EIN faules Ei.............


...im Kuchen drin.
Es müffelte in der Küche ungemein, als der Kuchen im Ofen stand und sich munter dem Rand der Springform näherte.
Wunderschön sah er aus mit den angeritzten halben Äpfeln obenauf. Nur der Geruch brachte Muttis Stirn zum Runzeln.
Immerhin waren 6 Eier in dem Bisquit-Tortenboden drin.
Und das größere Problem, das war der Bäckermeister, der mein neuer Vater werden sollte.
Und Mutti wollte doch beweisen, daß sie auch backen konnte.
Ich wurde unbedingt gebraucht um nachzuschauen, wieviel Eier noch in den Nestern lagen und wieviele noch im Brunnenzimmer lagern.
Diese Beute war an diesem Tag mehr als mangelhaft.
"dann schleich dich doch mal durch den Heizungsraum in die Backstube bzw. in das Konditorzimmer rein......."
Doch nein, es war nicht ihr Eiertag.
Unser Geselle, der Dieter, war ein kleines Schlitzohr mit seinen 17 Jahren und wollte nun unbedingt wissen, was so Geheimnisvolles in der Küche hinter der verschlossen Tür ausgekocht wurde.
Plötzlich stand er in der Tür, genau meiner Mutti gegenüber und grinste sie frech an.
"Also Chefin, wenn ich am Samstag frei bekomme, dann sage ich dem Meister auch nichts"................weiter kam er nicht. Mutti hatte ihn schon an der Jacke und rief nach dem Meister.
Und blitzartig stand er im Flur und blickte auf dieses Szenario.
"Was ist hier los?"..............
Sah den Hans in seiner Jacke in Mutters Händen baumeln und übernahm ihn dann am Kragen.
"Dieses Bürschchen hier....wollte mich doch glatt erpressen....wegen eines verdorbenen Ei's im Apfelkuchen", regte sie sich auf.
Der Meister schnappte seinen Gesellen und zog in die Backstube rein und hielt ihm eine lautstarke Ansprache und sprach auch gleich die Kündigung aus.
Man hörte ihn noch etwas sagen.......und die hintere Tür flog ins Schloß.
Maria, unsere Haushaltshilfe machte einen Seufzer der Zufriedenheit.
Dann kam auch noch Willi, ein Kriegsversehrter mit einem Arm, dem der Job des Lebensmittelsmarken auf Bögen aufzukleistern, auch noch dazu.
Und so saßen wir alle in der Küche und jeder erzählte seine Erlebnisse mit Hans.
Zum Schluß waren wir alle froh, daß er nicht mehr zu uns gehörte.
Maria, Willi und ich, wir wurden alle zum lustigsten Markenklebeteam, sogar ein Radio kam in die Küche rein und schon ging diese fuselige Arbeit viel leichter und Willi paßte ganz genau auf, daß alle von diesen Lebensmittel-Marken an der richtigen Stelle der alten Zeitungen klebte.
Das waren immer die schönsten Abendstunden, die man als Kind erleben kann.
Es wurde zur wöchentlichen Tradition über etliche Jahre, doch nie mehr faule Eier im Kuchen drin.

Mit kleisterichen und faulen Grüßen
Euer Moni-Finchen




Anzeige

Kommentare (4)

finchen sei froh, daß Du das nicht kennenlernen mußtest. Keinen Kleister in den Haaren und nießen war auch verboten.....
Das war eben DDR, in der man mittels Lebensmittelmarken und eingeschränktem Konsum dem sogenannten Staat auf die Füße half. Durch den eingeschränkten Verzehr der Produkte förderte man den Staatshaushalt. Ganz klar heißt das: das Volk hungert den "Staat" gesund.
Lies mal in Büchern nach.....40 Jahre DDR, z.B.
Es ist einfach eine einmalige Geschichte eines zweigeteilten Volkes. Traurig aber wahr!
Sei ganz lieb gegrüßt
Dein Moni-Finchen
finchen ... auch wenn man heute die Köpfe schüttelt, man arrangierte sich, damals in der DDR.
Erfindungsreichtum und handwerkliches Geschick hatte oberste Priorität..............
Das geht nicht - gab's nicht! ...es wurde nur über eine Lösung nachgedacht!
Nicht von der "löblichen" Partei, nein, als noch selbstständiger Handwerksmeister.
Mein Stiefvater, der Bäckermeister, vertraute mir bedingungslos. Ich konnte schweigen und manche kleine "Kungelei" unter der Hand sehr geschickt erledigen.
Ich schrieb mal eine Geschichte: wie die Hefe zum Bäcker kam - oder so ähnlich. Auch über ein Fahrrad voll Klopapier.
Heute muß ich sagen, diese Zeit hat mich sehr stark gemacht!
Ich bin mit diesem System aufgewachsen, kannte manche Tricks
und erlebte eine tolle Kinderzeit.
Als ich 1953 in den Westen kam..............oweiha, hier war alles schon geordnet, nichts mehr gab es zu umgehen oder auszutricksen.
Ich war ganz betrübt und bekam Heimweh ohne einen Grund dafür angeben zu können. Ich wollte einfach wieder nach Hause...........
Mir fehlte mein eigenes "Reich", die Bäckerei, mein schönes Zimmer, der Laden, die Hefe und überhaupt alles mitsamt den Hühnern und meinem Blumengarten.
1958 sah ich eine Chance - doch zu früh gelacht - in der DDR war ich volljährig, doch in der BRD erst mit 21.
Ich glaube heute noch, daß ich dort geblieben wäre.
Was soll's - das Schicksal hatte anderes mit mir vor.
Ich mußte wieder zurück, die Besuchserlaubnis war abgelaufen.
Lieber Syrdal, jetzt geht mir erst mal die Puste aus - doch diese Geschichte ist noch nicht zu Ende......
Sei lieb gegrüßt und danke für Deine Kommentare, ich freue mich immer, wenn Du schreibst -vorallem das WIE.
Liebe Grüße
Dein Moni-Finchen
ehemaliges Mitglied da kann ich nicht mithalten, markenkleben kenne ich nicht.
wohnte in ein ziemlich kaputtgebomtes haus in "HH" und dank
meiner dänischen mutter kamen "fettpakete" aus dänemark.
"swarzmarkthandel" usw.
leiben gruss
helmut
Syrdal
war das eine knuddelige Arbeit mit den kleinen Lebensmittelmarken, die nach Ladenschluss "sortenrein" dicht an dicht auf die Zeitung geklebt werden mussten. In der großen Wohnküche der alten Metzgerei mischten sich allabentlich Leimgeruch mit beißenden "Dämpfen" des in die Wand eingebauten Räucherwerkes, in dem an schwarzen Stangen lange und auch ringförmige fette Würste friedlich nebeneinander hingen, umwallt von dickem schwarzgrauem Rauch, der dem Buchenschrot im aufleuchtenden Glutkasten unter den Würsten entstieg. Es war die Zeit, in der bei kargem Licht viele Geschichten aus dem Alltag, über Nachbarn, Kunden und Ortsgauner sowie über Gott und die Welt erzählt wurden.
So hat manch einer unserer Nachkriegsgeneration seine ureigensten Kindheitserfahrungen gemacht, ähnlich dem, wie es finchen so plastisch aus ihrem Erleben beschrieben hat. - Eine wahre, sehr gut nachvollziehbare Geschichte, die ich mit heiterem Vergnügen gelesen habe.
Danke, finchen


Anzeige