Eine Nachtfahrt mit dem Zug ...
In den großen Ferien 1953 fuhren wir mit dem Zug nach Unterwössen in Bayern. Es war ja für uns Kinder (5, 8 und 12) schon spannend, in einen Zug einzusteigen, zu verreisen. Aber so eine lange Fahrt, die auch noch im Schlafwagen stattfand, das war etwas Besonderes.
Von Münster aus ging es über Köln und lange auch am Rhein entlang, bis der Zug dann doch in östlicher Richtung gen Chiemgau fuhr. Wie oft er bis Unterwössen hielt, hab ich nicht behalten. Aber dass er nachts irgendwo im Schwäbischen einen Halt hatte, kann ich wohl nie vergessen. Meine jüngere Schwester war auf ihrem Sitz eingeschlafen, als zwei Damen zugestiegen waren und nach ihren Plätzen suchten. Sie fanden die bestellten Plätze in unserem Abteil, ausgerechnet der Platz, auf dem meine Schwester schlief. „Die Plätsch sin besetsch.“ kam es ein wenig empört.
Natürlich wurde die Kleine gleich geweckt und durfte mit der großen Schwester in der oberen Etage unserer Schlafwagenbetten weiter schlafen.
Ich konnte diesen Satz nie vergessen, denn so hatte ich noch nie Jemanden sprechen gehört. Unser Vater bestand zuhause auf jeden Fall stets darauf, dass wir reines Hochdeutsch sprachen, schließlich sei Münster eine Universitätsstadt!
Auch das münstersche Plattdeutsch oder der „Kohlenpott-Slang“, dem meine Großmutter in ihrer Jugend und später bei ihrem Mann frönte, durften wir Kinder nie benutzen. Für uns gab es nur „der, die das“, niemals „de“, wie es in der Umgangssprache auf dem Lande üblich war. Und noch einige andere Ausdrücke, bei denen wir aufpassen mussten, dass unser Vater uns nicht hörte. Und wenn Oma mit uns schimpfte, verfiel sie automatisch in ihr münstersches Platt.
In diesen Ferien haben wir so manche Worte zu hören bekommen, die wir überhaupt nicht verstehen konnten. Aber wir wurden dennoch verstanden ...
Ob ich diesen Satz im Zug richtig geschrieben habe, weiß ich natürlich nicht. Aber so hörte es sich damals an. Und das Schwäbische finde ich bis heute richtig gut!!
Kommentare (5)
Mit Schwäbisch, liebe Uschi bin ich aufgewachsen. In Schwaben auf der Schwäbischen Alb sind meine Eltern nach ihrer Flucht aus Oberschlesien gelandet und haben dort damals auch kein Wort verstanden. Der schwäbische Dialekt hat es in sich . Als Kind habe ich ihn auf der Straße mit meinen Spielkameraden gesprochen, aber zuhause wurde hochdeutsch geredet. Die Oberschlesier haben auch ihren eigenen Dialekt gehabt, aber meine Eltern sprachen ihn nicht. Ich bin also zweisprachig aufgewachsen mit schwäbisch und hochdeutsch . Das Schwäbische habe ich mir ganz abgewöhnt, als ich ins Berufsleben gekommen bin. Ich höre aber sehr gerne, wenn Dialekt gesprochen wird und meistens kann ich ihn auch gut verstehen außer Platt. Hier in meiner Ecke gibt es sehr viele Dialektfärbungen. Am Kaiserstuhl wird anders gesprochen als in Freiburg und je näher es an die Schweiz geht, um so mehr gleicht er sich dem Schwyzerdütsch an. Ich denke, die Dialekte sollten unbedingt erhalten bleiben, sie gehören zur Heimat dazu.
Herzlichen Gruß
Brigitte
eine lebendig geschilderte nächtliche Zugfahrt, die zu Denkanstössen veranlaßte
liebe Uschi,
ich lebe über 70 jahre in Köln und spreche natürlich auch den Dialekt und bin immer enttäuscht, wenn mir ein hier geborener Kölner sagt, dass ich kein
"reinrassisches" Kölsch spreche und es zu erkennen ist, dass ich nicht in Köln geboren sei....
Wir waren auch "Zugereiste" und im Elterhaus wurde auch nur möglichst die deutsche Umgangssprache gesprochen.
Es wundert mich nicht, dass Du in Bayern Schwierigkeiten hattest alles zu verstehen, und das als Kind. Diese Schwierigkeit habe ich heute noch, sicher ist es umgekehrt auch so...
