Das Leben meiner Nachbarin ...
Bäuerin zu sein ist ganz schön schwer! Der Bauer ist ja – eigentlich – den ganzen Tag zu Hause, aber das täuscht! Schon in der Früh, wenn sie die Kühe und Schweine mit Futter versorgt, weil die Tiere sonst in den Ställen wegen ihres Hungers lärmen, die Nachbarn – keine Bauern – zu früh aus ihren Betten gescheucht werden, hat sie erst die Chance für ihr eigenes Frühstück, wenn die Tiere und der Bauer versorgt sind. Der Bauer muss nämlich aufs Feld, braucht auch dort ein zweites Frühstück, das sie ihm mitgibt. Um die Arbeit dort – bequem(?) – auf dem Trecker als Tagewerk zu verrichten, muss auch er früh heraus. Und so mancher Acker liegt keineswegs direkt am Hof ...
Die Bäuerin richtet inzwischen die Melkmaschine, denn die Kühe haben wieder recht gut gefüllte Euter, die so langsam ihre Besitzerinnen zu quälen beginnen. So gegen 7 Uhr zwischendurch fordern auch die eigenen Kinder ihr Recht: Frühstück, bevor es zur Schule geht und nebenher noch diese oder jene Frage …
Auch ein paar Kälbchen sind nun zu versorgen. Schnell ein Schluck Kaffee, ein Biss ins eigene Frühstücksbrot und dann kommt auch schon der Tankwagen der Molkerei. Ist alles okay, ist vielleicht Zeit, eine dringende Erledigung zu machen. Danach steht der Hofgarten für Arbeiten an, dann kochen für die große Familie, die Helfer, die inzwischen dazu gekommen sind. Die Kühe sind auch längst aus dem Stall auf die angrenzende Wiese getrieben. Wie gut, dass es inzwischen Geräte gibt, die die Stallstandflächen der Kühe reinigen … Wäsche waschen – dafür gibt es inzwischen ja die Geräte. Dennoch muss sortiert und eingefüllt oder aufgehängt werden, auch gebügelt. Und an so manchem Tag ist der Bauer zum Mittagessen auch wieder zu Hause.
Alle paar Monate, vor allem im Sommer, gibt es auch Besuch aus den umliegenden Grundschulen: die Kinder dürfen der Bäuerin bei der Hofarbeit zuschauen, erfahren so dies und das über Getreidesorten, Mais- und Futteranbau für die Tiere, aber auch über die Obst- und Gemüseverarbeitung auf dem Hof.
Das Reinigen des riesigen Milchcontainers an der Melkmaschine sowie der ganzen Melkanlage gehört auch zu ihrem Tagewerk. Wenn sie an schönen Tagen die Sonne genießen will, muss sie das verbinden mit der Arbeit im Gemüse- und Obstgarten am Haus. Doch, bei der Obsternte hilft ihr der Bauer oder ein Mitarbeiter, wenn grad nichts auf den Äckern anliegt, wo er helfen oder anstelle des Bauern arbeiten soll.
Die Vorstellung, täglich auf dem Trecker zu sitzen, ist schon damit verbunden, dass sich mit dem Alter Rückenprobleme einstellen, auch wenn die modernen Trecker inzwischen nicht mehr so ruckelnd fahren wie noch vor 50 Jahren. Die heutigen Traktor-Monster fahren ruhiger als so mancher Lkw oder Bus. Ich erinnere sehr gut, wenn statt des Bauern einer seiner Helferjungs mit dem großen Trecker die Straße vor unserem Haus entlang pflügte, dass das Haus erzitterte, der Trecker mehr über den Asphalt hopste als fuhr … Diese Dinger fahren heute ja durchaus gute 50 – 60 kmh. Die Trecker zu fahren muss die Bäuerin auch beherrschen.
Aber dass die Bäuerin gesundheitlich besser weg kommt als der Bauer, kann getrost ins Reich der Märchen verwiesen werden.
Gelegentlich hab ich ihr und den Helfern auf dem Hof schon mal eine Torte zum Kaffee oder im Advent selbst gebackene Plätzchen gebracht. Viel Zeit hatte sie ja selbst oft nicht für solche Extras …
Unsere Mechthild ist inzwischen sehr froh, dass der Junior den Hof übernommen hat, sie ihrer Schwiegertochter beruhigt ihre Arbeit überlassen kann.
