Die Montagsglosse - 16.11.2009
Die Montagsglosse
vom 16. November 2009
Den bisherigen Titel Badewannenglosse habe ich durch den Titel Montagsglosse ersetzt. Vielleicht ist die Vorstellung eines alten Menschen in einer Badewanne nicht unbedingt einladend (vom Ende Marats in der Badwanne gar nicht zu reden!) ... junge hübsche und schöne Leute mögen ja in einer solchen Badezimmer- und Badewannensituation einladend wirken, ältere Menschen - wie etwa ich - bleiben allein im Badezimmer.
(Die normale vom Deckblatt übernommene Gliederung [Was ich mag etc.] wurde hier - weil unpassend - nicht übernommen.)
Sein oder Nichtsein ... real oder virtuell - das sei hier jetzt die Frage!
Fast erschreckend ... Notizen für weitere zehn, zwölf Glossen habe ich vor mir liegen (u.a. Gedanken zum nicht nur in unseren Zeitläuften immer aktuellen Thema „Politiker“, worüber sich ja bekanntlich Platon in seiner Politeia als erster grundlegende Gedanken gemacht hat), aber mich drängt es heute zu etwas anderem, denn – dies nicht zum ersten Mal, aber eben gestern (Dienstag, 17.11.09) besonders intensiv – habe ich mich mit der Lebensweise einiger junger Menschen (so zwischen 20 und dreißig) direkt – man könnte sagen: diretissima – konfrontieren lassen müssen, die mich zumindest dieses Mal besonders erstaunt hat.
Ich versuche es statistisch; Grundlage sind die Gespräche, Erlebnisse und Erfahrungen mit jungen Menschen zwischen 20 und 35, alle Abitur, fast alle im Studium bzw. mit einer fertigen [ersten] akademischen Ausbildung; meine Notizen und meine Überlegungen beziehen sich auf rund 30 Personen (18 männlich, Rest weiblich), die ich alle über einen gewissen längeren oder sogar langen Zeitraum gut kenne und zu denen ich ein gutes Verhältnis habe und sie zu mir. Letzteres hoffe ich nicht nur, sondern die Tatsache, daß ich ihre (nicht nur akademischen) Lebenswege über eine längere Zeit begleite und sie mich aufsuchen, sind ja auch ein gewisses Zeichen von Vertrauen. Zu den Beobachtungen. Zunächst eine Unterscheidung: ein Teil unterliegt bereits einem geregelten Tagesablauf, weil sie berufstätig sind und/oder einem Gelderwerb nachgehen. Der andere Teil kann seinen Tagesablauf freier gestalten, weil sie studieren und/oder sonst ihr Leben „kreativ“ gestalten. Von den nicht berufstätigen jungen Leuten bezieht einer Hartz-IV (hat aber Abitur und ein abgebrochenes geisteswissenschaftliches Studium), zwei Drittel leben von ihren Eltern (von diesen zwei Dritteln verdient wiederum eine Hälfte gelegentlich selbst etwas dazu, die anderen sind z.T. großzügig alimentiert, mit eigenem Auto, Eigentumswohnung in München etc.), die restlichen Studenten beziehen Bafög. Einer bezieht eine Förderung nach dem Bayerischen Hochbegabten-Stipendium und nach der Deutschen Studienstiftung. (Der soziale Hintergrund spielt bei den folgenden Überlegungen keine Rolle.)
Wie sieht – statistisch gesehen – der Tagesablauf und die Aktivitäten dieser jungen Leute so aus? Aufstehen bei einem Drittel relativ spät, sehr spät, die anderen durchaus normal. Die wenigstens frühstücken, sondern fast alle eilen sofort zum Computer, Internet, hinein in die sozialen Kommunitäten. (Dies z.T. ungewaschen, noch im Schlafanzug, wie sie mir sehr anschaulich beschrieben und schilderten.)
Favoriten sind hier: Facebook, StudienVZ, Lokalisten etc. Auf diesen virtuellen Tummelplätzen ... Pardon: innerhalb dieser Kommunitäten verbringen sie, auch wieder eine Grobabschätzung, täglich zwischen ein, zwei Stunden bis vier Stunden am Tag (eine Stunde war das Minimum – das galt für alle!), wobei bei einigen dieser jungen Männer noch erhebliche Zeit für Online-Spielen hinzukommt.
