Ein unvergesslicher Gegenstand meiner Kindheit


Ein unvergesslicher Gegenstand meiner Kindheit

Ein unvergesslicher Gegenstand/Liebe meiner Kindheit
Zwei Dingen trauer ich besonders nach. Das sind meine Schildkrötpuppen Trudi und Willi - bei Schildkröt heißen sie auch heute noch Inge und Hans.
Ich erinnere mich nicht mehr darran wann ich sie bekam, aber ich muss noch sehr klein gewesen sein. Sie waren meine liebsten Spielgefährten. Ich behütete sie, spielte immer sorgsam mit ihnen, behandelte sie wie kleine Kinder. Besonders, da ich mir immer kleinere Geschwister gewünscht und sie nie bekommen hatte. Natrürlich mussten sie - wie alle Kinder - öfter gewaschen werden, denn sie kamen auch in den unserem Hause gegenüberliegenden Park mti und waren bei fast allen Spaziergängen dabei.

Mein Vater hatte für die Puppen einen Kleiderschrank gebaut. Eigentlich das einzige Möbelstück, dass er wirklich ordentlich gemacht hatte. Dieser Kleiderschrank war aus einem alten Nachttisch entstanden den er einfach umgedreht und die Schublade dementsprechend verkehrt wieder eingeschoben hatte. Im oberen Teil hatte er eine Stange angebracht auf den ich später Kleiderbügel hängen konnte die mir meine Mutti gekauft hatte. Mein Vater malte den Kleiderschrank grün an, das war in seinem ganzen Leben anscheindend seine liebste Farbe und meine Mutti verzierte den Schrank mit Bauernmalerei. Mit den kleinen Holz-Kleiderbügel konnte ich die Garderobe "meiner  Kinder" in Ordnung halten. Dieser Schrank war sehr wichtig für sie, denn sie hatten viele Kleidungstücke.
Am Ende des Jahres, wenn die dunkle Zeit begann, verreisten meine Puppenkinder. Meine Muti sagte immer: "Sie fahren in Urlaub. Dort gehen sie zur Kosmetik und besorgen sich neue Garderobe." In Wikrlichkeit malte meine Patentante die Puppen wieder neu an und Mutti nähte dann neue Kleider. Jedes Jahr bekamen Trudi und Willi war es das gleiche Ritual. Einmal bekamen sie Kleider für den Frühling, einmal für den Sommer, oder für den Herbst und den Winter. Nie für alle Jahrezeiten zugleich.
Das letzte an das ich mich erinnerte waren für Trudi ein Mäntelchen mit Umlegkragen aus Samt und ein dazu passendes Schutenhütchen und für Willi aus dem gleichen Stoff ein Mäntelchen mit Stehkragen und ein "Schiffchen", wie die Soldaten es hatten. Alle Teile waren aus einem alten Herrenmantel entstanden. Für Willi hatte Mutti noch eine passende Hose genäht und einen Pullover gestrickt und Trudi bekam ein Trägerröckchen und eine Bluse. Ich konnte mich deshalb immer so gut an diese Kleidungsstücke erinnern, weil sie mit einem großen Verlust zusammen hingen. - Vor einigen Jahren, bei meinem Umzug, fand ich unter vielen alten Sachen diese letzten Kelidungsstücke!
Wir waren nicht reich, aber meine Mutti fand immer noch Leute, die noch ärmer als wir waren, wenigstens meinte sie das. Und ohne mich zufragen verschenkte sie meine beiden Puppen als ich einmal nicht zu Hause war. Ich habe sehr geweint, auch wenn mir noch ein Teddy geblieben war. Und ganz besonders schlimm wurde es dann, als ich bei einem Besuch der Familie zu der meine Puppen gekommen waren sah, wie die Puppen behandelt wurden. Sie lagen vollkommen verdreckt und teilweise kaputt in deren Hof. Es dauerte nicht lange und sie landeten in einer Mülltonne, anstatt dass sie zu dem Puppendoktor gebracht wurden, der in unserer Nachbarschaft wohnte.
