Die gelben Sessel
Die gelben Sessel
Gefangen im eigenen Körper, hoffnungslos und traurig, schaut Paul sich in seinem neuen Zimmer um. Was er sieht, sind weiß gemalerte Wände, zwei große Fenster, ohne Gardinen und drei Landschaftsbilder in Wechselrahmen.
Alles in diesem Raum wirkt lieblos und kalt auf ihn. Es ist halt ein Krankenzimmer,zweckmäßig eben,denkt er.
Er muss an seine liebe Frau, sein schönes Zuhause, und an jenen Abend im letzten November denken.
Er war mit seiner Frau Maria unterwegs zu Freunden. Sie trug ihr grünes Wollkleid und die Smaragd-Ohrringe, sein Geburtstagsgeschenk zu ihrem Dreißigsten. Sie sah hinreißend aus. Ich liebe Smaragde, es seien ihre Glückssteine, sagte sie oft. Jedoch an diesem denkwürdigen Tag
im November brachten sie ihr kein Glück, als plötzlich zwei große grelle Lichter auf ihren Wagen zurasten, und auslöschten, was er so liebte.
Den ganzen Tag hatte er damals im Büro am Zeichenbrett gestanden und sich auf diesen Abend mit seinem Freund, der ihn und Maria zu seinem Geburtstag eingeladen hatte, gefreut.
Maria war am Nachmittag noch unterwegs gewesen um ein geeignetes Geschenk zu besorgen. Aber sie wollte nicht verraten was sie gefunden hatte, es sollte eine Überraschung sein.
In Gedanken versunken, sieht Paul zu einem der Fenster seines Zimmers. Dabei fällt sein Blick auf den kleinen Tisch mit den gelben Sesseln, die vor dem Fenster stehen.
Ihr Anblick entlockte ihm ein wehmütiges Lächeln.
Maria liebte Gelb, nannte sie die Farbe des Septembers.
Ja, sie mochte den Herbst, mit seinen bunten Farben und herben Düften. Wie oft sind sie doch über die abgeernteten Felder gewandert und hatten
letzte Ähren aufgelesen, bunte Blätter und Hagebutten gesammelt. Aus diesen hatte Maria dann hübsche Sträuße und Kränze gestaltet.
Ein klopfen an der Tür brachte Paul zurück in die Realität. Auf seine Aufforderung hin einzutreten, betrat sein jüngerer Bruder Daniel das Zimmer. „Wie geht’s Alter?“ fragte er in seiner burschikosen Art,
obwohl Paul als sein Zwilling nur 15 Minuten vor ihm das Licht der Welt erblickt hatte. „Wonach sieht es denn aus?“ knurrte Paul.
Ohne ihm zu antworten öffnete Daniel seine Tasche und überreichte ihm das mitgebrachte Bild von Maria, auf dem sie das grüne Kleid und ihre Smaragd-Ohrringe trägt.
Lange betrachtet Paul wortlos das Bild seiner geliebten Frau.
„Danke, Daniel, dass du sie mir gebracht hast!“
Dann redeten sie noch eine Weile miteinander und als Daniel sich verabschiedete sah er ein glückliches Lächeln auf Pauls Gesicht.
Kommentare (4)
ehemaliges Mitglied
Deine Geschichte ruft in Erinnerung, was wir so gerne
vergessen möchten.
Leben kann ganz schnell zerbrechen, deshalb ist es gut,
jeden Tag willkommen zu heißen. Und das ganz egal, was er
uns bringt.
Und wie wichtig gute Erinnerungen sind, verdeutlichen Deine
Zeilen auch!
Lieben Gruß
Meli
vergessen möchten.
Leben kann ganz schnell zerbrechen, deshalb ist es gut,
jeden Tag willkommen zu heißen. Und das ganz egal, was er
uns bringt.
Und wie wichtig gute Erinnerungen sind, verdeutlichen Deine
Zeilen auch!
Lieben Gruß
Meli
Roxanna
zum anderen, liebe agleh, kann sich das Leben so drastisch verändern. Deine Geschichte zeigt, dass es keine Sicherheit gibt und man sich plötzlich in einer Situation wiederfindet, die man sich in seinem schlimmsten Träumen nicht hätte ausmalen können. Aber, die Liebe bleibt. Danke für diese nachdenkliche, aber trotz der Schwere nicht bedrückende Geschichte.
Herzlichen Gruß
Roxanna
Herzlichen Gruß
Roxanna
Einen schönen Tag Dir.
Helga