Das Wesen aus der Tiefe.


Das Wesen aus der Tiefe.
Das Grauen kommt zurück.

November! Kalt, dunkel und feucht. Am Rand vom Hochmoor lag schweigend und völlig reglos eine Gestalt.
Es wartete auf sie. Sie, die Unschuldige. Nicht Berührte. Lange lag er auf der Lauer. In seinem Wahn, zählten keine Stunden, wusste er doch, dass sie kommen musste. Seine roten Augen funkelten kurz, als sie, die Eine aus dem Nebel erschien. Speichel lief aus seinem Maul. Er war nicht von dieser Welt. Sie hetzte den Pfad entlang, hörte Schritte hinter sich. Voller Panik verbarg sie sich am Rande des Moores hinter einem Gebüsch und unterschrieb damit ihr Todesurteil. Kaum war der Verfolger vorbei, schlich sich der Dämon zu ihr.
Sie wollte schreien. Es war zu spät. Blut lief aus ihrer aufgeschlitzten Kehle. Und er trank.
Ihre Leiche fand man mittags am nächsten Tag. Grausam zugerichtet. Das Entsetzen konnte man an ihren Augen ablesen.
Kommissar Petersen wollte weg von hier. Er war noch jung. Sein Magen drehte sich um bei dem Anblick. Erkannte man doch kaum noch das Geschlecht, wenn man vom Gesicht absah. Sie war aufgerissen? Von was? Von wem? Es gab keinen Genitalbereich mehr.
Die Spuren wurden gesichert. Was ist hier nur abgelaufen? Tatzenartige Abdrücke überall.
Kaum war Petersen im Büro, meldete sich das Telefon:
„Ich wollte sie warnen, die Elke. Aber sie wollte nicht auf mich hören. Tat es als Ammenmärchen ab. Der Dämon wurde erweckt …“
Damit brach das Gespräch ab. Petersen hielt den Hörer in der Hand. Was war denn das? Er drückte kurz eine Taste, lauschte und sagte dann: „Stellen sie bitte fest, woher der letzte Anruf kam.“ Kaum eine Minute später klingelte es wieder.
„Es war ein Privatanschluss in Altenau. Hier ist der Name und die Adresse.“ Petersen notierte sich alles und griff nach seiner Jacke.

Drei Halbwüchsige im Stadtpark.
„Mir ist hundeelend“, meinte der eine, „was war das?“ Schweigend sahen sie sich an. Der Gedanke an dieses Monster ließ sie erschauern. Es war kein Gerippe zu sehen, nachdem sie die Grabplatte beiseiteschoben. Uralte Runen standen darauf. Niemand vermochte sie zu entziffern. Der Grube entstieg etwas, was man nicht benennen konnte. Ihm haftete ein Geruch von Fäulnis an.

Der Kommissar fand die Adresse rasch. Ein kleines altes etwas baufälliges Haus füllte seinen Blick. Er ging zur Veranda und klopfte energisch. Kurz darauf sah er einen Vorhang, der beiseitegeschoben wurde. Durch das vergilbte Glas konnte er aber nichts Genaues erkennen.
„Wer ist da?“, fragte eine Stimme.“
„Kommissar Petersen, machen sie auf. Ich habe dringende Fragen.“ Irgendetwas rumpelte hinter der Tür. Dann öffnete sie sich ein Stück und man erkannte ein Auge. Petersen zeigte seinen Ausweis.
„Sind sie allein?“, fragte die Stimme.“
„Ja“, erwiderte Petersen.“
Die Tür wurde geöffnet und was dort stand, ließ Petersen kurz erstarren. Wie konnte ein Mensch so abnorm aussehen? Wulstige Lippen, eingefallene Wangen, pockennarbig und dann noch, als wäre es nicht genug, ein riesiger Buckel.
Petersen zögerte, hineinzugehen. Diffuses Licht herrschte im gesamten Haus. Vorhänge waren zugezogen und es roch stickig.
Er stieg über verstreute Papierbündel. Etwas huschte an seinen Beinen vorbei. Der Mann deutete auf einen Stuhl, doch Petersen blieb lieber stehen.
„Sie kannten das Opfer?“, fragte der Kommissar.“
„Wir verbrachten einige Zeit im Heim“, war die Antwort.“
„Sie hatte keine Eltern mehr, und ich? Sehen sie mich an. Sie schämten sich für mich. Brachten mich dort hin.“
Petersen: „Was können sie mir nun mitteilen?“
„Vor 363 Jahren gab es hier eine Kreatur. Sie war furchtbar. Menschen wurden gemetzelt auf grausame Art und Weise. In uralten Schriften stand: Das Wesen entsprang der Hölle. Ich selbst fand die Aufzeichnungen, als ich in den Kellern des Heims herumstromerte. Dort war ich oft. Die anderen wollten ja nichts mit mir zu tun haben. Ich brachte sie infolge zum Stadtarchiv. Nachdem sie alles erfassten, schickten sie mir einen Brief mit dem groben Inhalt.“
Petersen: „Was hat das nun mit dem Fall zu tun?“
„Das Grab wurde geöffnet. Ich habe ein paar Jungs auf dem Friedhof gesehen. Sie standen direkt neben der Grabplatte. Mehr kann ich dazu nicht sagen.“

Industriegebiet in der Großstadt.
Grablichter waren angezündet. Sie standen im Kreis. Sieben, oder waren es acht Gestalten, alle schwarz angezogen, bewegten sich tranceartig darin. Sie riefen den Fürsten der Finsternis. Uralte Worte verließen die Münder der jugendlichen. Keiner ahnte, was sie bedeuteten.
Mit jedem Wort, jeden Satz, der über ihre Lippen kam, wurde ein stiller Beobachter größer und größer. Das Verlangen zu zerfleischen wurde übermächtig. Ein paar versuchten, zu fliehen. Sie schafften es nicht.

