das karrierte Ami-Kleid


Ja, es war ein Care-Paket, daß mich persönlich betraf.
Meine "neue" Familie schämte sich dafür.
Ich war zu einem Treffen eingeladen, das bei den Amerikanern stattgefunden hatte. Meine Omi ging mit. Ich dackelte kleinmütig hinterher.
Dort angekommen, verlebten wir einen Nachmittag mit Kuchen und Keksen und allerlei Getränken und dann wurden namentlich alle Vollwaisen aufgerufen und bekamen ein großes Paket mit vielen Umarmungen in den Arm gedrückt.
Mensch, war das groß....ich konnte es fast nicht schleppen.
Doch Omi meinte, es sei ja meins und darum trägst du es auch.
Zu Hause riß ich es auf........voller Spannung und was ist da drin.
Ja, es waren Kekse drin und Kaffee, ein hellblaues Duschhandtuch und ein karriertes Kleid mit weißer viereckiger Spitzenbordüre drauf.
Das war genau meine Farbe und das Karo stimmte auch. Ja, hurra und fast gepaßt hätte es auch. Ein bißchen in der Länge kürzen und einen Abnäher am Rücken, dann wäre es perfekt gewesen.
Doch am nächsten Tag war dieses Kleid verschwunden......und blieb es auch für alle Zeiten.
Auf meine Nachfrage, bekam ich das Donnerwetter meines bisherigen Lebens.
"Meinst du denn, wir lassen dich in diesem Amizeug rumlaufen - hast du bei uns nichts zum Anziehen und - wie stellst du uns hier hin?
Na bravo und das Kleid war wirklich hübsch und luftig, locker leicht.
Mir hat es sehr gefallen, doch erwähnt wurde es nie mehr wieder, ich lief weiter mit den umgeschneiderten Ost-Klamotten meiner Mutter rum.
Aber das muß man meiner Tante lassen, sie brachte auch Kombinationen zustande, die sich sehen lassen konnten.
Doch diese schweren "Zellstoffprodukte" der DDR zerrten erheblich an meinen Nerven, zumal ich wußte, welches Kleid es gewesen ist.
Und so trug ich etliche Jahre meine Mutter auf dem Leib.
Manchmal glücklich - ein Stück von ihr und manchmal traurig, daß es sie nicht mehr lebendig gab.
Und dieses amerikanische Kleid habe ich nie vergessen - ich stieg in den 60zigern Jahren auf Betty Barcley um und kopierte diesen Stil, dank eigener Nähmaschine, die auch noch von Muttern stammte.
Doch ein karriertes Teil habe ich nie wieder angezogen, noch mir gewünscht.

mit karrierten Grüßen
euer Moni-Finchen



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Kommentare (5)

finchen sowas kenne ich auch. Doch meine Mutter tauschte niemals etwas ein, was "mir gehörte" bzw. Sachen, die meinem gefallenen Vater gehörten.
Dazu gehörten auch ein paar Schlittschuhe - riesengroß -
doch irgenwie schmallte ich sie unter meine viel zu kleinen Schuhe und es ging. Mit der Zeit wurde ich zur "Rennsau" auf der Eisfläche. Und jeder beneidete mich um diese Dinger, weil sie Hohlschliff hatten!
Man konnte sich damit so schön in die Kurven legen.
Das Amikleid war schon in der BRD - hier war der Standesdünkel angerührt. Denn schließlich war mein neuer Vater "Ingenieur". Wie ich diesen Spruch haßte - der kam jeden Tag aufs Butterbrot.
Ich gebe ja zu, ich war ein sehr freies Kind und diese Klammer in dem kleinen Städtchen mußte Einhalt geboten werden. Naja, ich fing ein neues Leben an und machte als Ausgleich Spitzensätze der sportlichen Art.
Das duldete man dann ganz gnädig.
Und als ich Tanzturniere gewann, da zeigt man sich auch mal stolz und prahlte, daß ich ihre "Tochter" war.
Aber hallo - ich schämte mich dann auch.
mit den gewohnten Bussi-Grüßen
Dein Moni-Finchen
Traute Ach so ist es, so haben die Entscheidungen, die wir mit unseren Köpfen gar nicht nachvollziehen konnten unser ganzes Leben beeinflußt.
Diese rigorosen und absoluten Gebote und Verbote deren Grund wir nicht ahnten hinterließen tiefe Spuren in uns.
Was war damals ein Kleid für ein Wert und da zu noch , wenn es nicht aus dem blöden Zellstoff war. Möglicherweise haben sie es getauscht, gegen andere Dinge ? Wollten Dir nicht noch mehr weh tun und benutzten diese Ausrede ?
Meine Stiefmutter hatte ein paar Schlittschuhe mit in die Ehe mit meinem Vater gebracht. Ich konnte den Winter gar nicht erwarten, so wollte ich allen zeigen wie ich damit laufen können würde...
Sie waren weg und Stiefoma sagte die Wahrheit, sie waren gegen Butter getauscht worden, für Weihnachten.. Mir wäre Margarine und Schlittschuhe lieber gewesen, aber wer fragte mich schon.
Mit verständnisvollen Grüßen,
Traute
omasigi so hat jeder von unserer Generation seine Erfahrungen gemacht.
Mein Opa war Herrenschneider und hatte in seiner Schneiderwerkstatt noch Vorkriegsware gerettet. Davon wurde irgendwie was anziehbares geschneidert fuer ein Maedel von 5 - 7 Jahren.
Zunaechst hat mich das nicht gestoert, aber irgendwann meckerte ich. Da schneiderte meine Mutter eine Art Dirndel aus einer Fahne. Die Schuerze war rot und ich stolz. Aber auch die Fahne war gute Vorkriegsware.
Ein Wort, dass ich irgendwann nicht mehr hoeren mochte.
gruessle
Sigrid
ladybird das ist eine sehr tragische Geschichte...eigentlich hast Du ein Karo-"Trauma ",
doch Dein Schreibstil bleibt immer so, daß der Leser nicht ganz in die eigentliche Traurigkeit verfällt--
Mit dem rheinischen Humor meine ich, daß dann Schottland nie Dein Reiseland werden kann???
herzlichst
Deine Renate-ladybird
ehemaliges Mitglied Das war doch sehr schade, das Kleid hätte Dir sicher gut gestanden.Mit einem karierten Kleid habe ich jahrelang leben müssen.Da ich sehr klein und dünn war,konnte es mehrfach mit einem breiten Streifen aus einem weißen Bettlaken verlängert werden.Ich habe dieses Kleid gehasst.
Liebe Grüße
mullemaus

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