Ich wünschte mir immer wieder eine neue Puppe...
Auf dem Weg zur Schule ging ich an einem großen Kaufhaus vorbei. Anfang Dezember lag dort auf einer Babywiege eine große Babypuppe. Ab diesem Zeitpunkt war das mein größter und einziger Wunsch zu meinem Geburtstag. Der rückte näher und siehe da: eines Tages war die Puppe nicht mehr im Schaufenster. Noch nie hatte ich meinen Geburtsta so sehr herbei gesehnt. Und wie groß war dann die Enttäuschung, als ich statt dessen wie meisten nur Bücher bekam. Eine Hoffnung hatte ich aber noch, denn Weihnachten stand ja vor der Tür. Aber auch da bekam ich die Puppe nicht.
1956, als ich 10 Jahre alt war, bekam ich dann eine kleinere Schildkrötpuppe, ein Baby. Die Größe war mir egal, die Hauptsache war für mich: ich hatte wieder eine Puppe. Und ich bekam diesmal sogar einen Puppenwagen dazu. Er war von meiner 10 Jahre älteren Schwester. Meine Mutti hatte ihn aufgemöbelt, neue Wäsche daüfür genäht und ich fuhr stolz "mein Baby" darin spazieren, bis... ja, bis meine Mutti auch diesen Wagen verschenkte. Meine Babypuppe hütete ich und versteckte sie morgens bevor ich zur Schule ging. Erst als mir meine Mutti versprach diese nicht zu verschenke, hörte ich mit dem Verstecken auf. 
Das Unglück verließ mich aber nicht. 1958 wurde mein Patenkind geboren und als sie knapp zwei Jahre alt war, sagte meine Mutti, ich solle sie doch die Puppe bei unserem Spaziergang tragen lassen. Kaum waren wir aus dem Hof , ließ Irene meine Puppe fallen und der Kopf ging kaputt. Inzwischen gab es unseren Puppendoktor nicht mehr. Schweren Herzens legte ich die Puppe ohne Kopf in meinen Schrank und als ich 1979 mit meinem Mann und unserer ersten Tochter in den Westerwald zog, nahm ich die Puppe noch mit. Ich fand niemand, der die Puppe reparieren konnte und dachte selbst nicht daran es zu versuchen.Zu dieser Zeit wusste ich auch noch nicht, dass ich über Internet vielleicht einen neuen Kopf bekommen hätte.
Eines Tages, ich hatte die Puppe inzwischen auf unserem Küchenschrank liegen, entdeckte ich, dass unsere "Hausmaus" darin ein Nest gebaucht hatte und junge Mäuse darin wohnten. Nun mochte ich die Puppe nicht mehr und entsorgte sie - leider.
1984 kaufte ich mir dann eine große babypuppe bei einem Versandhaus. Die Puppe hieß Benedikt und mein Mann baute für die puppe ein Bett. Zwischnezeitlich hatte ich fast 70 Puppen und Plüschtiere. Nach meinem Umzug nach Franken, verkaufte ich die meisten von ihnen oder verschenkte sie.
Nun habe ich mit meinem Lebensgefährten noch 14 kleine Puppen die alle einen Namen und ein "Leben" haben. Denn ich habe für sie kleine Lebensgeschichten geschrieben und für alle zusammen "unsere Familienchronik" - natürlich eine liebevolle Fantasie.
Die Liebe zu Puppen konnte ich nicht an meine Töchter, aber an meine Enkeltöchterchen vererben.
Nun bin ich seit Jahren eine Puppenärztin und repariere Puppen aller Arten. Das ist jedes Mal eine Herausforderung und bis jetzt musste ich noch nicht viele ablehnen. Nach jeder Reparatur bin ich stolz und glücklich zugleich. Die meisten Puppen bekommen in der Zeti ihres Krankenhausaufenthalts neue Kleider gestrickt oder gehäkelt und werden natürlich bevor sie abgeholt werden auch gewaschen. 
                                                                                                                          
P.S, die abgebildete Puppe ist eine Puppe die von mir repariert wurde.
 