Am nächsten Tag.
Arbeiter vom Abrisstrupp machten die grausige Entdeckung. Der Gestank brachte sie halb um den Verstand. Durch die Grablichter angezündet, schmorten die schwarzen Umhänge leicht vor sich hin.
Wieder ein Anruf bei Petersen.
„Schmidt hier. Polizeistation Neustadt. Kommissar Petersen, sie hatten doch diesen merkwürdigen Fall mit der zerfleischten Leiche. Bei uns deutet alles auf denselben Täter hin. Eine furchtbare Sache, um es mal gelinde zu sagen. Allerdings mussten hier acht junge Leute daran glauben. Wäre es möglich, dass sie vorbei kommen?“
„In einer Stunde kann ich da sein.“ Er legte auf. In Gedanken versunken, zündete er sich eine Zigarette an. Er hatte dieses Laster schon längst aufgegeben, aber bei dem Anblick der Leiche, oder besser gesagt, dem Rest, zog er sich eine Schachtel. Was geht hier nur vor sich? Hatte dieses Geschöpf, der Bucklige, etwa Recht? Ich muss zum Stadtarchiv.
Nach einem ergebnislosen Anruf dort, sie hatten schon geschlossen, fuhr er nach Neustadt. Dort angekommen, bat man ihn, sich den Tatort anzusehen. Alles war unverändert. Sie hatten extra auf Petersen gewartet. Bei dem Anblick konnte Petersen nicht anders, er schleppte sich in einen Nebenraum und übergab sich.
Fassungslosigkeit, Entsetzen und Grauen spiegelten sich in den Gesichtern der Opfer wieder. Und Organe? Waren noch welche vorhanden?
Petersen: „Wurden die Spuren gesichert?“
Es folgte ein stummes Nicken.
„Dann überführt sie in die Rechtsmedizin. Ich denke, wir können davon ausgehen, dass es kein Mordinstrument gibt. Keine Waffe, oder dergleichen.“
Petersen war wieder auf seinem Kommissariat angekommen. Grübelnd lief er auf und ab.
Eine Bestie? Gibt es so was wirklich?
Er hatte nie an etwas geglaubt, was nicht normal erklärbar ist. Vielleicht sollte ich mich doch mit dem Stadtarchiv in Verbindung setzen, dachte er, aber heute nicht mehr. Mir reicht es auch so. Erst mal Feierabend.

Die Bestie.
Es hatte seinen ersten großen Hunger gestillt, doch lange hält das nicht vor. Durch die Kälte angegriffen, schleppte es sich durch die dunklen Straßen der Stadt. Wie gehetzt suchte es einen warmen Platz. Magisch zog ihn ein Ort an. Das Krematorium. Der Wind trieb ihm einen Geruch zu. Voller Erwartung hetzte es weiter. Dann war sein Ziel erreicht. Menschenfleisch ließ sein Geruchsorgan erbeben. Bald wurde es fündig. Zwei Leichen standen bereit zur Einäscherung. Immer noch, oder wieder gierig, fraß es sich satt, dann verkroch es sich.

Am nächsten Tag.
Kaum war Petersen in seinem Büro, meldete sich das Telefon.
„Neustadt, Krematorium. Herr Kommissar ich soll mich bei ihnen melden. Es ist was grausiges hier passiert. Können sie bitte kommen?“
„Wer spricht denn dort?“
„Oh, Entschuldigung, Lehmann ist mein Name.“ Petersen: „Okay, ich komme.“ Er stöhnte auf. Wie soll das bloß weitergehen. Aber bevor er ging, rief er im Stadtarchiv an. Zum Glück war jemand da.
„Hier Kommissar Petersen. Ich muss mit ihnen sprechen. Heute Nachmittag gegen zwei Uhr?“
Es geht. Na wenigstens etwas.
Was soll ich nur im Krematorium, überlegte er, während er das Auto in Gang setzte. Dort angekommen besah er sich fassungslos, was von den Toten übrig war.
Oh, mein Gott. Bitte hilf mir.
Petersen war noch nie gläubig gewesen. Jetzt war er aber dermaßen entsetzt, dass der Hilferuf einfach so über seine Lippen kam.
„Was sagten sie?“, fragte der Herr Lehmann.
„Nichts, nichts.“
„Kommissar sehen sie. Hier ist eine Spur.“ Tatsächlich. Blut. Die Spur wies in eine Richtung.
Petersen: „Wo geht’s da hin?“
„Dort sind nur die Abluftleitungen von der Verbrennungsanlage.“
Ratlos sah sich der Beamte um. Erfreulicherweise kam gerade Kommissar Schmidt mit drei seiner Leute an. Schmidt sah sich die Leichen wortlos an. Dann wandte er sich an seinen Kollegen.
Dieser meinte sofort: „Hier ist ein Abdruck. Kommen sie bitte mit. Ihre Kollegen auch.“
Sie machten sich auf den Weg. Immer nach Deckung heischend, schlichen sie voran. Sie vernahmen ein Geräusch. War es ein Schnarchen? Vorsichtig tasteten sie sich weiter vor. Fäulnisgeruch schlug ihnen entgegen. Petersen sah die Bestie als erster. Sofort winkte er die anderen zur Seite.
Was war das?
Halb Mensch, halb Tier, mit einer Fresse, gleich einem Schakal. Ein Teil seines Leibes war mit Stofffetzen bedeckt, die aussahen, als wenn sie vom Schimmel durchsetzt sind. Es schlief. Wie beruhigend. Alle fünf setzten zum Rückzug an. Waren sie leise genug? Nein. Die Bestie erwachte. Einer der Polizisten drehte sich gerade noch rechtzeitig um.
„Lauft!“, schrie er vor Panik.
Die Bestie wusste nicht, wen es zuerst greifen soll. Petersen fing an zu schießen. Wütend wollte das Untier ihn greifen, doch Schmidt feuerte auch seine Pistole ab. Er traf. Der Dämon heulte auf und kroch davon. Petersen und die anderen liefen so schnell sie konnten zurück.
„Können wir den Zugang verschließen?“
„Ja, es ist doch eine Brandschutztür.“
„Dann beeilt euch.“
Lehmann: „Was ist passiert? Wer hat geschossen? Petersen schien hilflos. Wie kann man das erklären? Kommissar Schmidt sah sich in der Runde. Niemand schien bereit, etwas zu sagen. Sie standen unter Schock.
Petersen fing sich als erster: „Diese Tür darf auf keinen Fall geöffnet werden. Was dort drinnen lauert, was ist das nur? Ein Zeuge bezeichnete ihn als Dämon. Langsam glaube ich das auch. Aber wir haben ihn getroffen. Wenn er, oder es, was weiß ich, noch lebt, wird er sich vermutlich erst einmal verkriechen. Gibt es dort eine Hintertür?“
„Ja zum Gastank. Sie ist verschlossen.“
„Sie dürfen diese Tür nicht öffnen. Haben sie das verstanden?“, ordnete Petersen an.“
„Natürlich. Na klar.“ Petersen ging und war in Gedanken schon beim Stadtarchiv.