Zeitungsabonnement keiner, regelmäßige (!) Zeitungslektüre keiner. Regelmäßige Lektüre von Fachzeitschriften (entsprechend dem Studienfach) keiner. Gelegentlich – aber wirklich nur gelegentlich! – liest ein Drittel eine Tageszeitung und/oder entsprechende Fachzeitschriften (Lesesaal in der Bibliothek), was sich u.a. auch deswegen nicht vermeiden läßt, weil bestimmte, vor allem ältere HochschullehrerInnen sie gleichsam dazu „zwingen“.
Durchgängiges d.h. vollständiges Lesen von Büchern: Fehlanzeige. Das galt sowohl für wissenschaftliche als auch private, lies: literarische Lektüre. Einige lesen die Druckausgabe des SPIEGEL partiell, einige in ähnlicher Weise die ZEIT, in der Regel informieren sie sich über die Online-Ausgaben einiger Zeitungen bzw. über SPIEGEL-Online, wobei sie sich nicht mehr erinnern können, einen Leitartikel, eine Reportage (Seite 3 der Süddeutschen Zeitung) oder einen Feuilleton-Artikel vollständig und intensiv durchgelesen zu haben. (Ob es überhaupt jemals freiwillig taten?)
Das Fernsehen spielt interessanterweise keine so große Rolle bei diesen jungen Menschen, das scheint ihnen zu langweilig und zu blöd zu sein, wobei hier – dabei spielt wohl die soziale Herkunft doch eine wesentliche Rolle – einige durchaus das Privatfernsehen, das sogenannte „Unterschichtenfernsehen“ oder auch Hartz-IV-TV, konsumieren. (Nicht alle hatten eigene Fernsehgeräte.)
Theater- und/oder Konzertbesuche kaum bzw. gar nicht; Besuch von Pop-Konzerten, Kabarett etc. auch nicht, was offenbar auch mit dem hohen Preis für Karten (Pop-Konzerte) zusammenhängt. Privater Bücherbesitz: wenig oder kaum, Besitz von CDs abnehmend, man bevorzugt Musik in Form von MP3-Dateien. Klassische HiFi-Anlage keiner, MP3-Abspielgeräte alle. (Immerhin gut ein Drittel hört auf diesem Wege klassische Musik).
Radiohören nur als Hintergrundmusik, wenn überhaupt. Klassikradio eine Dame sehr intensiv, einige weitere gelegentlich. Kulturradio (Wortsendungen etc.) keiner.
Relativ häufig werden DVDs (deren Inhalt ist wohl dem Zufall überlassen bzw. irgendwelchen modischen und/oder aktuellen Trends, also keine systematische Folge etwa im Sinne Thema, Regisseur, bestimmte Schauspieler etc.) angeschaut, meistens über den Computer-Bildschirm.
Eine zentrale Rolle spielt für fast alle (zwei, drei Ausnahmen) die Präsentation und der „Aufenthalt“ in diesen virtuellen Kommunitäten. Diese Selbstdarstellungen pendeln so zwischen Realität und Fiktion, letzteres überwiegt. D.h. diese Selbstdarstellung deckt sich häufig kaum mit der (sozialen) Realität der betreffenden Person. Viele dieser Präsentationen würde man unter der Rubrik Gaudi und Blödsinn subsummieren.
Interessant ist auch die Beobachtung der „fachlichen“ Selbstdarstellung, d.h. wofür man sich interessiert, was man macht, welche Hobbys man pflegt etc. Die Etikette, unter denen man sich präsentiert, sind nicht nur häufig anglo-amerikanischer Herkunft, sondern haben – aus deutschsprachlicher Sicht – diese Aufwertungsfunktion. Aus einer Hausmeisterei wird das facility-management, aus dem Hausmeister eben der facility-manager. Besonders im Bereich der sogenannten „kreativen“ Berufe ist man, das liegt wohl in der Natur der Sache, besonders erfindungsreich. Dann werden nicht nur ein, zwei Etikette präsentiert, sondern oft tendierte diese Darstellung in die Rubrik endlose Aufzählungen.
(Nebenbei: Bei politischen Bewerbungen und in den Todesanzeigen pflegt man auch diese aufzählende Selbstdarstellung, bei akademischen Bewerbungen kommen noch die Publikationslisten hinzu.)
