das geborstene Pfefferkuchen-Haus


....in der Weihnachtszeit ging es bei uns immer sehr geschäftig und geheimnisvoll zu.
Man wunderte sich immer, was sie alles zu tun hatten, denn es gab doch nichts.
Omi strickte wie verrückt, doch das Produkt als solches, lag immer unter einem Geschirrtuch verborgen.
Bei Omama war es ähnlich, sie war nur sehr oft nicht da, wenn ich mal so nebenbei bei ihr vorbei fuhr. Ausrede: Sie mußte in der Metzgerei aushelfen oder im Theater noch Kostüme ändern.
Opa verschwand im Keller und man hörte nur an der Kellertreppe Sägegeräusche oder Ähnliches.
Und wenn dann der Heilig Abend kam, bangte ich um den Baum. Ich hatte doch wieder keinen gesehen - doch jedes Jahr war er da.
Ich wurde hin-und hergeschickt: fahr mal zur Omi, ich brauche noch Nähgarn oder zur Omama und frage, ob sie vom Metzger Würstchen mitbringt.
Wenn ich heimkam war die Nähmaschine aufgeklappt und etwas Stoff lag drunter - es sah wie eine Tischdecke aus. Manchmal war es auch ein Kopfkissen-Bezug. Eigentlich ständig wechselnde Artikel. In der Küche lag das Bügelbrett auf den Stuhllehnen drauf und das Bügeleisen war ständig heiß.
Doch verdammt - kein Baum, der für mich am Wichtigsten war.
Endlich war es dann soweit - ich wurde zum Spielen vor die Tür geschickt, bei Schnee und Eis und Kälte. Die Jalousien wurden runter gelassen und ich konnte nicht sehen, was sich hinter den Fenstern tat. Bis dann Omi, Opa und Omama kamen und ich endlich wieder in die Wohnung durfte.
Man saß dann in der Küche rum, wollte mein Spielregal sehen und was ich schon für Bücher hatte und Omama setzte Wasser auf.
Omama packte die Würstchen aus und schrie auf einmal ganz fürchterlich schrill auf. Opa rannte hin, er dachte sie hätte sich verbrüht, doch sie schrie, nimm Marie (Omi) das Päckchen aus der Hand. Vor Schreck ließ Omi es fallen und es machte ganz leise "plum".
Keinen Lärm - nein - einfach nur plum.
Mutti streckte den Kopf zur Tür hinein, sah fragend in die Runde - doch es blieb still.
" es ist gleich soweit" sagte sie beruhigend.
Und dann endlich ging die Tür zum kleinen Wohnzimmer auf und ich sah Lichter flackern, die sich im Kachelofen spiegelten.
Oh, wie schön - der Baum stand prächtig geschmückt vor dem Fenster und die Kerzen brannten.
Der Tisch war wertvoll eingedeckt und geschmückt und im Radio spielten Weihnachtslieder.
Mutti ließ ein Glasglöckchen erklingen und das Tuch unter dem Baum wurde weggezogen.
Das hieß, die Bescherung kann beginnen.
Omi's dicke Socken und Handschuhe lagen darunter und Mutti's neu geschneidertes Kleid und eine richtig schöne, warme Hose und eine Winterjacke. Alles selbst genäht aus anderen Kleidern etc.
Omama stand in der Tür mit Tränen in den Augen und einem Päckchen in der Hand, welches Omi hatte fallen lassen.
Ich saß am Tisch und packte ganz vorsichtig aus. Omama half ganz vorsichtig und dann.....
ein zertrümmertes Pfefferkuchenhaus kam zum Vorschein.
Wir fingen an, es wieder aufzubauen - bis Opa meinte, wir sollten doch erstmal Würstchen essen und danach bauen wir alles wieder zusammen.
Den Vorschlag fand man gut und als der Tisch abgeräumt war, legte man die Einzelteile auf dem Tisch aus und begann.
Wir brauchen Zuckerwasser - Li (Mutti), hast du noch Zucker?
Nur ein kleines bißchen ist noch da. Na gut, wir probieren es. Mit den noch vorhandenen heißen Würstchen-Wasser wurde der Zucker aufgelöst und vorsichtig eingekocht, aber nicht zu viel. Es wurde mal wieder gestreckt, so, wie immer alles gestreckt werden mußte.
Aber es funktionierte, Opa stütze ab und pustete und mit dem Dach, das wollte er alleine machen. Marie, Du läßt die Finger weg, setz dich hin und schau zu. Anna(Omama) hier kanst Du mal halten und so ging es etliche Zeit, bis dieses Knusperhäuschen wieder stand. Die Verzierungen hatten sehr gut stand gehalten und somit hatte ich ein wundervolles Knusperhäuschen, an dem Omama wochenlang gearbeitet hatte.
Ich war begeistert und alle Anderen -bis auf Omi- auch. Und überall ganz dicker Zuckerguß, der vom Dach als Schnee herunter lief. Es war wunderschön.
Danach war Modenschau angesagt - alles paßte und war kuschelig warm.
Der Abend ging vorbei und man rüstete sich zum Heimgang und ich saß mit Mutti noch einige Zeit im kleinen Wohnzimmer und bewunderte den bunten Baum.
Ein schöner Tag, auf den noch einige folgen sollten...................

Liebe vorweihnachtliche Grüße
Euer Knusper-Moni-Finchen

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Kommentare (2)

finchen Ja, das war schon so, man fummelte aus allem was zusammen - Reste waren sehr begehrt. Ich schrieb sehr lange mit der Tintenfeder und war penibel in der Wahl der Federn.
Einen Geha-Füller habe ich mir erst in Westdeutschland vom Taschengeld gekauft. Einen Geha-Schulfüller - war ich stolz.
Wie gesagt, es war eine neue Welt für mich und ausprobieren stand auf dem Programm.
Liebe Nikolausgrüße
Dein Moni-Finchen
Traute ich erkenne unsere Zeit in Deiner niedlichen Geschichte wieder. Wenn noch nicht alles in Hülle und Fülle da ist, kann man mit Schenken viel Freude machen. Das waren Weihnachten, wie sie nicht wieder kommen werden.
Ich hatte mal eine Aktentasche für die Schule und einen wundervollen Füller zu Weihnachten bekommen, ich konnte es nicht erwarten, bis Weihnachten vor bei war.
Mit ganz nostalgischen Grüßen,
Traute

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