Die Bestie.
Wutentbrannt und leicht verletzt zog sie sich in die wärmste Ecke zurück. Die Kugeln konnten ihm nicht so viel anhaben, es wurde einst von einem Dämon gezeugt. Wärme und Fleisch ließen ihn leben. Die zuletzt vertilgten Leichen machten sich bemerkbar. Er wuchs und wuchs. Seine körperliche Hülle wich einer grauschwarzen Dunstwolke.
Lebendig, groß und schaurig. Doch niemand konnte es sehen. Wie feinen Nebel trieb es ihn durch das Schlüsselloch. Ein Angestellter war noch da. Er bemerkte keinerlei. Wie auch, stand er doch der Tür abgewandt. Die Bestie machte sich auf dem Weg zum Ofen. Er war offen. Obwohl das Feuer aus war, verströmten die Schamottsteine starke Hitze.
Die Bestie glitt hinein. Hatte der Angestellte doch etwas bemerkt? Aus den Augenwinkeln nahm er einen Schatten war. Voller Grausen drehte er sich langsam um. Gerade noch rechtzeitig. Er ahnte, was das war. Verzweifelt versuchte er die Klappen vom Ofen zu schließen. Es ging gut. Zentimeterdicke gusseiserne Platten verhinderten ein Rauskommen.

Petersen war im Stadtarchiv angelangt. Eine ältere Frau, so um die fünfzig, erwartete ihn.
„Herr Petersen, ich begrüße sie. Was kann ich für sie tun?“
Endlich mal etwas ohne Bitterkeit, dachte Petersen.“
„Möchten sie etwas zu trinken?“
„Wenn sie so freundlich sind, vielleicht ein Kaffee. Den habe ich dringend nötig. Natürlich nur, wenn ich ihnen nicht zu große Umstände mache.“
„Das ist kein Problem. Setzen sie sich und ich bin ruck zuck zurück.“
Petersen nahm auf einem bequemen Stuhl Platz, der ausgezeichnet gepolstert war. Unzählige Bücher standen in Vitrinen und Regalen. Ehe er sich versah, kam sie mit einem Tablett zurück. Ihm wurde eine große Tasse mit dampfendem Kaffee vorgesetzt. Sie nahm sich ebenfalls eine.
„Wenn sie Zucker oder Sahne mögen, bedienen sie sich bitte. Oh verdammt, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt. Ich bin die Frau Krause. Entschuldigen sie vielmals.“
„Ach kein Problem“, meinte er lächelnd, angesichts ihrer Betroffenheit.“
„Da wir uns nun namentlich kennen Frau Krause, können wir bitte zum Kern der Sache kommen. Es geht um etwas, das mich wiederum verlegen macht. Sie müssen allerdings äußerste Diskretion versprechen.“
„Natürlich, Herr Petersen.“
„Nun, wie soll ich es erklären? Es gab in den Letzten Tagen Morde, die offensichtlich von ein und denselben Täter ausgingen. Das an sich ist nicht so ungewöhnlich, doch wir haben einen Zeugen. Anfangs konnte ich nicht einschätzen, ob er glaubwürdig ist. Das ist das Eine.
„Das Zweite“, er räusperte sich, „er sprach von einer Bestie. Dieses Wesen, oder wie soll ich es nennen, dürfte nicht menschlich sein. Und zu allerletzt berichtete der Zeuge, dass diese Bestie vor circa vierhundert Jahren schon einmal hier gewütet haben soll. Können sie, Frau Krause, etwas darüber herausfinden?“
Frau Krause trank nachdenklich einen Schluck Kaffee.
„Nun ja Herr Kommissar, ich hatte darüber gehört, es allerdings als Spinnerei abgetan. Sind sie sich denn sicher?“
„Ja“, erwiderte er, „und ich darf leider auch behaupten, dass ich ihr begegnet bin. Es wies keine Ähnlichkeit mit einem Menschen auf. Es sieht so aus, dass das der Wahrheit entspricht. Wenn ich es richtig sehe, so wurde diese Bestie damals auf irgendeine Weise besiegt. Nun meine Bitte an sie. Versuchen sie, wenn sie so freundlich wären, etwas darüber heraus zu finden. Es ist dringend. Die Tatorte sahen erschütternd aus. Diesem Treiben muss so schnell als möglich Einhalt geboten werden.“
„Ich werde es versuchen, versprechen kann ich aber nichts.“
„Das verstehe ich. Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit und dem Kaffee. Auf Wiedersehen.“ Noch ein kurzer Händedruck und er ging.

Derweil im Krematorium.