Kommentare (12)
Liebe Renate! Ich sah es ja immer wieder, wie sehr sich unsere Nachbarin von ihrer Arbeit vereinnahmen ließ. Da war es mir schon wichitg, dieser Familie gelegentlich ein kleines "Schmankerl" zukommen zu lassen.
Mit einem Riesen-Rotweinglas, gefüllt mit meinen Marzipan-Walnuss-Plätzchen zu Nikolaus hab ich sie einmal überrascht - und was erlebte ich dann? Der studierende Sohn saß an seinen Arbeiten und beklagte sich, dass er kaum noch klar denken könne. Und Mama Mechthild bot ihm an: "... nimm Dir eins von den Plätzchen von Uschi, dann geht es wieder besser!" Selbst damit ging sie sparsam um. Mich machte es sehr verlegen ... Zeigte es mir doch, dass sie sehr wohl diese Aufmerksamkeit zu schätzen wusste.
Ich denke, meine Nachbarin hatte im Ort durchaus einen guten Ruf dank ihres Wissens als Hauswirtschaftsmeisterin, das sie auch den Grundschülern immer wieder bei einem Hofbesuch zukommen ließ. Das sollten wir auch den "Weinbäuerinnen" zukommen lassen, deren Arbeit ganz sicher nicht weniger schwer ist.
lichen Dank, liebe Renate, für Dein Lesen und Deinen Kommentar
Uschi
Liebe Uschi, das ist eine interessante Schilderung und erhöht noch einmal meinen Respekt für die Bauern. Was wären wir ohne sie. Als Laie verbindet man ja auch immer ein Stück Romantik mit diesem Beruf. Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus, sie müssen hart mit viel Arbeit für das Überleben kämpfen und sind dann auch noch nicht besonders gut angesehen, abgesehen davon, dass noch kaum ein Mädchen einen Bauern heiraten möchte.
Deine Torte sieht lecker aus, wie schön, dass Du ihr ab und zu eine Freude machst.
Liebe Grüße
Elbstromerin
Liebe Elbstromerin, Danke für Deinen Zuspruch für meine Schilderung. Die Romantik des bäuerlichen Lebens dürften wir alle wohl in den vergangenen Jahren ein wenig zur Seite gedrängt haben. Man konnte es ja immer wieder in der Presse lesen, dass die Arbeit vor allem mit dem Milchvieh, seitens der Supermärkte, Discounter durch die Molkereien sehr stark bedränt, missachtet wurde. Und natürlich greifen die Kunden vermehrt zur "so günstigen" Milch.
So ein wenig hat sich allerdings dadurch doch das Verständnis für die Entlohnung der Milchprodukte in der Weise verändert, dass man heute wissen kann, wer die Preistreiber sind - die Bauern eher nicht!
Ausgerechnet diese Torte hat der Bauernfamilie sehr gut geschmeckt - aber die Geschichte dazu gehört jetzt nicht hier her. Und ichwohne ja nicht mehr dort, Ich zog vor acht Jahren in die Nähe meiner Tochter.
lichen Dank für Deine Grüße und Deinen Kommentar
Uschi
Auf dem Dorf in meiner derzeitigen Wahlheimat gibt es noch eine selbständige Landwirtin. Milchvieh hat sie schon vor Jahren aufgeben müssen. Kartoffeln, Rüben, Mais auf teilweise weit auseinander liegenden Äckern, etwas Waldwirtschaft und Jagd (Ehemann) halten die Familie, zu der auch die Schwiegermutter gehört, über Wasser. Der heiße und viel zu trockene letzte Sommer zwang sie, wie viele andere auch, zu Noternten.
Die Tochter hat nach einem Jahr in Afrika geheiratet und ist weggezogen. Ein Sohn hilft noch mit, neben seinem Studium. Er wird wohl den Betrieb auch nicht übernehmen.
Für die Frauen aus dem Dorf ist die Kartoffelernte, das "Klappern", immer ein Fest gewesen, bei dem sie gerne und für wenig Geld geholfen haben. Im letzten Jahr gab es nichts zu klappern, alles nur für die Stärkefabrik.
