Der erste Mai zur Zeit des Sozialismus



   Ich dachte lange, dass es nichts Schlimmeres geben kann, als den Sozialismus. Ich irrte mich – jetzt gibt es hier in Polen die einzigartige Partei, die alles kaputt gehen lässt, und das Land europaweit lächerlich macht. Hoffentlich werden das die kommenden Wahlen ändern können…


   Als ich Grundschülerin war (mit 7 – 15 Jahren) fühlte sich der Sozialismus hier sehr gut. Und der Tag der Arbeit wurde also entsprechend festlich gefeiert.

   Wir Kinder mussten um 9.00 Uhr vor der Schule stehen (mein Weg zur Schule betrug ca. 3 km, zu Fuß, kein Vater brachte damals ihre Kinder mit dem Auto zur Schule, Autos waren hier eher eine Seltenheit noch). Es war absolute Pflicht, und so mussten auch die Erwachsenen daran teilnehmen, sonst konnte es welche unangenehmen Konsequenzen geben. Um 9.30 marschierten wir in den Stadtpark, 3 weitere Kilometer. Dort warteten wir auf die Rede des Ersten Sekretärs, also eine Rundfunkübertragung, die gewöhnlich zwei Stunden lang dauerte. Im Park befand sich nur einen Kiosk, wo man sich eine Flasche Limonade kaufen konnte – so lange es die auch noch gab, und wer gerade Geld dafür von den Eltern  bekommen hatte.
 
   Dann marschierten alle durch die Stadt, wahrscheinlich waren es wieder welche drei Kilometer. Und wer Pech hatte, dass er oder sie auch noch eine große Fahne tragen musste (ich war zum Glück immer winzig klein, es wurde von mir nie verlangt), der musste sie auch noch wieder zur Schule zurückbringen…
 
   Am Nachmittag wurde „das Volk“ von der gnädigen Regierung schön verwöhnt: Im Park gab es Bratwurst zu kaufen! Probleme mit Fleisch gab es hier damals, was für Freude also. Und für diejenigen, die etwas mehr verlangen würden, gab es Stände mit Büchern, sonst kaum zu erhalten. Am Abend gab es hier und da einen Tanzabend, wenn im Freien aber, dann immer nur am Stadtrand, und natürlich ohne welche Lautsprecheranlage. Leider wird es heutzutage nicht mehr beachtet – obwohl man ja damals kaum noch über die Umweltverschmutzung (auch mit Lärm) hörte. Dies war aber einer von wenigen Vorteilen jener Zeit…
 


Anzeige

Kommentare (6)

Christine62laechel

Upps, das Bild noch, Entschuldigung:

syrenka.jpg

werderanerin

Ja..., liebe Christine, die Zeit hat sich auch für den 1. Mai (Tag der Arbeit / Kampf,-und Feiertag) wohl ziemlich verändert.

Ich erinnere mich auch an andere Zeiten, wo ich mit meinem Papa und Schwester zur Demo gegangen bin...alles lange her aber auch heute noch werden Stimmen laut, die Mißstände anprangern und wenns mit lauter Musike ist...

Man darf auch feiern , nämlich die Erfolge, die bisher errungen wurden und das ist doch gut so!
In Berlin ist man ja schon froh, wenn der 1.Mai ohne brennende Autos vorbei gegangen ist - ein riesen Erfolg !!!

Kristine

werderanerin

Schönes Foto, danke dafür. Der 1. Mai ist ja seit der Wende bunter geworden und hat zum Glück diesen Tatsch des "Sozialismus" nicht mehr. Man besinnt sich eher auch auf die Walpurgisnacht aber auch auf das Kämpfen und das finde ich gut.

Kristine grüßt herzlich

Christine62laechel

Ja, liebe Kristine,

mich freut es auch, dass man auch hier freiwillig und mit Freude den ersten Mai feiern kann. Statt eines Umzugs gibt es hier bunte Paraden, und das tun die Stadtbürger, weil es ihnen gefällt! :)

Auf dem Foto unten: Mein Sohn nahm auch gestern an der Parade teil. Er sitzt als Beifahrer im Auto "Syrena", das hier in den Jahren 1957-1983 produziert wurde. Das Exemplar auf dem Bild stammt aus dem Jahr 1978. :)

Liebe Grüße
Christine

Manfred36


Der ritualisierte Kommunismus, auch in Polen, herrschte also mit Sollvorgaben, innerhalb derer man sich halt einrichtete. Persönliche Bedürfnislosigkeit mit den hehren Zielen des Sozialismus auf einen bescheidenen Nenner gebracht. In organisierten Abläufen kann man sich persönlich aber auch näher kommen. Wenn man über die Umweltverschmutzung (auch mit Lärm) nicht sprach, muss das nicht unbedingt ein Vorteil jener Zeit gewesen sein.

 

Christine62laechel

Sorry, Mißverständnis. :)

Als Vorteil meinte ich die Tatsache, dass man eben den Lärm vermied (keine Lautsprecheranlage, und die Tanzabende im Freien nur da, wo die Musik die anderen Stadtbewohner nicht störte).
Heutzutage wird es in meinem Städtchen (in einem Kurort!) auch in der Nähe von Sanatorien getanzt, und die Musik (welcher Art...) ertönt kilometerweit.

Mit Grüßen
Christine


Anzeige