ein Date mit schwarzen Schönheiten
oder mit übergewichtigen Damen – in Meiningen
Der letzte Sonnabend in der Reha – keine Anwendungen, leeres Wochenende, also melde ich mich ab für den Tag, denn Uwe kommt bereits am frühen Morgen. Die Führung im Ausbesserungswerk für Dampfloks in Meiningen beginnt bereits um 10 Uhr und wir wollen pünktlich sein. Navi brauchte ich nicht einrichten – Uwe meinte wie meistens: Im Umkreis von 200 km fährt man das alles aus dem Kopf.
Wir erreichten das Werk kurz vor 10 Uhr und alle waren wieder sehr bemüht, dass ich in dem Rollstuhl sitzend teilnehmen konnte.
Eine der genialsten Erfindungen der Menschheit war das Rad. Mobilität wie wir sie heute kennen war bis in das 19. Jahrhundert unvorstellbar. Man überwand Entfernungen zu Fuß, zu Pferde, mit Kutschen oder mit dem Schiff.
Im 16. Jahrhundert wurden erstmalig in deutschen Bergwerken längs liegende Holzbohlen verwendet, auf denen hölzerne Wagen rollten - diese wurden später von Pferden gezogen.
Im 17. Jahrhundert erdachte der Franzose Denis Papin eine athmosphärische Dampfmaschine, der englische Schmied Thomas Newcomen setzte diese Pläne praktisch um. Aber erst der englische Tüftler Watt veränderte die Welt durch ein Bündel Verbesserungen, die durch den von ihm erfundenen Dampfzylinder gekrönt wurden. Die Wattsche Dampfmaschine löste 1788 eine industrielle Revolution aus, die von England aus Europa und die ganze Welt erfasste.
Der Nachbau der Wattschen Dampfmaschine wurde 1913 im Eisenbahn Ausbesserungswerk München hergestellt.
1825 wurde der „Stockton and Darlington Railway“ von Stevenson als erste Eisenbahn der Welt bekannt. Auf einer 2,8 km langen Teilstrecke der bereits fertig gestellten Bahnlinie von Liverpool nach Manchester fand ein Vergleich von diversen Lokomotiven statt. Stephensons Rocket überzeugte und damit war der grundlegende Aufbau der Dampflok festgelegt: ein Röhrenkessel mit wasserumspülter Feuerbüchse und Blasrohr zur Feueranfachung.
Als Vorläufer des heutigen Tenders führte ein nachlaufender Wagen die Wasser- und Brennstoffvorräte mit.
Der Treibraddurchmesser entsprach mit 1435 mm der heutigen Normalspur. Geringere Spurweiten galten als Schmalspur grössere Weiten als Breitspur.
1834 entstand die Bauform 1 A 1 mit der auch in Deutschland die Geschichte der Dampflokomotive eingeleitet wurde.
Am 7. Dezember 1835 wurde die Ludwigs-Eisenbahn von Fürth nach Nürnberg in Betrieb genommen. Die bei dieser Bahn eingesetzte Lokomotive trug den Namen ADLER und erregte großes Aufsehen. Bereits die erste Probefahrt war ein voller Erfolg. Rechtzeitig zum 100-jährigen Jubiläum der Deutschen Eisenbahn wurde ein originalgetreuer Nachbau der Adler vom Ausbesserungswerk Kaiserslautern auf die Schienen gestellt.
Beim Betreten der grossen Halle fiel der Blick sofort auf eine 01 0509-8. Die Lokomotiven wurden fast alle zuerst mit Nummern bezeichnet und der Vortragende konnte sämtliche Nummern der folgenden Dampfloks aufsagen als ob dies sein tägliches Brot wäre. Eine grosse schwarze Schönheit, die rote Räder hatte und wie aus dem Ei gepellt vor uns stand. An einem Pfeiler war ein Schild angebracht: LokNr 527596 als Kunde war vermerkt: EFZ.
Auf dem nächsten Gleis stand eine kleine grüne Dampflok und auf dem gleichen Gleis dahinter eine weitere kleine schwarze Maschine 99 633 bei der ebenfalls gearbeitet wurde.
Eine andere grüne Lok mit beige abgesetzten Haltegriffen hatte die Nummer 261 680-3 und war mit DB gekennzeichnet. Eine andere hatte die Nummer 311 632-4 und bei jeder dieser Dampfloks wusste der Vortragende etwas zu erzählen…
Bei den Maschinen stand das Gewicht z.B. 26,5t. dann darunter das Br.Gew. mit 7,0t - Wasser 2,4cbm und Kohle 1,2 t. Also alles in allem ganz schön übergewichtig diese Dame!
