Der Schrei Edvard Munch, 1910
Munch-Museum Oslo
Die Angst vor Fremdem und Unvorherzusehendem, wer trägt sie nicht in sich?
Da erzähle ich mal von meiner gestrigen Begegnung..
mein sonntaglicher Spaziergang mit meiner Kusine führte mich auch an unserer Kirche vorbei.
Die Krippe steht noch und.. da mein Mann vor 20 Jahren einen neuen Ochsen für sie geschnitzt hat, ging kein Weg an der Krippe vorbei.
Die Kirche am späten Sonntagnachmittag war fast menschenleer.
Außer uns noch zwei Frauen, die sich der Darstellung näherten.

Jemand hätten wir fast übersehen, er saß, sich ganz kleinmachend auf der Kniebank in einem Seitenschiff und an die Wand gedrückt.
Ein Mann, zusammengekauert, uns einen schüchternen Blick zuwerfend.

Was denkt man in so einem Moment?
"was mache ich jetzt..
er sieht anders aus, also ist er einer von den Asylsuchenden,
was will er hier in der Kirche,
hat er Böses im Sinn..?

Wir gingen weiter zur Krippe, dort waren die beiden anderen Frauen etwas unruhig geworden und zeigten Angst, kein Wunder eigentlich nach den letzten Ereignissen.
Wir strebten dem Ausgang zu, wieder dieses kurze Aufblicken, das Gewissen regt sich, man kann doch nicht so vorbeigehen.

Wir gingen näher, fragten, ob ihm etwas fehlen würde.
Das ist eine dumme Frage, ich weiß.

Er antwortete uns mit einem Wort, wir verstanden ihn aber nicht und zeigten ihm das.
Er bekreuzigte sich und wir verstanden uns.
Beten??? ein Nicken..

Er stand auf, gab uns die Hand, mir zuerst und hauchte mir unvorhergesehen einen Kuss auf die Wange.

Sofort sprintete mir der Kölner Silvesterabend durch meine Gedanken und ich zuckte zurück, die andere Wange war somit nicht mehr zugänglich.
Er gab auch meiner Kusine die Hand, sie war ja nun vorgewarnt.

da war sie schon.. die Angst vor Fremdem..
Wir wünschten ihm noch alles Gute und gingen hinaus.

Draußen kam uns eine bekannte junge Frau, die schon vom Küster alarmiert worden war, entgegen.
Sie erzählte, dass dieser Fremdling ein Syrer ist, der in einer Unterkunft mit anderen zusammen lebt,
der sehr häufig in dem Gotteshaus betend anzutreffen ist, der unter einem Trauma über seine Erlebnisse leidet,
der sich unheimlich über gespendete Hosenträger gefreut hat, weil er seine Hose mit Bändern festgehalten habe.

Dieser Mann war 35 Jahre alt, sah aber wie ein 60jähriger aus.
Er muss Schreckliches erlebt haben.

Er bräuchte dringend eine ärztliche Behandlung, ein etwas arabischsprechender Arzt würde sich kümmern.

Das Erlebnis ging uns nahe, jaaa wenn wir das gewusst hätten....................................

Man sollte seine Angst überwinden und genauer hinschauen,
denke ich, doch tun wir es ???

lillii

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Kommentare (6)

ehemaliges Mitglied ich wollte eigentlich zu diesem Thema nichts mehr schreiben.
Es ist ein Thema, das teilt und offenbar zu sehr in ein entweder-oder abtriftet.
Angst vor Fremden hat viele Gesichter, hier werden nur die aktzeptiert, die keine Angst zeigen und die Flüchtlinge als liebenswerte, bedauernswerte Menschen schildern.

Ich habe keine Angst vor Fremden, ich habe Angst, wie diese ganze Sache weitergeht. Wo und wie wohnen diese mittlerweile über eine Million? Wo sind Kindergartenplätze, wie geht es in Schulen, was macht unser eh schon teures Gesundheitssystem mit den vielen Unversicherten?

Soll ich weitermachen? Wer spricht davon?
Die Kanzlerin hat in der Neujahrsrede keine Silbe davon erwähnt. DAS wären Themen gewesen, um die Rechtsgerichteten etwas zu beruhigen.

Heute kam im TV, eine Stadt hat über 18jährigen männlichen Flüchtlingen verboten, die Badeanstalt zu besuchen. Jetzt gibt es Gespräche, wie man bei uns mit Frauen umgeht, dann kann man wieder weitersehen.

usw. usw.