Nun spielen bei diesen Selbstdarstellungen nicht nur die Texte eine wichtige Rolle, sondern offenbar noch mehr die visuelle Selbstdarstellung, also Bilder ... Man kann diese Vielfalt und oft auch Menge gar nicht beschreiben (Diskretion, Takt, Distanz oder Scham spielen hier offenbar keine größere Rolle mehr?); bei den jungen Damen spielt „sexy“ in allen möglichen Varianten (von erotisch bis albern, von billig bis geschmacklos) als Gestaltungsfaktor offenbar die Hauptrolle, was natürlich vor allem angesichts der Normsetzung durch Werbung und/oder audiovisuelle Medien nicht verwunderlich ist.
Gelegentlich findet man auch interessante Beiträge innerhalb dieser Selbstdarstellungen, wenn ein Biologiestudent von einem Alaska-Praktikum berichtet, jemand ein Stipendium für Villa Massimo in Rom hatte, an einem Theaterwettbewerb teilgenommen hatte.
Nun könnte jemand diese Beobachtung und Skizzierung als indirektes Lamento eines alten Menschen abtun (das hat ja in der abendländischen Geistes- und Sozialgeschichte durchaus eine lange Tradition), doch ich frage mich, ersetzt dieses „Leben“ in den virtuellen Kommunitäten, in der Virtualität des Internets allmählich das reale Leben? Oder kann man hier – wohl euphemistisch – nur von einer bloßen Ergänzung sprechen? Etwa im Sinne erweiterter, ergänzender Informationsmöglichkeiten (was ich als alter Mensch nicht nur durchaus zu nutzen weiß, sondern wovon ich prinzipiell auch begeistert bin – ich arbeite laufend an Wikipedia-Beiträgen)? Ist das Ganze ein anderer, neuer, vielleicht „toller“ Zugang zur Wirklichkeit und zum Leben?
Oder ist es Flucht, Verdrängung und/oder ein „Nicht-Erwachsenwerden-Wollen“ einer ganzen Generation? Eine Banalisierung, Infantilisierung, Sexualisierung, Pornographisierung des öffentlichen Lebens? (Diese Stichworte vor allem in Bezug auf die audiovisuellen Medien).
Diese Selbstdarstellung als Ausdruck eines postpubertären Narzismus? Ausdruck einer Unfähigkeit, sich mit der Komplexität des Lebens, mit den Aufgaben etc. auseinanderzusetzen. Zugegeben: Die konkrete Wirklichkeit ist für junge Menschen nicht gerade einladend, wobei man sich – ganz im Sinne der Globalisierung oder eines globalisierten Bewußtseins – fragen muß, ob manches Klagen über die hiesigen Zeitläufte und Verhältnisse nicht Ausdruck eines Wohlstandsgesellschaft ist; mancher junge Mensch aus der dritten Welt würde vielleicht sagen: Diese Sorgen möchte ich haben ...
Oder letztlich die Konsequenz einer Lebensideologie, die Konsum und Spaß, Erlebnis und Unterhaltung (Siehe auch: Schulze, Gerhard; Die Erlebnisgesellschaft, 1992 ff.; bisher acht Auflagen; Schulte hat sein Bild von der Erlebnisgesellschaft immer wieder den veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen angepaßt) als oberste Maxime proklamiert, wobei Arbeit, Leistung, gei-stige Disziplin und Ausdauer, geistiges Interesse allenfalls sekundär und/oder peripher sind?
Bei der Betrachtung dieser Zeilen möge man unterscheiden:
(1) Der hier skizzierte Sachverhalt; trifft er zu, teilweise, mehr oder weniger völlig oder sind es nur – in diesem Falle – rund dreißig Ausnahmen?
(2) Ist der hier natürlich anklingende Wertehorizont antiquiert, gleichsam „altmodisch“, oder doch eine Notwendigkeit für die Bewältigung des eigenen und gesellschaftlichen Lebens?
Es geht nicht um meine Person, um eine gewisse persönliche Ratlosigkeit, meine Betroffenheit angesichts dieses/r Phänonems/e. Das wäre bzw. ist ja mehr mein privates Problem. Sondern es geht um den Tatbestand als solchen – trifft er zu oder nicht? Und wie hat man diesen Tatbestand – eben wenn zutreffend – zu beurteilen?