Unheimliche Geräusche drangen aus dem Ofen. So schaurig, nur, es wollte offensichtlich nicht heraus. Die Verschlussplatte zeigte keinerlei Erschütterung.
Der Angestellte versuchte schon zum dritten Mal, seinen Chef zu erreichen. Immer Besetztzeichen. Aber nun: „Ja bitte“, erklang eine weibliche Stimme.“
„Frau Lehmann, kann ich ihren Mann sprechen? Es ist dringend.“
„Oh, er nimmt gerade ein Bad. Legen sie erst einmal auf. Er wird zurückrufen.“
„Vielen dank Frau Lehmann.“ Kurz darauf klingelte sein Handy: „Meier“, meldete er sich.“
„Herr Meier, sie wollten mich sprechen? Ist schon wieder etwas passiert?“ Meier berichtete, was ihm widerfuhr.
„Mein Gott Meier. Geht es ihnen gut?“
„Ich, ich weiß nicht“, stammelte dieser.“
„Passen sie auf Meier, ich ziehe mich schnell an und komme. Rufen sie unterdessen Kommissar Petersen an. Ich verfüge über seine Nummer. Haben sie etwas zum Schreiben?“ Meier sah an sich herunter. Offensichtlich stand er unter Schock.
„Meier, sind sie noch da?“
„Ja. Ich muss zum Büro, wegen Kuli“, stotterte er weiter, „gleich bin ich da.“
„Ich habe was zum schreiben Herr Lehmann.“
„Gut, hier die Nummer. Berichten sie ihm und bitten sie den Kommissar, zu kommen. Ich werde in zehn Minuten da sein. Halten sie die Ohren steif. Bis gleich.“
Aufgelegt, die Leitung war unterbrochen. Meier legte auf. Seine Starre legte sich. Er rief Petersen an. Lange brauchte Meier nicht zu warten.
„Petersen. Wer spricht dort?“
„Meier vom Krematorium. Es ist folgendes passiert.“ Wieder folgte der Bericht.
„Kommissar Petersen, ich soll sie bitten, zu kommen. Herr Lehmann ist auch schon unterwegs.“
„Ja, ich komme. Zehn Minuten brauche ich ungefähr.“
Er beendete das Gespräch. Meier sah sich unsicher um. Lauschte. Stille. Warum Stille? Er schlich zurück. Nichts deutete auf das Biest hin. War es weg? Wie konnte es entkommen? Die Minuten vergingen zäh. Meier ging zum Eingang. Unruhig lief er auf und ab. Petersen und Lehmann trafen gleichzeitig ein.
„Und, wie sieht es aus?“, wollte Petersen wissen.“ Alle drei gingen herein.
„Ich habe keine Ahnung. Es ist so still. Hoffentlich ist es nicht weg. Aber eigentlich geht das nicht.“ Sie erreichten den Ofen. Kein Geräusch kam heraus.
„Es hat sich in eine Dunstwolke verwandelt? Sind sie sich sicher?“, wollte Petersen wissen.
„Ich glaube. Was soll es sonst gewesen sein? Schwarzgrauer Rauch wallte direkt zum Ofen. Danach kamen unheimliche Geräusche raus“, so Meier.“
„Das stimmt“, beeilte sich Lehmann zu bestätigen, „ich hörte es durchs Handy.“
„Herr Meier können sie mir eine Stange, oder etwas ähnliches bringen?“, wollte Petersen wissen.“
„Ja, einen Moment“, kam die Antwort. Kurz darauf gab er ihm einen längeren Feuerhaken.
Petersen: „Gehen sie auf Abstand.“
Lehmann und Meier zogen sich zurück. Petersen hieb mit voller Kraft an die Klappe. Wütendes Geheul war zu hören. Dann erbebte die Klappe. Immer und immer wieder. Doch sie hielt.
„Wird sie auf Dauer widerstehen?“, wollte Petersen wissen.“
„Erst einmal ja. Wir können sie aber noch verstärken“, sagte Lehmann.“
„Tun sie das. Ich werde nochmals im Stadtarchiv anrufen. Vielleicht sind wir danach schlauer.“ Petersen hatte Glück. Frau Krause ging an das Telefon.
„Ach, Herr Kommissar“, sagte sie, nachdem er seinen Namen nannte.“
„Ich habe schon einiges gefunden, nur wie es bekämpft wurde, weiß ich noch nicht.“
„Frau Krause diese Bestie scheint sich verwandelt, oder umgewandelt benenne ich es besser, zu haben. So, wie es aussieht, ist es jetzt nur noch eine Dunstwolke.“
„Gut, dass sie das ansprechen. Davon habe ich auch gelesen. Die Menschen damals machten im frühen Winter ein riesiges Lagerfeuer, um Holzreste zu verbrennen. Gleichzeitig wurde die Wintersonnenwende gefeiert. Es muss sehr schlimm gewesen sein. Die Bestie stürzte sich auf sie. Kaum einer überlebte. Dann stieg es ins Feuer und wurde zu Rauch. So steht’s in den Chroniken.“
„Wenn sie mehr herausbekommen, können sie sich jederzeit melden. Ich gebe ihnen meine Handynummer. Haben sie etwas zum Schreiben?“
„Ja, sie können die Nummer ansagen“, beantwortete Frau Krause die Frage. Petersen gab sie durch. Durch den Anruf waren alle dermaßen abgelenkt, dass ihnen nicht auffiel, wie still es geworden ist. Meier bemerkte es als Erster.
„Schon wieder diese Ruhe.“
„Merkwürdig“, meinte Lehmann.“
„Kann es wirklich nicht heraus?“, fragte Petersen.
„Ich wüsste nicht, wo“, so Lehmann.
Auch Meier überlegte, dann plötzlich wurde er kreideweiß.
„Was ist los?“, fragte Lehmann.“
„Der Schornstein“, bekam er nur heraus.“
Sie rannten vor die Tür. Am sternenklaren Himmel war nicht weit von ihnen eine dunkle Wolke zu sehen.

Die Bestie!
Es musste fliehen. Wo sollte sie hin? Mit ihren roten Augen suchte es Zeichen von Wärme. Doch nichts. Nichts, was ihren Ansprüchen genügte. Zusehends verlor sie an Kraft. Längs schon musste es sein altes Aussehen annehmen. Es schlich durch die Straßen der kleinen Stadt. Ermattet kroch es schließlich in das Gewächshaus der örtlichen Gärtnerei.
Am Krematorium.
„Was machen wir nun?“, wollte Lehmann wissen.
„Im Moment können wir nichts tun“, sagte Petersen.
„Anscheinend zieht es warme Orte vor. Fällt ihnen dazu etwas ein?“ Sie sahen sich ratlos an. Schüttelten ihre Köpfe.
„Hier bei uns? Nein, tut mir leid“, erwiderte Meier.“
„Gehen wir erst einmal nach Hause“, schlug Petersen vor.“
„Ich hatte so wenig Schlaf, dass ich kaum noch klar denken kann.“

