. Sie haben heute länger arbeiten müssen?“
Wenn Oma Schnecke wüsste, was ihm widerfahren war.
„Nein, nein“, antwortete er ihr, „mir ist so einiges auf dem Weg zur Arbeit passiert. Ich werde es ihnen erzählen auf dem Wiesenfest. Nicht jetzt. Ich muss nachhause. Meine Familie wird sich schon Sorgen machen.“
Was mag Herrn Rewu passiert sein?“, fragte sich die Schnecke und kroch eilends weiter. Müde und abgespannt schlängelte sich Paul weiter. Schließlich war es so weit. Seine Höhle hatte er erreicht. Schon am Eingang sah er Peter und Karl spielen. Paul strich um sie herum.
„Hallo Papa, wir haben dich soo vermisst. Mama glaubt, dir sei etwas geschehen.“
„Beinahe Kinder, beinahe. Ich hab sehr viel Glück gehabt. Ich werde es euch später erzählen. Jetzt muss ich erst einmal zu eurer Mutter. Bis später.“
Die Freude war groß, als Pauline ihren Mann spürte, der liebevoll um sie herum strich.
„Ich bin froh das dir nichts Schlimmes widerfahren ist“, sagte sie, während sie sich an ihn schmiegte.“
„Ach, wenn du wüsstest“, seufzte er. Paul war so müde, dass er sich zusammen kringelte und von gleich auf jetzt einschlief. Am nächsten Morgen schickte die Sonne einen ihrer Strahlen in die Höhle, um Familie Rewu zu wecken. Paul streckte sich. Er hatte lange geschlafen.
Seine Frau rief: „Frühstück. Aufstehen ihr Faulpelze. Es ist ein schöner Tag. Heute beginnt das Wiesenfest.“
Nach dem Essen machten sie sich auf den Weg. Unterwegs begegneten sie Herrn Schnürli. Er hatte die ganze Klasse der kleinen Würmer im Schlepptau. Gemeinsam schlängelten sie sich zu einem Strauch der Schneebeere. Die Menschen sagten auch Knallerbsenstrauch dazu. Nach einer Weile versammelten sie sich am Strauch. Mehrere Knallerbsen lagen bereits auf dem Boden. Einige Besucher des Wiesenfestes waren schon da. Ein paar Käferkinder versuchten die Beeren als Ball zu benutzen. Paul und seine Familie wurden freudig begrüßt.
Oma Schnecke war mittlerweile ebenfalls eingetroffen.
„Oh man“, stöhnte sie, „in meinem Alter sollte man solch große Strecken nicht mehr zurück legen. Ich glaube nicht, dass ich nächstes Jahr dabei seine werde.“
Viele Insekten und auch wenige Schmetterlinge gaben sich am Knallerbsenstrauch ihr Stelldichein.
Etliche Grashüpfer vollführten Luftsprünge und begeisterten mit ihren akrobatischen Künsten, die Wiesenbewohner. Eine Grille landete mit einem Sprung direkt neben Paul.


„Hallo, wir kennen uns doch. Sie waren doch gestern noch auf diesem Haufen Erde. Ich hörte von dem Wiesenfest und dachte, es wäre doch ganz nett dort mitzumachen.“ Paul wandte sich an seine Frau und sagte: „Darf ich dich mit Herrn Grille bekanntmachen? Er half mir, nachhause zu finden. Wäre er nicht gewesen, hätte ich den Weg nicht so schnell wiedergefunden.“
Pauline kroch auf Herrn Grille zu.
„Vielen Dank. Dank ihrer Hilfe stünden meine Kinder ohne Vater da.“
„Keine Ursache, Frau Rewu.“
Es war ein geschäftiges Treiben von Käfern Würmern Schnecken und allerlei anderes Getier. Die Grashüpfer stimmten ihr schönstes Lied an. Schmetterlinge zeigten ihre Flugkünste.

Langsam neigte sich der Tag dem Ende zu. Vergnügt, über den schönen erlebnisreichen Tag, krochen, krabbelten, hüpften und flogen alle wieder nach Hause.
Karl und Peter, kaum in ihrer eigenen kleinen Kammer angekommen, kringelten sich zusammen.
„Papa, das war ein schönes Fest“, riefen beide, „aber morgen musst du uns erzählen, was dir passiert ist, als du so lange weg warst.“
„Gut ihr zwei, dann bis Morgen. Und jetzt schlaft.“ Pauline schmiegte sich an ihren Mann, glücklich darüber, ihn heil und unversehrt neben sich zu haben.


Gorm48

Anzeige

Kommentare (0)


Anzeige