ein Pferdebein auf dem Fahrradsattel
es war der 23. März 1945. Der massivste Bombenangriff auf die Stadt Dessau. Sogar die Randgebiete bekamen ihre Portion ab und somit zogen wir uns auch wieder in den hauseigenen Luftschutzkeller zurück und warteten auf die Dinge, die noch kommen könnten. Unser Haus hob sich für Augenblicke, wir hörten ein Gepoltere und Getöse und blieben wie erstarrt sitzen.
Als endlich Ruhe zu herrschen schien, entriegelte unsere Hauswirtin vorsichtig die dicke Stahltür und sah nach dem Rechten. Die Kellertreppe lag voll Schutt und Brettern, wir kämpften uns nach Oben und dort sah es auch nicht besser aus. Unsere Hauswirtin rannte nach draußen um nachzuschauen, ob es irgendwo brannte. Bei uns nicht, nur einige Häuser weiter, stand ein Haus in Flammen. Ich bekam Befehl bei den Töchtern der Hauswirtin zu bleiben und die Erwachsenen rannten los. Beide Frauen kamen nach einiger Zeit wieder und erzählten, daß nichts zu retten war. Die Leute waren draußen und wurden irgendwo einquartiert. Unser Hauswirt war zur "Heimatwehr" eingeteilt und kam in dieser Nacht nicht nach Hause. Die Hauswirtin, Tante M. und meine Mutter waren sehr beunruhigt. Am nächsten Morgen war er noch immer nicht da und Tante M. fuhr los, kam sofort wieder zurück und schrie: Lisbeth, das Pferdegut brennt! und verschwand wieder. Meine Mutter schnappte ihr Fahrrad mit den Worten:..und ihr bleibt, wo ihr seid! und weg war sie. Nach Stunden kam Tante M. wieder, in Tränen aufgelöst und schluchzend und mußte ihren beiden Töchtern rauswürgen, daß ihr Papa tot ist. Wir saßen alle vier in ihrer kleinen Stube und sprachen nichts. Ich wartete auf meine Mutter und dachte an Onkel G. Ich schlich mich ab und zu nach draußen, um nach ihr Ausschau zu halten. Es wurde Nachmittag und zwischen 14 und 15 Uhr, einer Zeit des täglichen Bombardements, zogen wir in unseren Luftschutzkeller. Mutter war noch immer nicht da. Meine Kinderphantasien hatten die schrecklichsten Bilder im Kopf. Auf einmal trommelte es an dem hermetisch verschlossenen Fenster des Bunkers. Tante M. schrie: das sind die Russen, das sind die Russen.........es trommelte weiter. Vorsichtig öffnete sie diese Stahlbarriere und mein Großvater stand davor. Also raus aus dem Keller und ihm um den Hals fallen und ihm erzählen, was alles passiert war, das kam gleichzeitig aus vier Mündern. Und Li, meine Mutter, ist auch noch nicht zurück...... und in diesem Tumult schob ein Fahrrad um die Hausecke. Wir erstarrten und sahen dann einen riesigen Klumpen rohen Fleisches, daß sich über Sattel und Gepäckträger überhängen ließ. Ich schrie voller Entsetzen---ist das Onkel G. ???? Mein Großvater nahm mich auf den Arm und hielt mir den Mund zu. Mutti guckte ganz böse und Tante M. schnappte ihre Töchter und floh nach drinnen. Ich stand da, wie ein begossener Pudel, wohl merkend, daß ich etwas ganz Schreckliches gefragt hatte. Opa löste den Kloß, der uns im Hals steckte und fragte nach. Mutti erzählte dann von dem brennenden Pferdegut und daß sie dort etliche Tiere notschlachten mußten und somit der Lohn für ihre Hilfe auf dem Fahrrad hing, und sie den langen Weg das Rad schieben mußte. Ja, das war ein riesiges Stück Hinterschenkel mit halben Bein von einem notgeschlachteten Pferd und nicht Onkel G.. Ich habe mich bis in alle Ewigkeit geschämt.
1960 habe ich sie letzmalig besuchen können und sie hat mir verziehen, konnte sich aber ganz genau daran erinnern. 15 Jahre dazwischen und ein Ereignis im Kopf..........
Worte und Gedanken, die man nie vergißt.