Nächster Tag.
Herr Müller, Chef der Gärtnerei, machte sich auf den Weg zum ersten Kontrollgang. Alles war zu seiner Zufriedenheit. Im vorletzten Gewächshaus allerdings schlug ihm Gestank entgegen.
Was ist das denn? dachte er. Müller öffnete alle Fenster. Die Bestie hatte ihn schon wahrgenommen. Ein kleiner Happen, nahm es für sich war. Es hinterließ keine Spur von der Tat. Keine Kleidung, kein Haar, nichts. Wieder zog es sich in eine Ecke zurück. Kurze Zeit später kamen die ersten Beschäftigten.
„Was ist denn hier los? Kommt, schließen wir die Fenster.“
Alle vier machten sich daran. Die Bestie schlich herbei. Ein Prankenhieb und zwei lagen auf dem Boden. Die anderen beiden hörten ein Krachen. Regalbretter brachen zusammen. Sie sahen sich um.
„Max, um Himmelswillen, lauf.“ Max konnte fliehen. Voller Panik lief er zum Wohnhaus des Chefs und klingelte Sturm.
„Was ist denn los“, fragte Frau Müller, die aus dem Küchenfenster sah.“
„Ich muss den Chef sprechen und alarmieren sie die Polizei. Die Anderen sind ermordet worden von einem Vieh.“
„Mein Mann, aber er ist doch längst schon hinten. Um Himmelswillen, haben sie ihn nicht gesehen?“ Max schüttelte den Kopf.
„Ich rufe an.“ Hektisch nahm Frau Müller den Telefonhörer in die Hand. Eine Leitstelle meldete sich.
„Morde! Hier sind Morde geschehen.“
„Bleiben sie ganz ruhig. Von wo rufen sie an?“ Sie machte ihre Angaben.
„Dafür ist Kommissar Petersen zuständig. Ich rufe ihn sofort an. Außerdem schicke ich ihnen einen Streifenwagen und die Spurensicherung.“
„Danke.“ Sie legte auf und sah erneut aus dem Fenster: „Die Polizei ist unterwegs. Ich komme herunter zu ihnen.“
„Nein, nicht! Dieses Vieh ist noch da.“
„Was? Nicht weggelaufen? Kommen sie schnell rein.“ Petersen war gerade aufgestanden, als ihn der Anruf ereilte.
„Was, ein Vieh soll gemordet haben?“
„So wurde es mir berichtet. Können sie damit etwas anfangen?“
„Ja leider.“
„Ich habe einen Streifenwagen und die Spurensicherung schon dorthin geschickt.“
„Sagen sie ihnen über Funk, dass sie unbedingt an der Straße auf mich warten sollen. Ich beeile mich.“
„Alles klar.“
Zehn Minuten später war Petersen vor Ort. Als er ausstieg bemerkte er, wie ein junger Mann aufgeregt auf einen Polizisten einredete.
„Ach Herr Kommissar, gut das sie da sind. Hören sie sich das an. Ich glaube, der junge Mann ist noch betrunken. Hat wohl gestern zu viel gefeiert.“ Petersen ging zu Max. Der zitterte am ganzen Körper, teils wegen dem Erlebten, teils weil der Polizist ihm nicht glaubte. Der Kommissar hörte es sich ruhig an und nickte nur ab und zu mit dem Kopf.
„Was sagen sie dazu?“, fragte der Polizist.“
„Er hat recht. Leider gab es in den letzten Tagen mehrere solcher Verbrechen. Wir müssen mit aller größter Vorsicht herangehen.“ Er wandte sich wieder Max zu.
„Sie glauben also, dass es noch im Gewächshaus ist?“
„Ja, ich denke schon.“
„Sind die Fenster nun geschlossen?“
„Ja.“
„Können sie die Heizung höher stellen?“
„Ja.“
„Dann tun sie das.“ Max stolperte davon. Die Anderen sahen Petersen befremdlich an.
„Warum heizen?“ Der Kommissar schilderte, was er bis dato wusste.
„So haben wir es erst einmal unter Kontrolle. Ich frage nochmals bei Frau Krause nach. Vielleicht erfahren wir mehr.“
Frau Krause hörte das Telefon schon von weitem. Noch eine Treppe runter, Tür aufschließen, dann hatte sie den Hörer in der Hand.
„Hallo?“ Keine Antwort. Ihr Blick huschte zum Display. Dachte ich es mir doch, Kommissar Petersen. Schnell drückte sie die Wahlwiederholung. Ein Klingeln und er ging ran.
„Ah, Frau Krause. Sie haben bestimmt meine Nummer gesehen.“ Er war ein wenig amüsiert. Doch sofort wurde er ernst.
„Es gab abermals einen Vorfall. Anscheinend vier Leute. In der Gärtnerei. Die Bestie ist noch drin. Das mit der Wärme stimmt. Es ist draußen zu kalt für sie. Konnten sie noch etwas herausfinden?“
„Ja. Die halbe Nacht durchforstete ich diverse Unterlagen. Dann fand ich es. Zuerst bewarfen die Leute die Bestie mit Schneekugeln. Etwas anderes hatten sie nicht zur Hand. Es hört sich lächerlich an, aber die Bestie wurde immer hilfloser. Zum Schluss behalfen sie sich mit Eisschollen. Er verkümmerte derart, dass sie seiner habhaft wurden. Es kam anschließend in eine Kiste, die extra mit schweren Steinplatten umhüllt wurde. Der Pfarrer soll noch irgendeine Schrift aufgebracht haben. Nur welche weiß ich nicht.“
„Sie sind Klasse Frau Krause. Sie haben mir sehr geholfen. Wenn wir das alles hinter uns haben, lade ich sie zum Essen ein. Danke.“ Erleichtert sah er die Polizisten an.
„Endlich ein Lichtschimmer. Doch zunächst, die Spurensicherung kann abrücken. Sie können hier nichts machen. Fahren sie zurück. Und ihnen, meine Herren, werde ich zunächst schildern, womit wir es zu tun haben.“
Max kam neugierig näher. Petersen bemerkte es.
„Haben sie die Heizung voll aufgedreht?“
„Jawohl. Dort müssen jetzt über vierzig Grad Celsius sein.“
„Gut. Am besten sie gehen zu Frau Müller und kümmern sich ein bisschen um sie, bis ein Seelsorger da ist.“
Max war enttäuscht, doch er ging. Petersen unterwies dann seine Kollegen.
„Ich denke, wir sollten Verstärkung anfordern. Des weiteren werde ich den Bürgermeister unterrichten und am besten auch gleich den hiesigen Pfarrer.“
Die Verstärkung war schnell gerufen. Schwieriger gestaltete es sich mit dem Bürgermeister. Er befand in einer Besprechung und wollte nicht gestört werden.
Erst als Petersen von einer lebensbedrohlichen Lage für die Einwohner sprach, zeigte er Gehör. Er kam ans Telefon. Petersen versuchte ihm klar zu machen, um was es ging.
Der Bürgermeister daraufhin: „Ich weiß ja nicht, welche Leute für den Polizeidienst genommen werden, ich will es auch nicht wissen, aber dass sie mich wegen so einem Humbug aus der Versammlung holen, finde ich unverschämt.“