Die Bertha
vom Niederrhein
vom 16. November 2009
Den bisherigen Titel Badewannenglosse habe ich durch den Titel Montagsglosse ersetzt. Vielleicht ist die Vorstellung eines alten Menschen in einer Badewanne nicht unbedingt einladend (vom Ende Marats in der Badwanne gar nicht zu reden!) ... junge hübsche und schöne Leute mögen ja in einer solchen Badezimmer- und Badewannensituation einladend wirken, ältere Menschen - wie etwa ich - bleiben allein im Badezimmer.
(Die normale vom Deckblatt übernommene Gliederung [Was ich mag etc.] wurde hier - weil unpassend - nicht übernommen.)
Sein oder Nichtsein ... real oder virtuell - das sei hier jetzt die Frage!
Fast erschreckend ... Notizen für weitere zehn, zwölf Glossen habe ich vor mir liegen (u.a. Gedanken zum nicht nur in unseren Zeitläuften immer aktuellen Thema „Politiker“, worüber sich ja bekanntlich Platon in seiner Politeia als erster grundlegende Gedanken gemacht hat), aber mich drängt es heute zu etwas anderem, denn – dies nicht zum ersten Mal, aber eben gestern (Dienstag, 17.11.09) besonders intensiv – habe ich mich mit der Lebensweise einiger junger Menschen (so zwischen 20 und dreißig) direkt – man könnte sagen: diretissima – konfrontieren lassen müssen, die mich zumindest dieses Mal besonders erstaunt hat.
Ich versuche es statistisch; Grundlage sind die Gespräche, Erlebnisse und Erfahrungen mit jungen Menschen zwischen 20 und 35, alle Abitur, fast alle im Studium bzw. mit einer fertigen [ersten] akademischen Ausbildung; meine Notizen und meine Überlegungen beziehen sich auf rund 30 Personen (18 männlich, Rest weiblich), die ich alle über einen gewissen längeren oder sogar langen Zeitraum gut kenne und zu denen ich ein gutes Verhältnis habe und sie zu mir. Letzteres hoffe ich nicht nur, sondern die Tatsache, daß ich ihre (nicht nur akademischen) Lebenswege über eine längere Zeit begleite und sie mich aufsuchen, sind ja auch ein gewisses Zeichen von Vertrauen. Zu den Beobachtungen. Zunächst eine Unterscheidung: ein Teil unterliegt bereits einem geregelten Tagesablauf, weil sie berufstätig sind und/oder einem Gelderwerb nachgehen. Der andere Teil kann seinen Tagesablauf freier gestalten, weil sie studieren und/oder sonst ihr Leben „kreativ“ gestalten. Von den nicht berufstätigen jungen Leuten bezieht einer Hartz-IV (hat aber Abitur und ein abgebrochenes geisteswissenschaftliches Studium), zwei Drittel leben von ihren Eltern (von diesen zwei Dritteln verdient wiederum eine Hälfte gelegentlich selbst etwas dazu, die anderen sind z.T. großzügig alimentiert, mit eigenem Auto, Eigentumswohnung in München etc.), die restlichen Studenten beziehen Bafög. Einer bezieht eine Förderung nach dem Bayerischen Hochbegabten-Stipendium und nach der Deutschen Studienstiftung. (Der soziale Hintergrund spielt bei den folgenden Überlegungen keine Rolle.)
Wie sieht – statistisch gesehen – der Tagesablauf und die Aktivitäten dieser jungen Leute so aus? Aufstehen bei einem Drittel relativ spät, sehr spät, die anderen durchaus normal. Die wenigstens frühstücken, sondern fast alle eilen sofort zum Computer, Internet, hinein in die sozialen Kommunitäten. (Dies z.T. ungewaschen, noch im Schlafanzug, wie sie mir sehr anschaulich beschrieben und schilderten.)
Favoriten sind hier: Facebook, StudienVZ, Lokalisten etc. Auf diesen virtuellen Tummelplätzen ... Pardon: innerhalb dieser Kommunitäten verbringen sie, auch wieder eine Grobabschätzung, täglich zwischen ein, zwei Stunden bis vier Stunden am Tag (eine Stunde war das Minimum – das galt für alle!), wobei bei einigen dieser jungen Männer noch erhebliche Zeit für Online-Spielen hinzukommt.