Ihr Glaube helfe ihr, davon ist sie überzeugt. In dem ehemals religionsfreien Gebiet sicher eine eher seltene Aussage, die bei einigen heute noch auf Unverständnis stößt. Ich glaube ihr.
Liebe Via!
Auch auf dem nachbarlichen Hof sah ich die Gläubigkeit. Aber weder die Bauernfamilie noch wir konnten verstehen, dass der Altbauer - seit fast 20 Jahren verstorben - seiner als Tochter angenommenen Nichte und ihren Kindern verbot, vom Obst im hofeigenen Garten zu nehmen! Er verschenkte es lieber an den katholischen Pfarrer unserer Gemeinde, obwohl der es nicht wirklich nötig hatte.
Ob es dem Altbauern geholfen hat, sich so für "seine Kirche" einzusetzen - ich weiß nicht, was ich darin sehen soll. Den "Enkelkindern" das Obst bei Androhung einer Anzeige bei der Polizei, sie hätten von seinem Obst - eine Handvoll Kirschen - gestohlen, und das, obwohl die Eltern der KInder den Hof bewirtschafteten ... Unsere Wohnlage am "Teuto" galt, wie man in Münster so schön sagt, als "schwarz": hochgläubiges Katholikenland.
Ich habe gerne Fahrradtouren durch das Umland bei Warendorf mit meinem Mann gemacht. Da hatten wir gelegentlich die Möglichkeit, einen Bauern zu fragen, ob wir von den liegen gebliebenen Kleinstkartoffeln, die später wieder untergepflügt wurden, uns eine Tasche voll sammeln dürften. Die waren, nur gebürstet und gewaschen, so lecker in der Pfanne zuzubereiten. Im Folgejahr gab es auf den Kartoffeläckern keine kleinen Restkartoffeln mehr zu finden. Ist der Bauer wohl drauf gekommen, dass er auch diese auf dem Markt verkaufen könne. Die Nachfrage war ja da. Aber so ist es nun mal, man muss es hinnehmen.
Lieben Dank für Deinen Kommentar
sagt Uschi
Man kann dem bäuerlichen Handwerk nicht genug Ehre angedeihen lassen. Auch wenn es heute viele maschinelle Hilfsmittel gibt, ist es bei Bauernfamilien noch immer ein 16-Stunden-Arbeitstag. Dies lebenslang auf sich zu nehmen, bedarf einer ganz besonders tiefen Bindung zum Land und zu den Tieren.
Mit Hochachtung für die Bauern
Syrdal
Da hast Du unbedingt Recht, lieber Syrdal! Es ist ja nicht damit getan, dass die Felder bestellt, betreut und abgeerntet werden.
Ein Bauer kann heute auch nicht mehr ohne die Nutzung eines PC arbeiten, hat den Maschinenpark seines Hofes auch technisch zu betreuen und muss vielen Vorgaben des Staates Genüge tun. Und das täglich ...
Sich um das Wohlergehen seiner Tiere zu kümmern, ist eine der obersten Pflichten. Wenn eine Kuh nach dem Kalben nicht mehr richtig fressen will, muss das Wissen da sein, was zu tun ist, da sonst auch möglicherweise das Kälbchen hinfällig wird. Und das möglichst, bevor doch der Tierarzt gerufen werden müsste ... Da geht manches Mal auch die Nachtruhe drauf!
Es wird heute vieles einfach nicht mehr wahrgenommen. Ich schließe mich gerne Deiner Hochachtung für die Bauern an.
Uschi
Ein Leben als Bäuerin, liebe Uschi, ist sehr, sehr arbeitsreich. Es wundert eigentlich nicht, dass junge Frauen, das heute nicht mehr wollen. Dazu gehört viel Idealismus. Heutzutage führen sie auch oft noch einen Hofladen oder haben auch noch Feriengäste um Geld dazu zu verdienen. Aber was wären wir ohne Bauern. In Freiburg ist täglich um das Münster herum Markt
und wenn ich dort die Vielfalt an Gemüse, Kartoffeln, Obst, Kräuter, selbstgebackenes Brot usw. sehe und das alles so so appetitlich aussieht, dass man gerne dort kauft, denke ich, wie gut, dass es die Bauern gibt, die dafür sorgen, dass wir unsere Teller füllen können.