Er legte auf. Zum Glück waren die Einsatzkräfte schnell vor Ort. Petersen zum Leiter der Truppe: „Sie haben bestimmt schon von den mysteriösen Morden der letzten Tage gehört. Es muss ihnen im Moment genügen, wenn ich sage, dass sie nicht von einem Menschen verübt wurden. Es geht um ein Wesen aus tiefster Vergangenheit. Eine Bestie, die man versehentlich freiließ. Es mag Wärme und ist sehr verfressen. Zehn Menschen fielen ihm schon zum Opfer.“ Er verstummte. Ein Brüllen, eines Bären ähnlich, war zu hören.
„Max! Max!“ Er lief zum Haus. Der junge Mann war schon an der Tür. Petersen: „Wie warm wird es dort im Moment sein?“
„Einen kleinen Augenblick, ich sehe nach.“ Kurz darauf, er war außer Atem: „Neunundvierzig Grad Celsius. Ich wusste gar nicht, dass so stark aufgeheizt werden kann.“
„Regeln sie auf fünfunddreißig Grad Celsius herunter, möglichst schnell.“ Max lief davon. Plötzlich blieb er stehen.
„Herr Kommissar, sehen sie!“ Er deutete aufs Gewächshaus. Zusehends breitete sich dort Schwärze aus.
„Schnell! Drehen sie die Heizung runter!“ Das Brüllen wurde immer lauter. Alle sahen erschreckt dorthin.
„Herr Kommissar, ist das etwa?“ Er nickte.
„Ab einer bestimmten Temperatur löst sich sein Körper auf.“
„Das kann doch nicht wahr sein. Und nun?“
„Wir müssen dafür sorgen, dass es da drinnen bleibt, aber wieder feste Strukturen annimmt. Ich werde zunächst einmal zum Rathaus gehen.“
Er verzog seinen Mund und stöhnte leise.
„Sie sperren derweil die Umgebung ab. Ach ja, hatte ich fast vergessen. Ein Seelsorger ist auf dem Weg hierher. Wenn er da ist, schicken sie ihn zu Frau Müller. Ihr Mann ist ebenfalls ein Opfer. Max soll die Temperatur zwischen fünfunddreißig und vierzig Grad halten. Ich hoffe, es bleibt dort drinnen. Ich nehme ein Funkgerät mit, falls etwas ist.“
Am Wagen drehte er sich nochmals um und sah zum Gewächshaus. Von der großen Schwärze war nur ein kleinerer Fleck übrig.
Am besten, ich hole mir sofort geistige Unterstützung, überlegte Petersen während der Fahrt. Ab zum Pfarramt. Eine junge Frau öffnete ihm die Tür. Er zeigte seinen Ausweis und sagte: „Ich hätte gern den Pfarrer gesprochen.“
„Einen Moment. Ich hole ihn.“ Ein Mann, so um die sechzig, stand gleich darauf vor ihm. „Polizei hier bei mir? Habe ich etwas verbrochen? Meine Haushälterin hat einen richtigen Schreck bekommen.“
„Nein, nein nichts dergleichen. Ich brauche ihre Unterstützung. Kann ich kurz mit ihnen sprechen?“
„Gehen wir in mein Büro. Bitte treten sie ein.“ Petersen schloss seinen Bericht mit: „Der Bürgermeister zweifelt dies an. Kann ich zum Teil auch verstehen. Doch wir müssen unbedingt handeln. Glauben sie mir überhaupt?“
„Doch, ja. Ich habe in den letzten Jahren vieles von dieser Bestie erlesen. Wer hat nur das Grab geöffnet? Na egal, kommen sie.“
Zu seiner Haushälterin gewandt: „Ich muss zum Rathaus. Ich weiß nicht, wie lange es dauert.“ Schnell gingen sie zum Auto. Fünf Minuten später parkten sie vor dem Amt. Drinnen angekommen überlegte Petersen. Wo ist nur sein Büro?
„Kommen sie Herr Kommissar, hier entlang.“
An der Tür klopften sie kurz und traten ein, ohne abzuwarten. Offensichtlich befanden sie sich im Vorzimmer. Die Sekretärin sah sie provokativ an.
„Sie können doch nicht einfach hier hereinstürmen.“
Petersen schnitt ihr das Wort mit einer Handbewegung ab, zeigte seinen Ausweis und drang darauf, mit dem Bürgermeister zu sprechen. Missgestimmt stand sie auf und ging in Richtung Chefbüro. Petersen und der Geistliche warteten erst gar nicht ab, sondern drängelten sich an ihr vorbei. Das Stadtoberhaupt saß hinter einem wuchtigen Schreibtisch. Wütend, dass er gestört wurde, erhob er sich und wollte sie schon anfahren, was das soll. Doch ein kurzes Knacken und Petersen wurde über Funk gerufen.
„Herr Kommissar bitte melden.“
„Hier Petersen, was gibt es?“
„Es ist nichts mehr zu hören. Sollen wir vorrücken?“
„Auf keinen Fall. Bleiben sie, wo sie sind. Und nun zu ihnen Herr Bürgermeister.“ Er hielt ihm seinen Ausweis unter die Nase.
„Sie schreien mich nicht noch einmal an. Haben sie verstanden?“ Der Bürgermeister wollte aufbegehren.
„Halten sie den Mund und hören sie mir zu. In dieser Stadt läuft ein Wesen herum, das extrem gefährlich ist. Zehn Menschen und zwei Leichen wurden von ihm gefressen. Jawohl gefressen und wir müssen dieses Wesen unschädlich machen.“
„Erschießen sie es doch“, so der Bürgermeister.
„Blendende Idee. Denken sie, das haben wir noch nicht versucht?“
Petersen redete sich immer mehr in Rage. Er fuhr sich mit der Hand über die Augen.
„Herr Pfarrer klären sie ihn auf. Ich raste sonst noch aus.“
Unruhig lief Petersen im Büro auf und ab. Dann griff er zum Telefon.
„Hallo? Frau Krause?“ Sie sagte etwas.
„Können sie bitte hochkommen? Ich bin gerade beim Ratsherrn.“ Gleich darauf war sie da. Der Pfarrer war mit seiner Darstellung eben fertig geworden. Der Bürgermeister fuhr seine Angestellte sofort an, nachdem er ihrer ansichtig wurde.
„Und? Wollen sie etwa auch noch ihren Senf dazu abgeben?“ Frau Krause wusste überhaupt nicht, was los ist. Hilflos sah sie den Kommissar an. Der zuckte mit den Schultern.
„Er will es nicht wahrhaben.“
„Chef das stimmt. Es steht auch in der Stadtchronik. Die Bestie ist extrem gefährlich. Es frisst jeden, dessen es habhaft wird.“ Der Bürgermeister gab seinen Widerstand auf.
„Was soll ich tun?“
„Die Menschen sollten gewarnt werden. Dann müssen wir uns natürlich Gedanken machen, wie wir es vernichten wollen. In der Gärtnerei klappt das nicht. Es muss starker Kälte ausgesetzt werden. Nur wo? Gibt es einen Ort, wo wir es mit Wärme zunächst hinlocken können?“
Frau Krause: „Ich hatte mir schon Gedanken gemacht. Es gibt doch diese wundervolle moderne Bäckerei in der Stadt. Der Ofen wird elektrisch beheizt und somit ist ein Schornstein überflüssig. Fahren wir hin und reden mit dem Inhaber.“
„Gute Idee. Machen wir uns auf den Weg.“



