In Rumänien galt es zuerst das Wichtigste zu erledigen. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Wir mussten mit unseren in Berlin eingetauschten Lei in Rumänien an einer Wechselstelle Benzingutscheine kaufen. Für Bargeld gab es dort nämlich keinen Kraftstoff.
Es gab ein schickes Interhotel in Nădlac, wie die Grenzstadt auf rumänischer Seite heißt. Da gingen wir hinein und kauften für 40 Liter Benzintalons. In dem Hotel war es angenehm klimatisiert und wir erblickten ein ansprechendes Restaurant. Hunger hatten wir schon lange, und so zögerten wir nicht, das Restaurant zu betreten. Sofort wurden wir von einem sehr höflichen Kellner in Empfang genommen. Er sprach deutsch und wies uns einen schönen separaten Raum zu, in dem es sich vortrefflich speisen ließ. Hatten wir vorher gehört, dass es in Rumänien nichts zu essen gebe, so erlebten wir hier genau das Gegenteil. Wir wurden verwöhnt nach Strich und Faden und konnten gar nicht alles verzehren, was uns aufgetischt worden war.
Als ich dann die Rechnung bestellte, erfuhren wir den Grund für unsere bevorzugte Behandlung. Der Kellner fragte mich nämlich, ob ich etwas dagegen hätte, die Rechnung in D-Mark zu bezahlen. Er wolle demnächst nach Westdeutschland reisen, da könne er das entsprechende Geld gut gebrauchen. Leider erlebte der arme Kerl die wohl größte Enttäuschung seines Lebens, denn ich outete uns als DDR-Bürger und bezahlte in Lei.
Der Trugschluss des Obers rührte wohl daher, dass wir ziemlich neue westliche Kleidung trugen, die uns unsere schwedische Tante kurz zuvor aus Westberlin mitgebracht hatte. An der Sprache konnte er uns nicht unterscheiden, denn wir sprachen deutsch wie unsere Landsleute jenseits des eisernen Vorhangs.

Aus dem Buch "Reisehusten" von Wilfried Hildebrandt


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