Gerne habe ich deine Schilderung eines Bäuerinnenlebens gelesen.
LG
Brigitte
Liebe Brigitte, ich habe bestimmt nicht alle Fakten des Lebens einer Bäuerin mitbekommen oder auch beschrieben. Aber so ein wenig weiß ich doch davon, weil es mich halt interessierte.
Würde ich noch in Münster leben, könnte ich jede Woche den Mittwochs- und den Samstagsmarkt auf dem großem Domplatz nutzen, wie früher schon als Kind mit meiner Großmutter. Aber auch in der kleinen nahen Stadt, von wo ich vor einem Jahr weg zog, wurde in der Fußgängerzone und am Dom an vier Tagen die Woche Markt gehalten, immer etwas versetzt in verschiedenen Abschnitten der City.
Wir können wirklich dankbar sein, dass es heute trotz der Discounter noch die "Wochenmärkte" in vielen Städten gibt, wo die Erzeugnisse aus dem direkten Umland zum Kauf angeboten werden.
Ich habe mich über Deinen zustimmenden Kommentar sehr gefreut. lichen Dank dafür sagt Uschi
LIebe Uschi, ich hab zwar nie einen Bauern und seine tagtägliche Arbeit kennengelert, bin ja in der Stadt aufgewachsen aber ich kann mir so manche Arbeit auf dem Hof schon auch vorstellen... und die ist sicherlich auch heute noch ,trotz moderner Technik und allem schnickschnack sehr anspruchsvoll.
Man merkt es ja auch daran, dass kaum noch jemand für diese Tätigkeit zu finden ist.
Soetwas kann man sicherlich nur aus der eigenen Familie heraus weiterführen.
Manchmal fragt man sich schon, welch Zukunft die bäuerliche Tätigkeit noch haben wird ..., wenn es keiner mehr machen möchte ?
Kristine
Liebe Kristine, ich bin auch in der Stadt aufgewachsen, habe eigentlich nie das bäuerliche Leben miterlebt. Erst als ich mit ca. 9 Jahren gegen das Verbot meines Vaters auch den münsterschen Stadtrand mit dem Fahrrad erkundete, besuchte ich auch den Hof seines Patenonkels. Doch zu der Zeit war die bäuerliche Arbeit schon sehr eingeschränkt, große Teile des Hofes an die Kirche verkauft.
Es war sehr ein krasser Unterschied zu dem Leben der Bauersleute, denen wir seit 1980 dann am Rande des Teutoburger Waldes gegenüber wohnten. Erst dort bekam ich doch ein paar Einblicke mehr in ihr tägliches Leben.
Von den vier Kindern hat sich auch nur der Älteste sehr für die Arbeit des Bauern interessiert, sogar Agrarwirtschaft studiert, ehe er sich für den elterlichen Hof entschied.
Wir waren jedenfalls immer sehr froh, seinen Hof "vor der Nase" zu haben, auch wenn es so manches Mal eine etwas "anrüchige" Nachbarschaft war. Aber der Bauer wusste das immer so zu legen, dass die notwendigen "Geruchsbelästigungen" stets kurz vor den nächsten Regenschauern erfolgten.
Andererseits: wie erfährt man sonst, dass auch Kühe oder Pferde ein paar Äpfel nicht verschmähen, wenn sie damit "verwöhnt" werden??
Und ehe wir unseren Tannenschnitt aus dem Garten einfach nur entsorgten, erhielten die Pferde davon, was sie sehr gerne fraßen.
Waren schöne Erlebnisse ... Danke für Deinen Kommentar.
Uschi
Ein Leben oder besser: die schwere und viele Arbeit einer Bäuerin kann man sich als Städter einfach nicht so genau vorstellen
liebe Uschi,
deshalb danke ich Dir für diesen interessanten Bericht....
leider haben die Bauern kein gutes Image....
wie auch die Winzerinnen, die schwerste Arbeit im Weinberg leisten und bestes Wissen über den Wein haben...
Deine Idee eineTorte oder Plätzchen bei der Bäuerin vorbei zubringen, so als kleines Zeichen der Achtung und zur Freude, ist sehr zu loben...
lieben Gruß von
Renate