Wenn ich auch unseren kölschen Dialekt vielleicht nicht perfekt spreche:
unser KÖLSCH (hiesige Bier) kann ich jedenfall gut trinken..
mit lieben Gruß und Dank
Renate
@ladybird
Liebe Renate! Ich weiß, was ein Kölsch ist, inzwischen auch, was als halver Hahn serviert wird. Aber unser Ausdruck, nach jedem Satz "nich!" zu sagen, hat in Köln nicht Einzug gehalten. Auch das "woll" aus dem Sauerland, wo meine Kusine wohnt, ist weder bei uns noch bei Dir üblich.
Und in Oesede, wo wir 1972 hingezogen waren, sagte man üblicherweise: "tu schön in Hause grüßen!" oder "ich fahr nach Stadt!"
Daran konnte ich mich so überhaupt nicht gewöhnen ...
LG Uschi
Auch in meiner Kindheit wurde zuhause auf Hochdeutsch größter Wert gelegt. Und gut so, es hat eine gute wichtige Grundlage gelegt, sich nicht nur überall im Land gut verständigen zu können, sondern auch in allen anderen Lebensbereichen auf gebührende Ordnung zu achten, ohne sich damit von anderen Menschen abzugrenzen. – Später dann habe ich erfahren, dass in ländlichen Regionen die Sprache nicht selten von Dorf zu Dorf erhebliche Unterschiede aufweist, was sich bis heute erhalten hat. Bestimmte Begriffe und Ausdrücke versteht man oft nur in einem kleinen begrenzten (Sprach-)Raum. So gesehen musste ich mich aber auch fragen, wie sich Völker verstehen sollen, wenn es mitunter von Dorf zu Dorf schon problematisch ist. Nun gut, das ist heute mit gutem Willen relativ leicht überwindbar. Aber insgesamt befürworte ich, dass regionale Dialekte und das althergebrachte Platt auch weiterhin gepflegt werden, denn das gehört unbedingt zur überaus wertvollen Historie einer jeden Menschengemeinschaft. Und eines ist sicher: Gemeinsame Sprache schweißt zusammen, was gerade in Zeiten des Werteverfalls und der Globalisierung von enormer Wichtigkeit ist.
Zu diesen Überlegungen, liebe nnamttor, hat mich dein Kindheitserlebnis angeregt. – Hübsch geschrieben, gerne gelesen von
Syrdal
@ Syrdal, @ ladybird, @ Roxanna,
és stimmt ja, Ihr Lieben, jede Landschaft hat nicht nur in Deutschland ihre Dialekte, die teils auch noch sehr gepflegt werden.
Als mein Ältester ins 5. Schuljahr kam, war es mir wichtig, dass ich ihn - meinen Legastheniker - auch in Englisch würde betreuen können. Also belegte ich bei der VHS einen Englischkurs. Aber nach der Nachfrage, wie weit ich selbst in der Schule Englisch erlernt hatte, stufte man mich in einen "Unterhaltungskurs" ein, denn mehr als ich gelernt hatte, würde von meinem Sohn auch nicht verlangt werden. Und das könne ich doch noch, hatte ich meinen Sohn ja schon mit 22 Jahren bekommen.
In dem Kursus erfuhr ich dann, dass auch die englische Sprache durchaus verschiedene Dialekte kennt. Das Schulenglisch ist meist London-Englisch. Aber hoch bis Schottland gibt es viele Varianten. Und unser Kursdozent war ein Italiener, der lange in Kanada gelebt hatte und daher auch noch Varianten aus USA und Kanada kannte. Obendrein hatte zu der Zeit meine Schwägerin gerade einen Texaner geehelicht und auch da erfuhr ich so einige Varianten, so dass es zum Schluss gar nicht so leicht war, das Richtige zur Hilfe für meinen Fünftklässler herauszufinden.
Im Übrigen wohnten wir nach dem Krieg in dem münsterschen Viertel - nahe dem wöchentlichen Mittwochs- und Samstagsmarkt. Dort und auf dem münsterschen Send war in früheren Jahren die Pferdehändlersprache üblich! Die Masematte wurde in den 1990er Jahren von den Studenten gründlich erforscht und so konnte ich dann später auch noch die Grammatik dieser "Masematte" erfahren. Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Zeiten, in denen gern Französisch gesprochen wurde, die Zigeunersprache und Einiges mehr. Ein richtiges Kauderwelsch, das ein hochdeutsch Sprechender kaum noch verstehen kann ... Wehe, unser Vater hörte, wenn wir solche Ausdrücke benutzten!
Das war alles so spannend und in meiner Alltagssprache integriert, dass mich in meinen letzten Berufsjahren ein Kollege, der gern viele Dialekte zuordnete, fragte, woher ich denn eigentlich käme ... Das konnte er nicht mehr heraushören.
Eine schöne Woche für Euch
Uschi