Eine andere Maschine war mit dem Schild der Borsig Lokomotiv-Werke – Henningsdorf-Berlin und der entsprechenden Nummer gekennzeichnet.
In diesem Werk in Meiningen wird alles ausgebessert, repariert, neu hergestellt und es wird geputzt und gewienert bis die fertigen Teile blitzen und blinken. Riesige Räder standen hier in Mengen die überholt werden mussten. Bei einer Dampflokomotive konnten wir das Innenleben betrachten. Und eine Maschine stand hier bereits seit 5 Jahren, konnte nicht fertig restauriert werden, weil dem Besitzer das Geld ausgegangen ist und er die folgenden Reparaturen/Restaurierungen nicht finanzieren kann.
Das Königreich Sachsen war ein wirtschaftlich weit entwickeltes Land – hier wurde die erste Ferneisenbahn von Leipzig nach Dresden gebaut mit einem Sonderzug und einer englischen Dampflok „Komet“ und mit dem deutschen Eisenbahntunnel bei Oberau 1839 übergeben. Durch Industriespionage in England und Nachbau der Dampflokomotiven wurde die erste Lokomotive Saxonia mit Erfolg eingesetzt. Auch diese Lok „Saxonia“ wurde in Meiningen nach Revisionsarbeiten im Bild festgehalten.
Uns wurde auch erklärt wie hoch der Wasserstand in dem Röhrenkessel mindestens sein muss, damit kein Unglück passiert. Denn auch diese Anekdote wurde erzählt, dass bei einer Dichtigkeitsprüfung der Dampfdruck weit über das „normale“ Maß hinaus eingeblasen wurde. 16 bar waren die Obergrenze und später wurden über 22 bar gemessen. Durch den Druck explodierte der Kessel, flog durch das Dach der Halle und landete mehr wie 100 m weiter auf einer Wiese, so dass kein Mensch groß zu Schaden kam. Wenn solche eminenten Kräfte frei werden, kann man wirklich von Glück sagen wenn nichts schlimmes passiert.
In Bitterfeld kamen die Menschen nicht ganz so glimpflich davon, als es zu einem Kesselzerknall kam. In der Lok war nicht genügend Wasser – im Bahnhof Bitterfeld schiesst beim bremsen das Wasser aus dem Kessel nach vorne und wieder zurück. "Diese Welle hat sich über die Feuerbüchsdecke ergossen. Das hat ihr den Rest gegeben", erklärt damals der untersuchende Reichsbahn-Oberrat. Das Wasser verdampfte explosionsartig. Die Decke der Feuerbüchse riss ein, der Kessel der Maschine zerknallte und schleuderte das Führerhaus fort. Gleichzeitig drehte er sich, und die Glut aus dem Kessel traf einen auf dem Nachbargleis einfahrenden Reisezug, von dem zwei Personenwagen in Brand gerieten. Der Kessel schlug etwa 40 Meter von der Lok entfernt auf. Der Unfall hätte um ein Haar ein noch viel größeres Inferno zur Folge gehabt. 250 Menschen warten auf dem Bahnsteig, als der Kessel auf die Gleise fliegt.
Zum Abschluss der Führung lernten wir noch einiges über das Entspannen von Dampf im Hochdruckzylinder und anschliessend im Niederdruckzylinder wo die restliche Energie dann umgesetzt wird. Wir hörten etwas über eine Monsterlokomotive die an ihrer eigenen Grösse scheiterte. Ob es um die Harzer Schmalspurbahn, die Molli in Bad Doberan geht über all diese kleinen Bahnen erfuhren wir einiges. Eines ist aber sicher ohne die vielen ehrenamtlichen Helfer und Mitarbeiter könnten viele der kleinen Vereine die sich um die Erhaltung der Dampflokomotiven kümmern kaum existieren.
Nach Beendigung der Führung konnten wir an einer leckeren gegrillten Thüringer Bratwurst mit Brötchen im Werk Meiningen unseren Hunger stillen.
Das Kuckuckssbähnel zwischen Neustadt an der Weinstraße und Emstein fährt das ganze Jahr über. Jetzt mit dem Dammbuch-Lockdown wurde es vorübergehend eingestellt, da seine Ausrichtung gastronomisch ist.