Unterdessen im Gewächshaus.
Die Bestie zog sich in die wärmste Ecke zurück. Trotzdem traf ihn ein stetiger kalter Luftzug. Die Tür war nicht vollständig geschlossen. Unfähig dort hin zu kriechen, wuchs in seinem dumpfen Gehirn nur ein Gedanke, fressen!
Es schlich die hintere Fensterfront ab. Zwei Einsatzkräfte beobachteten das. Sofort nahm einer das Funkgerät in die Hand. Doch das Klirren von Glas ließ ihn von seinem Vorhaben abhalten.
Beim Versuch wegzulaufen, stolperte er, schlug mit dem Kopf auf die Kante einer Wegbegrenzung und blieb ohnmächtig liegen. Sein Kollege wollte ihm helfen. Er beugte sich über ihn. In dem Moment spürte er die Anwesenheit der Bestie. Diese griff ihn an den Hals und drehte ihn zu sich herum. Das Letzte, was er sah, waren die mächtigen Krallen an einer Pranke. Immer wieder riss er Stücke aus beiden Körpern. Dann plötzlich drang eine Stimme an seine Ohren.
„Posten zwei bitte melden.“ Wieder Stille.
„Posten zwei melden sie sich.“ Die Bestie sah auf das Gerät, ergriff es und zerdrückte es bis zur Unkenntlichkeit. Dem Einsatzleiter war sofort klar, da muss etwas passiert sein. Er setzte sich mit Petersen in Verbindung.
Kurz vor der Bäckerei nahm der Kommissar den Funkspruch entgegen. Finstere Gedanken machten sich in seinem Kopf breit. Im Auto sprach niemand ein Wort. Die Kälte der Angst lähmte jeden.
Eine Lösung muss her.
„Na gut“, sprach Petersen, „gehen wir folgendermaßen vor. Herr Bürgermeister, sie setzen sich mit der Feuerwehr in Verbindung. Per Lautsprecher sollen die Bürger gewarnt werden. Jeder soll im Haus bleiben und die Heizung niedrig einstellen. Frau Krause sie reden bitte mit dem Bäckermeister. Sagen sie ihm, er soll die Backstube räumen und wenn nötig den Ofen anheizen. Herr Pfarrer sie müssten den Bannspruch ausfindig machen. Und beinahe hätte ich es vergessen Herr Bürgermeister, fragen sie bei der Feuerwehr nach, ob flüssiger Stickstoff vorhanden ist. Jeder kennt seine Aufgabe, los geht’s. Frau Krause steigen sie bitte schon hier aus.“
Zügig machte sie sich auf den Weg zur einhundert Meter entfernten Bäckerei. Petersen wendete scharf und fuhr Richtung Kirche. Bevor der Pfarrer ausstieg, bat Petersen ihn, den Spruch so schnell wie möglich zu finden und dann zur Bäckerei zu kommen. Er wandte sich dem Bürgermeister zu.
„Wie sieht es aus? Werden die Einwohner alarmiert?“
„Ja, ein Fahrzeug ist unterwegs. Der Kommandant wunderte sich wegen dem Stickstoff, doch er lässt ausrichten, dass es vorhanden ist. Wofür brauchen sie es?“
„Zum Kühlen.“
„Zum Kühlen? Wie soll das vonstattengehen?“
„Dazu kommen wir später. Jetzt müssen wir versuchen, die Bestie zur Bäckerei zu locken.“ An der Gärtnerei stieg Petersen aus.
„Nun kommen sie schon.“
„Und wenn es mich frisst?“
„Dann sind sie tot. Steigen sie jetzt aus.“
Die Bestie schlich zurück zum Gewächshaus. An der kaputten gezackten Glasscheibe blieb es hängen. Es musste hinein. Immer kälter wurde es draußen. Die Sonne war durch eine Wolkenbank nur zu erahnen. Wind trieb die gefallenen Blätter vor sich hin und es fing an zu nieseln. Das Untier kroch weiter. Es hinterließ eine Blutspur. Es war verletzt. Ein tiefer langer Riss. Zu kalt dafür, dass die Wunde sich schloss, bewegte es sich weiter. Die Sucht nach Wärme machte es ständig hilfloser. An der Tür angekommen strebte es langsam, aber zielstrebig, Richtung Marktplatz. Seine Augen sahen einen roten Lichtschimmer.
Da kann ich mich legen. Dort ist es warm.
Es war die Bäckerei, die es wahrnahm.
Der Einsatzleiter hörte das Zersplittern von Glas ebenfalls. Zusammen mit seinen Leuten und Petersen späten sie um die rückwärtige Hausseite. Die Bestie beendete ihr grausiges Mahl und setzte zum Rückzug an. Petersen war sofort der Meinung, dass es dort nicht blieb. Ihm war klar, durch den Durchzug ist es zu kalt geworden. Hoffentlich klappte alles in der Bäckerei. Dann ist es auf dem Weg dorthin.
Er sprach mit dem Einsatzleiter darüber. Dieser schloss sich seiner Meinung an. Sie nahmen die Verfolgung auf. Stille lag über der Stadt. Nicht ein Motorengeräusch hörte man, die Straßen verwaist. Das Scheusal schleppte sich vorwärts. Stück um Stück. Meter um Meter. Auf seinem Weg hinterließ es eine Blutspur. Nicht weit vom Marktplatz brach es zusammen.
Petersen wollte sich nähern, doch der Einsatzleiter hielt ihn zurück. Er zeigte zum Brunnen. Ein Brodem schwebte über ihn. Nebel, der immer dichter wurde, bis etwas flammenhaftes ihn auflöste. Langsam kristallisierte sich eine Gestalt heraus. Ein Dämon an die drei Meter hoch, war zu erkennen. Er beugte sich über die Bestie und blies heißen Atem in das Gesicht. Niemand rührte sich, als sie das sahen. Für den Bürgermeister war es zu viel. Er wurde ohnmächtig.
Der Dämon griff nach seiner Schöpfung und hob es hoch. Mit weiten Schritten trug er die Bestie Richtung Bäckerei. Die Polizisten sahen sich an. Sie hatten weit aufgerissene Augen. Keiner konnte reden. Womit hatten sie zu tun? Petersen seufzte laut.
„Wir müssen weiter. Kommt.“
Unwillkürlich war er zum du übergegangen. Durch eine kleine Seitengasse gelangten sie zur Backstube. Alles stand offen, auch der Ofen. Sie sahen gerade noch, wie der Dämon hinter der Bestie sich dort hineinschob.
„Schnell. Wir müssen die Tür schließen.“ Zwei sprangen vor und verriegelten sie. Die Falle schnappte zu. Ein Toben begann im Inneren des Ofens. Frau Krause kam zusammen mit dem Bäcker und dem Pfarrer herein.
„Der Ofen muss ausgestellt werden“, wies Petersen an. Durch ein Sichtfenster sah der Pfarrer hinein. „Zwei? Zwei sind drinnen?“
„Ein riesiger Dämon ist dem Brunnen entstiegen“, sagte ein Polizist.“
„Die Bestie ist sein Kind, seine Schöpfung. Nie hätte ich gedacht, dass es in unsere Welt aufsteigt“, sprach der Geistliche nachdenklich.“
Dem Toben folgten Wortfetzen. Niemand verstand sie, nur der Pastor horchte überrascht.
„Das ist Latein. Der Dämon spricht Lateinisch. Unglaublich. Er muss einst in unserer Welt gewandelt sein.“
„Können sie ihn verstehen? Was sagt er?“
„Er lacht uns aus. Auch wenn wir sein Kind töten, er ist unsterblich.“ Schweigend sah jeder Petersen an.
„Egal jetzt. Wir machen, was ich plante. Ich brauche den Stickstoff von der Feuerwehr. Unser Stadtoberhaupt ist nicht zu gebrauchen im Moment. Also wer ruft an?“
In dem Augenblick vernahmen sie ein Motorengeräusch.
„Warten sie auf uns?“ Zwei Kameraden trugen eine große Flasche herein. Petersen war erfreut.
„Schön, dass sie hier sind. Ist das das Gas?“
„Ja sicher. Was wollen sie damit machen?“
„Sehen sie in den Ofen. Das sind Wesen aus einer anderen Welt. Beide dämonisch. Zur Vernichtung brauchen wir Kälte.“
Der Anblick ließ sie kurz erstarren. Der Bäcker drängelte sich vor, sah hinein und begann zu frösteln.
„Töten sie diese Bestien“, stammelte er.“
„Hier ist eine kleine Öffnung. Machen sie schon. So etwas in meiner Bäckerei.“
Dann ging alles schnell. Im Ofen hörte es sich an, als würde alles bersten durch die Kälte. Das Untier hatte keine Chance. Ein kleiner Fleck, wie aus Unrat, blieb übrig. Der Dämon löste sich auf.
„Wir brauchen eine Kiste“, stellte Petersen fest.“
„Ich habe eine hier. Die ist aus Zink. Geht das?“
Der Bäcker war froh, das nichts Lebendes mehr im Ofen war. Die Kiste war mit einem sicheren Deckel versehen. Gemeinsam machten sie sich daran, den Ofen zu öffnen. Kaum war ein Spalt zu sehen, kam ein unwirklicher Luftzug. Gestank machte sich breit. Alle waren eingeschlossen davon.