Zeitungsabonnement keiner, regelmäßige (!) Zeitungslektüre keiner. Regelmäßige Lektüre von Fachzeitschriften (entsprechend dem Studienfach) keiner. Gelegentlich – aber wirklich nur gelegentlich! – liest ein Drittel eine Tageszeitung und/oder entsprechende Fachzeitschriften (Lesesaal in der Bibliothek), was sich u.a. auch deswegen nicht vermeiden läßt, weil bestimmte, vor allem ältere HochschullehrerInnen sie gleichsam dazu „zwingen“.
Durchgängiges d.h. vollständiges Lesen von Büchern: Fehlanzeige. Das galt sowohl für wissenschaftliche als auch private, lies: literarische Lektüre. Einige lesen die Druckausgabe des SPIEGEL partiell, einige in ähnlicher Weise die ZEIT, in der Regel informieren sie sich über die Online-Ausgaben einiger Zeitungen bzw. über SPIEGEL-Online, wobei sie sich nicht mehr erinnern können, einen Leitartikel, eine Reportage (Seite 3 der Süddeutschen Zeitung) oder einen Feuilleton-Artikel vollständig und intensiv durchgelesen zu haben. (Ob es überhaupt jemals freiwillig taten?)
Das Fernsehen spielt interessanterweise keine so große Rolle bei diesen jungen Menschen, das scheint ihnen zu langweilig und zu blöd zu sein, wobei hier – dabei spielt wohl die soziale Herkunft doch eine wesentliche Rolle – einige durchaus das Privatfernsehen, das sogenannte „Unterschichtenfernsehen“ oder auch Hartz-IV-TV, konsumieren. (Nicht alle hatten eigene Fernsehgeräte.)
Theater- und/oder Konzertbesuche kaum bzw. gar nicht; Besuch von Pop-Konzerten, Kabarett etc. auch nicht, was offenbar auch mit dem hohen Preis für Karten (Pop-Konzerte) zusammenhängt. Privater Bücherbesitz: wenig oder kaum, Besitz von CDs abnehmend, man bevorzugt Musik in Form von MP3-Dateien. Klassische HiFi-Anlage keiner, MP3-Abspielgeräte alle. (Immerhin gut ein Drittel hört auf diesem Wege klassische Musik).
Radiohören nur als Hintergrundmusik, wenn überhaupt. Klassikradio eine Dame sehr intensiv, einige weitere gelegentlich. Kulturradio (Wortsendungen etc.) keiner.
Relativ häufig werden DVDs (deren Inhalt ist wohl dem Zufall überlassen bzw. irgendwelchen modischen und/oder aktuellen Trends, also keine systematische Folge etwa im Sinne Thema, Regisseur, bestimmte Schauspieler etc.) angeschaut, meistens über den Computer-Bildschirm.
Eine zentrale Rolle spielt für fast alle (zwei, drei Ausnahmen) die Präsentation und der „Aufenthalt“ in diesen virtuellen Kommunitäten. Diese Selbstdarstellungen pendeln so zwischen Realität und Fiktion, letzteres überwiegt. D.h. diese Selbstdarstellung deckt sich häufig kaum mit der (sozialen) Realität der betreffenden Person. Viele dieser Präsentationen würde man unter der Rubrik Gaudi und Blödsinn subsummieren.
Interessant ist auch die Beobachtung der „fachlichen“ Selbstdarstellung, d.h. wofür man sich interessiert, was man macht, welche Hobbys man pflegt etc. Die Etikette, unter denen man sich präsentiert, sind nicht nur häufig anglo-amerikanischer Herkunft, sondern haben – aus deutschsprachlicher Sicht – diese Aufwertungsfunktion. Aus einer Hausmeisterei wird das facility-management, aus dem Hausmeister eben der facility-manager. Besonders im Bereich der sogenannten „kreativen“ Berufe ist man, das liegt wohl in der Natur der Sache, besonders erfindungsreich. Dann werden nicht nur ein, zwei Etikette präsentiert, sondern oft tendierte diese Darstellung in die Rubrik endlose Aufzählungen.
(Nebenbei: Bei politischen Bewerbungen und in den Todesanzeigen pflegt man auch diese aufzählende Selbstdarstellung, bei akademischen Bewerbungen kommen noch die Publikationslisten hinzu.)