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Kommentare (12)

Christine62laechel

Ich habe auch Puppen schon immer sehr gern gehabt... Zwei von den schönsten habe ich mir in der ehemaligen DDR gekauft, Mal als ich dort mit einem Schulausflug unterwegs war, und Mal, als ich als Kellnerin in den Sommerferien gearbeitet hatte, also - ich war damals kein Kind mehr. :)

   Meine Mutter hat auch so etwas getan: Meine liebste Puppe war verschwunden... Ich hatte sie aus zwei Gründen so gerne gehabt. Erstens, weil man hier so gut wie nie eine Puppe in Form von einem Jungen bekommen konnte, und dies war ein Knabe, mit süßen Sommersprossen auf seinem netten Gesicht. Und zweitens, ich habe für ihn selber ein Höschen und ein Jäckchen aus meiner zu kleinen Strumpfhose geschneidert. Die war grell blau, und war eine der ganz wenigen schönen Sachen, die ich damals hatte. Der Verlust schmerzte lange. Ich wagte nicht, meine Mutter danach zu fragen. Sie würde sich ganz gewiss nicht rechtfertigen, sondern mich nur anbrüllen.

   Da ich Mutter von einem Einzelkind bin, wollte es meinem Sohn beibringen, wie schön es ist, jemandem etwas zu schenken, selbst etwas, was man selber auch gerne mag. Nie würde ich so etwas aber ohne eine Vereinbarung mit ihm machen, ohne mich zu vergewissern, dass es ihn wirklich nicht traurig machen würde.

Mit lieben Grüßen
Christine

Sami2015

Hallo, ich finde es wunderbar, dass ich schon so vielen eine Freude mit meinen kleinen Geschichten machen konnte.
Deshalb gibt es heute auch ein Märchen für Große und Kleine....
Lasst ihr euch entführen in deine Fantasiewelt?
Liebe Grüße und auch danke für eure Kommentare und die mitgeteilten eigenen Erinnerungen zu meinen Erlebnissen und Geschichten
Das war ich einmal - 1949in einem Strickröckchen von Mutti. Kicher, ich habe mich nicht viel verändert, bin immer noch klein und pummelig
Christel 1949.jpgSami / Christel
 

Roxanna

Liebe Sami,

deine Geschichte ist mir richtig nahegegangen, weil ich mich in vielem wiedererkannt habe. Ich hatte drei Puppen, merkwürdigerweise kann ich mich nicht mehr an die Namen erinnern, die ich ihnen gegeben habe, nur den der Baby-Puppe, den weiß ich noch, weil ich ihr meinen zweiten Vornamen gegeben habe. Auch ich habe einen Puppenschrank gehabt, den meine Mutter allerdings bei einem Schreiner hat machen lassen und den mein Vater wunderschön in hellblau und mit Blumen bemalt hat. Ich hatte auch immer schöne Kleidung für sie, auch bei mir dasselbe Ritual, vor Weihnachten waren sie plötzlich verschwunden und wurden neu eingekleidet.. Den Kleiderschrank mit Bügelchen, die Puppen und das meiste ihrer Kleidung habe ich noch. Dass deine Mutter einfach deine Sachen verschenkt hat, das war sehr hart. Wie konnte sie nur!
Ich erinnere mich, dass bei meiner Schildkrötpuppe, ich glaube sie waren sehr zerbrechlich, mal der Kopf kaputtging und sie einen neuen bekam. Auch ein Arm ist mal zerbrochen. Damals gab es in einem Spielwarengeschäft einen Puppendoktor. Den Puppenwagen bekam ich von meiner Großmutter geschenkt.
Es gibt ein Foto mit meinen drei Schönen. Warum ich so schlecht gelaunt schaue, weiß ich heute nicht mehr.

Danke für diese schöne, traurige, aber doch mit gutem Ausgang Geschichte, die bei mir Erinnerungen geweckt hat und herzliche Grüße

Roxanna


Puppen.jpg

Muscari

@Roxanna  
Du siehst tatsächlich wie eine ernsthafte richtige Mama aus, die es mit ihren Kindern sehr genau nimmt. Und so elegant mit weißen Strümpfen. ----
Alle Achtung.
Ein wunderschönes Foto.
Lächeln
Andrea

Roxanna

@Muscari  

Danke, liebe Andrea, für die nette Rückmeldung Lächeln, über die ich mich freue. Wahrscheinlich wurde das Foto an einem Sonntag gemacht, deshalb die weißen Strümpfe. Früher, daran erinnerst du dich ganz sicher auch noch, hatte man Sonntagskleidung, die wirklich auch nur da getragen wurde. Heute kennt man das nicht mehr.