Der Pastor trat entschlossen vor:
„Ich bin der Herr das Licht, dein teuflischer Schatten bezwingt mich nicht. Kehre zurück in die Dunkelheit, und verweile dort in alle Ewigkeit. Du finstere Macht sei nun verbannt, dafür ist dies Licht dir der Garant.“

Der Spuk nahm ein Ende. Der Pfarrer erstrahlte in einem warmen Licht.
„Entfernen sie die Reste der Bestie. Wir müssen uns eilen“, drängelte Petersen.“
Der unförmige Brocken wurde in die Kiste verbracht.
„Zur Kirche?“, fragte der Kommissar.“
„Ja und wir brauchen die Steine von seinem Grab“, gab der Pastor zur Antwort.“
„Wir können es aber auch wieder an der alten Stelle versenken.“ Es wurde vollbracht. Man verfestigte die Grube durch tief in die Erde führende Betonpfeiler. Eine riesige Bleiplatte oberhalb schloss das Grab. Eine Inschrift zum Bann alles Bösen wurde aufgebracht.

Beuge dich demütig unter die mächtige Hand des Schöpfers; zittere und ergreife die Flucht, während wir den heiligen Namen Jesu anrufen, vor dem die Hölle bebt, dem die Mächte der Himmel und die Gewalten und Herrschaften untergeben sind, den die Cherubim und Seraphim unaufhörlich preisen mit den Worten: Heilig, heilig ist der Schöpfer, der Gott der Heerscharen.


Wanderin




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