Nun spielen bei diesen Selbstdarstellungen nicht nur die Texte eine wichtige Rolle, sondern offenbar noch mehr die visuelle Selbstdarstellung, also Bilder ... Man kann diese Vielfalt und oft auch Menge gar nicht beschreiben (Diskretion, Takt, Distanz oder Scham spielen hier offenbar keine größere Rolle mehr?); bei den jungen Damen spielt „sexy“ in allen möglichen Varianten (von erotisch bis albern, von billig bis geschmacklos) als Gestaltungsfaktor offenbar die Hauptrolle, was natürlich vor allem angesichts der Normsetzung durch Werbung und/oder audiovisuelle Medien nicht verwunderlich ist.
Gelegentlich findet man auch interessante Beiträge innerhalb dieser Selbstdarstellungen, wenn ein Biologiestudent von einem Alaska-Praktikum berichtet, jemand ein Stipendium für Villa Massimo in Rom hatte, an einem Theaterwettbewerb teilgenommen hatte.
Nun könnte jemand diese Beobachtung und Skizzierung als indirektes Lamento eines alten Menschen abtun (das hat ja in der abendländischen Geistes- und Sozialgeschichte durchaus eine lange Tradition), doch ich frage mich, ersetzt dieses „Leben“ in den virtuellen Kommunitäten, in der Virtualität des Internets allmählich das reale Leben? Oder kann man hier – wohl euphemistisch – nur von einer bloßen Ergänzung sprechen? Etwa im Sinne erweiterter, ergänzender Informationsmöglichkeiten (was ich als alter Mensch nicht nur durchaus zu nutzen weiß, sondern wovon ich prinzipiell auch begeistert bin – ich arbeite laufend an Wikipedia-Beiträgen)? Ist das Ganze ein anderer, neuer, vielleicht „toller“ Zugang zur Wirklichkeit und zum Leben?
Oder ist es Flucht, Verdrängung und/oder ein „Nicht-Erwachsenwerden-Wollen“ einer ganzen Generation? Eine Banalisierung, Infantilisierung, Sexualisierung, Pornographisierung des öffentlichen Lebens? (Diese Stichworte vor allem in Bezug auf die audiovisuellen Medien).
Diese Selbstdarstellung als Ausdruck eines postpubertären Narzismus? Ausdruck einer Unfähigkeit, sich mit der Komplexität des Lebens, mit den Aufgaben etc. auseinanderzusetzen. Zugegeben: Die konkrete Wirklichkeit ist für junge Menschen nicht gerade einladend, wobei man sich – ganz im Sinne der Globalisierung oder eines globalisierten Bewußtseins – fragen muß, ob manches Klagen über die hiesigen Zeitläufte und Verhältnisse nicht Ausdruck eines Wohlstandsgesellschaft ist; mancher junge Mensch aus der dritten Welt würde vielleicht sagen: Diese Sorgen möchte ich haben ...
Oder letztlich die Konsequenz einer Lebensideologie, die Konsum und Spaß, Erlebnis und Unterhaltung (Siehe auch: Schulze, Gerhard; Die Erlebnisgesellschaft, 1992 ff.; bisher acht Auflagen; Schulte hat sein Bild von der Erlebnisgesellschaft immer wieder den veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen angepaßt) als oberste Maxime proklamiert, wobei Arbeit, Leistung, gei-stige Disziplin und Ausdauer, geistiges Interesse allenfalls sekundär und/oder peripher sind?
Bei der Betrachtung dieser Zeilen möge man unterscheiden:
(1) Der hier skizzierte Sachverhalt; trifft er zu, teilweise, mehr oder weniger völlig oder sind es nur – in diesem Falle – rund dreißig Ausnahmen?
(2) Ist der hier natürlich anklingende Wertehorizont antiquiert, gleichsam „altmodisch“, oder doch eine Notwendigkeit für die Bewältigung des eigenen und gesellschaftlichen Lebens?
Es geht nicht um meine Person, um eine gewisse persönliche Ratlosigkeit, meine Betroffenheit angesichts dieses/r Phänonems/e. Das wäre bzw. ist ja mehr mein privates Problem. Sondern es geht um den Tatbestand als solchen – trifft er zu oder nicht? Und wie hat man diesen Tatbestand – eben wenn zutreffend – zu beurteilen?
Die Bertha
vom Niederrhein
Kommentare (7)
Medea †
Badewannen - oder Montagsglosse, für mich ist entscheidend,
daß nach wie vor glossiert und nicht glasiert wird - gfg -
zudem bin ich überzeugt, daß die Ideen weiter in sprudelndem
Badewannenwasser geboren und in warmen trockenen Tüchern
vorgehalten werden ......
und dem Westerwelle gönne ich von Herzen eine ihm schwer im Magen
liegende Erika Steinbach, diese vorlauten Bürschlein sind mir zuwider.