Herzliche Grüße
Brigitte

Humorus

Eine sehr schöne Geschichte hast Du uns hier geschickt. Ja Erinnerungen leben davon, das man sich gerne erinnert und wenn man dann noch etwas aus seinem Leben in die Nächsten Generationen weiter gibt, bleibt man für immer in den Herzen. danke dafür.

Lieben Gruß Klaus

Muscari

Das ist aber eine herrlich geschriebene Puppengeschichte, die ich so gut nachvollziehen kann. Schön auch, dass Du heute eine Puppenärztin bist, eine Beschäftigung, die immer mehr ausstirbt.

Puppe Irene war meine Lieblingspuppe, die ich leider nach meiner Scharlacherkrankung im Krankenhaus zurück lassen musste.
Gerne erinnere ich mich an die vielen anderen Puppen, und vor allem an den Teddybär. Wenn sie "krank" waren, spielte ich die Krankenschwester mit Schürze und Häubchen, legte sie alle auf Sofakissen auf den Bauch, um ihnen Fieber zu messen.
Das hatte ja auch der Arzt bei mir gemacht. Dazu benutzte ich Buntstifte, die ich ihnen in den Po steckte.
Noch heute muss ich darüber lachen.
Ich danke Dir für diese nette Geschichte.
Andreaimg387xx.jpg

 

Manfred36

Meine verstorbene Frau fabrizierte auch Unmengen von Stoffpuppen, zum Teil mit  Kopf, Händen und Füßen aus Porzellan oder Holz. Für die Holzanteile war ich zuständig. Zurückbehalten habe ich nur die hier, ihre Lieblingsobjekte:

ehemaliges Mitglied

Liebe Sami!
Deine Geschichte könnte die Geschichte meiner Schwester sein. Ich habe nie mit Puppen gespielt. Zweimal knüpfte mein Friseurvater einer Puppe eine eigene Perücke, die auch noch zu kämmen oder umzufrisieren war - aber Klein-Uschi setzte sie lediglich in eine freundliche Position und schaute sie nur gelegentlich an.

Aber meine beiden Echthaar-Puppen nahm ich dennoch mit in die Ehe. Die Hulapuppe, einer elfenzarten braunen Figur, nach Hawaii-Art gekleidet gefiel mir besonders gut. Als ich dann meinen Sohn erwartete (damals erfuhr man das Geschlecht des Kindes ja erst bei der Geburt), verschenkte ich die Puppe an eine befreundete Familie, die nach zwei Söhnen ein Töchterchen bekam. Mir hatte man ja gesagt, ich bekäme zu 99 % keine Kinder. Daher war die Puppe für eine Tochter bei mir ja nicht mehr möglich.

Ich irrte mich sehr, bekam doch noch eine Tochter und mein Sohn beanspruchte die weinerlich aussehende Käte-Kruse-Puppe für sich, denn auch meine Tochter spielte lieber mit Autos oder der Eisenbahn als mit Puppen.

Das verschenkte Hula-Mädchen fehlt mir heute noch ...
Schön, dass ich Deine Geschichte lesen durfte.

Herzlichen Gruß von Uschi
 

Sami2015

Ich entschuldige mich für einige kleine Schreibfehler, aber es ist so heiß und so habe ich sie übersehen.

Muscari

@Sami2015  
Das macht doch gar nichts.
Aber wenn es Dich zu sehr stört, kannst Du ja auch oben rechts auf das grüne Symbol klicken und unter Bearbeiten noch korriegieren.
Dann unten wieder auf Speichern klicken.
Andrea

ehemaliges Mitglied

@Sami2015  
Du brauchst Dich für eventuelle Schreibfehler doch nicht zu entschuldigen. Im Alter greifen die Finger - auch bei mir - oft genug daneben oder auf 2 Tasten gleichzeitig und ich bin bestimmt nicht die einzige, die damit umgehen muss ...

LG von Uschi


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