Finchen
Als endlich Ruhe zu herrschen schien, entriegelte unsere Hauswirtin vorsichtig die dicke Stahltür und sah nach dem Rechten. Die Kellertreppe lag voll Schutt und Brettern, wir kämpften uns nach Oben und dort sah es auch nicht besser aus. Unsere Hauswirtin rannte nach draußen um nachzuschauen, ob es irgendwo brannte. Bei uns nicht, nur einige Häuser weiter, stand ein Haus in Flammen. Ich bekam Befehl bei den Töchtern der Hauswirtin zu bleiben und die Erwachsenen rannten los. Beide Frauen kamen nach einiger Zeit wieder und erzählten, daß nichts zu retten war. Die Leute waren draußen und wurden irgendwo einquartiert. Unser Hauswirt war zur "Heimatwehr" eingeteilt und kam in dieser Nacht nicht nach Hause. Die Hauswirtin, Tante M. und meine Mutter waren sehr beunruhigt. Am nächsten Morgen war er noch immer nicht da und Tante M. fuhr los, kam sofort wieder zurück und schrie: Lisbeth, das Pferdegut brennt! und verschwand wieder. Meine Mutter schnappte ihr Fahrrad mit den Worten:..und ihr bleibt, wo ihr seid! und weg war sie. Nach Stunden kam Tante M. wieder, in Tränen aufgelöst und schluchzend und mußte ihren beiden Töchtern rauswürgen, daß ihr Papa tot ist. Wir saßen alle vier in ihrer kleinen Stube und sprachen nichts. Ich wartete auf meine Mutter und dachte an Onkel G. Ich schlich mich ab und zu nach draußen, um nach ihr Ausschau zu halten. Es wurde Nachmittag und zwischen 14 und 15 Uhr, einer Zeit des täglichen Bombardements, zogen wir in unseren Luftschutzkeller. Mutter war noch immer nicht da. Meine Kinderphantasien hatten die schrecklichsten Bilder im Kopf. Auf einmal trommelte es an dem hermetisch verschlossenen Fenster des Bunkers. Tante M. schrie: das sind die Russen, das sind die Russen.........es trommelte weiter. Vorsichtig öffnete sie diese Stahlbarriere und mein Großvater stand davor. Also raus aus dem Keller und ihm um den Hals fallen und ihm erzählen, was alles passiert war, das kam gleichzeitig aus vier Mündern. Und Li, meine Mutter, ist auch noch nicht zurück...... und in diesem Tumult schob ein Fahrrad um die Hausecke. Wir erstarrten und sahen dann einen riesigen Klumpen rohen Fleisches, daß sich über Sattel und Gepäckträger überhängen ließ. Ich schrie voller Entsetzen---ist das Onkel G. ???? Mein Großvater nahm mich auf den Arm und hielt mir den Mund zu. Mutti guckte ganz böse und Tante M. schnappte ihre Töchter und floh nach drinnen. Ich stand da, wie ein begossener Pudel, wohl merkend, daß ich etwas ganz Schreckliches gefragt hatte. Opa löste den Kloß, der uns im Hals steckte und fragte nach. Mutti erzählte dann von dem brennenden Pferdegut und daß sie dort etliche Tiere notschlachten mußten und somit der Lohn für ihre Hilfe auf dem Fahrrad hing, und sie den langen Weg das Rad schieben mußte. Ja, das war ein riesiges Stück Hinterschenkel mit halben Bein von einem notgeschlachteten Pferd und nicht Onkel G.. Ich habe mich bis in alle Ewigkeit geschämt.
1960 habe ich sie letzmalig besuchen können und sie hat mir verziehen, konnte sich aber ganz genau daran erinnern. 15 Jahre dazwischen und ein Ereignis im Kopf..........
Worte und Gedanken, die man nie vergißt.
Finchen
Kommentare (3)
Juxman
Liebe Moni-Finchen, was Ihr alles mitgemacht habt war manchmal mehr als wir in Russland .Fliegerangriffe habe ich erst in den letzten Kriegstagen erlebt. Aber Pferdefleisch hab ich nur als Sauerbraten gegessen nach dem Krieg. Liebe Grüß0e, heiner.
stefanie
Liebe moni. Beim Lesen mußte ich denken :Ja,so war es!Heute kann man zum Glück es sich nicht mehr vorstellen.Gut,daß Du die Geschichten Deiner Erinnrung erzählst,damit wir etwas zufiedener mit der Gegenwart sind. Liebe Grüße stefanie
Gruß Finchen