Nun ist zwar das Hauptanliegen dieser Glosse buchstäblich in die
Badewanne gefallen - aber um den Tenor noch einmal aufzugreifen:
Frau Bertha vom Niederrhein Ihre Beobachtungen in ähnlicher Form
sind auch meine - an den wenigen Elite-Universitäten allerdings mag
es anders aussehen.
daß nach wie vor glossiert und nicht glasiert wird - gfg -
zudem bin ich überzeugt, daß die Ideen weiter in sprudelndem
Badewannenwasser geboren und in warmen trockenen Tüchern
vorgehalten werden ......
und dem Westerwelle gönne ich von Herzen eine ihm schwer im Magen
liegende Erika Steinbach, diese vorlauten Bürschlein sind mir zuwider.
Nun ist zwar das Hauptanliegen dieser Glosse buchstäblich in die
Badewanne gefallen - aber um den Tenor noch einmal aufzugreifen:
Frau Bertha vom Niederrhein Ihre Beobachtungen in ähnlicher Form
sind auch meine - an den wenigen Elite-Universitäten allerdings mag
es anders aussehen.
niederrhein
Kopf hoch ...
.... Herr Westerwelle hat's auch geschafft ... obwohl ... die Steinbach liegt ihm jetzt wie ein Stein Magen.
B.
.... Herr Westerwelle hat's auch geschafft ... obwohl ... die Steinbach liegt ihm jetzt wie ein Stein Magen.
B.
niederrhein
Fast ...
... bin ich schon überzeugt. Mal, welche Reaktionen diesbezüglich - es ist ja nur ein peripheres Thema - es zu dieser kleinen Nebensache es noch gibt.
B.
... bin ich schon überzeugt. Mal, welche Reaktionen diesbezüglich - es ist ja nur ein peripheres Thema - es zu dieser kleinen Nebensache es noch gibt.
B.
Linta †
Off Topoc
Montags-Demo, Montags-Revolution, Montags-Glosse.....
Schade eigentlich um die Badewannenglosse. Sie hatte so was von
überschwappendem Wasser vermischt mit heißem Morgentee, triefendnassen
Zeitungsblättern und einer sich darin wohlfühlenden plantschenden Seniorin mit
vor Freude überschäumenden Ideen. Wohlfühlatmospähre und Genießerstunden
eines alternden Menschen.
Die Badewannenglosse war an keinen festen Tag gebunden.......
Schade, dass sie einem Montag zum Opfer fiel.
n.
Montags-Demo, Montags-Revolution, Montags-Glosse.....
Schade eigentlich um die Badewannenglosse. Sie hatte so was von
überschwappendem Wasser vermischt mit heißem Morgentee, triefendnassen
Zeitungsblättern und einer sich darin wohlfühlenden plantschenden Seniorin mit
vor Freude überschäumenden Ideen. Wohlfühlatmospähre und Genießerstunden
eines alternden Menschen.
Die Badewannenglosse war an keinen festen Tag gebunden.......
Schade, dass sie einem Montag zum Opfer fiel.
n.
immergruen
1. Der Sachverhalt trifft auch aus meiner Sicht zu, Allerdings habe ich keine repräsentative, sondern eine familiäre Erfahrung dazu gemacht.
2. Beileibe nicht antiquiert oder altmodisch sind bestimmte Wertevorstellungen, die scheinbar leider verloren gegangen sind. Zur Bewältigung des eigenen, bzw. des gesellschaftlichen Lebens werden sich noch große Defizite einstellen.
3. ich hoffe sehr, dass die Generation Spass nicht irgendwann lernen muss, dass das Leben nicht nur ein solcher ist.
immergruen
2. Beileibe nicht antiquiert oder altmodisch sind bestimmte Wertevorstellungen, die scheinbar leider verloren gegangen sind. Zur Bewältigung des eigenen, bzw. des gesellschaftlichen Lebens werden sich noch große Defizite einstellen.
3. ich hoffe sehr, dass die Generation Spass nicht irgendwann lernen muss, dass das Leben nicht nur ein solcher ist.
immergruen
sie können froh sein, dass sie dich kennen....,
es grüßt Marianne