Angst vor Fremden?
eine viel zu vage, einfache Frage. Auf die auch noch so harsche Berichte von Betreuer(innen) keine Antworten geben.

sei freundlich gegrüßt
Clematis
christl1953 Es hätte mir auch Gedanken gemacht,wenn ich so wie du in der Kirche diesen einsamen Beter gesehen hätte,wahrscheinlich hätte ich ihn auch angesprochen
so wie du. Es ist auch gut so dass wir nicht die Augen vor dem verschließen was wichtig ist und zu Hilfe bereit sind.sollen doch die Hasser und Hetzer von Pe/Neo etc.weiter schreien und vor den Flüchtlingen warnen,nicht jeder der dunkelhäutig ist gehört der ISIS an.
Diese Menschen haben zum Teil furchtbare Dinge erlebt,von denen wir hier in unserem schönen friedlichen Deutschland keine Ahnung haben.Auch wenn die Ereignisse von Silvester-Köln uns erschrecken,bei so vielen tausenden Menschen sind auch welche dabei die nicht richtig ticken
und denen unsere Lebensart der Freizügigkeit nicht gefällt.Deshalb lasst uns freundlich sein und die Gestrandeten hier wie Menschen behandeln-human!
ehemaliges Mitglied für Deinen bewegenden Bericht. Die meisten von uns haben nie solche schlimmen Traumatisierungen erleben müssen, wir hatten ein großes Glück, bisher zum größten Teil davon verschont zu bleiben.
Umso mehr sehe ich unsere Verpflichtung, denen, die nicht dieses Glück hatten und ein furchtbares Schicksal erleben mussten, zu helfen.
Denn wenn es jemand kann, dann wir, die verwöhnten Wohlstandsbürger.
Ich trete deshalb auch jeder Hetze energisch entgegen, auch wenn ich mich bei vielen damit unbeliebt mache. Das ist mir egal. Arsch huh, Zäng ussenander! Darauf kommt es an! Gerade weil Ereignisse wie die in Köln verallgemeinert und von einigen instrumentalisiert werden, um eine immer schon vorhandene Fremdenfeindlichkeit zu legitimieren.

Gruß Marina
lillii zuerst mal meinen Dank für Eure Kommentare und für das Verständnis über mein Erschrecken.
Unvorhergesehen in so eine Situation zu kommen passiert wohl häufiger, man muss lernen, damit umzugehen.
Es ist durchaus möglich, dass ich diesem bedauernswerten Menschen noch mal begegne und dann werde ich sicher anders reagieren.
Zwischenzeitlich habe ich erfahren, dass er durch den Verlust seiner Familie schwer traumatisiert ist, dennoch aber zurück möchte.

Grüße an Euch von lillii
omasigi Lieber Pan
stimme ich zu.
Wenn man nur mit Bedenken dem Fremden wo auch immer begegnet,
kann kein Vertauen auf beiden Seiten entstehen.

Doch liebe lilli,
kann ich Deine Reaktion auf den Wangenkuss verstehen. Mir ging es mit dieser Sitte vor ca 25 Jahren genauso.
Es war auf der Hochzeit meiner Tochter in Brasil. Am Ende stellten sich das Brautpaar mit beiden Elternpaaren am Ausgang der Kirche auf. Alle Kirchen Besucher ( die Gemeide war ebenfalls anwesend ) drueckten gratulierend jedem die Hand und dann kamen die Wangenkuesse. In Brasil 3x rechts, links, recht. Soviel wie damals wurde ich nie mehr gekuesst.
Inzwischen habe ich mich darán gewoehnt es gehoert einfach zur Hoefflichkeit in den suedl. Laendern.

Ich wuensche Dir, dass Du diesen Menschen noch mal triffst, vielleicht kommt es dann zu einem naeheren Kontakt ?

gruessle
omasigi
Pan dass du erfasst hast, worum es eigentlich geht.
Ich glaube, Angst ist etwas, das uns hemmt. Manchmal auch hemmt, Gutes zu tun. Es könnte ja etwas anderes dahinter stecken, meinen wir. Ist ja auch ganz natürlich. Ich kenne das aus meiner Kindheit her, als wir als Heimatvertriebene auch mit Misstrauen betrachtet wurden und lange brauchten, um uns einzugewöhnen. (Und wir waren Landsleute der Einheimischen!)
Genauer hinschauen und nicht nur mal so eben darüber hinweg, das ist wirklich wichtig. Natürlich kann man auch enttäuscht werden, wer kennt das nicht? Aber wiegt das nicht das auf, das wir sonst lassen würden?
Ich jedenfalls habe - das sagte ich bereits an anderer Stelle - keine Angst vor dem Fremden. Vielleicht weil ich weiss, dass wir alle Fremdlinge sind auf dieser Erde??
Ich grüße dich herzlich,
Pan~

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